10. Januar 2023

Riemen oder Kette

Bis vor zwei Jahren bin ich immer mit Kette geradelt, sei zwei Jahren fahre ich mit einem Riemen. Deshalb versuche ich jetzt mal einen Vergleich. 

Der Riemen geht nur, wenn man eine Nabenschaltung hat oder ein Fixie oder ein Single-Speed oder ein Rad mit Schlumpfschaltung fährt. Eine Kettengangschaltung (die außen liegt) braucht eine Kette. Ich bevorzuge die Nabenschaltung, weil sie das Schalten in der Stadt leichter macht. Schnell bremsen, aber man ist noch im hohen Gang: Die Nabenschaltung erlaubt das Runterschalten für den Start, eine Kettenschaltung erlaubt den Gangwechsel nur beim Pedalieren. Wechselt man den Gang bei einer Nabenschaltung, darf man wiederum das Pedal nicht belasten, muss also kurz Kraft rausnehmen, was manche beim Runterschalten auf Bergfahrten als Nachteil empfinden. Nicht entscheiden können sich die Fachleute, ob der Wirkungsgrad von Riemen oder Kette größer ist. 

Die Kette:

Im Allgemeinen (auch hier ausführlich nachzulesen) gilt eine Kette als wartungsintensiver: reinigen, ölen, bei Winterfahrten durch Streusalz am besten jeden Tag. Ketten können rosten. Und auf meinen Fahrten höre ich immer mal wieder das Schleifen einer nicht betreuten Kette und denke daran, wie schwer die es sich gerade machen. 

Weil Ketten geölt sein müssen, hat man (also hatte ich) immer mal wieder den Ölabdruck der Kette auf dem Hosenbein, wenn man das Rad beim Abstellen blöd gegen das Bein gezogen hat oder aus anderen Gründen. Dagegen hülfe nur eine Komplettabdeckung der Kette - der Vollkettenschutz -, der allerdings den Zugang erschwert, wenn die Kette mal abgesprungen ist. Eigentlich sollte die Kette ja nicht abspringen, aber da sie sich im Lauf der Jahre verlängert, weil sich die kleinen Gelenke zwischen den Kettengliedern abreiben, passiert das ab einem gewissen Alter. Wenn man den Abstand des Hinterrads zum Rahmen etwas vergrößert, dann geht es noch eine Weile gut, das aber machen nur die Schrauber:innen unter uns, die andern fahren oder schieben in die Fahrradwerkstatt. Ketten sind allerdings  im Gegensatz zu Riemen so universell verbreitet, dass Radweltreisende lieber mit einem Kettenfahrrad fahren sollten, statt mit einem Riemen, denn den kriegt man nicht überall. Nachteil auf der Weltreise: Ketten sind schmutzanfällig, am Öl bliebt Sand und Dreck kleben. Riemen macht das alles nichts aus. Bestenfalls muss man sie sauberbürsten. 


Der Riemen: 

Er gilt als wartungsarm und langlebiger. Riemen sind lautlos, was manche als Nachteil empfinden, weil Fußgänger:innen einen nicht hören, wenn man von hinten kommt, und sich erstmal nur mit dem Freilaufklicken bemerkbar machen will. Riemen dehnen sich auch nicht und sollen deshalb doppelt so lang halten wie Ketten. Sie sind unempfindlich gegen Spritzwasser mit Streusalz. Da sie gespannt werden müssen, muss allerdings der Radrahmen sehr präzise gefertigt und stabil sein. Den Austausch des Riemens kann man auch nicht ohne Weiteres selber machen. Ob die Spannung stimmt, kann man immerhin grob selber überprüfen: Sie ist okay, wenn man den Riemen mit normaler Handkraft (man nimmt den Daumenr) etwa einen Zentimeter nach unten drücken kann, es gibt aber auch Messgeräte dafür. Riemen sollen empfindlicher bei Seitenschlägen sein als Ketten. 

Und so völlig wartungsfrei sind sie auch nicht. Dass man sie mit Wasser und Lappen oder Bürste reinigt, wenn man eine Schlammfahrt gemacht hat, versteht sich von selbst. Aber ich bin auch nicht die einzige, bei der der Riemen nach einigen Jahren anfing zu knistern, also leise Geräusche von sich zu geben. Und das Rad fühlte sich dabei schwergängiger an. Ihn mit Seifenwasser abspülen hilft, aber nur kurz, also für ein paar Fahrten. So, wie erlauscht habe, entsteht eine quietschige Reibung an der Stelle, wo die Noppe des Riemens an der Riemenscheibe auf den Zahn trifft. Also habe ich mich in Foren umgetan. Da reden sie von zu großer Riemenspannung und andere davon, dass das dann doch nicht die Ursache sei, und raten zu Silikonspray. Leider kannten sich die Fahrradhändler:innen, bei denen ich reingeschneit bin, noch nicht so richtig gut mit Riemen aus, weshalb der erste mir abriet und der zweite aus den Tiefen der Werkstatt schließlich ein Spray holte, auf dem ausdrücklich stand, dass es für Radriemen geeignet ist (denn anscheinend kann manches Silikonspray auch dem Material schaden). Und dazu die Warnung: Beim Sprühen darf es auf keinen Fall auf die Bremsscheibe kommen. Denn es überzieht den Riemen mit einem sehr gleitfähigem Film. Danach war der Riemen wieder lautlos und das Fahrrad hatte erfreulich an Pepp gewonnen. 

Und dass Riemen teurer sind (70 bis 90 Euro) als Ketten (8 bis 20 Euro), sei auch noch erwähnt. 

Also: Für Menschen,  die sich nicht als Schrauber:innen verstehen, zuweilen gutes Tuch an den Beinen haben, viel im Stadtverkehr radeln und deshalb Naben- oder Getriebeschaltungen bevorzugen, ist der Riemen - finde ich - die bessere Alternative. Man spart sich auch die schwarzen Finger, die man kriegt, wenn man eine abgesprungene Kette wieder auf die Ritzel hebt. Der Riemen erfordert weniger Aufmerksamkeit und ist leise, will aber auch nicht gänzlich missachtet werden. Radhändler:innen kennen sich mit Riemen auch noch nicht so richtig gut aus, weil sie nicht auf jahrzehntelange Erfahrungen zurückgreifen können. Wer nicht ohne Kettenschaltung radeln mag, denkt eh nicht über einen Riemen nach. Und wer viel in Gegenden unterwegs ist, wo man nicht damit rechnen kann, dass Werkstätten Riemen vorrätig haben und wissen, wie ein Riemenwechsel geht (man kann ja einen Wechselriemen dabei haben), sollte die überall übliche Kette verwenden. 





10 Kommentare:

  1. Die Sache mit dem Wirkungsgrad im Antrieb ist nicht so pauschal als "gleich" zu bewerten.
    Viel entscheidender ist aber, dass ein Riemenantieb einen sehr steifen Rahmen benötigt, und das ist erwiesenermaßen nicht effizient.

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  2. Dass die Kette abspringt bei Längung muss nicht sein. Dafür gibt es Rollringe (https://www.roll-ring.com/anwendung-kettenspanner-quad/) die gehen auch fürs Fahrrad. Wir haben so ein Ding mal bei einer unserer Anlagen eingesetzt. Echt spiffig, nicht so anfällig und sperrig, wie sonstige Kettenspanner. Die Montage ist denkbar einfach, einfach zwischen Last- und Leertrum klemmen, das wars. Nur über die Haltbarkeit bei Fahrrädern kann ich nichts sagen. Aber vielleicht gibt es hier jemanden, der das schon ausprobiert hat. Mein Fahrrad ist mit einer Kettenschaltung da nicht geeignet, da brauchts eine Nabenschaltung. (Geht aber angeblich auch für Riemen).
    Karin

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    1. Danke. Kannte ich noch nicht. Habe auch noch nie ein Fahrrad damit gesehen.

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  3. Ralph Gutschmidt11. Januar 2023 um 16:53

    Schade, dass auch du die Erfahrung gemacht hast, dass sich die Händler nicht so gut auskennen. Bei meinem letzten Fahrradkauf führte dieses wenig auskennen (und die geringe Auswahl) schließlich dazu, dass ich zu einem Fahrrad-Discounter ging. Die kennen sich zwar auch nicht aus, berechnen mir für die Nichtberatung aber nicht auch noch Geld.

    Würden Händler gut beraten, so würden wohl die meisten Fahrräder mit Nabenschaltung verkauft, denn dies entspricht eher den Nutzungsanforderungen.

    Aber Schaltungen sehen eben irgendwie nach Rennsport aus. Da sind wir Radfahrer genau wie Autofahrer, die auch viel Wert auf Rennbremsen, Sportauspuff und gute Beschleunigung legen, obwohl sie nur im Stau zur Arbeit pendeln.

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  4. das mit dem Rad-Discounter ist in diesen Zeiten eher nicht zu empfehlen, denn Reparaturen führen diese nicht durch, und die besagten FAchgeschäfte meist nur bei Ihnen erworbenen Rädern, also steht man da, und muss selber reparieren, wenn jetzt noch ein Garantieschaden auftritt, sieht es ganz schlecht aus, die zwei, drei großen Versender ( möchte ich aber nicht als Discounter titulieren) tauschen zwar das Rad oder die Teile, aber es dauert, man muss einschicken oder selber einbauen...außerdem muss ich feststellen, dass es eigentlich in jeder größeren Stadt ein bis zwei gute bis sehr gute Fachhändler gibt, denen man auch durchaus vertrauen kann - in Stuttgart kenne ich auf Anhieb mindestens drei...man muss sich nur intensiv umschauen
    und noch eine Bemerkung zu marmotte27: ich habe mein Carbonrad extra wegen der Steifigkeit erworben, denn es ist - nach meinem Kenntnisstand - besonders effektiv, da die Kraft nicht im Rahmen, sondern auf der Straße landet

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    1. Die Kraft landet nicht "im Rahmen", dabei müsste dieser sich erwärmen, was er nicht tut. Stattdessen wird sie im Rahmen (beim Auslenken desselben wie in einer Feder) gespeichert und am Totpunkt wieder in den Antriebsstrang eingeleitet (hier im Experiment zu sehen: https://youtu.be/BH_AL4rxrp8). Sofern der Rahmen genug federn kann.
      Biomechanisch führt das dazu, dass man auf einem flexibleren Rahmen mehr Leistung bringen kann als auf einem (für die eigene Leistungsfähigkeit) zu steifen Rahmen (hier erklärt: https://www.renehersecycles.com/the-biomechanics-of-planing/).

      Das ist natürlich vor allem für durchschnittliche Radler auf normalen Fahrrädern interessant und wichtig, weniger bei einem Pedelec, wo dieser Radler 3mal soviel Leistung zur Verfügung hat.
      Aber selbst im Rennradbereich hat man nach dem Steifigkeitswahn der 90er un 00er Jahre eingesehen, dass das Blödsinn war. (Wobei der normale Sportler im Zweifelsfall auch hier einen für ihn zu steifen Rahmen fährt.)

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    2. Ralph Gutschmidt12. Januar 2023 um 06:40

      Während der Garantiezeit hat der Discounter alle Reparaturen zügig und gut durchgeführt. Danach bin ich immer zum freundlichen Händler um die Ecke gegangen, der etwas näher ist. Nur kaufen könnte ich da nicht, weil erwenig Angebot hat. Alle Händler sagen, sie Könnten ein Fahrrad für meine Wünsche(z. B. mit größeren Rahmen) nicht bestellen, weil sie kein Rückgaberecht haben.

      Ideal wäre ein Fahrrad aus dem Internet, da hätte ich auch meinen Riemenantrieb bekommen. Aber da konnte man mir kein schlüssiges Konzept für Reparaturen nennen.

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  5. spannende Links marmotte27, vielen Dank, da bleibt mir fast nur noch auf die schlechtere Effizienz bei zu Riemenantrieben nötigen Nabenschaltungen hinzuweisen...und ich habe hier im Freundeskreis leider die Erfahrung gemacht, dass es bei den meisten Fachhändlern Probleme gibt, Räder von zB. Rose oder canyon zu reparieren...VG EF

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  6. Ralph Gutschmidt12. Januar 2023 um 11:16

    Hallo EF,
    gibt's für die schlechtere Effizienz eine Quelle oder Erklärung? Also auch für die Praxis, nicht nur für Laborbedingungen?

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  7. Fantastischer Artikel, der die Vor- und Nachteile von Riemen und Ketten bei Fahrrädern wirklich gut herausarbeitet! Die Diskussion um den Wartungsaufwand ist besonders interessant, vor allem für diejenigen von uns, die nicht gerade passionierte Schrauber sind. Bezüglich des Preisunterschieds zwischen Riemen und Ketten muss man wohl auch die Langlebigkeit in Betracht ziehen. Auf einem High-End-Rennrad wie dem Cervelo R5 könnte man sich durchaus vorstellen, dass ein Riemenantrieb sinnvoll sein könnte, insbesondere um das geringe Gewicht und die hohe Leistungsfähigkeit des Rads zu komplementieren.
    Etwas, das mich neugierig gemacht hat: Wie würdest du den "Geräuschfaktor" von Riemen im Vergleich zu Ketten bewerten, vor allem in Bezug auf die Sicherheit im Straßenverkehr? Denn das leise Dahingleiten könnte ja auch seine Tücken haben, oder? In jedem Fall ein sehr informativer Beitrag, der sicherlich vielen bei der Entscheidungsfindung helfen wird.

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