7. März 2021

Wie sage ich's dem Autofahrer?

Till Raether hat im Magazin der Süddeutschen Zeitung darüber nachgedacht, wie man sich als Radler oder Radlerin im Stadtverkehr behauptet. Und er schlägt eine ungewöhnliche Methode vor. 

Nämlich die sanfte Radl-Revolution. Statt aufs Autodach hauen, toben und schimpfen, versucht er es mit einen Lächeln und mit Reden. Wir kennen das alle: Einer hat uns viel zu knapp überholt, um vor uns an die Ampel zu kommen, die Rot ist und wo wir ihn wiedertreffen. Und dann mit der Hand das Zeichen zum Runterkurbeln des Fensters machen, dem in der Tat kaum jemand widerstehen kann, das habe ich auch schon oft ausprobiert. Und dann reden: "Bitte hupen Sie mich nicht an, ich darf auf der Straße fahren." Oder: "Bitte fahren Sie nicht so eng an mir vorbei. Klar, 1,50 ist viel, aber eine Handbreit ist doch zu wenig und für uns beide gefährlich." Oder ganz raffiniert: "Tut mir leid, dass ich so unvermittelt vor Ihnen eingeschert bin."

Tatsächlich sind wir in der Kommunikation um so erfolgreicher, je weniger aggressiv wir sind.

Nicht aggressiv los schreien ist nicht einfach, wenn man wegen eines Schrecks unter Adrenalin stseht. Das kriege ich meistens auch nicht hin. Und wenn man sich mit einer Brüllerei zufrieden gibt, geht es ja auch. Falls man allerdings das Bedürfnis hat, Autofahrenden wirklich klar zu machen, was uns gefährdert oder wie ein Verhalten auf uns wirkt, dann geht das nur in einer friedfertigen und zuhörenden Kommunikation, die eine entspanntere Athmosphäre schafft. "Ja, Sie haben Recht", sagt ein Mensch nur, wann man ihm den Raum gegeben hat, selsbt zu einer Erkenntnis zu kommen. Mit Vorwürfen und Verbalangriffen nimmt man ihm den Raum. 

Ich persönlich mag es lieber, wenn man pfleglich und respektvoll miteinander umgeht. Wisst ihr ja schon. Deshalb suche ich imemr wieder nach Möglichkeiten, eine Auseinandersetzung friedlich und erfolgversprechend zu führen. Und eigentlich gibt es eine ganze Menge, was Autofahrend von uns leernen sollten: 

  • Nicht knapp überholen
  • Nicht dicht auffahren
  • Nicht noch schnell vor einem entgegenkommenden Radfahrer nach links abbiegen
  • Blinken, wenn man rechts abbiegen will 
  • Nicht auf Radstreifen halten oder parken
  • Nicht hupen, wenn vor einem ein Mensch auf einem Fahrrad fährt, er/sie darf auf Fahrbahnen radeln, muss es sogar

5 Kommentare:

  1. Erfolgreich und friedlich kommunizieren funktioniert in den meisten Fällen nicht. Und da ich von außen nicht beurteilen kann, ob ich es mit einem vernunftbegabten oder einem aggressiven Zeitgenossen, verzichte ich mittlerweile auf eine Ansprache.

    Mittlerweile winke ich bei knappen Überholmanövern u.ä. freundlich hinterher. Vor knapp 3 Wochen erntete ich dafür von einem aggressiven älteren Herrn an der nächsten Kreuzung drohende Fäuste durchs geöffnete Fenster und die Ansage "die haue ich gleich eine aufs Maul". Ich habe nochmal gewunken und gelächelt - und auf meine Kamera gezeigt, die gar nicht lief. Die Kommunikation war sofort beendet, er hat das Fenster hoch und ist weggefahren.

    In Situationen wie diesen ist jedes Wort zu viel. Ich werde als Eindringling in heiliges Auto-Territorium wahrgenommen. Ich werde auf frischer Tat ertappt, sofort angeklagt und verurteilt.

    Zugleich werde ich als minderwertig angesehen ("Du") und werde bedroht.

    Hier ist eigentlich die Polizei gefordert. Aber da kann ich lange warten. Die hier ansässige Polizei wird erst tätig, wenn entweder etwas passiert ist oder wenn ich gerichtsfeste Beweise wie z.B. eine Beschreibung des Fahrers liefern kann. Das kann ich aber in der Regel nie,

    Und auf die Kernaufgabe der Verkehrsüberwachung verzichtet die Polizei hier ganz. Schließlich muss der Verkehr fließen, da ganz dann schon mal eng werden.

    Ich passe mein Verhalten an und vergrößere meinen Abstand zum rechten Fahrbahnrand konsequent. Die meisten Autofahrer respektieren das und überholen mich, in dem sie die Gegenfahrbahn nutzen. Und die paar Exemplare des Auto-Proletariats ertrage ich mit einem Lächeln.

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    1. Das kann ich komplett so unterschreiben. Wenn man nicht noch eine Schlägerei riskieren will. Selbst Videobeweise interessiert die Polizei überhaupt nicht. Man kann nur in seiner Mitte ruhen damit Radfahren überhaupt noch spass macht. Ich hab die cams nur laufen für den Fall das ich nicht mehr Aussagen kann.

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  2. Mein persönlicher "Gold-Standard" in der Ansprache von Autofahrenden oder anderen Menschen, die mich gerade gefährdet haben: Die "VW-Regel" = "Vorwürfe" durch "Wünsche" ersetzen. Vorwürfe beziehen sich immer auf ein Verhalten, was gerade, also in der Vergangenheit, geschehen ist; es kann somit nicht mehr korrigiert / aus der Welt geschafft werden. So Angesprochene erleben diese Unmöglichkeit immer als Kränkung und reagieren oft mit Gegenaggression.
    Ich versuche, eine "positive Ich-Ansage" zu machen: "Ich freue mich, wenn Sie mir beim nächsten Überholvorgang die vorgeschriebenen 1,5 m Seitenabstand lassen." (sehr freundliche Version) "Ich erwarte, dass Sie ..." (verschärfter) Danach auf Gegenreaktionen auf keinen Fall mehr reagieren, nicht auf Diskussionen einlassen. Es geht darum, dass ich mein Statement anbringe und damit los werde.
    Okay: Natürlich gelingt mir das in Schrecksituationen nicht immer, aber jeder gelungene Versuch ist es wert gewesen, und mir ging es danach besser. Die Angesprochenen haben die Freiheit der eigenen Entscheidung beim nächsten Mal und müssen sich nicht angegriffen, belehrt, beschimpft, verurteilt ... fühlen. Eine erste Voraussetzung für friedlicheres Miteinander.
    Versuche doch mal, bei Deinen 6 Wünschen oben in 5 Sätzen das "nicht" durch eine auffordernde Formulierung zu ersetzen. Matthias stimme ich übrigens zu, was Lächeln und freundliches Winken angeht. Auf jeden Fall hebt das meine eigene Laune.
    Viele Grüße und Dank für Deinen wunderbaren Blog!
    Wolfgang

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    1. Vielen Dank für den schönen Tipp. Das mache ich oft auch so. Ich sage oft: Ich möchte nicht so dicht überholt werden. Aber das als Wunsch zu formulieren ist eleganter. Ich denke mir ja immer, die Leute denken ja dann noch eine ganze Weile darüber nach und werden sich beim nächsten Mal daran erinnern, dass sie Ärger bekommen haben.

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  3. 9. STUTTGART FÜR DEN FUSS- UND RADVERKEHR SENSIBILISIEREN
    Die Bevölkerung wird von der Stadt Stuttgart über die Rechte und Pflichten aller Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer im gegenseitigen Umgang informiert. Ein Schwerpunkt liegt auf der Rücksichtnahme auf schwächere Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer.
    Wer erinnert sich noch dran? Ziemlich genau 2 Jahre ist das her, dass die Verwaltung zusammen mit dem Gemeinderat die Umsetzung dieses Ziels des Radentscheid Stuttgarts für rechtswidrig erklärt hat.
    Die Macher des Radentscheids waren sich im Klaren dass es nicht reicht, eine vernünftige Radinfra zu schaffen. Mindestens genauso wichtig ist der Umgang untereinander. Ziel 9 ist deshalb vielleicht das wichtigste aller Ziele gewesen.
    Im Zielbeschluß des Gemeinderats vor 2 Jahren wurde die Verwaltung aufgefordert noch in 2019 eine 1.5m Abstandskampagne zu machen. Ein demokratisch gefasster Beschluß. Passiert ist wie so oft nichts. Klar, ein Lächeln entwaffnet, einen entspannteren Umgang nach einem "close pass" würde ich mir für mich selbst auch wünschen. Wenn eine Abstandskampagne der Stadt Stuttgart dafür den Boden bereitet noch besser.
    Dann hau ich auch nicht mehr auf Autodächer, weil mein Arm kürzer als 1.5m ist. :)

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