In Tübingen ist die kritische Masse erreicht. Es gibt wirklich viele Radfahrer. Sie fahren überall, sie schieben auch, wo sie das müssen, sie warten an roten Ampeln. Fußgänger drehen sich um, bevor sie über einen Radweg zur Fußgängerampel gehen. Schöööön!
Sie stehen an geteilten Rad-/Fußgängerampeln nicht auf der Radseite, sie achten penibel darauf, auf dem Gehweg nur ihre Seite zu benutzen. Wunderbar. (Dieser Fußgänger mit dem Rollkoffer wird sich übrigens gleich umdrehen, bevor er nach links den Radweg überquert.)
Dass Radler dennoch nicht sklavisch auf der Spur bleiben zeigt nur: Hier wäre eine noch organischere Rad-Verkehrsführung möglich. Schön aber, dass sie getrennt von Fußgängern die Straße überqueren und bereits in die Richtung orientiert, wo sie hinwollen.
Wer Radfahrer achtet, bringt sie dazu, rote Ampeln zu achten.
Interessanterweise warten Radler in Tübingen viel öfter, zahlreicher und konsequenter an roten Ampeln als bei uns in Stuttgart. Auch dann, wenn eigentlich frei ist. Sie starten erst, wenn Grün wird, so wie hier. Eine geregelte Radkultur hilft also durchaus, Radfahrer zu disziplinieren und dazu zu bringen, dass sie sich weniger illegal durchwursteln.
Man beachte, hier fehlt ein Radwegschild. Das Schild, das wir sehen, sagt nur den Fußgängern, wo ihr Weg ist, nämlich ganz rechts.
Und auch sie bleiben auf ihrer Spur, so als gingen sie an einer Autostraße entlang. Und zwar deshalb, weil hier so viele Radfahrer unterwegs sind, dass sie gar nicht auf die Idee kommen, auf den Radweg zu schusseln.
An manchen Ecken und Abzweigen hängen kleine Schilder mit Radsymbol und Pfeil, die vermutlich irgendetwas bedeuten, was auf Radrouten hindeutet. (Wer es genau weiß, schreibe mir.)
Räder werden rund um Tübingens Innenstadt eigentlich überall abgestellt, wo es geht. Und das, obgleich es tatsächlich an vielen Stellen große Radabstellplätze gibt.
In Stuttgart würde man keine drei Parkplätze für Räder aufgeben, so wie hier. Man sieht aber auch, dass hier einige Dutzend Räder herpassen, wo andererseits höchstens drei Autos einen Parkplatz gefunden hätten.
Man stelle sich mal vor, wie die Verkehrs- und Parkplatzsituation in Tübingen wäre, wenn es nicht so viele Radfahrer gäbe. Es lohnt sich also, etwas für Radfahrer zu tun. Auch in Stuttgart. Es schafft Platz auf Straßen. Denn ein Rad braucht nur ein Vierzehntel des Platzes, den ein Auto braucht.
Das wünschen wir uns in Stuttgart: die freudige Einsicht, dass es der Autostadt gut tut, wenn sie ernsthaft etwas für Radfahrer macht, weil dann mehr Leute aufs Rad/Pedelec umsteigen und der Autoverkehr besser rollt.
Dazu gehören, durchgängige Radführungen getrennt von Fußgängern, deutliche Übergänge, Aufstellplätze an Ampeln, eine Wegweisung und Radparkplätze. Dann überschreiten auch wir die kritische Masse und werden als Radfahrer von Fußgängern und Autofahrern respektiert.
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