28. Oktober 2021

Kennzeichnungspflicht für Fahrräder ist Quatsch

Immer wieder, wenn ich über tödliches Fehlverhalten von Autofahrenden schreibe, taucht vor allem in Facebook die Forderung auf, Fahrräder hätten ja keine Kennzeichen, sollten sie aber haben. 

Abgesehen vom logischen Zusammenhang: Warum eigentlich? Steckt dahinter die Hoffnung, man könne einen Radfahrer bei der Polizei anzeigen, der gerade vor den eigenen Augen bei Rot über eine Ampel gefahren ist? Oder der oder die gerade einen Fußgänger zu Fall gebracht und weggeradelt ist? Beides nicht erlaubt. Im ersten Fall wäre es reines Anschwärzen, im zweiten Fall das absolut legitime Bedürfnis eines Unfallflüchtigen habhaft zu werden, damit er die Haftung übernimmt. Oder glaubt man wirklich, Kennzeichen führten zu weniger Regelverstößen?

Kennzeichen sind eigentlich Versicherungsnachweise für Betreiber:innen von gefährlichen und potenziell tödlichen Maschinen.

Kennzeichnungspflicht für Fahrräder: Unsinn!, betitelt die Seite Fahrradverkehr und mehr einen Kommentar, in dem Paul Beurmann ausführt, dass Autos und andere gefährliche technische Anlagen Genehmigungen und Versicherungspflichten brauchen, weil sie damit andere Menschen schwer verletzen und töten können, weil also von der Nutzung dieser Geräte  (des Autos) eine allgemeine Gefahr für andere ausgeht.  Mit dem Auto kann ich beim Rechtsabbiegen ein Kind überfahren und töten. Auch mit dem Fahrrad kann man mit einem Fußgänger zusammenstoßen und ihn schwer verletzen, aber eine generelle und grundsätzliche Todesgefahr geht vom Fahrrad nicht aus. In Berlin waren Radfahrende 2017 nur für 8 Prozent der Unfälle von Fußgänger:innen verantwortlich (insgesamt waren sie an 17 Prozent beteiligt, wobei jeder zweite Fußgänger für den Unfall mit dem Radfahrenden selbst verantwortlich war.) 76 Prozent ihrer Unfälle haben Fußgänger:innen mit Kraftfahrzeugen (auch hier waren sie 2017 zur Hälfte mitverantwortlich). Weil Radfahrende wissen, dass sie selber stürzen, wenn sie mit jemandem zusammenstoßen, passen sie in der Regel besser auf als Autofahrende. Die können, anders als Radfahrende, jemanden schwer verletzten oder töten, ohne selbst auch nur verletzt zu werden. Radfahrende werden eher für sich selbst gefährlich, wenn sie Fahrfehler machen und stürzen. 

In der Schweiz mussten Fahrräder fünfzig Jahre lang Kennzeichen haben, die aber nur Haftpflichtversicherungsnachweise waren. Da aber die meisten Menschen in der Schweiz sowieso eine Haftptflichtversicherung haben, schaffte man diese Kennzeichen 2011 ab. Es ging nicht darum, dass man einen davon fahrenden Radler noch anhand eines Kennzeichens über die Polizei identifizieren lassen konnte. 

Die Polizei mag sich wünschen, dass sie einen Radler anhand eines Kennzeichens identifizieren kann, den sie vom Polizeiauto aus auf dem Gehweg radeln sieht und nicht anhalten kann. Anderseits muss auch die Polizei dann nachweisen, dass sie genau diesen Fahrer auf dem Rad gesehen hat und nicht etwa jemand anders darauf saß, so wie das bei Regelverstößen durch Autofahrende (Blitzerfotos) auch der Fall ist. Nur das Kennzeichen wissen, reicht nicht. Und da die Polizei schon den Ahndungs-Aufwand bei Autofahrenden nicht treibt, die sie bei Regelverstößen sieht (Gehwegparker, Radstreifenparker, in zweiter Reihe-Parker, Falschabbieger, bei Rot-noch-schnell-Durchfahrer), warum sollte sie den viel größeren Aufwand bei Radfahrenden treiben, die sich ihrem Zugriff durch Davonradeln entziehen? 

Die Erwartung, dass Radfahrende sich dann endlich an die Verkehrsregeln halten, wird von Autofahrenden widerlegt: Autos haben Nummernschilder, aber ihre Fahrer:innen halten sich in sehr vielen Fällen auch nicht an die Verkehrsregeln. Rotlichtverstöße, nicht Halten an Stoppschildern, auf Gehwegen parken etc., solche Verstöße werden nach eigenen Aussagen von zwischen 60 und 70 Prozent der Autofahrenden ohne großes Problembewusstsein begangen. Und gerade auf Radwegen und Gehwegen stehende Autos präsentieren ihre Kennzeichen stundenlang an demselben Ort und ihre Halter:innen könnten bequem angezeigt werden. Das hält sie nicht davon ab, es dennoch zu tun. Auch Motorräder und Mopeds haben Kennzeichen, dennoch fahren Motorradfahrer regelmäßig verbotenerweise durch die Radwegschleuse in der Tübinger Straße an der Feinstraße oder verekehrt herum durch Einbahnstraßen. Und mit den E-Scootern, die ebenfalls Kennzeichen haben, wird exzessiv auf vebotenen Gehwegen gefahren. Kennzeichen führen nicht zu Regeltreue. Das tut nur der Ahndungsdruck. 

In hektischen Unfallsituationen aber, wo es wichtig wäre, sehen die meisten Menschen das Kennzeichen des Unfallflüchtigen nicht und können es der Polizei nicht sagen. Dabei sind Autokennzeichen, allemal in Deutschland, noch recht leicht zu merken, weil sie immerhin Rückschlüsse auf einen Ort zulassen, gut gegliedert sind und nicht nur aus Zahlen bestehen. Versicherungskennzeichen für Fahrräder (S-Pedelecs und E-Scooter müssen welche haben), sind dagegen quadratisch und klein und bestehen aus drei Ziffern und drei Buchstaben, die man sich nur schwer merken kann. 

Und ein Argument gegen Radkennzeichen ist nicht zu unterschätzen: Es bedeutet einen enormen Verwaltungsaufwand. Es gibt 80 Millionen Fahrräder in Deutschland. 80 Millionen Kennzeichen müssten dann innerhalb kurzer Zeit von den Versicherern vergeben und gedruckt und verschickt werden, und das jedes Jahr neu, weil sie ja nur zeigen, dass die Haftpflichtversicherung erneuert wurde, bzw. weiter besteht. 

5 Kommentare:

  1. Bislang ist das Fahrrad ein einfaches Fahrzeug und vor allem ein soziales Fahrzeug. Man besorgt sich eines, auch für kleines Geld oder auch mal geschenkt, und man ist in viel größerem Maße mobil, als zu Fuß. Wollen wir wirklich eine Kennzeichnungspflicht einführen? Was machen all diejenigen, die sich wirklich nur das Nötigste leisten können? Das Fahrrad ist für sie das billigste Fortbewegungsmittel. Zukünftig soll man dann Helm brauchen und ein Kennzeichen? Bringt alles nichts, kostet nur. Ist einfach unnötig. Lasst das Fahrrad doch in Ruhe. Straßenausrüstung (Licht, Bremse, Reflektoren) reicht doch für Mobilität.
    Karin

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  2. hier gehts um was anderes, nämlich konfliktverlagerung.
    miv hat jemanden ermordet?
    wir brauchen nummernschilder für radler!

    gibts in jedem krieg. der dolchstoß ging in die geschicht$bücher ein, aber auch nach kabul faselten die christsozialisten von bewaffneten drohnen, die von der spd verhindert würden.

    was kommt nochmal mit der ampel?

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  3. Alles eine Scheindebatte, um von echten Problemen abzulenken.

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  4. Erinnert mich an eine Karikatur "The perfect pedestrian; or How to make the world safe for motocracy" von 1927 (https://pbs.twimg.com/media/DRRmxpvV4AAufcG?format=jpg&name=900x900). Anlass war: "The Bishop of Derby […] suggested, that in the interest of road safety, pedestrians should be made to carry lights at night.

    Der Fußgänger in der Karikatur hätte auch gern noch ein Kennzeichen haben können.

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  5. Ich schraub mir ein gerne Kennzeichen dran, wenn im Gegenzug Polizei und StA konsequent die Verstöße, Nötigungen und Mordversuche (absichtlich dicht Überholen, ausbremsen, hupendes nicht vorhandene Vorfahrt nehmen) verfolgen würden.
    Lieber Anonym.

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