20. Juni 2020

Temporäre Mobilitätswende auf der Theo

Nun haben wir also temporäre Radfahrstreifen auf der Theo. Es radelt sich super, finde ich. Allerdings bin ich auf dem Rad- und Busstreifen auch angehupt worden. 

Ich stand dort eine Viertelstunde am Fußgängerüberweg Richtung Hospitalviertel, wo die Polizeistation ist, und habe mir angeschaut, wie das so läuft. Es waren doch viele Radfahrende unterwegs, die teils lächelnd zu Bolzstraße radelten, obgleich die vielen Fußgängerampeln immer wieder auf Rot standen. Es gab keinen einzigen Rotlichtverstoß durch Radfahrende, sber viele Verstöße durch den motorosierten Verkehr.

Der Autoverkehr rutscht nun nicht mehr so flüssig durch die Theo. Wenn die Fußgängerampeln Rot werden, sieht man Autoschlangen (logisch, sie stehen ja nicht mehr nebeneinander). Für Autofahrende ist es sichtlich ungewohnt, dass sie nicht einfach so durchbrausen können. Für den Bus wiederum ist das wunderbar. Und auch die Feuerwehr konnte auf der Rad- und Busspur frei durchpreschen.

Vergleichsweise viele Autofahrende fuhren auf dem Radfahrstreifen, vor allem dann, wenn es auf der Autospur wegen der Ampelstopps langsamer ging und sie weiter vorn rechts abbiegen wollten. Vor allem Autofahrende, die von auswärts kommen, können offenbar keine Verkehrsschilder lesen. Der Respekt vor der Rad- und Busspur ist bei einigen minimal. Ein Mercedesfahrer hupte mich sogar an, weil ich ihm nicht schnell genug radelte.

Und viele kapieren auch nicht, dass sie, wenn sie aus einer Nebenstraße oder wenn sie aus der Tiefgarage kommen auf die Theo einbiegen wollen, nicht quer über dem Radstreifen stehen und auf Einlass in die Autoschlange warten dürfen. Immer wieder mussten Radfahrende die querstehenden Autos umrunden. Ein Porschefahrer hat dabei tatsächlich aufs Gas getreten und ist noch ein Stück vorgefahren, als ich herankam, und hat die Lücke für mich damit noch enger gemacht.

Rechts stand auf der Bushaltestelle ein Polizeibus, in dem ein Politist saß. (Vielleicht hat auch er die Situation beobachtet). Einmal stieg er aus, um zwei Radfahrende (Mann und Frau) zurechtzuweisen, die auf dem Gehweg linksseitig fuhren, weil sie den Übergang zum Radstreifen auf der anderen Seite nicht gefunden hatten. (Der Gehweg war an dieser Stelle noch nie für Radler freigegeben.) Er stieg aber nicht aus, als ein Stella-Moped ebenfalls auf diesem Gehweg fuhr und sich dann wie ein Fußgänger an der Ampel aufstellte, um über die Fußgängerfurt bis in die Fußgängerzone des Hospitalviertels zu fahren. Eine seltsam  lässige Haltung allen Fahrer:innen gegenüber, die nicht mit Muskelkraft fahren.

Überhaupt fahren Moped- und Motorradfahrer:innen notorisch regelwidrig. Alle fuhren rechts an der Autoschlange vorbei, teils mitten auf dem Radstreifen.

Ich vermute, der Autoverkehr wird allmählich lernen, dass er nicht überall das Recht hat, langzufahren. Ein Gewinn sind die paar hundert Meter sehr breiter Radfahrstreifen auf jeden Fall.

Und so eine Anlage strahlt auch aus in die Köpfe von Autofahrenden und Radfahrenden und weckt bei Radfahrenden sicher das Bedürfnis nach mehr und zeigt, wie eine Mobilitätswende aussehen könnte. Für Autos eine Fahrspur, für Radfahredne die andere. Genau das könnten wir auf der Neuen Weinsteige, auf der Cannstatter Straße, auf der Pieschekstraße oder auf der Rortebühlstraße, auf der Merecedesstraße, auf der Siemenstraße und auf der Heilbronnerstraße brauchen, um nur ein paar zu nennen.




20 Kommentare:

  1. Eine großartige Verbesserung. So kommt für mich wieder in Frage, die Theo zu fahren. Die habe ich bisher vermieden. Es war sehr unangenehm auf dem alten schmalen Radfahrstreifen, bei dem man nicht seitlich ausweichen konnte, an der Autoschlange vorbeizufahren (das hätte ich gerne mit 30km/h gemacht). Fußgänger an ihrer roten Ampel sind einfach blind rübergelaufen (und mir vor das Fahrrad), offensichtlich weil sie dachten, bei den stehenden KFZ ginge das ja.

    Das Verhalten der Polizisten ist wirklich merkwürdig. Du hast sie nicht angesprochen, warum sie MIV-Verstöße nicht genauso ansprechen wie Radfahrer-Fehlverhalten?

    Meine Erfahrung bezüglich Behinderung und Nötigung von Fahrradfahern durch Autofahrer ist ähnlich. Die Polizei will das regelmäßig nicht aufnehmen. Die Polizisten halten das offensichtlich für Bagatellen.

    Andererseits gibt es sogar Gerichtsurteile, wenn Autofahrer andere Autofahrer genötigt haben. Und als Radfahrer darf man ja nicht den KFZ-Verkehr auch nur minimal beeinträchtigen. Da sieht man noch die Machtverhältnisse und eine gewisse Art von Solidarität mit dem MIV.

    Nur angehupt zu werden - da bist Du doch noch gut davongekommen.

    Warum glaubst Du, dass noch eine Verbesserung eintritt, wenn nichts geahndet wird weder Polizei noch Ordnungsamt wenigstens mit Ermahnungen eingreifen?

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  2. Wie lange ist denn der temporäre Streifen vorgesehen?
    Halten Gemeinderat und Stadtverwaltung die vorgeschriebene Wirkkontrolle gemäß ERA (bzgl. Nutzungszahlen, Verkehrsverstößen, kritischen Situationen, Unfällen) auch für die temporäre Maßnahme für notwendig, in welcher Form wird sie durchgeführt und wann dem Gemeinderat vorgelegt?

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    1. Ich habe mal eine Strava-Heatmap gespeichert als "Referenz". Ich glaube, Strava aktualisiert die Heatmap alle 2 Monate. Dann erkennt man vielleicht bis Oktober sogar eine Entwicklung, ob der Radanteil auf der Theo (relativ) zunimmt.

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  3. Es ist immer wieder faszinierend und für mich sehr irritierend, wie Fußgänger die Roller schweigend hinnehmen. Egal ob sie auf dem Gehweg abgestellt werden, durch Fußgängerzonen brettern oder wie in Deinem Beispiel auf Fußgängerüberwegen Ihre Strecken abkürzen. Gefühlt ist die Toleranz für diese Kraftfahrzeuge größer als für Fahrräder und deren Fahrer/innen.

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    1. Das finde ich auch ein Pänomen. Ich denke inzwischen, dass diejenigen, die sich mit Muskelkraft bewegen und keine Geräte mit Motoren benutze, wo sie nichts tun müssen außer Gas geben, als Tadel und als Außenseiter:innen empfunden werden. Und weil sie den Motorisierten ein schlechtes Gewissen machen, stürzt man sich auf sie, wenn sie Fehler begehen oder auch auf Gehwegen radeln, wo es nicht erlaubt ist.

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  4. Na so richtig in Feierlaune bin ich nicht. Wenn man bedenkt, was das für ein Kraftakt war. Während andere Städte 'über Nacht' einfach 'gemacht' haben, muss man in Stuttgart wegen diesen paar temp. Metern noch rumstreiten...in ein paar Wochen ist die Party eh vorbei...

    Allmählich rückt bei mir persönlich auch mehr und mehr die Stuttgarter Polizei in den Focus. Ich beobachte schon seit längerem wie sie einfach Verstöße nicht ahndet: Auf der HRR1 in Richtung Fellbach fahren andauernd Roller, Motorräder auf dem geschützten, benutzungspflichten Radweg (VZ 237)- quasi am Stau vorbei. Und es kam schon vor, das die Polizei im staufahrend von diesen Rollern, Motorrädern rechts überholt wurden. Was passierte? Nichts! Gehts noch? Als ich im Polizeirevier anrief, schob man das alles aufs Ordnungsamt, ruhender Verkehr und so. Mir scheint, das man erst Dienstaufsichtbeschwerden oder gar Strafanzeigen gegen Unterlassung im Amt initiieren muss, bis sich da was bewegt. Warum haben wir in Deutschland eine derart mangelnde Rechtstreue bei Amtsträgern & Vollzugsbeamten? Wozu gibt es Gesetze und Regeln in Deutschland? Auf mich wirkt das immer verstörender...Klaus Bongartz

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    1. Bei der (Verkehrs-)Polizei in Stuttgart gibt es eine große Bandbreite. Von völliger Unkenntnis (einige) bis zu richtig guten Spezialisten (3).

      Meine Erfahrung insgesamt: bis auf einen waren alle freundlich und rücksichtsvoll/verständnisvoll. Sie haben sich Zeit genommen, Fragen beantwortet und sich einer Diskussion gestellt.

      "Aufträge", etwas zu melden, wurden aber entweder rundweg abgelehnt oder so zögerlich entgegengenommen, dass mir schwant, dass das alles versandet ist.

      Diese Toleranz wurde aber auch mir als Radfahrer zuteil. Ein kleiner Rüffel, wo ich auch gegen 10 Euro nichts hätte einwenden dürfen - so was meine ich. Also immerhin einigermaßen gleich verteilt. Nur beim letzten Unfall, da wurder der Autofahrerin mehr geglaubt als mir. Das sah nach Radfahrer-Malus aus.

      Eine Situation, die mich geärgert hat: die Fahrradstreife hat mich zum Anhalten genötigt, um mir dann zu erklären, dass ich zwar regelkonform an einer Kreuzung von Radfahrer-Frei auf die Fahrbahn gewechselt habe, es hätte aber gefährlich werden können, wenn ich dabei ein Auto übersehen hätte.

      Das ganze in Sichtweite der Kreuzung am Rosensteinbunker, wo regelmäßig Unfälle passieren (mir auch schon), weil Autofahrer sich nicht an das Stopschild halten. Die 5 Autos, die während unseres Gesprächs dort drübergebrettert sind, haben ihn nicht interessiert: Wenn er beginnen würde, Knöllchen zu verteilen, käme er in keiner Schicht weiter als 10 Meter von der Wache weg...

      Ein anderer, der nach einem weiteren Unfall an der Rosensteinkreuzung eine Fotoserie zur Vorlage bei der Stadtverwaltung gemacht hat, äußerte sich frustriert darüber, dass die städtischen Behörden die "Anregungen" der Polizei regelmäßig in die Tonne treten.

      Wieder andere patroullierten mit einem Vito (!), der beide Spuren gleichzeitig blockerte, auf der HRR1 am Planetarium und zwangen alle Radfahrer auf den Gehweg. Die Polizisten haben aber immerhin keine Knöllchen verteilt, obwohl kaum ein Radfahrer zum Umrunden abgestiegen ist. Als ich in der Kurve das Gefährt plötzlich "formatfüllend" vor mir hatte, habe ich innerlich schon etwas geflucht. So einem Kasten auf dem Radweg, das fand ich nicht besonders sensibel.

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  5. Das mit dem Fahren auf einem neuen Radweg bei Autorückstau kennen wir hier in Mannheim auch. Hier wurde auf einer Hauptverkehrsstraße die 3.(!) Spur zum Radweg mit Busfreigabe (auch eine nette Kombi). Der Radweg wird/wurde regelmäßig von Nichtfahrrädern und Nichtbussen benutzt. Die Fahrspur geht direkt am Polizeipäsidium vorbei und dort ist anscheinend aufgefallen, dass es da zu viele Fremdnutzer gibt und man hat dann begonnen zu kontrollieren und zu ahnden. In wieweit es was gebracht hat, kann ich nicht sagen, ich bin schon lange nicht dort langgekommen. Aber jedenfalls hat schonmal jemand das Problem dort erkannt und auch etwas gemacht.
    Aber Regeltreue oder -untreue ist nicht abhängig von der Fahrzeugart, sondern vom Fahrer. Es gibt in allen Fahrzeugarten Ar.l..cher und Rücksichtsvolle. Die A... fallen nur mehr auf, weil sie halt A... sind. Die Regelkonformen sind halt unauffällig.
    Gruß
    Karin

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  6. Danke für die Beobachtungen. Den Satz "Überhaupt fahren Moped- und Motorradfahrer:innen notorisch regelwidrig." finde ich nicht gelungen.

    Genau über solche Aussagen beschweren sich Radfahrende zu recht.

    Vielleicht gibt es nicht genug Infrastruktur für Moped- und Motorradfahrer:innen?

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  7. Fragenkatalog an Christine Lehmann:

    1. Warum möchtest Du nicht, das konkret Namen und Abteilungen benannt werden, die diesen ganzen Murks in Stuttgart veranstalten? Hast Du einen Interessenskonflikt?

    2. Warum zensiert Du Beiträge die Namen und Abteilungen benennen?

    3. Bist Du der Ansicht, das durch das klare adressieren der Verantwortlichen ein Bashing stattfindet?

    4. Bist Du der Meinung, das Du mit Deinem Blog viel erreichst? Wenn ja, bei wem konkret?

    5. Befürwortest Du und würdest Dich dafür einsetzen, dass die Stadt Stuttgart zukünftig ein digitales Monitoring (z.B Dashboard, übers Internet abrufbar) einführt? Stichwort: Transparenz, Erfolgskontrolle..

    Klaus Bongartz

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    1. Lieber Klaus, mal vorweggeschickt, das ist mein Blog, da kann ich machen was ich will. Und ich möchte nicht, dass im Internet namentlich genannte Personen abgewertet und zum Hass freigegeben werden. Ich unterbinde, wo ich kann, jegliche Namensnennung verbunden mit emotional gefärbten also die Person abwertenden Begriffen, dadagen aber nicht eine sachlich begründete Kritik in respektvollem Ton gegen irgendwelche Personen. Und das gilt für alle, auch für die Representanten beispielsweise des Bundesverkehrsministeriums. Es geht nicht um den Inhalt, der darf so kritisch sein, wei er sein möchte, sondern um den Ton. Wir haben uns viel zu sehr angewöhnt, im Netz auf Leute zu schimpfen und grenzen nciht klar ab zwischen Kritik an einem Verhalten oder einer Entscheidung, die wir nicht teilen, und der Person. Eine Person darf bei Diskussionen in der Sache niemals als Person angegriffen werden. Das ist mein Standpunkt. Und den behalte ich auch bei.

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    2. Klaus, mit Deinem 5. Punkt sprichst Du mir aus der Seele. Es mangelt massiv an Transparenz.

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  8. Okay, dich stört die Verallgemeinerung. Besser wäre gewesen: viele Moped- und Motorradfahre sehe ich regelwidrig fahren. Ich kann Dutzende von Fotos beibringen, wo sie auf Gehwegen parken, was verboten ist, sich in Radständern abgestellt werden, was verboten ist. Keine Fotos habe ich von Motorradfahren, die über den Gehweg an einer Autoschlange vorbeifahren, aber das sehe ich immer wieder. Der Stellafahrer fuhr konsequent auf Geh- und Fußgängerwegen, nicht auf der Fahrbahn. Die Verkehrsinfrastruktur für Mopeds und Motorräder ist vorhanden, sie ist nämlich die Fahrbahn. Und davon ist reichlich vorhanden. Die Position ein er allgemeinen Wahrnehmung der Moped- und Motorrfadfahrer ist eine deutliche anderre als die von Radfahrenden. Und wir Radfahrenden beobachten leider immer wieder, dass die Verkehrsverstöße von motorisierten Menschen häufiger und auch folgenschwerer sind als die von Radfahrenden, dass man aber gerne behauptet, nur Radfahrende hielten sich an keine Regeln.

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  9. So oder so:
    Es gibt neue rechtliche Regelungen auf der Theo, die offensichtlich nicht eingehalten werden.
    Da möchte ich doch aus gegebenem Anlass den derzeitigen Verwaltungschef Stuttgarts zitieren:

    "Eines muss klar sein: Es darf keine rechtsfreien Räume in Stuttgart geben"

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  10. Ich habe gestern eine Radfahrerin gesehen, auf dem gemeinsamen Geh-und Radweg, mit Helm. Kam mir optisch etwas schnell vor und was war's? Ein S-Pedelec, auf dem Radweg, darf man auch nicht!
    Das Problem ist der Fahrer/Fahrerin und nicht das Fahrzeug.
    Karin

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  11. 5. Befürwortest Du und würdest Dich dafür einsetzen, dass die Stadt Stuttgart zukünftig ein digitales Monitoring (z.B Dashboard, übers Internet abrufbar) einführt? Stichwort: Transparenz, Erfolgskontrolle..

    Klaus Bongartz

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  12. @ Christine Die Antwort auf meine Frage? Klaus Bongartz

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    1. Klaus, ich möchte etwas höflicher behandelt werden. Bevor du von mir Antworten einforderst, als sei ich dir in irgendeiner Weise verpflichtet zu antworten, was ich nicht bin, hätte ich gern, das du dir die Mühe machtst, genauer zu erklären, was du mit diesem Monitoring meinst (wie funktioniert das Dashboard), und dich daran erinnern, dass im Zielbeschluss zur Fahrradstadt drin steht, dass es ein Monitoring geben muss (Zählungen, Berichte über Planung und Vollendung, über Unfälle etc.) Und dann formuliere deine Frage bitte etwas interessierter und höflicher, so als wolltest du von mir wirklich wissen, was ich über welche Art von Monitoring denke, nicht so, als unterstelltest du mir, ich wäre dagegen.

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  13. Hallo Christine,

    hier ein schönes Beispiel, wie Autofahrer reagieren wenn auf der Spur weiter fährt.
    https://twitter.com/StrohgaeuRadler/status/1277679008864493568?s=20
    Liebe Grüße L

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