15. Januar 2018

Wer haftet, wenn mein Kind mit dem Fahrrad ...

Bei meinem Bericht über exzessives Gehwegparken tauchte die Frage auf, wer eigentlich haftet, wenn ein Kind bim vorbeiquetschen mit dem Rad den Lack verkratzt.

Ich hatte keine Ahnung und habe mich auf der Seite Verkehrslexikon.de kundig gemacht. Dort steht auch noch anderes zum Thema Kind und Radfahren. Ab welchem Alter darf man Kinder alleine zur Schule fahren lassen? Und wer haftet, wenn das Kind einen Unfall verursacht oder ein Auto beschädigt? Dabei bin ich auf einen interessanten Begriff gestoßen, das Haftungsprivileg für Eltern von Kindern, die mit dem Fahrrad am Straßenverkehr teilnehmen. Der Gesetzgeber will nämlich unbedingt, dass Eltern ihren Kindern Freiraum geben, sie auch mal fahren und springen lassen. Deshalb dürfen sie nicht für alles in Haftung genommen werden, was Kinder auf Rädern anrichten.

Kinder unter sieben Jahren haften nicht.
Also haften auch  die Eltern nicht, wenn sie ihre Aufsichtspflicht nicht vernachlässigt haben. Sind die Kinder älter, muss bis zum 18. Lebensjahr genau geprüft werden, ob Kinder und Jugendliche  genügend Einsicht in die Folgen hatten, um verantwortlich gemacht zu werden. Ist im Einzelfall sicher schwierig. Dieses Haftungsprivileg gilt nur für den rollenden Verkehr (Auto, Straßenbahn, Bus etc.), nicht aber uneingeschränkt für den ruhenden, also bei Schäden an geparkten Autos. Allerdings müssen Eltern nicht damit rechnen, dass ein Kind den Autolack zerkratzt, es ist ein ungewöhnliches, kein vorhersehbares Ereignis: Es kann halt passieren, wenn Kinder auf Rädern sich etwas von den Eltern entfernen. (AG München v. 11.11.2003). Allerdings müssen Eltern wenigstens stimmlich noch Einfluss nehmen können auf ein Rad fahrendes Kind (AG Traunstein v. 27.10.2004) unter sieben Jahren.
Eltern müssen hier nicht bereitwillig, die Schadenssersatzansprüche eines Fahrzeughalters erfüllen. Sie dürfen aber. Für Schäden, die Kinder anrichten, hat man in der Regel auch eine Haftpflichtversicherung, die dann einspringt. Ein Autofahrer, dessen Auto von einem Kinderrad (Kind unter 7-10 Jahre) verkratzt oder verbeult wurde - egal, ob regelwidrig oder ordnungsgemäß geparkt - hat Glück, wenn die Eltern den Schaden der Haftpflichtversicherung melden und die zahlt. Einen Anspruch hat er nicht.

Steht ein Auto regelwidrig auf dem Gehweg, dann muss der Autofahrer den Schaden selber zahlen, wenn ein Kind am Auto entlang schrammt. Das hat das das Amtsgereicht München entschieden (Az.: 331 C 5627/09).

Kinder unter 8 Jahren dürfen alleine zur Schule radeln.
Es ist allgemeine Rechtssprechung, dass ein 8-jähriges Kind alleine zur Schule radeln darf, wenn es hinreichend sicher Rad fahren kann, sich bereits eine gewisse Zeit im Verkehr bewährt hat und eindringlich über die Verkehrsregeln unterrichtet wurde (LG Osnabrück v. 02.07.2008). Und wenn ein Kind seit über einem Jahr unfallfrei und ohne Vorkommnisse mit dem Rad zur Schule fährt, müssen die Eltern den Beweis auch nicht mehr antreten, das sie das Kind ausreichend belehrt und kontrolliert haben (LG Osnabrück v. 17.05.2005).
Ab dem sechsten Lebensjahr dürfen Kinder am Straßenverkehr teilnehmen, auch alleine mit dem Fahrrad, wenn keine besonderen Gefahrenstellen auf dem Weg sind und wenn ihnen der Weg vertraut ist, weil man ihn mit ihnen geübt hat.

Man hört immer wieder, dass Rektor/innen von Stuttgarter Schulen den Eltern Briefe geschrieben haben, in denen sie behaupten, es sei verboten, Kinder mit dem Fahrrad zur Schule fahren zu lassen, bevor die den Kinderfahrrad-Führerschein gemacht haben. Das ist definitiv falsch. Schulen sollten die Eltern vielmehr ermuntern, ihre Kinder zu Fuß oder mit dem Fahrrad kommen zu lassen, weil das gut ist für die Entwicklung von Kindern, für ihr Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen und für ihre Gesundheit und Wachheit im Unterricht. Schulen sollten alles tun, um den Eltern-Taxi-Verkehr vor der Schule zu unterbinden. Es sind die vor den Schulen rangierenden Autos, die das Fahrradfahren gefährlich machen. Es ist Aufgabe unserer Gesellschaft, Gefahren für Kinder zu minimieren.

Übrigens dürfen Eltern mit ihren Kindern unter 8 Jahren zusammen auf dem Gehweg fahren. Diese Fahrten werden naturgemäß langsam sein. Eltern dürfen ihre Kinder auch ein paar Meter hinter sich fahren lassen. Die meisten werden das Kind allerdings vorausradeln lassen und mit Zurufen dirigieren. An den Straßenkreuzungen sollen Kinder vom Rad absteigen und das Fahrrad über die Straße schieben.

Bis 10 Jahre dürfen Kinder noch auf nicht für Radfahrer freigegebenen Gehwegen radeln, danach müssen sie runter auf die Straße, die Radwege oder die Radstreifen.

5 Kommentare:

  1. Interesssant auch das Amtsgericht München 2009 (Az.: 331 C 5627/09)
    Ist ein Auto ordnungswidrig auf dem Bürgersteig geparkt und wird dann von einem Kind beschädigt, ist der Autofahrer grundsätzlich schuld und muss für den entstandenen Sachschaden selbst aufkommen.

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  2. Bei der nächsten Falschparker Aktion mal ein paar < 14 Jährige "ausleihen".. ;)

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  3. Und noch ein paar Worte zum Thema Haftpflicht: Ich würde es meiner Haftpflicht melden, wenn mein Kind ein Auto beschädigt, aber darauf hinweisen, dass man die Forderung des Gegners als unberechtigt ablehnt.

    Neben der Schadensregulierung berechtigter Forderungen ist die Haftpflicht nämlich auch dafür zuständig, unberechtigte Forderungen abzuwehren.

    Ich hatte solch eine Konstellation vor einer Weile mit einer Hundehaftpflicht: Mein "Leihhund" war angeleint als ein unangeleinter junger Labrador (12 Monate) ankam und "spielen wollte" (ich wies daraufhin, dass das nicht gigne), dabei aber "meinen" großen alten Labrador zwickte, woraufhin dieser eben biß. Es lief auf zwei oder drei Stiche und Kosten für den Tierarzt, Salben etc. von rund 150€ hinaus, die ich in dieser Konstellation schlicht für unberechtigt hielt, weil ich selbst nichts falsch gemacht hatte.

    Die Hundehaftpflicht hat das dann abgebügelt und bis auf eine Klageandrohung des Anwalts des jungen Labradors habe ich nie wieder etwas von den Vieh gehört.

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  4. Ich wirke immer stimmlich auf meine vor mir fahrende Tochter ein, doch das auf dem Gehsteig parkende Fahrzeug ordentlich zu verkratzen und halte mich so vorbildlich an die aufgestellten Regeln des AG Traunstein.....

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