20. August 2025

Die Münchner Posse - Wenn ein Radschnellweg massenhaft benutzt wird.

In Oberhaching hat man in einem Wald eine Geradausstrecke asphaltiert und als Radschnellweg ausgewiesen, jedenfalls an einigen Stellen. Er wird gern und viel genutzt, auch von vielen Rennrädern. Zoff gibt es von Anfang an. 

Er ist absichtlich so schlecht geplant, dass er an einem Biergaren vorbeiführt, wo die Parkplätze auf der anderen Straßenseite liegen und deshalb Menschen zu Fuß rüberschusseln.  Ein hausgemachtes Problem, weil man dachte, die Radler sollten dich am Biergarten entlanggeführt werden, damit sie einkehren. Ich habe über die Posse schon mal geschrieben. Wobei die Bilder, die die Süddeutsche Zeitung zeigt (siehe Foto oben), kein höheres Radverkehrsaufkommen zeigt als wir beispielsweise an einem schönen Samstag im Schlossgarten haben. Mich beeindruckt die Situation nicht, das können wir alles in Stuttgart schon lange. Und dass ein extra asphalttierter schnur gerader Weg durch den Wald für Radfahrende auch von Radfahrenden genutzt wird, gern und häufig, sollte ja nicht erstaunen. Was man halt vom Autoverkehr nicht kennt: Im Radverkehr gibt es immer unterschiedliche Geschwindigkeiten je nach Radtyp und Radfahrtyp (Normalrad, Rennrad, Pedelec, Familienausflug oder Rennradgruppe).

Für alle - auch Radfahrende - ist am Biergarten Tempo 10 angeordnet, und Bodenschwellen sollen die Radler rabiat runterbremsen. Vermutlich beschleunigen sie nach den Schwellen wieder, jedenfalls werden vor allem die Rennradler:innen als zu schnell empfunden. Und darüber beschweren sich auch viele, was die Süddeutsche Zeitung dankbar aufnimmt. Der Bürgermeiser ist genervt und fantasiert in der Zeitung, dass man den "radenden Radlern" zu Strafe dann halt mal das Fahrrad wegnimmt. 

Das ist durch kein Recht gedeckt.

Blitzer für Radfahrende aufstellen, erfahren wir im SZ-Artikel, geht nicht, weil Blitzer derzeit nur für Kraftfahrzeuge zugelassen sind. Natürlich haben Fahrräder auch keine Nummernschilder. Aber selbst, wenn sie sie hätten, wären sie hinten (so wie bei Motorrädern auch), und ein Gesicht müsste auf dem Foto schon erkennbar sein, sonst könnte der Besitzer des Fahrrads sagen, er sei nicht gefahren (das machen Autofahrer auch gern, wenn ihr Gesicht nicht erkennbar ist). Die Polizei könnte sich aber hinstellen, messen und ein paar Meter weiter die Radler:innen, die zu schnell sind, rausziehen. 

Da zu schnelles Radeln in der StVO nicht vorgesehen ist, ist allerdings völlig unklar, was dem Radler passiert, der mit 30 km/h in einer 10-Zone erwischt wird. Im Bußgeldkatalog ist dazu nichts aufgeführt. Auch wenn Fahrräder keinen Tacho haben müssen, also die genaue Geschwindigkeit nicht bestimmt werden kann, wissen routinierte Radfahrende natürlich ungefähr, wie schnell sie sind. Und 10 km/h ist ja echt langsam.   Andere Regelverstöße wiederum sind klar definiert  Andere Regelverstöße wiederum sind klar definiert: 30 Euro werden fällig, wenn man in einer freigegeben Fußgängerzone oder auf einem freigegebenen Gehweg schneller als Schrittgeschwindigkeit (7 km/h) radelt, aber nur, wenn man dabei andere gefährdet. Und das ist ziemlich subjektiv. Außerdem ist die Straße an dem Biergarten keine Fußgängerzone. Wobei die Oberhachinger dazu fähig sind, hier Fußgängerzeichen aufzustellen. Das haben sie an anderer Stelle bereits gemacht. Nützen würde es auch nichts. Denn Schrittgeschwindkigkeit fahren geht nicht. 

Ich habe in meinem ersten Artikel über die Situation dort mal die Perspektive gewechselt und in dem Originalpressetext die Wörter" Fahrrad "und "Radfahrer" durch "Auto" und "Autofahrer" ersetzt, um deutlich zu machen, dass wir uns über das Verhalten von Radfahrenden viel heftiger aufregen als über das gleiche Verhalten von Autofahrenden. Die Süddeutsche Zeitung macht im zweiten Teil ihres Artikels etwas ähnliches, um den Ruf der Rennradfahrer zu retten. Autofahrende blockieren massenhaft Straßen im Ausflugsverkehr und gefährden andere. Radfahren ist harmlos verglichen damit. 

Nachtrag: Heute finde ich in mehreren Zeitung die Meldung, dass ein Rennradfahrer an der zweiten der Schwellen an der Kugleralm gestürzt ist (weil sich sein Vorderrad quer stellte) und sich das Schlüsselbein gebrochen hat. Die Süddeutsche Zeitung schildert den Vorfall sachlich. Dass der Radler zu schnell gewesen sei, habe man nicht feststellen können. 



4 Kommentare:

  1. Wenn Autofahrer Radfahrinfra planen und als Zielgruppe nur sich selber projezieren, wenn Sie im Rad-Urlaub am Rhein, im Allgäu oder der Ostsee gemütlich mit dem Pedelec dahinfedern...

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  2. Das kommt mir vor wie das typische Sommerlochthema.
    Wäre der Radweg eine Strasse, würde sich keiner Aufregen. Da hieße es, man muss halt schaun, ist halt eine Strasse und da fahren halt Autos.
    Aber Radfahrer auf dem Radweg sind halt Raser und auf die muss man nicht achten, die müssen dann langsam machen und werden beschimpft. Und dann fallen auch noch die meisten auf den von der Presse verbeiteten Schwachsinn rein. Man sollte mal seinen eigenen Kopf zum Denken nutzen und nicht nur zum Ausführen der Frisur.
    Karin

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  3. Ich habe einen Kommentar gelöscht, der mir (uns) süffisant "Selbstreflexion" und "Demut" empfohlen hat. Wir sollten schauen, was wir Radfahrenden tunt könnten, um die Situation zu entschärfen. Ob dieser Mensch auch Autofahrenden mal "Demut" und "Selbstreflexion" empfehlen würde, die mit 70 km/h an einem Ausflugslokal vorbei fahren oder den Motorradfahrenden, die im Sommer im Schwarzwald und Allgäu schmale Bergstraßen unsicher machen, nicht nur durch ihre Geschwindigkeiten und Masse, sondern auch mit einem ungeheuren Lärm?

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  4. Diese ganzen Jahr für Jahr ritualisiert ablaufenden medialen Anti-Fahrrad Kampagnen zielen im Kern stets auf die gleiche Problematik:
    möglicherweise könnte im 'Autoland' so etwas wie eine Verkehrswende drohen.

    Sobald Planungen, wie zB echte Radschnellwege, Straßen- und Spurenumwidmungen, Rückbau von Autoinfrastrukturen, etc. drohen, wird das mediale Störfeuer aus allen Rohren eröffnet.
    Radinfrastruktur für's Rendite bringende Image als 'Rad Urlaubsregion'?
    Immer gern mitgenommen!
    Aber Verkehrswege so umzugestalten, dass die Losung MIV-only gefährdet wird?
    No go!
    Klar, dieses Auseinanderklaffen von hoheitlichem Selbstlob-Marketing und real existierender Wirklichkeit ist in vielen anderen Bereichen auch so, das macht's aber nicht besser.
    Fast ließe sich als 'Faustformel' sagen:
    wenn die bürgerliche Presse und die 'Leitmedien' radverkehrspolitische Änderungen nicht mit Furor attackieren, ist das ein sicheres Indiz von zu erwartender Wirkungslosigkeit für eine ökologische Verkehrswende.
    Soll bei den ökologisch entscheidenden Alltagsverkehren ein shift weg vom MIV hin zum Umweltverbund passieren, dann führt halt kein Weg an einer Neuverteilung der Reisezeiten vorbei.
    MIV verlangsamen und auch im Hinblick auf Komfort deattraktivieren, den Umweltverbund (Fuß, Rad, ÖV) wo immer es geht beschleunigen und attraktivieren.
    Haupthinderungsgrund für die Verankerung von Fuß und Rad ist nach wie vor die permanente Belästigung durch den MIV in Folge von Lärm, Abgas, latenter Todesdrohung und aggressiver Verdrängung auf ungeeignete gefährdende Wege (schmale holprige Separations-'Lösungen', etc.).
    Realistisch gesehen wird es in Zeiten der der Blau/Schwarzen Zeitenwende aber weitergehen wie bisher:
    Rad ist gut für Tourismusrenditen, für ein sportives durchhaltefähiges Arbeitskräftepotential (Selbstoptimierung ...), als billiges Marketing Feigenblatt ('Fahrradland' usw.) der dreckigen Täter-Länder des hyperkonsumierenden industriellen Nordens. Aber als funktionierender Teil einer ökologisch/sozialen Verkehrswende?
    Da ist das Motto in den 'Leitmedien' und bei den metastasierenden rechten socialmedia-bots nach wie vor klar: "Nicht mit uns!"
    Alfons Krückmann

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