15. Oktober 2015

Radfahren mit Kindern

Am Wochenende raus und mit den Kindern Rad fahren. Sehr schön. Allerdings Stress pur für Eltern. 

Ich bin an einem sonnigen Samstag im Oktober eher zufällig zwei Müttern mit ihren Kindern hinterher geradelt.

Die Kinder vorneweg, die Mütter als Bollwerk gegen überholende Radler hinter ihnen. Und permament soufflieren sie nach vorn: "Jetzt ganz langsam!" - "Rechts fahren!" - "Pass auf, Radfahrer!" Für Kinder und Familien mit Kindern ist Stuttgart sehr sehr schwierig.




Die Tour dieser Gruppe beginnt an der Wilhelmsbrücke in Cannstatt und geht zur Ampel am Rosensteinbunker.  Die Mutter pollert nach hinten ab und gibt die nötigen Zeichen, damit ich nicht vorbeibrettere.

Erste Aufgabe der Erwachsenen: Sicherung nach hinten. Am besten wäre es hier, der Trupp hätte noch die männliche Vorhut, die den Weg frei macht. Das wäre dann der klassische Familienverband: Papa vorn, Kinder in der Mitte, Mama hinten.

Dass Kinder weniger routiniert starten als Erwachsene, sieht man hier. Kinder beherrschen zwar ihr Rad sehr schnell, aber eher spielerisch. Sie finden ihren Weg, können aber Gefahren nicht so gut voraussehen. Und sie reagieren gewöhnlich nicht so schnell, weil sie mehr aufs Radeln konzentriert sind. Deshalb passt die Mutter wie eine Glucke auf.

Ich auch. Ich überhole nicht.





Was eindeutig zu kompliziert war für diesen Tross, war die Fußgängerampel auf dem Radweg mitten auf der König-Karls-Brücke. Es kommen viele Radler entgegen, die alle auch nicht auf die rote Ampel achten. Und die Mutter ist vollauf damit beschäftigt, ihre Kinder auf der rechten Seite zu halten. Da ist das Stoppen an der Ampel zu viel. Sie fährt weiter. (Die Ampel hängt auch sehr hoch, Kinder sehen die gar nicht, die Mutter dürfte sich auch übersehen haben.)

(Mein Vorschlag: Diese Radlerampel einfach abbauen. Für Fußgänger ist es hier nicht kompliziert, und von der andren Seite her ist die rote Streuschreibe eh nicht sichtbar, sie wird von einem Schild verdeckt.)

An Anstiegen haben Kinder auf ihren kleinen Rädern oft Probleme. Sie strengen sich mächtig an und müssen schließlich absteigen und schieben.

Hier passiert es oft, dass sie den Anschluss an die Mütter oder Väter verlieren und zurückbleiben. Eine Mutter will auf ihren Normalrad ja auch irgendwie im Schwung hinaufkommen.

Dieses Kind hier ist sicher unter 8 Jahre alt. Es muss eigentlich auf dem Gehweg fahren. Auf einem Radweg darf es gar nicht unterwegs sein. Aber, was soll die Mutter machen?

Den Felix-Leitner-Steg müsste sie links, das Kind rechts hoch fahren. Oder sie müsste eben auf dem Fußgängerteil schieben. Das ist nicht lebensecht. Wir Radler sind natürlich gewohnt, auf solche kleinen Hindernisse auf unserem Weg zu achten. Das Kind ist nicht in Gefahr, beispielsweise von mir über den Haufen gefahren zu werden. Aber so richtig gut ist diese Situation auch nicht. Hier sieht man, wie wenig Stuttgart darauf vorbereitet ist, dass Eltern mit Kindern Rad fahren, also Rad fahren üben. Dabei ist genau das enorm wichtig für Kinder. (Radfahren macht besser in Mathe)

Der Schlossgarten selbst ist dafür sogar ganz gut geeignet, denn fast alle Bereiche sind gemischte Geh-/Radwege. Hier können die Kleinsten üben.



Auch diese Mutter führt übrigens solange es geht, hinter ihrem Sprössling her und ruft ihm Fahranweisungen zu.

Der Vater links ist ganz zu Fuß unterwegs und bringt dem Kind das Radeln bei. Natürlich achten alle Radfahrer/innen im Schlossgarten darauf.
Dennoch kommt es zu angespannten Situationen, etwa, wenn ein Radler eine Gruppe von Fußgängern unbedingt mit Schwung überholen muss, obgleich ihm Mutter und Kind entgegen kommen. Da werden die Regieanweisungen der Mutter an ihr Kind dann etwas lauter.

Radtouren mit Kindern sind grundsätzlich enorm wichtig. Auch wenn es innerhalb der Stadt für Eltern ziemlich stressig ist, weil Kinder viel mehr schlingern, weil Kinder dahin fahren, wohin sie gucken (also auch in den Radler hinein, den sie angucken), weil Kinder sich zwar mit Lust anstrengen, aber Gefahren nicht vorhersehen können.

9 Kommentare:

  1. Alles nicht verkehrt,

    ein bisschen untergegangen ist dabei die Frage, ob und wie man Eltern dazu motiviert, mit Kind und Rad auch tägliche Wege, v.a. zur Schule, zurück zu legen. Als "Freizeitgefährt" hat fast jedes Kind ein Rad, wenn auch in höchst unterschiedlicher Qualität. Wirklich täglich oder mehrmals die Woche damit unterwegs sind allerdings kaum welche.
    Da wird die Wegeproblematik zudem noch virulenter....

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    1. Darüber denke ich auch schon nach. Ich werde mal was schreiben, warum es gute Gründe gibt, Kinder radeln zu lassen. (Habe ich ja auch shon mal geschrieben.) Aber ich erreiche über meinen Blog natürlich ganau die Eltern nicht wirklich, die sich nicht trauen, ihre Kinder aufs Rad zu setzen und mit ihnen zu Fuß oder per Rad die Alltagswege zu machen. Auch wenn es ganz wichtig ist, dass Kinder sehr schnell anfangen, ihren Gleichgewichtssinn zu üben.

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  2. In dem Kontext sei auch mal an das Trauerspiel um die Stuttgarter Jugendverkehrsschule erinnert...

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  3. Letztlich bin ich mir aber sicher,

    dass wir nur durch mehr Alltagsnutzung signifikant eine bessere Infrastruktur bekommen werden, ansonsten bleiben wir in einem Henne-Ei-Problem gefangen. Und persönlich finde ich es wichtig, das Kinder erleben, dass sie mit diesem Vehikel ihren persönlichen Aktionsradius deutlich erweitern können. Wenn wir lieber warten wollen, bis die Infrastruktur und die STVO soweit sind, das zu berücksichtigen, dann brauchen wir den Kindern das radeln erst gar nicht beibringen.

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    1. Stimmt. Für mich als Kind waren "Radtouren" sehr wichtig. Die hat mein Vater mit uns Kindern unternommen. Radfahren ist für Kinder die Chance relativ weite Strecken zurückzulegen ohne ein Auto zu benutzen und ohne die Eltern als Chauffeure zu gebrauchen. Ich vermute allerdings, dass es manchen Eltern ganz recht ist, wenn die Kinder nicht selbstständig unterwegs sind, so haben sie sie besser unter Kontrolle. Ich gebe dir übrigens Recht, dass ein höherer Druck von Radfahrern die Stadt zwingt, die Infrastruktur zu schaffen. Aber sie beginnt jetzt auch, geschaffen zu werden.

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  4. Wir legen viele unserer Wege mit dem Rad zurück, gerade mit den Kindern! Zum Kindergarten ging's erst mit dem Laufrad, später mit dem eigenen Fahrrad. Was hab ich da unverständliche Blicke und Kopfschütteln geerntet. Das ist doch viel zu gefährlich für so kleine Kinder! Und dann auch noch bei Wind und Wetter und selbst im Winter! Wie kann ich das verantworten!
    Erst die Schule hat und hier ausgebremst. Die Kinder dürfen nicht mit dem Rad kommen. Argumentiert wird das mit dem fehlenden Radführerschein (macht man glaub ich in Kl. 4), erst dann seien die Kinder fit für den Verkehr. Im Schulhof stehen also die verwaisten Radbügel, immerhin kommen die meisten Schüler zu Fuß.

    Noch kurz zum Thema Schlossgarten. Der ist wirklich ziemlich anstrengend, gerade mit den Kindern. Allerdings hat diese beengte Situation die Kinder fit gemacht, enge Verkehrsräume werden mit Gelassenheit befahren. Was sich diesen Sommer grandios im Urlaub in Paris zeigte. Pariser Stadtverkehr mit dem Rad und den Kindern hat hervorragend geklappt! Nur Mutti war manchmal noch ein bisschen nervös.

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    1. Vielen Dank für den schönen, ermutigenden Bericht. Es ist ja wirklich auch so, dass Kinder auch bei Regen und Kälte an die frische Luft können. Dem Menschen macht ja Kälte eigentlich nichts aus. Aber wir tun heutzutage oft so, als wäre es unmöglich, rauszugehen, wenn das Wetter so ist wie heute: nasskalt.

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    2. Wie wahr. Aber die Grundschule, bzw. die Lehrer, haben Falsches verbreitet. Die Schule kann nicht bestimmen, wie die Schüler zur Schule kommen. Es gibt nur eine Instanz, die festlegt, ob die Kinder mit dem Rad fahren dürfen. Und das sind die Eltern.

      Zu diesem Thema: http://blog.zeit.de/fahrrad/2013/08/26/grundschuler-durfen-zur-schule-radeln/

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  5. In Stuttgart gibt es sehr viele, schöne Orte an denen man mit den Kindern Fahrrad fahren kann. Vor allem im Sommer!

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