9. September 2020

Polizei kontrolliert Radler auf der Königstraße

Die Polizei hat erneut Radfahrende in der Fußgängerzone kontrolliert. Am Dienstag gegen zehn Uhr standen sie mit großem Aufgebot am Schlossplatz beim Wittwer. 

Schon Ende August kontrollierte sie die Calwer Straße und die Bereiche der Königstraße am Bahnhof und am Rotebühlplatz. Im August wurden auch Radfahrende angehalten, die verbotenerweise durch den Höhenpark Killesberg fuhren.

Ein Blogleser hat mir von der jüngsten Kontrolle berichtet und auch die Fotos geschickt. Er berichtet, die Polizei habe sich von denen, die auf der Königstraße nicht vorm Rad gestiegen waren, den Führerschein oder Ausweis zeigen lassen und auch Bußgelder verhängt.


Es ist offensichtlich, dass die Polizei derzeit verstärkt versucht, durchzusetzen, dass sich Radfahrende an die Regel halten, dass in Fußgängerzonen nicht gefahren werden darf, wenn sie nicht für Radfahrende per Schild freigegeben sind. Dagegen kann man nicht sein. Ich finde es sogar gut, dass uns Radfahrenden klar gemacht wird, dass Verkehrsregeln gelten und wir uns daran halten müssen. Dasselbe verlangen wir ja auch von Autofahrenden. Und wir können uns nicht darüber beschweren, dass wir selbst bei einem Falschverhalten erwischt werden und zugleich fordern, dass Falschparker abgeschleppt werden, auch wenn wir selber gute Argumente haben, regelwidrig zu fahren. Auch Autofahrende haben gute Argumente, wenn sie auf Radstreifen halten oder parken. Unser guten Argumente, mit denen wir für uns selbst eine Ausnahme reklamieren, sind aber nicht besser als das Argument des Falschparkers, er wolle nur schnell zum Bäcker oder er blase Feinstaub in die Luft, wenn er einen Umweg fahre. 

Man muss nicht in der Köngistraße radeln. Wenngleich alle, die mich kennen, wissen, dass ich schon lange dafür plädiere, die Königstraße, allemal zwischen 20 und 10 Uhr für Radfahrende freizugeben. Aber so ist es eben nicht, und die meisten Fußgängervertreter:innen lehnen noch mehr Radlerstress für Fußgänger:innen ab, radeln doch ohnehin schon viel zu viele auf Gehewegen, oft auf freigegebenen, oft aber auch auf denen, die gar nicht freigegeben sind. Deshalb sind Freigaben für Fußgängerzonen oder auch den Killesbergpark derzeit kaum zu erreichen.

Die starke Zunahme des Radverkehrs in Stuttgart, der auf eine unzureichende und komplizierte Radinfrastruktur stößt, hat dazu geführt, dass sich vor allem die Neulinge ihre Wege pfadfindermäßig suchen, oft ohne große Ahnung von den Verkehrsregeln für Radfahrende, ohne die Verkehrszeichen wahrzunehmen, zu verstehen, auf sich zu bezihen und zu befolgen. Das ist natürlich auch die Folge eines extrem lückenhaften und teils sehr verzwickten Radwegenetzes, das Radfahrende immer wieder an Ecken völlig allein lässt oder auf engstem Raum unter Fußgänger:innen zwingt, wie am alten Rewe am Marienplatz (HRR1) oder an der Ecke Rotebühlplatz, Theodor-Heuss-Straße, wo eine Baustelle ist. Außerdem werden die Radstreifen und Radwege auch nicht von Falschparkern freigehalten, wie man zum Beispiel an der Baustellenumleitung in der Tübinger Straße sehen konnte.

Und so beschleicht eben viele von uns Radfahrenden das Gefühl, ob man eigentlich ausgerechnet jetzt die Radfahrenden kontrollieren müsse, während die Autos im 3-Minutentakt durch die eigentlich autofreie Eberhardstraße rollen und man immer wieder beobachtet, dass deren Fahrer:innen von der Polizeistreife, die dort auch durchfährt, nicht angehalten und zur Kasse gebeten zu werden. Oder wenn man liest und sieht, dass die Polizei geparkte Motorräder auf Gehwegen duldet, obgleich das ein Rechtsverstoß ist.

Doch der Verweis auf Verkehrverstöße anderer Verkehrsteilnehmer ist nicht okay. Auch uns Radfahrende ärgert es zu Recht, wenn jemand auf Radfahrende schimpft, weil man ihn gerade darauf hinweist, dass er auf dem Radweg parkt. Das Unrecht, das andere begehen ist keine Begründung, selbst eines zu begehen.

Ohne Zweifel kann die Ordnungspolizei nicht überall dort sein, wo Regelverstöße begangen werden, Kontrollen sind immer nur punktuell und vereinzelt. Falsch gefahren und falsch geparkt und falsch geradelt wird aber überall in der Stadt. Ich persönlich bedaure es sehr, dass wir es uns alle miteinander so angewöhnt haben, Verkehrsregeln nur dann zu beachten, wenn sie uns in den Kram passen. Wobei mit natürlich klar ist und ich es hier auch oft gesagt habe, dass Verkehrsverstöße von Autofahrenden für andere durchaus tödliche Folgen haben können und auch haben, die von Radfahrenden oder gar Fußgänger:innen aber so gut wie gar nicht. Und ich habe auch oft geschrieben, dass die Radverkehrsinfrastruktur so kompliziert und stellenweise uneindeutig ist, dass uns der Weg nur mit Regelverstößen machbar erscheint.

11 Kommentare:

  1. Du hast völlig recht. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass es eben keine Gleichbehandlung von Fahrrad- und Autofahrende gibt: Während für Autos eine perfekte, konsistente und lückenlose Infrastruktur zur Verfügung steht, ist das für Radfahrende nicht im Ansatz der Fall. Mit dem Rad ist man ständig gezwungen, zu improvisieren oder auf die eigenen Rechte zu verzichten, wenn man überleben möchte. Durch diese Ungleichbehandlung wird Radlern eine Kultur des Sich-durch-Wurschtelns aufgezwungen, zu der oft auch Regelverstöße gehören (müssen).

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  2. Die Realität sieht halt so aus: Entweder Autobahn, oder Fußgängerzone. Entweder riskiert man sein Leben, oder man nervt Fußgänger. Muss jeder für sich entscheiden, der Stadt Stuttgart ist es jedenfalls egal.

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  3. Das Ministerium für Verkehr hat am 11.5. einen Erlass herausgegeben, dass der ruhende Verkehr besser überwacht werden soll: https://bw.vcd.org/fileadmin/user_upload/BW/Verbaende/VCD_Baden-Wuerttemberg/2020/Presse/Erlass_zur_UEberwachung_und_Sanktionierung_von_Ordnungsdwidrigkeiten_im_ruhenden_Verkehr.pdf Dürfen wir in Stuttgart auf dessen Befolgung hoffen? Offenbar sieht das Ministerium hier einen deutlichen Handlungsbedarf. Etwas Derartiges ist vom Radfahren in Fussgängerzonen nicht bekannt, aber vielleicht kenn' ich nur den Erlass nicht ...

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  4. Herr Schweiger hat das sehr treffend formuliert. Morgen wird der Schwabtunnel wieder für den Verkehr freigegeben. Und ich werde weiterhin auf dem Gehweg durchradeln. Weil ich Angst habe vor Autos,die mit deutlich mehr als 30 oder 40 km/h mit deutlich weniger als 1 m Abstand an mir vorbeiziehen. Kalle/Heslach.

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    1. Wobei man klar sagen muss, dass es im Schwabtunnel nur um ein unangenehmes Gefühl geht. Eine reale Gefahr (also hohes Unfallrisiko) gibt es nicht.

      Zudem ist das Risiko für Fußgänger durch die Gehwegradler erheblich höher.

      Daher die Bitte, dieses Verhalten doch zu überdenken.

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  5. "Ohne Zweifel kann die Ordnungspolizei nicht überall dort sein, wo Regelverstöße begangen werden, Kontrollen sind immer nur punktuell und vereinzelt. Falsch gefahren und falsch geparkt und falsch geradelt wird aber überall in der Stadt. Ich persönlich bedaure es sehr, dass wir es uns alle miteinander so angewöhnt haben, Verkehrsregeln nur dann zu beachten, wenn sie uns in den Kram passen."

    +1 / besser kann man die Situation, so wie diese sich die letzten Jahre herauskristallisiert hat, nicht beschreiben!

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  6. Ich war vor 2 Wochen zufälligerweise Zeuge einer solchen Aktion im Höhenpark Killesberg. Bedenklich ist/war, dass die 2 angehaltenen Radfahrenden zwar um das Verbot wussten, jedoch keinerlei Einsicht zeigten und ziemlich unfreundlich und sehr laut gegenüber den Kontrolleuren wurden. Ob die dann was zahlen mussten weiss ich nicht, da ich weiter musste.

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  7. Wenn man Verbote ausspricht sollte man sie auch durchsetzen. Ich denke nicht das die Polizei die vielen verkorksten und diskriminierenden Regeln gegenüber Radfahrrrn durchsetzen kann.
    Übrigens Ampeln und Einbahnstrassen gibt es nur wegen Autos.
    Radfahren im Killesbergpark kann man verbieten unterbinden ist etwas anderes.
    Vielleicht 5% der Raffahrenden lesen diesen Blogg. Ich will niemanden beein flussen, nur Prognosen abgeben.

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    1. "Radfahren im Killesbergpark kann man verbieten unterbinden ist etwas anderes."

      Man könnte den Park, so wie es früher war, mit Eingangspforten ausstatten und schon wäre das Problem gelöst. Zudem würde der Höhenpark vor allem optisch durch solch eine Maßnahme profitieren!

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  8. es ist lustig: ich bin ganz oft und zu jeder tages- und nachtzeit mit dem fahrrad unterwegs.

    bei jeder fahrt werde ich geschnitten, bedrängt, mit unglaublich lärmenden maschinen konfrontiert, in gefährliche, unbrauchbare oder nicht vorhandene infrastrukturen gezwungen und häufig "übersieht" mich auch jemand im SUV, aber sagt dann manchmal "sorry".

    mich schützende regeln und gesetze gibt es entweder gar nicht, werden nicht eingehalten, nicht durchgesetzt, oder wurden bewusst so formuliert, dass sie ausreichend interpretationsspielraum lassen, um in einer föderalen struktur nicht befolgt werden zu müssen.

    ja. ich denke radler in der königsstrasse am wittwer sind nicht unser problem.
    nein. wir sollten diese regeln nicht befolgen. wenn uns juristischer aktivismus in die illegalität zwingt, so solten wir das nicht beschönigen, frau lehmann. ich empfehle hannah arendt.

    erst kontrollierten sie uns in der fussgängerzone...

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