12. Dezember 2020

Befreit unsere Kinder vom Auto!

Es ist Zeit, die grausame Gefangenschaft unserer Kinder in unserer tödlichen Auto-Kultur zu beenden, heißt es im britischen Independent

Der Preis, den sie mit Fettleibigkeit, Asthma, Verlust der Unabhängigkeit, psychischer Krankeit, Lungenschäden und verhinderter Freundschaften bezahlen, sie unzumutbar. 

Der Autoverkehr schafft Opfer, ich glaube, das ist unstrittig. Opfer sind Menschen zu Fuß, auf Fahrrädern und darunter auch viele Kinder. Wir erleben es aber auch hier in Deutschland, dass die Autolobby die Sachlage gerne sprachlich völlig verdreht und sich selbst als Opfer eines Kriegs gegen die Autofahrenden bezeichnett. So als gäbe es viele Autofahrende, die von spielenden Kindern und radfahrenden oder zu Fuß gehenden Menschen getötet oder verletzt würden. 

Den eigentlichen Krieg, so der Artikel, aber führen die Autofahrenden gegen unsere Kinder, gegen die Städte und Gemeinden und gegen den Planeten (also letztlich gegen uns alle). Jede Woche wird in Deutschland ein Kind (unter 15 J.) im Straßenverkehr getötet.

Über 3.000 Kidner werden durchschnittlich bei uns im Jahr vom Autoverkehr schwer verletzt, wenn wir dieser Statistik glauben: Die Zahl der Leichtverletzten geht an die 25.000. Das bedeutet für alle - für die Kinder, die Eltern - jedes Mal Schrecken, Schock, oft Krankenhaus, Sorgen, Rekonvaleszenz, Angst vor bleibenden Schäden. 

Das Auto bedeutet aber auch, dass Kinder in ihrer alltäglichen Bewegungsfreiheit enorm eingeschränkt sind. Sie müssen zu Hause oder in ihren Gärten spielen. Wenn es keine Gärten gibt, müssen sie an der Hand ihrer Eltern zu Spielplätzen gebracht werden. Viele Eltern trauen sich nicht, ihre Kinder alleine zu Fußg oder mit dem Fahrrad zur Schule zu schicken, weil sie Angst haben, sie könnten im Autoverkehr sterben oder schwer verletzt werden. Viele Kinder lernen in ihrer Kindheit nicht, sich in ihrem Viertel zurechtzufinden, weil sie meistens im Auto gefahren werden, sie finden sich auch später nur unvollkommen in ihrer Stadt zurecht, weil sie viel zu oft chauffiert werden, zum Sportclub, zur Musikschule, zu Freund:innen. Ja und auch die Freunde und Freundinnen, die sie haben, können sie nicht kurz entschlossen selber besuchen, weil die Eltern sie nicht rauslassen, ihnen die Wege alleine nicht zutrauen. Sie müssen warten, bis die Eltern bereit sind, sie hinzufahren. Das wird besser, je älter die Kinder sind, aber dann nölen sie schon herum, wenn sie die Stadtbahn nehmen sollen und erwarten das Elterntaxi für alle Unternehmungen. 

Mutter holt Kind von Schule ab.

Die Kindheit und Jugend, die ja ein Status ist, bei dem man sich Schritt für Schritt aus der Bevormundung und Abhängigkeit durch und von den Eltern befreit, ist eine Zeit der eigenen Abenteuer. Meistens zusammen mit Freund:innen wagt man etwas, dringt in Bereiche vor, die unheimlich oder unbekannt sind. Kinder brauchen die Freiräume, sich auszuprobieren, ohne dass ein besorgter Vater  "Vorsicht!" ruft. Die Wege in den Wald und zu Bächen sind oft von Straßen verstellt, vom Verkehr umtost. Und Eltern sind so sehr im Sorge-Modus, dass sie die Kinder nicht mit dem Fahrrad zum Wald lassen, wegen des Autoverkehr, und weil der Wald ja auch gefährlich erscheint. Man kennt ihn ja kaum noch.

Eine Folge dieser Gefangenschaft unserer Kinder in der Autokultur sind gesundheitliche Probleme, Fettleibigkeit, Atemwegsprobleme, Diabetes, eine viel zu frühe Erkrankung des Bewegungsapparats, also die Gefangenschaft in der Krankheit, die zusätzlich einschränkt. Wer sie wenig bewegt, wird auch leichter seelisch krank. Ganz abgesehen davon, dass die Erfahrungen der Selbständigkeit den Kinderseelen fehlen.

Ganz konkret sehen wir auf unseren Straßen die Gefängnismauern, die der Autoverkehr aufbaut: Entlang unserer Gehwege befindet sich ein Wand aus geparkten Fahrzeugen. Oft sind die Ecken so zugeparkt, dass man vom Gehweg kaum noch hinunter kommt, um eine Straße zu queren. Die Fahrflächen sind eine No-go-Area für Fußgänger:innen, und sie nehmen die größte Fläche in unseren Städten ein. Es gibt nur wenige Törchen, die durch diese Verkehrsmauern führen: Ampeanlagen für Fußgänger:innen. Und in jedem Fall muss man warten. 

Ich finde auch, es wird Zeit, dass wir uns von der Gefanganschaft im Auto und durchs Auto befreien sollten. Es dominiert nicht nur unseren öffentlichen Raum, es nimmt auch in unseren Gehirnen einen riesigen Raum ein. Wir sind psychisch abhängig vom Auto, so sehr, dass viele von uns mit Panik reagieren, wenn sie irgendwohin ohne Auto gelangen sollen, weil es kaputt ist oder wegen Eis und Schnee nicht gefahren werden kann. Wenn wir fahren, beschäftigen wir uns damit, wo wir parken können, desgleichen, wenn wir heim fahren. Das Auto, um das wir uns kümmern müssen, beschäftigt uns und stresst uns.


 

15 Kommentare:

  1. Eine Gesellschaft zeigt ihr wahres Gesicht, wie sie mit ihren Alten, Behinderten und ihren Kindern umgeht. Stuttgart ist eine extrem menschenfeindliche und kinderunfreundliche Stadt.
    Kinder haben in Stuttgart überhaupt keinen Status. Klar nerven Kinder auch mal rum und kreischen im Freien- dafür sind sie Kinder. Aber spielende Kinder hör ich mir allemal lieber an, als die 500PS-AMG/Mercedes-Klappenauspuffanlage, die einem das Hirn wegpustet. Schutzräume für Kinder? Die sehe ich in Stuttgart NULL. Die gibt es ja nicht mal für Erwachsene Fußgänger. Sichere Schulwege? NULL. Freie Flächen zum Spielen? Fast NULL.
    Das ist das Ergebnis einer völlig verfehlten Politik- zuletzt durch einen völlig unfähigen GRÜNEN OB Kuhn, der es eigentlich besser wüssten müsste. Durch den neuen OB Nopper wird sich daran auch daran nichts ändern- im Gegenteil: Rollback. Bestenfalls stagniert der jetzige Zustand oder es wird noch schlimmer. D.h. unter dem Strich zusammen 2 OB-Amtszeiten (16 Jahre) Stillstand in Stuttgart.
    Ich bleibe dabei: Die ‚Deutschen‘ haben ein gestörtes Verhältnis zum Auto und Stuttgart bleibt eine ‚Failed City‘

    Claudia

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Claudia, ich bitte auch dich, das namentliche Politkerbashing zu unterlassen. Und du irrst dich, wenn du meinst, das sei alles nur in Stuttgart so. Es ist überall in Deutschland so. In allen Städten und Kleinstädten. Es sind nämlich wir selbst, die nicht viel tun, um die Situation für Kinder zu ändern.

      Löschen
    2. "Es sind nämlich wir selbst, die nicht viel tun"

      Das stimmt einfach nicht! Das ist die Taktik der Erdölindustrie etc. dem Verbraucher die Verantwortung aufzubürden. Und Politiker, die da mitmachen, haben eben auch Mitverantwortung!

      Löschen
  2. Wir (sollen) verlernen, in jeder Hinsicht, dass wir physische Wesen in einer physischen Welt sind. (Sorry, aber auch e-bikes tragen mit dazu bei...)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Falls du mit E-Bikes das meinst, was das Wort eigentlich bezeichnet, nämlich E-Mopeds, gebe ich dir recht, auch die stehen jetzt auf Gehwegen herum und beschränken den Fußgängerraum zusätzlich. Falls du auf Pedelecs anspielst, dann wüsste ich nicht, in wiefern. Pedelecs haben dazu geführt, dass allemal in Stuttgart sehr viel mehr Menschen mit dem Fahrrad fahren, weil sie damit die Steilhänge hoch kommen, und demzufolge nicht mit dem Auto fahren. Pedelecs nehmen auch beim Abstellen nicht mehr Raum ein als Standardräder. Was allerdings mehr Raum braucht ist ein Lastenfahrrad, es löst aber das Auto ab, das noch mehr Platz braucht.

      Löschen
  3. Das klingt jetzt alles ein bisschen arg negativ. Wir sollten nicht vergessen, dass Stuttgart auch viele grüne Zonen und schöne Parks hat, die Sperrzonen sind für die Motorfahrzeuge. Ich geniesse es am Wochenende mit dem Rad durch den Schlosspark und entlang dem Neckar zu fahren, oder in den umliegenden Wälder zu spazieren. Stuttgart ist unglaublich grün, die einzelnen Stadtteile sind durch bewaldete Hügelzüge voneinander getrennt. Jeden Tag fahre ich mit dem Rad durch den Wald nach Vaihingen zur Arbeit. Regelmässig komme ich dort mit Hundebesitzern, Spaziergänger, oder Anglern ins Gespräch. Es gibt dort eine nette und entspannte Atmosphäre des Miteinanders.

    Es wäre schön, wenn es auch in der Innenstadt und den Quartierzentren mehr solche Verkehrs befreiten Zonen geben würde. Super dass sich Christine jeden Tag dafür einsetzt! Danke!

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Du meinst sicher "KFZ-VERKEHRS befreite Zonen" (siehe mein Kommentar unten). ;-)

      Welche Route fährst Du nach Vaihingen? Ich fahre unregelmäßig nach Renningen. Die HRR1 und das Gewurschtel weiter zum Pfaffenwaldring und nach Büsnau (um dann via Katzenbacher Hof über die Autobahn, Radelrund, Hölzertal, Magstadt, Renningen zu fahren) ist alles andere als inspririerend und entspannend. Meist fahre ich Hasenbergstraße, Blauer Weg, unterm Schattenring durch, entlang Pfaffensee/Neuer See/Pfaffenbach zur Heisenbergstraße in Büsnau. Für Alltagsverkehr und Rennrad-Bereifung ist das aber grenzwertig bis ungeeignet, vor allem bei feuchter Witterung und bei winterlichen Verhältnissen. Auch die weitere Strecke mit der kilometerlang dicken Schicht groben Schotters ist eigentlich nur was für Mountainbiker.

      Ich genieße es, als Pendler UNTER DER WOCHE durch den Schlossgarten und entlang dem Neckar zu fahren. Stressfrei ist es aber bei weitem nicht, aber die hässliche und gefährliche Hauptstätter/Cannstatter Straße zu fahren, käme für mich nicht in Frage, solange der Critical Mass-Modus noch nicht Normalität geworden ist.

      Die Route durch den Schlossgarten ist schließlich als Hauptradroute und RadNETZ-BW-Strecke Teil des Radverkehrs-Vorbehaltsnetzes (verwendet in Analogie zum Vorbehaltsnetz des motorisierten Verkehrs), das also der Bündelung und leistungsfähigen Abwicklung des Radverkehrs vorbehalten ist. Bis zum Gemeinderat und zum AfÖ scheint sich noch nicht herumgesprochen zu haben, was das bedeutet. Das Ordnungsamt als Straßenverkehrsbehörde hat es bislang versäumt, auf diesen Strecken Rad- und Fußverkehr konsequent voneinander zu trennen, wie es seit Jahren Stand der Technik und der Verwaltungsvorschriften ist (ERA 2010).

      Am Wochenende durch den Schlosspark empfinde ich als heftigen Stress für Radfahrer und für Fußgänger angesichts des hohen Fußgänger-Verkehrsaufkommens.

      Richtig intelligent wäre es, die Verkehrsflächen-Zuordnung, Verkehrslenkung und -steuerung dem jeweilig vorherrschenden Bedarf an Verkehrsströmen anzupassen. Soll heißen,

      - an Werktagen sowie generell nach Einbruch der Dunkelheit: Radschnellweg

      - an Samstagen zur Berufsverkehrs- bzw. Einkaufszeit: Rad- und Fußverkehr gemischt (falls man das angesichts der Verkehrsstärken für zulässig halten kann)

      - an Sonn- und Feiertagen: Gehweg, Radfahrer frei (falls man das angesichts der Verkehrsstärken für zulässig halten kann)

      Das kann ganz herkömmlich mit ein paar blauen Lollis mit Zusatzzeichen erreichen oder mit Wechsellichtzeichen automatisiert und/oder durch die Integrierte Verkehrsleitzentrale gesteuert. Das wäre doch ein angemessenes Verkehrswende-Leuchtturmprojekt für Stuttgart als Deutschlands Muster-Städtle mit höchster Verkehrskompetenz.

      Löschen
    2. Ja Stuttgart hat viele grüne Zonen. Und wie kommst du da hin? Und überhaupt ist das Zentralisieren von Orten, die eine Stadt überhaupt erst Lebenswert machen, nur um den MIV uneingeschränkte Freiheit zu geben, auch ein großes Problem. Ohne Autos müsste niemand zur Königstraße pendeln. Es gäbe Geschäfte im ganzen Stadtzentrum verteilt.

      Löschen
  4. nachdem ich vor einigen Tagen morgens an der Merzschule vorbei musste, kann ich das alles bestätigen. Warum ist das so schwer diese Seite des Autofahrens zu sehen, zu
    erkennen, obwohl dort ein Durcheinander von 50 bis 100 Elterntaxis stattfindet und
    die stadtbahn vor der türe hält? Es bleibt die Hoffnung auf Vernunft und eben die
    vielen kleinen Schritte durch die Instiutionen.

    gruss Tho und Dank für die Artikel, welche ich immer lese.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. "Es bleibt die Hoffnung auf Vernunft und eben die
      vielen kleinen Schritte durch die Instiutionen."

      Dazu ist es längst zu spät. Nein, es bleibt nur die Hoffnung auf massiven zivilen Ungehorsam.

      Löschen
  5. Bewegungsmangel ist nur eine Ursache für Übergwewicht, falsche Ernährung die andere. In manchen Fällen ist auch ene genetische Veranlagung für Übergewicht über Generationen in der Famile zu erkennen. Außerdem gibt es Medikamente, die den Appetit steigern.

    Was die Pedelecs betrifft, kann ich sowas im Bergland noch einigermaßen verstehen, hier im norddeutschen Flachland eigentlich gar nicht. Die Dinger werden bis hin zu den ostfriesischen Inseln angepriesen, vermietet und selbst denen verkauft, die es nicht nötig hätten.
    Da wird schon mal mit voller Unterstützungsstufe im hohen Gang langsam tretend der Feldherrenhügel erklommen.
    An Radtouren wo Pedelecs dabei sind werden die Nutzer dieser Gefährte immer arroganter und fühlen sich ausgebremst. Hatte da auch mal einen 85-jährigen Tourenleiter mit Pedelec, welcher rummaulte, dass wir zu langsam sind.... macht keinen Spass mehr, sich mit Leuten auf dem "Fahrrad" zu umgeben, die ne 80km-Radtour nur mit 250W-Boschmotor meistern können und bergauf oder bei Gegenwind 25km/h fahren.

    - Anonymous von woanders -

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Als zügig fahrender Alltagsradler kann man bis zu einem gewissen Grad dennoch profitieren, weil die Pedelecfahrer das Durchschnittstempo etwas heben und ins Bewusstsein vieler Leute kommt, dass die Radinfrastruktur auf 30 km/h Fahrgeschwindigkeit ausgelegt werden muss (und bis über 40 km/h nach den einschlägigen Vorschriften).

      Bei gemeinsamen Touren ist gegenseitige Rücksichtnahme und Anpassung der Geschwindigkeit ein Dauerbrenner, auch ohne Pedelecs. Jetzt wird es für die bisher Schnellsten eine betrübliche Überraschung, auch mal hinterher fahren zu müssen. Es reicht ein Rücksichtsloser ohne Empathie in der Gruppe, das Erlebnis von vielen anderen zu beeinträchtigen.

      Minderheiten werden gerne unterdrückt. Wenn eine früher unterdrückte Minderheit zur Mehrheit wird, praktiziert sie das um so mehr, weil sie sich noch Jahrzehnte später als unterdrücke Minderheit empfinden.

      So treten derzeit noch die Autofahrer auf, weil sie sich gefühlt noch in den 20er und 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts befinden. Autofahrer sollte man deshalb aber auch nicht abwerten: Wenn Pedelecfahrer die Mehrheit des fahrenden Verkehrs stellen, werden sie sich keinen Deut besser benehmen, weil Menschen in der Masse eben so ticken.

      Ein anderer Aspekt: Gewöhnungsbedürftig und in der Übergangszeit gefährlich ist, dass andere Verkehrsteilnehmer die Geschwindigkeit von Radfahrern nicht mehr mit anhand der früher verlässlichen Indizien abschätzen können (Sitzhaltung, Kurbelgeschwindigkeit).

      Löschen
  6. Einen Teil der Bevölkerung ("Die Autofahrenden") gegen den anderen in Stellung bringen, kann man machen. Diese Art Politik ist gerade en vogue, auch wenn Trump abgewählt wurde.
    Der Vorteil dieser als 'Othering' (auch: Teile und herrsche) bekannten Politik:
    Die Verantwortlichkeiten sind klar und für jede:n einsichtig verteilt (schuld sind "die Anderen"), Verkehrspolitik (aka Industriepolitik), auch die kommunale Industriepolitik, ist entschuldet. Die vielen Verantwortlichen in den Gemeinde-, Stadt- und Kommunalräten, in den Kfz-Parteien bis hinauf in höchste Regierungsämter sind allesamt fein raus.

    Der Rückbau von geschützter Radinfrastruktur in Deutschland ist wahrscheinlich der größte Einzeltreiber beim Ausschluss von Kindern aus dem täglichen Mobilitätsgeschehen.

    Dieser Blog (Reiter "Radwege", jeweils fett):

    - Am sichersten ist es für ihn [Radfahrer], wenn er auf der Fahrbahn für Autos fährt.
    - Es ist für Radfahrer am sichersten, sich in den Autoverkehr einzureihen.

    Diese (zig mal in Studien sowie in der Realität widerlegten) Thesen setzen voraus, dass es Kinder (oder Senioren, oder... oder ...) als Radfahrende nicht vorgesehen sind. Das hier vertretene Diktum "Ab auf die Fahrbahn" ('Fahrradnovelle', StVO) bedeutet für den überwiegenden Teil der Bevölkerung: Ab ins Auto. Grünsprech: Ab zu den "Anderen".

    Es ist kein Zufall, dass ganz besonders grüne Verkehrspolitiker:innen gegen alle Evidenz dieser absurden Rad-)Verkehrspolitik anhängen, die Leute also durch das Versagen angemessener Alternativen erst ins Auto drängen, um sie dann zu beschimpfen.
    Der Grund: Koalitionsfähigkeit, d.h. Machtteilhabe setzt Staatsräson voraus. Staatsräson beinhaltet in Deutschland: Kfz-Märkte erhalten und erschließen. Alles andere wäre gemessen am nach wie vor gültigen Politikverständnis staatsfeindlich.
    Dafür, nämlich für die Machtteilhabe, hat Kindeswohl, auch übrigens Umwelt- und Klimaschutz hintenan zu stehen.

    Das Dilemma der Grünen: Diese staatliche, von der Partei verinnerlichte Prioritätensetzung auf Kfz befindet sich, zwar seit Langem, aber in jüngerer Zeit immer deutlicher hervortretend, auf Kollisionskurs mit der Zukunftsfähigkeit nicht nur unserer Gesellschaft als Ganzes, sondern auch mit dem friedlichen, gesunden Leben sowie mit der wirtschaftlichen Prosperität in Städten und Kommunen.

    FFF, A 49 etc pp zeigen deutlich: Kindeswohl, Klimaschutz und Verkehrspolitik gehören zusammen.
    Das zeigt sich vielleicht nirgends mehr als in der Radverkehrspolitik.

    AntwortenLöschen
  7. Es kostet Überwindung, den Kindern etwas zuzutrauen im Verkehr und sie an ihre Grenzen gehen zu lassen. Kindern das Radfahren beizubringen, ist leicht (gerade fahren, Kurven fahren, bremsen, nicht umkippen - in diesem Sinn).

    Kindern das Verhalten im Straßenverkehr beizubringen ist extrem schwer. Die doofen Regeln, wo Kinder fahren dürfen, waren zu der Zeit, wo wir unsere Kinder erzogen haben, noch ziemlich übel - man durfte mit ihnen gar nicht das Fahren auf Radwegen praktizieren und heute noch darf man mit ihnen nicht auf Schutzstreifen und Radfahrstreifen.

    Dann das Drama mit den komplizierten Verkehrsregeln und den Fehlern der Straßenverkehrsbehörden. Da sind die Kinder in dem Alter, wo man ihnen noch klar und konsequent eintrichtern will: was ist richtig und falsch, was ist gut und böse. Und dann muss man im Straßenvekehr sagen: laut Gesetz müsstest Du das "so und so" machen. Ich verbiete Dir das aber und velange das Gegenteil. Du musst fallweise unbedingt gegen die Verkehrsregeln verstoßen, z.B. "Auf keinen Fall bei Grün der Ampel an der Hufeisenkreuzung fahren, die für Dich gilt, sonst kommst Du nicht lebend rüber zum Bahnhof!"

    Dann erklärst Du, dass Radfahrer auf Schutzstreifen sicher sind, weil Autos da nicht drauf dürfen. Kinder beobachten genau. Sie sehen, dass 85% der Autos auf dem Schutzstreifen rollen und sehen, dass die Polizisten sich nicht darum kümmern. Papa im akuten Erklärungsnotstand.

    Und dann liest man noch, wie der Bundestag pauschal Radfahrer diskriminiert (obwohl Autofahrer trotz Fahrprüfung nachweislich ein Vielfaches schwerer Unfälle verursachen): "Zu berücksichtigen ist hierbei auch die geistige Reife und die Verfügbarkeit rechtlicher Kenntnisse, welche bei Rad Fahrenden mangels Altersbeschränkungen und verpflichtender verkehrsrechtlicher Ausbildungen sehr heterogen ausgeprägt sind."

    AntwortenLöschen
  8. Ein geschickter Schachzug der Autolobby und fanatischer Autobegeisteter ist weiterhin, den Radverkehr nicht grundsätzlich zu verteufeln, ihn aber nicht als vollwertigen Verkehr zu sehen. Oder gleich gar nicht von Verkehr zu sprechen und mit Verkehr nur den motorisierten Kfz-Verkehr zu bezeichnen ("Bereits ein einzelner Rad Fahrender führt in der Regel, besonders durch die Geschwindigkeitsdifferenz, zu einer Behinderung im Verkehrsfluss.", so der Bundesrat).

    Radfahren sei schon was tolles. Der Kfz-Verfechter behauptet in der Regel, selbst gerne Fahrrad zu fahren, aber natürlich (nur) als Freizeitbeschäftigung, als Familienausflug auf Feldwegen durch Blumenwiesen oder allenfalls noch als sanften Sport im Wald (aber ja nicht dort, wo auch Wanderer laufen). Da trägt Radfahren auch zur Volksgesundheit bei.

    Es wird aber vehement bestritten, dass Radfahren auch im Alltagsverkehr möglicherweise auch noch in der Stadt stattfinden könnte. Ausbildungsverkehr (Schüler, Studenten) oder gar Berufsverkehr (Pendler): deren Ansprüche werden glattweg konsequent ignoriert.

    Mit dieser Einstellung kann man leicht begründen, dass Radverkehr doch problemlos ausgebremst und behindert werden dürfte. Welcher Radfahrer sollte sich schon an Schritt-Tempo stören? Langsame Radfahrer behindern "den Verkehr" (gemeint ist der Kfz-Verkehr).

    Behinderung des Radverkehrs durch langsame Autos? Im Stau stehende Autos, die keinen Platz lassen, um Radfahrer überholen zu lassen - wo kämen wir hin, der Autoverkehr hat das Recht gepachtet, schneller als die anderen zu sein.

    Fußverkehr hat es einen Tick besser als der Radverkehr. Dem Fußverkehr wird immerhin zugestanden, dass er irgendwie auch ein bisschen notwendig ist (aber nicht so notwendig wie der Kfz-Verkehr). Wer braucht schon Radverkehr? Die 30m bis zum Auto, die läuft man eben. Für alle anderen Strecken gibt es doch das Auto - oder für den Bereich von ein paar hundert Metern die modernen Elektro-Klein-Fahrzeuge.

    Aber auch beim Fußverkehr hat es sich eingeschlichen, dass z.B. der Vorrang von Fußgängern gegenüber abbiegenden Autos nicht mehr selbstverständlich gewährt wird. Oder traut sich hier jemand, an einer abknickenden Vorfahrtstraße im Vertrauen auf die Regeltreue der Autofahrer beherzt die Straße zu überqueren (StVO §9 Absatz 3)?

    Also stressen Autofahrer vor allem alle anderen Verkehrsteilnehmer, weil die Gesetze und die Infrastruktur, die Politiker und Behörden uns Bürgern zur Verfügung stellen, den Autoverkehr nicht ausreichend in Schranken weisen und entschärfen. Als einzelner Bürger bleibt dann nicht viel übrig, als sich daran anzupassen, ob man will oder nicht, und wie alle anderen das Auto zu nutzen. Security in Numbers, so ist das eben.

    AntwortenLöschen