3. Dezember 2015

Radler und Fußgänger verstehen sich besser als man denkt



Eigentlich ist es kein Problem, Radfahrer/innen in Fußgängerzonen wie der Königstraße zuzulassen. Eine über zwanzig Jahre alte Untersuchung zeigt, die Aufregung über Radfahrer ist wesentlich größer als die realen Probleme mit ihnen.

Was meist nicht bedacht wird: der Lieferverkehr  stört und behindert Fußgänger viel raumgreifender. Autos betrachten wir jedoch als notwendiges Übel, das wir ohne Erregung hinnehmen, Radfahrer/innen werden dagegen schnell als Störenfriede gebrandmarkt.
Und zwar vorwiegend von Fußgängern, die selbst mit dem Auto in die Innenstadt gefahren sind. Es scheint, dass Autofahrer, die in Fußgängerzonen zu Fußgängern werden, Radfahrer als Verkehrsteilnehmer nicht mögen und auch nur schlecht einschätzen können. Sitzen sie im Auto, schimpfen sie, weil der Radfahrer vor ihnen zu langsam ist, sind sie zu Fuß untewegs, empfinden sie Radler, die mit knapp 10 km/h rollen als "Raser" oder stellen sie bewusst so dar.


Die Untersuchung aus dem Jahr 1994 hat ergeben, dass bereists Forschungsarbeiten aus dem Jahr 1983 im Raum Münster ergeben haben, dass es in Fußgängerzonen gar keine Konflikte zwischen Radfahrern und Fußänger gibt, weil vor allem Radler ihr Verhalten ja immer de jeweiligen Situation anpassen (darin sind sind sie ja Spezialisten)  das heißt, sie schlängeln sich langsam und extrem bremsbereit durch die Fußänger. Unfälle passieren auch so gut wie keine, und wenn, dann kommt es nur zu kleinen Verletzungen.

Und ein nicht zu unterschätzender Vorteil einer Radfreigabe in innerstädtischen Fußgängerzonen ist, dass sie mehr Kinder und Jugendliche aufs Fahrrad bringt, die den sicheren und oft direkteren Weg durch autofreie Straßen radeln können. (Was Eltern sehr beruhigt.) Lässt man Radler in Fußgängerzonen zu, steigt übrigens sogar die Zustimmung der Fußgänger dafür. (In Wunsdorf waren 42 % der Fußgänger anfänglich für Radler in der Fußgängerzone. Nach einem Jahr stieg die Zustimmung auf 59 %. Und während sich zunächst 40 % unsicher fühlten, waren es dann nur noch 28 %. Hier sieht man wieder, wir lehnen oft etwas ab, weil wir es nicht kennen.

Jetzt gehöre ich zu denen, die ein riesengroßes Verständnis dafür haben, dass Fußgänger das Spazierengehen genießen und absoluten Vorrang haben in ihren wenigen Fußgängerbereichen. Ich habe hisher immer die Ansicht vertreten, sir bräuchten die Königstraße nicht, obwohl mir da einzele Radler widersprochen haben. Ich selber brauche sie nicht. Ich kaufe dann eben dort nicht ein. Andererseits habe ich die Erfahrung gemacht, dass Radfahrer viel weniger gefährlich sind, als sie  hingestellt werden. Die Angst, dass Radfahrer Fußgänger nicht sehen, ist irreael groß. Das Gefühl, sie rasten durch die Fußgängerzone, spiegelt nicht die Realität wider.

Und rollend kommt man als Radler leichter durch als schiebend. Da verhakeln sich Lenker nicht in Handtasschenriemen von Passanten und man streift mit dem Pedal nicht aus Versehen eine fremde Wade. Umfahren täte man ja keinen Fußgänger, als vorrangig empfindet man sich hier auch nicht, man ist in Schrittgeschwindigkeit unterwegs. Und das ist völlig unpoblematisch und stresst niemanden, der sich davon nicht stressen lassen will.

Vielleicht ist es einen Versuch wert, auch um die Akzeptanz von Radfahrern in Stuttgart zu erhöhen, wenn wir die Königstraße für radelnde Radler freigeben würden. Ist ja klar, dass sie, wie heute auch schon in freigegebenen Fußgängerzonen etwa zur Kronprinzenstraße hin (siehe Fotos oben), in Schrittgeschwindigkeit unterwegs sind. Die Königstraße würde damit auch neue Kund/innen gewinnen, nämlich solche wie mich, die auf dem Weg mal schnell anhalten, um in einen Laden zu gehen.

Gleichzeitig könnten wir den Lieferverkehr mal wirklich konsequent nach 11 Uhr aus den Fußgängerzonen fernhalten. Der Lieferverkehr könnte auf Lastenräder umsteigen, wo er nicht darauf verzichten will, in die Fußängerzonen zu fahren. 

9 Kommentare:

  1. So langsam drehe ich durch! Mir ist es doch völlig egal, welches Schild in der Königstraße was und wann und wie regelt. Am Sonntagvormittag dort um 9 Uhr durchzufahren ist doch völlig unproblematisch, weil es keine Passanten gibt. Am Samstagmittag gegen 14 Uhr ist es hingegen völlig unmöglich, die so genannte Fußgängerzone mit dem Fahrrad zu befahren, weil die Dichte an Fußgängern dies überhaupt nicht zulässt. Warum lässt sich nicht der praktische Menschenverstand aktivieren, sondern immer soll er durch Regeln, Gesetze, Paragraphen und Besserwisserei ersetzt werden? Ich kann mich hier als Deutscher einfach nicht integrieren. Es ist unmöglich! Nur zum Beispiel: Nur tausend Neapolitaner auf den Stuttgarter Samstagfreizeitverkehr in der winzigen Stadt losgelassen würde sofort zum nationalen Notstand herbeihysterisiert und zwingend zum Rücktritt der Landesregierung innerhalb von 24 Stunden führen. Dabei liegt sogar Neapel mit einem funktionierenden Verkehrssystem mitten in Europa! Und Radfahren lässt sich dort prima. By the way: Auch in London fahre ich – und andere - Rad entlang der Themse auf einer Straße, die hier der B10 / B14 nach Esslingen entspricht. Wenn ich das hier tun würde, sperrte man mich ein für den Rest meines Lebens. Ich kann diesen provinziellen Paragraphenquatsch einfach nicht mehr ertragen.

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    1. Stefan, wenn dich die Polizei erwischt, musst du zehn Euro zahlen. Deshalb wäre es besser, es stünde da ein Schild "für Radler frei".

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    2. Schild hin oder her, Radfahrer sollten hier einfach massenhaft durchfahren und sich ihr Wegerecht erkämpfen. Ziviler Ungehorsam sozusagen. Unsere lässigen Nachbarn, die Holländer, würden das genau so machen. Scheiß auf die zehn Euro.

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    3. Am besten wäre es mitten in der Nacht über die komplette länge der Königstraße in beiden Richtungen Radwege auf dem Boden auf Malen! ;-) Dann muss keiner 10 € zahlen!

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  2. Schon wenn man nur geschwind die Königstraße queren möchte, müsste man ab- und wieder aufsteigen. Im oberen Bild sieht man ein Hinweisschild, das Radfahrer nach rechts lenkt. Wohin? Nächste Querung ohne Absteigen dann wieder möglich in der Eberhardstr. - wenn man aber geradeaus Richtung Chalottenplatz möchte, ist das doch etwas "Umweg". Besonders für Ortsunkundige ein Hinweis ohne Wert. Mal abgesehen davon, dass die Fahrt in der Kronprinzstr. ein übles Pflaster darbietet. Es gibt noch viel zu tun (wie sieht das z.B. mit Abstellplätzen für Farhrrädern in der Königstr. aus?)... die Situation von/zu "Europaviertel/Bibliothek/ Stuttgart Nord" (3. Bild) ist noch ein weiteres Thema (von vielen in Stuttgart). Vielleicht sollten die verantwortlichen Planer und Genehmiger öfter auf den Ritt auf dem Rad durch die Stadt verpflichtet werden. Das wäre gut für Hirn und Hintern ;-)

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  3. Ich habe inzwischen aufgegeben zu glauben dass der Stadt Stuttgart sinnvolle Lösungen für Fahrradfahrer "am Herz" liegt. Für mich macht es den Eindruck das die Verkehrspolitik für Radfahrer in Stuttgart nur deshalb betrieben wird weil die Stadt Stuttgart die Radfahrer nicht mehr ignorieren kann und es inzwischen auch entsprechend schick ist wenn Städte ein Konzept für Fahrradfahrer haben.
    Um tolle Konzpte für Fahrradfahrer zu sehen muß man nicht immer nach Amsterdam oder Kopenhagen schauen. Ludwigsburg zeigt sehr gut was möglich ist und wie das auch entsprechend zeitnah und sinnvoll umgesetzt werden kann.

    In Stuttgart fahre ich inzwischen wo und wie ich will (mit entsprechender Rücksichtnahme) und wenn ich "erwischt" werde lebe ich mi den entsprechenden Konsequenzen.

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  4. Das mit dem gesunden Menschenverstand ist so eine Sache.
    Ich glaube eben auch nicht daran, dass dann die meisten Radler wirklich vernünftig durch die Fußgängerzone fahren würden. Ich habe zu oft bereits anderes erlebt. Mir tut schieben hier nicht weh. Ich sehe das auch nicht als Problem an, denn als Abkürzung taugt es eben nicht.

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  5. Leider gibt es in Bahnhofsnähe keine Möglichkeit die Königstraße zur sogenannten Hauptradroute 1 zu queren. Ich fahre inzwischen den Radweg an der B27 hinauf, weil alles andere wurde entweder blockiert oder ist verboten. Oder aber es zwingt mich zu weiten Umwegen.

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    1. Genau, es gibt zuwenig Möglichkeiten zum Queren. Schillerstraße, Bolzstraße, Rotebühlplatz. Mehr an legalen Querungsmöglichkeiten gibt es nicht. Wer jetzt sagt "schieben", der steigt auch gerne aus seinem Auto und schiebt es, wo er nicht fahren darf.

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