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Fotomontage |
Wenn Hirsche Warnwesten tragen, dann steckt die Schweizer Beratungsstelle für Unfallverhütung dahinter.
Im vergangenen Winter lief eine Kampagne, die sich an Radfahrende richtete und originell sein wollte. Sie zeigt das Bild eines Hirschs, der in Warnweste in der Dämmerung auf einer Landstraße steht (den wir übriges auch ohne die Weste gut erkennen, anders als auf der Fotomontage von mir rechts). Auch Frösche oder Katzen scheinen sich nach Warnwesten zu sehnen. In der in den Medien ventilierten Pressemitteilung der BFU heißt es dazu: "Tausende Tiere lassen jedes Jahr ihr Leben auf der Strasse. Ihre Felle und ihre Haut gewähren ihnen in ihrer natürlichen Umgebung die gewünschte Tarnung und damit Schutz vor Feinden. Im Strassenverkehr kann ihr Aussehen zur tödlichen Falle werden. Im Gegensatz zu Tieren können wir Menschen uns mit einer Leuchtweste ganz einfach sichtbar machen." Fragt sich nur, wie viele Hirsche es in die Innenstädte zieht.
In einer anderen Kampagne der BFU wurde ein fast
durchsichtiger Fahrradfahrer mit Helm abgebildet. Der Text dazu lautete: "Keiner bremst für Unsichtbare." Fragt sich allerdings, ob Autofahrende eine durch die Straßen geisternde Schutzweste ohne Körper besser wahrnehmen? Wahrscheinlich stoppen sie vor Entsetzen. Ja, und?, fragen sich jetzt vielleicht manche. Ist doch ganz witzig. Aber so witzig ist es eigentlich nicht.
Sind Radfahrende denn Wild oder gleich "Freiwild" für Autofahrende? Es gibt diverse Untersuchungen, die zeigen, dass Menschen, die sich fürs Radfahren besonders anziehen (Helm, Leuchtwesten, Reflektoren) nicht mehr als vollwertig menschlich wahrgenommen werden, sondern als Out-Groop, als Außenseiter:innen in der Verkehrswelt. Und wenn jemand Radfahrende sowieso hasst, dann erzeugen die Signale "Hier kommt ein Straßenkampf-Radler" Aggressionen. Reflektierende Westen leuchten zwar und scheinen objektiv die Sichtbarkeit zu erhöhen, aber entscheidend ist das nicht, entscheidend ist, ob Autofahrende gewillt sind, auf Radfahrende zu achten und nach ihnen zu gucken. Es gibt nämlich eine
selektive Wahrnehmung, der Radfahrende besonders häufig zum Opfer fallen. Andere Signale sind da hilfreicher: Sitzen Radfahrende in Alltagskleidung eher aufrecht auf dem Rad, ähneln sie Fußgänger:innen und werden von Autofahrenden stärker beachtet (siehe
Tara Goddard u.a.: Does news coverage of traffic crashes affect perceived blame and preferred solutions?).
Was fehlt, sind ähnlich massive - originelle oder witzig-unwitzige - Kampagnen, die sich an Autofahrende richten und sie auffordern, langsam zu fahren, vor dem Abbiegen oder Aussteigen über die Schulter zu gucken, Abstand zu Radfahrenden zu halten und sich nicht wie die König:innen der Straße aufzuführen.
Anders als Hirsche oder Fußgänger:innen sind Radfahrende übrigens nachts mit einer Radbeleuchtung und Reflektoren an den Reifen ausgestattet, sie haben Scheinwerfer und Rücklicht, die sie auf der Fahrbahn sichtbar machen. (Ja ich weiß, in der Stadt fahren zu viele ohne Licht, aber die tragen sowieso auch keine Leuchtwesten, insofern brauchen wir uns heute nicht mit denen zu beschäftigen.) Den Radfahrer sieht man auf meiner Fotomongage oben eher besser als den Hirsch in seiner Weste. Und tagsüber sind Radfahrende so sichtbar wie Fußgänger:innen oder Mopedfahrende. Denen empfiehlt man auch keine Warnwesten.
Andreas Mandalka (Natenom) hat seine Warnweste auch nichts geholfen. Er wurde trotzdem von einem Autofahrer totgefahren.
AntwortenLöschenThomas
Es fehlt ein Bild vom Anzeigenhauptmeister zur Illustration des Gesagten!
AntwortenLöschen" "Tiere lassen jedes Jahr ihr Leben auf der Strasse. Ihre Felle und ihre Haut gewähren ihnen in ihrer natürlichen Umgebung die gewünschte Tarnung und damit Schutz vor Feinden. Im Strassenverkehr kann ihr Aussehen zur tödlichen Falle werden." "
AntwortenLöschenUnfassbar, die tödliche "Logik" dieser Menschen (wobei, was ist an dieser Denke eigentlich menschlich?). Mir dreht es bei jedem toten Tier das ich sehe, jedem toten Igel, jeder Kröte, jedem Salamander, jedem Fuchs, jedem Blutfleck, wo das Tier dann im Unterholz krepiert, den Magen um. Wie verroht muss man sein, um das dann auch noch gegen menschlich Opfer des Straßenverkehrs zu instrumentalisieren? Das ist die alltägliche Gewalt in den Köpfen, die schlagzeilen machenden Vorfälle sind nur die Spitze des Eisbergs.
Ja, so ist es. Es gruselt einen, wie selbstverständlich das Töten von Radfahrenden im Straßenverkehr den Radfahrenden selbst in die Schuhe geschoben wird.
Löschen100%ig auf den Punkt gebracht.
AntwortenLöschenIch ziehe auch keine Warnweste an. Ich habe eine sehr gute Beleuchtung am Rad und einige Reflektoren.
Und mit ist auch schon persönlich aufgefallen, dass wenn man als Radler sportlich unterwegs ist, man von einigen Autofahrern rücksichtloser behandelt wird.
Man merkt auch, dass auf Kinder mehr Rücksicht genommen wird, was einerseits gut ist, aber andererseits auch aufzeigt, wie respektlos manche Menschen ticken.
Warnwesten o.ä. Spezialkleidung sind für bestimmte Zwecke gedacht (Unfallstellen, Berufskleidung)
Von dieser Aufrüstungsspirale ist eben genau nichts zu halten. Was mir in täglichen Verkehr vom Rad aus betrachtet aber auffällig ist: Westenträger sind oft die besonders inkompetenten die zb durch dichtes, schnelles überholen von Fußgängern und anderen Radfahrenden oder aggressiv offensivem nutzen der falschen Strassenseite auffallen.
AntwortenLöschenWenn man Politik gegen Menschen macht, nicht bereit ist für Kompromisse oder durchdachte Lösungen, muss man sich nicht wundern, wenn die Spannung steigt.
AntwortenLöschenBeispiele sehen wir täglich in Stuttgart, wo man statt guter Infrastruktur eine ideologische Infrastruktur für seine jeweiligen Wählerschichten, auf Kosten der anderen Wählerschichten umsetzt.
Das Ergebnis ist eine höhere Spannung zwischen den Verkehrsteilnehmern.
Niko
um im genre zu bleiben:
AntwortenLöschenwas wäre denn, wenn die hirsche zurückschießen könnten? bliebe die (mangelnde) aufmerksamkeit der autofahrer gleich, wenn nach einem wildunfall damit gerechnet werden müsste, vom rest der rotte erschossen zu werden?
hat was mit macht zu tun.
straßenstrich oder weste helfen da nur bedingt.
schon eher traktoren.
karl g. fahr
In Kanada trägt man bei der Jagd grelle Warnwesten, weil man sonst Gefahr läuft, erschossen zu werden.
AntwortenLöschenFür mich stellt sich die Frage, ob das Warnwesten-Tragen nicht Beihilfe zur Körperverletzung oder sogar Beihilfe zum Totschlag ist. Denn faktisch werden die Sehgewohnheiten durch die grellen Farbflecke verschoben und man sieht "normale" Kleidung nicht mehr.
Ich weiß, dass die These ketzerisch ist, aber warum gewöhnen wir uns daran, dass man sich im Verkehr nur mit einer wie auch immer gearteten "Rüstung" bewegen kann? Sollten wir nicht vielmehr darauf dringen, dass alle Verkehrsteilnehmer sich achtsam bewegen, so dass niemand geschädigt wird?
Habe mal eine Zeit in der Sicherheitstechnik bei einem Automatisierer gearbeitet. Dort gab es eine Maschinenrichtlinie. Und die besagte (vereinfacht) eine Maschine müsse so sicher sein, dass selbst bei fahrlässigem Verhalten des Nutzers diese Maschine keine Gefahr für leid und Leben ist. Daher sieht man in der Industrie auch jede Menge gelbe Lichtschranken und andere Sicherheitsvorkehrungen.
AntwortenLöschenKomischerweise wird ein Auto oder ein LKW auf der Straße nicht als Maschine gesehen. Denn sonst müsste ein Auto sofort anhalten, wenn es schneller als die Geschwindigkeitsbegrenzung fährt, der Fahrer müde wird, die Witterungsverhältnisse schlecht sind, ein Radfahrer zu nahe am Auto ist usw.
In der Industrie sind dann die weiteren Schutzmaßnahmen am Arbeiter sogar der Maschinensicherheit nachgeordnet: Man darf die Maschine nicht unsicherer als technisch möglich machen und im Ausgleich dem Werker einen dickeren Helm aufsetzen.
Wieso ist das im Straßenverkehr wie hier beschrieben genau umgekehrt? Irgendwie betrachtet die Politik den Straßenverkehr als Naturgewalt. (... und nicht als großen Maschinenpark.)
Ich habe selbst einiges durchprobiert, um beim Radfahren wahrgenommen zu werden.
AntwortenLöschenMeine Erfahrungen sind:
1. Bloss keine Warnwesten anziehen. Autofahrer agieren extrem rücksichtslos und aggressiv. Ich vermute, dass eine Warnweste eine Opferrolle signalisiert und mich als übervorsichtigen, unsicheren darstellen, der sowieso auf alle seine Rechte verzichtet und zurücksteckt.
2. Mit Rennradkleidung (Bibshorts, Trikot) und Fahrrad mit Rennlenker wird man nicht als sympathisch wahrgenommen, aber in gewissem Rahmen als Verkehrsteilnehmer respektiert, der Anspruch auf zügiges Vorankommen erhebt, möglicherweise seine Rechte in der StVO kennt - und mit Vorsicht zu genießen ist, weil ein Rennradler sich möglicherweise ähnlich absichtlich über Verkehrsregeln hinwegsetzt wie Autofahrer. Da viele Autofahrer aber noch nicht mal Paragraph 2 der StVO kennen, befindet man sich unversehens in einer Konkurrenzsituation und einer Art Verdrängungswettbewerb um die Fahrbahn. Fußgänger (ver)wünschen einen auf die Fahrbahn, wenn man freigegebene Gehwege befährt. Man ist für alle der Alien unter den Verkehrsteilnehmern, vor dem alle ein wenig Angst haben.
Die aktuelle Mode mit den dunklen, gedeckten Farben macht einen leider ziemlich unsichtbar, aber ältere, neonfarbige oder sonstwie quietschbunte Trikots machen einen wenigstens rein optisch sichtbar.
3. Lastenräder und Räder mit Anhänger werden weiträumig umfahren. Vielleicht aus Rücksichtnahme, vermutlich aber, weil ihr Fahrverhalten schwerer eingeschätzt werden kann. Zu selten, zu exotisch. Autofahrer akzeptieren, dass man mit diesen unhandlich und schwerfällig wirkenden Gefährten typische Rad-und Gehwege nicht nutzen kann. Andererseits gehen auch Fußgänger geduldig damit um - ein klarer Vorteil gegenüber dem Rennrad.
Holger
Nach dieser Pilotstudie sehen 50% der Autofahrer Radfahrer nicht als richtige Menschen an und hehandeln sie deshalb wie lästiges Ungeziefer.
AntwortenLöschenDie eigentliche Studie ist leider kostenpflichtig außerhalb der Forschungs-Community. Daher habe ich keine Ahnung, wie aussagekräftig und repräsentativ sie ist. Keine 200 Probanden, da bin ich etwas misstrauisch. Immerhin wundert es mich mit dieser Erklärung weniger, dass mir schon mehrfach Morddrohungen aus runtergelassenem Autofenster zugerufen wurden, nur weil ich auf der Fahrbahn (Landstraßen ohne Gehweg oder Radweg sowie Kronprinzstraße) gefahren bin.
https://www.qut.edu.au/news?id=141968
Holger
Autofahrenden wird tatsächlich mal Aufmerksamkeit und Geschwindigkeitsredzierung empfohlen: beim Wildwechsel. Siehe diese Info des ADAC: https://presse.adac.de/regionalclubs/mittelrhein/wildunfall-2023.html
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