6. Januar 2020

So könnte die Mobilitätswende auf dem Land gelingen

Menschen, die in Kleinstädten und Dörfern leben, kriegen Panikzustände, wenn sie das Wort Mobilitätswende hören.

Sie erleben ihre Situation so, dass sie auf keinen Fall auf ein eigenes Auto verzichten können, vor allem die Jugend, die ihre Freiheit entdeckt und ausleben will, indem sie aus dem Dorf rausfährt. Busse und Bahnen helfen ihr leider gar nicht. Sie fahren zu selten oder sind stundenlang über Dörfer unterwegs. Radwege gibt es für Touristen, aber nicht für Pendler/innen, sie führen nicht zur nächsten Bushaltestelle oder zum nächsten Regionalbahnhof. Radschnellwege zwischen Kleinstädten und Dörfern gibt es auch nicht.

Die Zeit hat Fachleute gefragt, was passieren muss, damit auf dem Land das eigene Auto weniger notwendig ist als derzeit.

1. Busse und Bahnen müssen oft und schnell fahren. Einmal pro Stunde ist das Mindeste. Außerdem sollten die Busse nicht über jedes Dorf kurven, sondern schnelle Verbindungen in größere Städte schaffen. (Es geht nicht, dass man  beispielsweise von Wangen im Allgäu nach Ravensburg mit dem Auto eine halbe Stunde fährt, mit dem Bus aber zwei Stunden.) Damit die kleinen Dörfer an die schnellen Bus-Strecken angeschlossen werden, sollten kleine Busse die Haltestellen der Schnellverbindungen anfahren.

2. Die Wege zu den Haltestellen müssen organisiert werden. Es braucht ausreichend geschützte Fahrradabstellplätze. Oft sind es nur wenige Kilometer zu einer Bus- oder Bahnhaltestelle, die man mit dem Fahrrad, allemal einem Pedelec gut zurücklegen kann. (Bis auf dem Land autonome Fahrzeuge unterwegs sind, dauert es nämlich noch.) Wenn man das Personenbeförderungstestzt ändert, könnten auch Privatleute mit ihren Autos Taxifahrten zu Haltestellen übernemen.

3. Es braucht ein umfassendes Radwegnetz. In Deutschland gibt es auf dem Land touristische Radrouten, aber keine, die für Pendler/innen und solche, die nur zu einer Haltestelle radeln wollen, attraktiv sind. Entlang viel beraster Landstraßen radeln, macht den meisten Menschen Angst. Zehn Prozent des Straßenbudgets müssen in den Radverkehr fließen. Diese Radwege könnten auch von Mopeds und E-Scootern, von S-Pedelecs sowieso befahren werden. Radschnellwege können ländliche Städte und Gemeinden wirkungsvoll verbinden. (So gibt es beispielsweise keinen direkten oder durchgehenden Radweg von Wangen im Allgäu nach Ravensburg, obgleich man 25 km gut mit einem Pedelec oder S-Pedelec radeln könnte.) Von mir sei angefügt, es muss auf dem Radwegnetzt auch einen guten Winterdienst geben.

4. Carsharing könnte auf dem Land viele Privatwagen ersetzen. Vor allem bei solchen Fahrten, die man nicht jeden Tag macht, etwa zu einem entlegenen Sportplatz oder zu einem Baggersee. Carsharing könnte vom Staat gefördert werden, sodass kleine E-Fahrzeuge überall zur Verfügung stehen. Das spart vor allem der Jugend die Kosten für ein eigenes Auto.

5. Ansiedlungen müssen in der Nähe von Bahnstrecken gebaut werden. Meistens werden Baugebiete oder Gewerbegebiete irgendwo ausgewiesen, nicht aber dort, wo der öffentliche Nahverkehr schon ist. In der Nähe von Bahnhöfen und Haltestellen mittelgroßer Städte wären übrigens auch Einkaufsmöglichkeiten, Supermärkte und Arztpraxen sinnvoll.

6. Autofahrende müssen den wahren Preis bezahlen. 
Auto gefahren wird vor allem im ländlichen Raum. Auf dem Land steigt die CO2-Emission immer noch an. Deshalb müssen Diesel und Benzin teurer werden. Was Privatleute für ihr Autofahren bezahlen, muss die realen Kosten für die Gesellschaft und Umwelt abbilden. Autofahren und Parken muss teurer werden. Das macht die Alternativen attraktiver, sofern sie vorhanden sind. Und deshalb müssen Busse, Bahnen und Radinfrastruktur schnell sehr viel besser werden. 

Hier noch mal der Link zum Zeit-Artikel

12 Kommentare:

  1. Sehr geehrte Frau Christine Lehmann
    Auf den Dörfer gibt es oft kein Einkaufsmöglichkeit für die Lebensmittel für den täglichen Bedarf!Man muß dan einige Kilometer fahreren dann gibt es Supermärkte mit große Parkplätze die den Kunden kostenfrei angeboten werden!Wenn man mit dem Fahrrad,zu Fuß oder mit den öffentlichen Verkehrsmittel seine einen Einkauf tätigt!Wird bei diesen Einkaufzentren dies nicht honeriert das man hier keinen Parkplatz nutzt!Hier wäre die Politik gefragt wenn solche Unternehmen die gegen das Allgemeinwohl wirtschaften das man diese verpflichtet Gebühren für die Parkplätze zuerheben!Dadurch wird das Klimafreundliche Verhalten gefördert!Vieleicht würde es dan wieder lohnen in der Dorfmitte eine Einkaufszentrum zu betreiben die bequemer zu Fuß und mit dem Fahrrad zuerreichen sind!
    Mit freundlichen Gruß
    Der Straßenradler

    AntwortenLöschen
  2. 6b. Die Steuerersparnis bei KfZ-Nutzung muss reduziert werden. Man könnte die Absetzbarkeit von KfZ-Kosten am Transportbedarf bemessen oder ähnliches, man könnte Kosten für PKW deckeln ... Dass die Kosten eines Geschäfts-KfZ in jeder Höhe absetzbar sind, ist eine Fehlsteuerung, die dringend korrigiert werden muss!

    AntwortenLöschen
  3. Früher gab es ja auch mal Arbeitsplätze auf dem Land, Unternehmenberater sind jahrelang mit Zentralisierung unterwegs gewesen. Der Öffentliche Dienst hat Zentralisierung zum Arbeitsplatzabbau genutzt. Dazu noch die einseitige Autopolitik, da braucht sich doch niemand zu wundern. Hier hätte die Politik längst gegensteuern können und müssen, jetzt wird die Zeit langsam knapp. Und solange die Wutbürger nur Angst haben, dass ihnen das ach so tolle Auto und damit die letzte Freiheit wegenommen wird, passt doch alles. Mir fehlt halt ein Gesammtkonzept wie die Gesellschaft 2050 aussehen soll und ein Plan wie man dann da hinkommt. Es gibt heute schon jede Menge, auch CO2 neutrale oder freie, Möglichkeiten. Es wäre wohl eine Frage an die Philosophie wo es klemmt und wie wir da auf den Weg kommen. Eigenlich möchte ich nicht auf die nächste größere Krise warten, damit der Stein mal ins rollen kommt.

    AntwortenLöschen
  4. Als Selbständiger kann man Wege, die mit dem Auto zurückgelegt werden, bei der Steuer anrechnen - mit dem Fahrrad nicht (und früher nur zu einem lächerlichen Betragm der den Aufwand nicht Wert ist).

    An solchen Regelungen kann man erkennen, dass es der Politik gar nicht darum geht, umweltfreundlichen Verkehren zu fördern; wer das trotzdem glaubt, lässt sich von der Politik belügen.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Soweit ich weiß, kann man auch Wege mit dem Fahrrad bei der Steuer geltend machen, zumindest als Pendler mit der Pendlerpauschale (da gilt für alle der Satz von 30 Cent pro Kilometer). Geht das bei Selbständigen nicht?

      Löschen
    2. Bei Selbständigen konnte man 5ct pro Kilometer nehmen, was ein Witz ist, da man ja ein Fahrtenbuch führen muss, d.h. jede Fahrt einzeln auflisten. Bei einer Fahrt nach Esslingen (2x10km) kommen am Ende ein paar cent mehr im Geldbeutel heraus und dafür einen mords Aufwand.

      Soweit ich das verstehe sind die 5ct inzwischen ersatzlos gestrichen.

      Löschen
  5. Zu Punkt 6 gebe ich ihnen Recht, bei den anderen Punkten muss ich widersprechen.

    Zum einen ist die Bezeichnung "auf dem Land" schwierig, da dies kein eindeutig abgegrenzter Begriff ist. "Auf dem Land" kann vom Vorort einer süddeutschen Großstadt bis zum kleinen norddeutschen Dorf mit 500 Einwohnern alles sein.
    Diese beiden Beispiele unterscheiden sich jedoch fundamental. Ich wohne zum Beispiel im benannten zweiten Fall (Dorf mit 500 Einwohner). Wir haben zum Beispiel hervorragend ausgebaute Fahrradwege die jedoch nicht genutzt werden, dafür sind die zurückzulegenden Entfernungen zu groß (Kindergarten 8 km, Einkaufen 8 km, Arzt 12 km, Baumarkt 20km).
    Zum anderern haben öffentliche Transportmittel bei solch einer Besiedlungsstruktur einen massiven Nachteil: Es gibt einfach zu wenig Leute die gleichzeitig in eine Richtung fahren wollen um einen öffentlichen Nahverkehr so auszulasten das er ökologisch konkurrenzfähig wäre.
    Diese Vorschläge zeigen in Summe ein Problem: Es soll ein im urbanen Raum unbestritten sinnvolles System (ÖPNV) in einen Raum gezerrt werden in dem es seine Vorteile nicht ausspielen kann. Dies ist jedoch auch nicht im Sinne des Umweltschutzes denn des bindet wertvolle Transportkapazität an der falschen Stelle.
    Meine Vorschläge sind hierzu:
    1. Es braucht eine zeitnahe Veränderung der Antriebe (auch von Bus und Bahn). Im wirklich ländlichen Raum sind E - Autos mit Solarstrom betrieben ähnlich ökologisch sinnvoll wie der ÖPNV.
    2. Es muss einmal wirklich erforscht werden ab welcher Besiedlungs- und Verkehrsdichte der ÖPNV Vorteile bringt.
    3. An den Übergängen müssen sinnvolle Lösungen geschaffen werden (P&R), das Einfahren in Städte muss unattraktiv gemacht werden.
    4. Die Mittel für den ÖPNV und Radverkehr müssen ausgebaut und an den sinnvollen Stellen eingesetzt werden (in den Städten und verdichtenden Räumen).
    5. Verkehrsforscher sollten sich nur solche Leute nennen dürfen die auch wirklich forschen (also Daten erheben und diese auswerten). Personen wie Herr Knie sind Verkehrsphilosophen.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Da gebe ich dir Recht, es braucht dringend sachdienliche Untersuchungen, die alle fehlen. Momentan ist es immer so, dass die Betreiber öffentlicher Fahrdienste sagen: Da fährt ja keiner mit, die Busse fahren leer, kostet ein Haufen Geld. Aber es fahren die Leute nicht damit, weil sie davon nicht wissen, weil sie ein Auto haben, das bequemer dafür ist, und weil die anderen es auch nicht tun. Umbrücke solch fundamentaler Art sind eben sehr schwierig. Im Grunde ist es so: Das gute Angebot muss massiv sein, und das Autofahren muss massiv beschränkt werden, unbequemer und teurer gemacht werden. Es geht nur mit Angeboten und Verboten. Und die Politik hat es seit dreißig Jahren versäumt, eine andere Politik als die fürs Auto zu machen. Es geht ja auch gar nicht darum, dass niemand mehr Auto fährt, sondern dass auch ländliche Siedlungskerne sich so organsisieren, dass sie nicht nur für Autofahrer attraktiv sind, sondern auch für alle anderen, die ohne Auto leben wollen.

      Löschen
  6. Guten Tag

    Überaus gute Informationen, die Sie da veröffentlichen! Dieser Blog war gewiss viel Arbeit! Exakt das habe ich gesucht!

    Liebe Grüße,
    Adpoint

    AntwortenLöschen
  7. unser kurzurlaub mit Bahn und Bus nach Südniedersachsen brachte es auf den Punkt. Es grenzt an Masochismus, mit den ÖPNV in dieser Form zu reisen: für die ersten 400km brauchten wir mit einmal umsteigen drei Stunden, für die letzten 25 km nochmal eineinhalb Stunden!! Die Bahncard 100 galt nur in einem Verkehrsverbund - eigentlich hätten wir aussteigen müssen, und ein Neues Ticket ziehen müssen und wieder in den nächsten Bus eine Stunde später einsteigen müssen - der Busfahrer hatte jedoch ein Einsehen....Bus und Bahn sind NICHT aufeinander abgestimmt. Der Bus fährt eine halbe Stunde später am Bahnhof los - nur Eingeweihte wissen auch wo, oder kommt 4 Minuten zu spät am Bahnhof an. Am Sonntag fährt nur alle zwei Stunden ein Bus mit den beschriebenen Problemen und noch dazu mehr oder weniger im Kreis, damit auch wirklich jede Milchkanne angefahren werden kann. Fahrräder dürfen gar nicht mitgenommen werden.Jeder zusteigende Fahrgast kauft in Aller Ruhe beim Busfahrer sein Ticket, Verspätung vorprogrammiert.Es war nicht möglich von Stuttgart aus, ein durchgängiges Ticket zu lösen. Horror. Untragbar. Und das mit zwei Kindern und Gepäck. Wir als Städter können vieles theoretisieren, aber man sollte es erst einmal ausprobiert haben, bevor man schöne Punkte fordert.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Das ist doch das, was ich meine. So geht das eben nicht. Auf dem Land muss das gesamte ÖV-Systhem neu aufgestellt werden: Schneller, direkter, einheitliche Tarif-Optionen und so weiter.

      Löschen