Es wird Winter. Kein schlechter Moment, sich nach einem neuen Fahrrad umzuschauen. Diesjährige Modelle werden oft billiger verkauft, und die Lieferengpässe des Frühjahrs dürften noch keine Rolle spielen.
Brauchen Frauen andere Räder als Männer und umgekehrt? Die klare Antwort: nein. Das Fahrrad muss halt passen. Zwar sind Männer im Durchschnitt größer als Frauen, haben längere Beine, ein schmaleres Becken, breitere Schultern und größere Hände, aber eben nur im Durchschnitt, nicht im Einzelfall. Was auch umgekehrt gilt. Rahmen für Männer sind in der Regel größer, die Kurbellängen auch, die Sättel schmaler, die Lenkergriffe dicker, die Bremshebel zuweilen zu weit weg für kleinere Frauenhände. Aber Unterschiede innerhalb der Geschlechter können größer sein als die zwischen den Geschlechtern.
Frauen bietet man in den Läden meist Tiefeinsteiger mit niedrigen Sätteln und hohem Lenker für die aufrechte Fahrhaltung an, Männern eher Räder, bei denen sie sich weiter nach vorne beugen müssen. In der Tat ist das weibliche Becken meist flacher, sodass es sich auf dem Sattel nicht so weit nach vorn kippen lässt wie das von Männern. Entscheidend ist dann der Sattel, der für die weibliche Anatomie passen muss. Ich bin aber auch schon kleinen Frauen auf viel zu großen Rädern begegnet. Das Problem dabei ist das Auf- und Absteigen und der Halt an der Ampel. Für den Fuß ist der Weg um Boden zu weit, die Frau muss vom Rad abspringen. Steht man aber mit beiden Füßen auf dem Boden, muss man beim Start wieder aufsteigen, und damit wird jeder Ampelhalt zum Stress. Also nur Mut: ein Rad mit kleineren Laufrädern verlangen! Die gibt es und sie verhelfen zu einem ganz ungewohntem Fahrvergnügen und Sicherheitsgefühl.
Rahmengrößen kann man im Laden testen, sich von Fachleuten ausmessen lassen, aber auch auf dieser Seite mal im Voraus berechnen. Das eigene Gefühl bei der Testfahrt muss dabei allerdings nicht immer der beste Ratgeber sein. Den meisten fällt es leichter auf einem Rad mit etwas zu großem Rahmen zu radeln, ein kleiner kommt ihnen oft zu eng vor. Aber auf Dauer ist ein zu großer Rahmen - also, wenn die Hände zu weit weg vom Sattel auf dem Lenker liegen - belastend für die Hüft- und Kniegelenke oder den Rücken und die Schulterpartie. Das merkt man aber erst nach längeren Strecken, die Schäden am eigenen Skelett erst nach vielen Jahren. Nach meiner Erfahrung müssen auch Männer aufpassen, dass sie kein zu großes Fahrrad kaufen, weil der Händler (seltenst eine Händlerin) ihm sportliche Herrenräder anbietet. Räder, die für Männer konstruiert wurden, haben wiederum zuweilen zu breite Lenker für Frauen, die schmalere Schultern haben. Und fast immer sind die Bremshebel so weit weg vom Griff, dass kleine Hände nur mit den Fingerspitzen drankommen.
Wir kennen noch das Damenfahrrad (und es gibt es auch noch) mit niedrigem Durchstieg, breitem Sattel, den man auch ziemlich tief einstellen kann, Gepäckträger, Lenkerkorb, Kettenschutz und gerne auch rosa, hellblau oder hellgrün. Was mich daran stört, ist, dass sie technisch oft schlechter, zumindest aber nicht besser sind als Durchschnittsräder. Immerhin aber sind sie bereits mit Licht und Klingel ausgerüstet. Es ist auch keine schlechte Idee, Räder für Frauen zu konstruieren, wenn sie technisch genauso hochwertig sind wie die Räder für Männer. Bei Frauenrädern ist der Lenker nicht so breit, die Bremshebel nicht so weit weg, es gibt Licht, Klingel, Gepäckträger (vielleicht sogar Gepäckträgerbox oder Transportsysteme), ein Felgenschloss und vielleicht endlich mal ein Helmschloss serienmäßig, der Abstand vom Pedal zum Boden ist etwas kürzer, der mitgelieferte Sattel hat eine Vertiefung in der Mitte und eine Federung. Und - wenn es nach mir ginge - hätte es auch serienmäßig einen großen Rückspiegel. Für männliche Radler konstruierte Räder gibt es reichlich. Und selbstverständlich können sie genauso gut von Frauen gefahren werden. Zu schmale Sättel kann man austauschen. Ohnehin sind nach meiner Erfahrung die Sättel, die man mit dem Rad kauft, selten die, auf denen man jahrelang längere Strecken radeln möchte. Nicht alle Frauen-Becken sind breit, nicht alle von Männern schmal. Ich persönlich finde den richtigen Sattel wichtig, und ich habe lange gebraucht, bis ich meinen idealen Sattel gefunden habe. Wenn ein Sattel die Genitalien abdrückt und es taube Gefühle gibt, gehört er sofort ausgetauscht. Frauen brauchen oft eine Vertiefung in der Sattelmitte, die aber auch breit genug sein muss. Zu breite Sättel belasten auf Dauer die Hüftgelenke (auch von Frauen), wenn die Schläge von einer Schlaglochstraße unmittelbar ins Hüftgelenk abgeleitet werden, statt in den Sitzknochen zu landen, weil die Sehnen des Hüftgelenks auf dem oder am Sattel liegen. Das merkt man dann nach einigen Jahrzehnten.
Kurzum: Frauen und Männer kaufen sich die Fahrräder, die ihnen gefallen, und Männer können sogenannte Damenräder fahren und Frauen sogenannte Herrenräder. Für Ältere sind Tiefeinsteiger mit aufrechter Fahrhaltung manchmal besser, für junge Frauen das Rennrad. Wer keine Erfahrung mit Rädern hat und sich nach Jahren der Abstinenz ein Pedelec (auch als E-Rad oder E-Bike bezeichnet) zulegen will - wozu ich sie oder ihn beglückwünsche - sollte sich zuerst fragen, wo man mit dem Rad hauptsächlich fahren will (aber das fragt er Händler auch). Abgesehen von der richtigen Rahmengröße und dem wirklich passenden Sattel, sollte man sich überlegen, ob man eine Nabenschaltung oder eine Kettenschaltung will. Wer hauptsächlich in der Stadt radelt, ist mit einer Nabenschaltung besser beraten, weil man dann im Stehen den Gang wechseln, also vor dem Start runterschalten kann (wird eher Frauen als Männern angeboten). Das geht bei einer Kettenschaltung nicht, und wenn ich schnell anhalten musste, dann muss ich im viel zu hohen Gang antreten, bevor ich schalten kann. Das belastet gerade bei E-Rädern das gesamte Antriebssystem und bringt das Rad dann schnell in die Werkstatt. Ich finde übrigens auch einen Riemen besser als eine Kette, weil man den nicht ölen muss. Aber man verliebt sich manchmal in ein Fahrrad, das viele No-goes und Must-haves dann gar nicht bedient. Und ein geliebtes Rad fährt man lieber als ein praktisches.
Ach ja: Und ich empfehle einen Rückspiegel.
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