Manche fahren nicht gern Fahrrad. Wenn man dann nachfragt, warum eigentlich nicht, kommt immer mal wieder heraus, dass sie Sitzprobleme haben, die Geschlechtsteile werden taub oder schmerzen. Wenn bei den Tagestouren, die wir im Urlaub vielleicht gemacht haben, der Hintern weh tat, dann müssen wir nicht aufgeben, sondern einen anderen Sattel suchen, der passt. Das ist nicht immer leicht, aber möglich. Frauen brauchen nicht grundsätzlich andere Sättel als Männer, sie brauchen beispielsweise keine breiteren, sie müssen aber unter Umständen auf andere Details achten. 2020 habe ich darüber ausführlich geschrieben. Hier der Artikel zum Wiederlesen.
Dass nach der ersten langen Radfahrt im Jahr die Sitzbeinknochen wehtun, ist normal. Daran gewöhnt sich der Hintern. Was aber auf keinen Fall wehtun sollte, sind der Steiß oder die Geschlechtsorgane, also die Weichteile zwischen den Sitzknochen. Auch Taubheitsgefühle sollten nicht entstehen, denn die bedeuten Durchblutungsstörungen.
Sitzprobleme stellen sich in der Regel nach einer halben bis Dreivietelstunde ein. Grundsätzlich kann man sagen: Radelt man oder frau sehr aufrecht, kann der Steiß wehtun. Radelt man/frau im Rennradmodus mehr oder weniger weit nach vorn gebeugt, dann können die Geschlechtsorgane schmerzen oder taub werden. Dafür gibt es aber Abhilfe mit einem anderen Sattel, der auf die eigene Radfahrhaltung und Beckenanatomie zugeschnitten ist.
Die Beckenantatomie von Frauen und Männern ist unterschiedlich. Allerdings weniger, als man denkt. Die Abstände der Sitzknochen können bei Männern groß sein und bei Frauen auch gering, tendenziell ist das Frauenbecken etwas breiter, aber individuelle Unterschiede sind da entscheidender. (Details zur Anatomie und Fahrradsätteln findet ihr hier.). Und tendenziell ist das Becken von Frauen im Sitzknochenbereich flacher, sie kann das Becken nicht so weit nach vorn auf den Sattel kippen.
Weiche Sättel können zur Qual werden. Kompakte weiche Sättel, also etwa Gelsättel verteilen den Druck ziemlich gleich auf Knochen und Weichteile, was dazu führt, dass die Knochen einsinken und die Weichteile mehr Druck aushalten müssen. Weiche Sättel sind schön für zwei Kilometer, aber nicht für 20. Sie verursachen auf Dauer eher Schmerzen. Alles über Schmerzen steht hier. Ein harter Sattel kann da schon mal Abhilfe schaffen.
Harte Sättel sind gewissermaßen ehrlicher. Fühlt man sich auf ihnen sofort wohl, dann wird es vermutlich auch bei längeren Fahrten keine Probleme geben. Härte ist für Sitzbeinknochen und das sie bedeckende Gewebe selten ein Problem. Man gewöhnt sich daran, oder vielmehr das Gehirn gewöhnt sich daran, den Druck nicht mehr als Schmerz wahrzunehmen. Reiter:innen sitzen ja auch auf knochenharten Ledersätteln. Und wir wissen, das können Menschen tagelang tun, sobald sich der Hintern daran gewöhnt hat.
Hier sind Nähte der Kleidung und der Unterwäsche der entscheidende Schmerz-Faktor. Rennradler:innen tragen deshalb tunlichst keine Unterwäsche in ihren Radlerhosen und benutzen für lange Fahrten zusätzlich Gels.
Was muss der Sattel tun?
Der Sattel sollte eine Auflage für die Sitzknochen bieten, aber die Weichteile entlasten oder gar nicht erst belasten. Sitzen sollte man auf den Sitzbeinhöckern (also den tiefsten Punkten des Beckens).
Manche Fahrradhändler raten Frauen, in aufrechter Haltung zu radeln. Viele Damenfahrräder (vor allem im Pedelec-Bereich) sind schon so aufgebaut, dass der Lenker höher als der Sattel ist. Wenn eine Frau das nicht will, dann empfiehlt sich der Sattel mit Loch oder Mulde in der Mitte, das allerdings zur reigenen Anatomie auch passen muss. Je nach Schwere der Probleme gibt es Spezialsättel ohne Sattelnase oder mit geteilter Sattelnase. Das dürfte aber nur in seltenen Fällen nötig sein.
Sättel für Frauen
Frauen haben am ehesten Chancen, sich auf einem Sattel auf langen Strecken wohl zu fühlen, wenn die Sitzfläche (das breite Teil des Sattels) höher als die Nase des Sattels liegt und wenn in der Mitte eine Mulde oder ein Durchbruch ist. Auch die weibliche Anatomie ist sehr indiviudell, und was für die eine an Vertiefung ausreicht, muss für die andere noch nicht ausreichen. Um den Schambereich zu entlasten, ist für manche Frauen eine aufrechtere Radfahrposition tatsächlich besser. Dann aber kann es zu Problemen mit dem Steißbein kommen. Auch dem kann man mit einem speziell dafür zugeschnittenen Sattel wieder abhelfen (welcher Sattel für welches Problem taugt, kann man hier lesen). Auch Specialized hat Tests gemacht und einen Sattel für Frauen entwickelt, der die Mulde hat und eine kürzere und schmalere Nase.
Übrigens, wenn es regnet, bleibt das Regenwasser in so einer Mulde stehen, und man muss den Sattel erst mal abtrocknen. Deshalb finde ich den Durchbruch nach wie vor besser.
Es gibt aber noch andere Probleme, die ein Sattel machen kann. Und oft sind die Stättel, die man mit dem neuen Fahrrad kauft, nicht wirklich gut. Hat der Sattel unten eine umlaufende Naht, dann wird man/frau das bald an den aufgeriebenen Hosen merken. Ist die Nase zu breit, dann reiben, je nach Anatomie, die Schenkel an ihr, was auf langen Strecken schmerzhaft wird.
Brooks bietet einen Ledersattel an, der sich allmählich dem Radlerhintern anpasst. Das sieht superschick aus, wenn man so einen eingeradelten Sattel hat, muss aber nicht unbedingt ein Vorteil sein. Denn er gibt ja dort nach, wo das Hauptgewicht auf ihn trifft und bäumt sich demzufolge dort auf, wo das Weichteilgewebe ihm weniger entgegensetzt als Knochen. Und schon haben wir das Problem, das auch ein weicher Sattel verursachen kann. Muss aber natürlich nicht so enden.
Und eines gilt immer: Der Stattel, der zu mir passt, muss nicht zu dir oder zu deiner Freundin oder deinem Freund passen. Die wenigsten müssen das Radfahren aufgeben, weil ihnen der Hintern - an welchen Stellen auch immer - wehtut, es gibt einen Sattel für das Problem. Den muss man/frau nur finden. Die Auswahl beim lokalen Fahrradhandel ist leider äußerst begrenzt. Und leider kann man zwar ein Fahrrad einige Stunden testfahren, aber nicht den Sattel, bevor man ihn kauft. Es ist allerdings gut angelegtes Geld, wenn man man den passenden Sattel endlich gefunden hat.
"Denn er gibt ja dort nach, wo das Hauptgewicht auf ihn trifft und bäumt sich demzufolge dort auf, wo das Weichteilgewebe ihm weniger entgegensetzt als Knochen."
AntwortenLöschenNein, so funktionieren Ledersättel nicht. Dann würden ja auch z.B.Lederschuhe, die sich an den Fuß anpassen, an manchen Stellen weiter, an anderen dafür enger werden. Das Leder gibt an den Sitzknochen etwas nach, der Rest bleibt, wo er ist.
Dies kann ich so bestätigen - ich liebe meinen Brooks.
LöschenOkay, Ich liebe meinen Brooks nicht, den er gab dort nach, wo die Sitzknochen sind und blieb dort buckelig, wo meine Weichteile sind. Aber wie schon gesagt, was für den einen, die eine ein toller Sattel ist, muss für die andere oder den anderen nicht so sein.
LöschenDanke, dass Sie in Ihren Beiträgen so offen und ehrlich zu uns sind
AntwortenLöschenVielleicht möchtest du den hiermit beantworteten Kommentar vom 3. September, 19:04 Uhr löschen und meinen gleich mit.
LöschenIch gehe davon aus, dass der nur dazu geschrieben wurde, um einen Werbelink zu platzieren.
Guter Artikel.
AntwortenLöschenWas vielleicht noch ergänzt werden könnte:
gar nicht so selten sind die Gründe von Sitzbeschwerden nicht (nur) beim Sattel zu finden, sondern werden durch unpassende Geometrie des Fahrrades verursacht.
Zu grosse Rahmen und/oder falsche Einstellungen von Lenkerhöhe, Vorbaulänge, Sattelhöhe, Sattelneigung, Sattel Horizontalposition, Pedallänge, etc. können dazu führen, dass auch ein gut geeigneter Sattel nicht zu beschwerdefreiem Fahren führt.
Falls sowas vorliegt (falsche oder fehlende Beratung beim Radkauf) besser kompetenten Rat einholen oder gründlich in die Materie einlesen.
Ein gut eingestelltes Rad sollte (bei körperlich durchschnittlicher Kondition und regelmässiger Fahrpraxis) auch beschwerdefreie Fahrten von >100km zulassen.
Für Autoumsteiger:innen sind die vielfältigen Einstllmöglichkeiten, die es erlauben das Fahrrad genau passend zu individualisieren oft erstmal etwas verwirrend, oder es wird (fälschlich) davon ausgegangen dass ein Versandhausrad ohne weitere Einstelllungsprozeduren schon 'irgendwie' passt.
Unpassende Fahrräder und unpassende Sättel zu benutzen ist wirklich schade, weil sich der Fahrgenuss sehr stark verringern kann und sich dann die falsche 'Erfahrung' verfestigt, dass Fahrräder nur für Kurzstrecken geeignet seien.
Bei Schuhen ist das allen klar, aber Fahrräder sind durchaus vergleichbar, auch wenn sich nachträglich viel mehr anpassen lässt als bei Schuhen.
Alfons Krückmann
Letztendlich muss auch frau den Sattel fahren um festzustellen ob er passt. Aber wo in Stuttgart bietet der Fahrradeinzelhandel denn so eine große Auswahl an welche frau dann auch probefahren kann? Wer keine Lust auf Ausprobieren hat kann auch professionellen Service wie eine Sitzpositionsanalyse/ Bike Fitting mit einer Satteldruckanalyse machen lassen. Für ambitioniertere FahrerInnen lohnt sich das auf alle Fälle. Da hat Alfons recht. Taubheitsgefühle im Genitalbereich müssen nicht sein. Genauso wenig wie teure Gels. Bei mir funktioniert Melkfett ganz hervorragend, für einen Bruchteil des Preises. Hier noch ein Link zum Radlabor. Nicht um Werbung zu machen. Aber weil der Artikel ebenfalls auf das Thema eingeht (wobei Christine das wesentliche angesprochen hat, also nicht wirklich neues bringt) und man/frau einen Eindruck über die Preise bekommt. Schön dass das Thema "Sitzprobleme" hier so offen angesprochen wird. https://www.radlabor.de/blog/wie-finde-ich-den-perfekten-fahrradsattel-kleine-sattelkunde
AntwortenLöschenJetzt wo ich seit drei Jahren ausschließlich Liegerad fahre, habe ich die Fähigkeit verloren, mich mit herkömmlichen Fahrradsätteln abzufinden. Ich finde sie sehr unbequem. Jetzt kann ich mehrere Stunden am Stück fahren und danach frisch und schmerzfrei aufstehen und etwas unternehmen.
AntwortenLöschenEd