5. August 2022

Elektronische Falschparkerüberwachung ist möglich

Eine Ordnungshüterin kann ungefähr 300 parkende Fahrzeuge pro Tag abwandern und kontrollieren. Ein ScanCar schafft 2000 in der Stunde. 

In Berlin und Dortmund gab es bereits Versuche mit Autos, die per Kamera auf dem Dach Falschparker registrieren. Wobei Berlin erst einmal nur damit beschäftigt war, die Straßenränder zu filmen und den Parkraum zu erfassen. Jetzt soll der ScanCar aber zur Kontrolle eingeführt werden. In Genf hat man schon 2016 damit Erfahrungen gesammelt. Hier geht es nicht so sehr um die Erfassung von Falschparkern in Parkverbotszonen, sondern um die Erfassung derer, die nicht zahlen oder deren Parkschein abgelaufen ist. In den Niederlanden sind seit 2012 Autos, Fahrräder oder Motorroller als Scan-Fahrzeuge unterwegs, wie Die Zeit berichtet. Sie erfassen 1000 Autos pro Stunde, Kontrolleure zu zweit aber nur 200. In Amsterdam soll die Quote der Autos, die ohne Gebühr auf kostenpflichtigen Parkplätzen stehen, um ein Drittel gesunken sein.

Digitale Systeme dazu gibt es in den Niederlanden und in Polen zu kaufen. Es funktioniert so: Wer sein Fahrzeug parkt, bezahlt entweder per App oder gibt am Parkscheinautomat sein Kennzeichen ein. Ein Auto mit Kameras fährt die Straßen ab und gleicht die Kennzeichen mit der Datenbank des Parkbetreibers ab. Wenn ein erfasstes Kennzeichen nicht drinsteht oder die Parkzeit abgelaufen ist, wird es direkt an die Bußgeldstelle weitergeschickt. Voraussetzung ist, dass die Parkraumbewirtschaftung digitalisiert ist. Dass soll jetzt auch allmählich in Stuttgart kommen. 

Ich kenne das von Wangen im Allgäu oder Lindau, da kann ich meinen Parkschein per App (EasyPark) bezahlen. Lässt man dann zur Kontrolle ScanCars fahren, werden den Kontorlleur:innen auch die Beschimpfungen von Autofahrenden erspart, die zu ihrem Auto kommen, während sie einen Knöllchen unter den Scheibenwischer stecken. Also: Bei diesen ScanCar-Diensten geht es zunächst mal nur ums Bezahlen konstenpflichtiger Parklätze am Straßenrand.  

Im Grunde aber würden sie viel großartigere und wichtigere Dienste leisten, wenn man sie auf Grottenfalsch-Parker ansetzen würde. In kurzer Zeit könnten die Fahrzeuge viele Straßen abfahren und alle Kennzeichen von Autos, die auf Gehwegen, Radwegen, in Feuergassen und an Gehwegecken stehen, also dort, wo sie nicht stehen dürfen, weil es verboten ist, aufnehmen und an die Bußgeldstelle weiterschicken. Das wünschen sich Eltern von schulpflichtigen Kindern, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad zur Schule gehen, schon lange. Danach sehnen sich sich auch Menschen mit Rollstühlen, Eltern mit Kinderwagen und Flaneure und Spaziergänger:innen, die immer wieder auf die Autofahrbahn müssen, weil dass Auto auf dem Gehweg steht. 

Momentan gibt es in Deutschland für die digitale Erfassung von Kennzeichen zur Parkraumüberwachung allerdings keine Rechtsgrundlage, schon gar keine dafür, alle am Straßenrand oder auf Gehwegen und Radstreifen stehenden Autos zu erfassen und die illegal parkenden auszusortieren. Die müsste von Bund und Land geschaffen werden, wie Agora-Verkehrswende in einem ausführlichen Gutachten darstellt (die Kurfassung hier). Wenn mehr Daten von vielen Menschen gesammelt werden als bisher, haben die Datenschützer durchaus in Wort mitzureden. Beim Anwohnerparken könnte das unkritisch sein, weil die Daten ohnehin hinterlegt sind. Die Stadt Amsterdam, die das schon länger macht, hat bei Klagen acht Mal Recht bekommen und jeweils das Datenschutzkonzept verbessert. Nach Einschätzung des Agora-Gutachtens ist das Recht auf informelle Selbstbestimmung hier dem Recht auf Sicherheit und körperliche Unversehrtheit nachzuordnen. 

Immerhin stehen 25 Prozent der Fußgängerunfälle und 15 Prozent der Fahrradunfälle innerorts im Zusammenhang mit parkenden Autos, was allerdings nicht bedeutet, dass all diese Autos falsch geparkt waren. Und es ist auch eine Illusion, zu erwarten, dass so viele der teuren ScanCars angeschafft werden und herumfahren würden, dass alle Falschparker:innen an einem Tag erfasst werden. Es würde auch hier immer die Frage sein, wie oft das Scan-Auto fährt. Für die Bearbeitung der Bußgeldbescheide, die sich zumindest zunächst drastisch erhöhen, braucht man vermutlich auch mehr Sachbearbeiter:innen. 

Nachbemerkung: Auch die Städte mit EasyPark erlauben klassische Münzzahlung ohne Kennzeicheneingabe. Es wäre also auch in Lindau nicht einfach möglich, ScanCars einzusetzen. Wir Deutschen möchten nämlich im Grunde auch gar nicht, dass Falschparken oder andere Regelverstöße konsequent verfolgt werden (es könnte ja uns selbst treffen), wir sind im Grunde ganz zufrieden damit, wenn das Auto-Chaos durch Stichproben gerade eben so halbwegs in Schach gehalten wird und Erwischtwerden nur bedeutet, mal Pech gehabt zu haben. Mit digitalen Techniken könnte man nämlich sehr viel mehr machen, als nur Falschparkende erkennen. Man könnte mit Kameras (Blitzerkameras) verbotene Einfahrten in Straßen überwachen (etwa an der Alten Weinsteige bergab). Jeder Regelverstoß würde dann erfasst und bebußt. Ich denke, nach zwei Wochen wäre das mit den illegalen Durchfahrten dann erledigt. Man kann Busspuren mit Blitzern vor Autos schützen und den Lieferverkehr in Fußgängerzonen wirklich auf bis 11 Uhr beschränken. 

Um eine echte konsequente Verfolgung von Regelverstößen zu verhindern, werden immer sofort Datenschutzgründe angeführt. Die Abschnittskontrolle bei der Geschwindigkeitsüberwachung (Section control) ist auch mangels gesetzlicher Grundlage und Datenschutzbedenken auf Eis gelegt. Wir mögen es nämlich, wenn wir selber entscheiden können, an welche Regel wir uns halten wollen und an welche zu welchem Zeitpunkt nicht. Und wenn eine Behörde, so wie die Berliner Behörde, dann die massenhaft eingehenden Falschparkermeldungen (34 000 im vergangenen Jahr) in den Papierkorb wirft, braucht man auch keine besseren Kontrollen. 

Nur die anderen, die Fußgänger:innen und Radfahrenden, die Eltern von Kindern, sehnen sich danach, dass Autofahrende endlich mal dazu gebracht werden, dass sie wirklich nicht auf Gehwegen, an Gehwegecken, vor Zebrastreifen und auf Radwegen und Radstreifen parken und nicht durch Straßen fahren, die für Autos verboten sind. 

12 Kommentare:

  1. ja!
    digital 1st.
    bedenken 2nd.
    und statt scan-autos am besten autonome drohnen!

    die volle außenraumüberwachung gibt es im übrigen bereits durch onboard kameras des miv.
    die daten landen eben auf den privaten servern von tesla und anderer großkonzerne.
    aber das ist dann vermutlich der schützenswerte, freie markt.

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  2. "Wir Deutschen möchten nämlich im Grunde auch gar nicht, dass Falschparken oder andere Regelverstöße konsequent verfolgt werden (es könnte ja uns selbst treffen) ..."

    Kann es sein, daß etliche von Euch Deutschen ein feudales Staatsverständnis haben, mit höher und tiefer gestellten Gruppen? Daß der westliche Teil Deutschlands zwar ab 1945 ein westliches Gesellschaftssystem übergestülpt bekommen hat, dieses System von vielen aber nicht verinnerlicht ist? Und daß es genau einem Feudalsystem entspricht, wenn die eine Gruppe (die mit den motorisierten Fahrzeugen) die andere Gruppe (die Unmotorisierten) einschränken darf, indem beispielsweise Leute mit Kinderwagen, im Rollstuhl, jüngere Kinder auf dem Fahrrad sehen müssen, wie sie klar kommen, wenn der Fußweg blockiert ist? Einfach abhängig davon, an wen die Behörden durch Tätig- oder Untätig-Sein die Privilegien vergeben? Kann es sein, dass es genau Ausdruck eines solchen Feudalstaatsverständnisses ist, wenn Behörden willkürlich Verstösse ahnden oder auch nicht oder Anzeigen in den Papierkorb werfen oder auch nicht?

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    1. Schmarrn.

      "wenn die eine Gruppe (die mit den motorisierten Fahrzeugen) die andere Gruppe (die Unmotorisierten) einschränken darf", das ist das kapitalistische Gesellschaftssystem, wie es so gut wie überall,wenn die eine Gruppe (die mit den motorisierten Fahrzeugen) die andere Gruppe (die Unmotorisierten) einschränken darf herscht, der Starke übervorteilt den Schwachen. In anderen Gesellschaftsbereichen fällt es nur nicht sooo deutlich auf, wie im Straßenverkehr, wo der eine hundertmal stärker ist als der andere, aber es ist Grundlage von allem.

      Dass die Polizei in diesem System nicht das Recht bzw. die Rechte des Einzelnen schützt, sondern die Privilegien in diesem System (das kann auch durchaus mal zum Vorteil des kleinen Mannes/der kleinen Frau sein, wenn die oder der am Steuer sitzt) ist selbstverständlich.

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    2. Eher im Gegenteil. (https://dasfahrradblog.blogspot.com/2022/07/unsere-demokratisierung-der.html) Oder: Es ist komplizierter als du das, liebe Anonyma, hier so ruppig darstellst. Ich vermute, die meinst, dass bei uns so etwas wie das "Recht des Stärkeren" existiert - und ich fürchte, nicht nur bei uns. Die meisten, die solche Verhältnisse analysieren, nennen anstelle des Feudalsystems eher den Kapitalismus. Aber egal: Letztlich ist es für mich ein Phänomen, dass wir so wüst miteinander umgehen und so wenig auf Freundlichkeit und Rücksicht geeicht sind.

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  3. Es ist nicht richtig, dass es für die automatisierte Erfassung von Falschparkern eine neue gesetzliche Grundlage braucht, das sagt auch das Gutachten nicht.

    Denn das Fahrzeug kann schon nach heutigem Stand der Technik erkennen, ob ein Fahrzeug auf dem Bürgersteig oder im Haltverbot oder zu nah an einer Kreuzung steht. Wenn dies erkannt wurde, dann darf das Kennzeichen erfasst werden und der Vorgang zur Anzeige gebracht.

    Schwieriger ist es mit Schwarzparkern, die also prinzipiell dort parken dürfen, aber einen Parkschein, einen Bewohnerparkausweis oder einen Schwerbehindertenausweis haben müssen. Bei denen ergibt sich die Berechtigung erst nach der Erfassung des Kennzeichens und einem Abgleich mit einer Datenbank. Da wäre es tatsächlich derzeit nicht zulässig. Aber die Schwarzparker interessieren uns ja nicht, sie sind kaum ein Problem für die Verkehrssicherheit.

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    1. Ralph Gutschmidt6. August 2022 um 14:45

      Ist von mir

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    2. Ja, aber das Kennzeichen muss man ja dennoch erfassen. ich glaube übrigens auch, dass Datenschützgründe das Ahnden von grobem Fehlverhalten nicht verbieten. Es kommt dann auf die Software an, die unterscheidet, ob ein Auto auf dem Gehweg steht, das Kennzeichen also erfasst wird, oder nicht, und das Kennzeichen nicht erfasst oder sogleich wieder gelöscht wird. Wenn man es will, wäre es möglich. Wie, das wissen die Fachleute.

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    3. Ralph Gutschmidt8. August 2022 um 16:23

      Hallo Christine,
      wie gesagt, wenn ERST festgestellt wird, dass falsch geparkt wurde und erst DANACH das Kennzeichen in erkannt und gespeichert wird, ist es kein Problem, das bestätigen auch die Gerichte.
      Grüße
      Ralph

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  4. Ralph Gutschmidt6. August 2022 um 14:44

    Grüße von Ralph (blödes neues Kommentarsystem)

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    1. Ja. Wenn man am Handy tippt und der Beitrag länger als ein paar Zeilen ist, dann springt der Cursor nach jedem Wort zum Textanfang hoch. Höchst unhandlich.

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    2. Sorry, leider kann ich das bei Blogger nicht ändern.

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  5. Jörg
    Hauptsache es wird was gemacht. Die europäische DGSO gilt tatsächlich in den Ländern die digitaler unterwegs sind. Es wird Zeit das Schwaben automatisieren.
    Wir werden wohl noch viele dumme Ausreden hören.

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