7. November 2018

Anarchie auf der Alten Weinsteige

Der Städtische Vollzugsdienst hat auf Antrag des Bezirksbeirats Süd den Autoverkehr kontrolliert, der zumeist völlig regelwidrig die Alte Weinsteige rauf und runter fährt. 

Die Alte Weinsteige ist eine wichtige Radstrecke, denn es gibt eigentlich keine andere direkte Verbindung von Stuttgart Mitte und Süd nach Degerloch hinauf. Wer selbst nur im Auto sitzt, kann sich das nicht vorstellen, aber ich sehe: Es fahren viel mit ihren Pedelecs hoch, übrigens auch immer noch viele mit Normalrädern, die die sportliche Herausforderung suchen. Noch mehr radeln da hinunter. Der Autoverkehr auf der einseitig zugeparkten schmalen Straße bringt Radler/innen hier regelmäßig in Bedrängnis.



Deshalb hat der Bezirksbeirat Süd die Verwaltung aufgefordert zu berichten, wie viele das tatsächlich unberechtigterweise fahren. Auch gab es eine eigene Zählaktion des Bezirksbeirats Degerloch und Süd. Dabei zählten wir in anderthalb Stunden hundert Autos, die rauf und runter fuhren.  Gleichzeitig fuhren rund 40 Radler/innen rauf und runter.

Es fanden ab Januar über den Sommer bis zum 17. Oktober fünf Kontrollen statt (des Verkehrs bergauf), jeweils ungefähr zwischen 16 und 18 Uhr.
Wobei der Städtische Vollzugsdienst nach eigener Angabe für den Verkehr, der von oben runter fährt (und an der Wielandshöhe das Durchfahrt-Verboten-Schild passiert) nicht zuständig ist. Teilweise stellte die Stadtpolizei oben ein Schild auf, das vor der Kontrolle warnte, und viele Autofahrer drehten daraufhin um. und fuhren anders. Auch die Stuttgarter Zeitung hat darüber berichtet.

Ergebnis: Dabei wurden insgesamt rund 185 Verwarnungen ausgesprochen, teilweise wurden die 20 Euro Buße bar kassiert, teilweise schriftlich ausgesprochen. Ein Fahrzeughalter wurde mehrfach erwischt, womit ihm Vorsatz nachgewiesen wurde und er eine Anzeige bekam. In der Regel fuhren bei den Kontrollen am Spätnachmittag zwischen zehn und dreizehn Leute durch, die eine Berechtigung dafür hatten, also Anwohner/innen.

Gelegentlich kamen Anwohner und brachten Kaffee und süße Stücke oder lobten die Kontrolle. Auch Radfahrende äußerten sich erfreut, darunter ich, die ich am 17. Okobter hochfuhr und mich freute, dass mir keine Autos entgegenkamen. Da stand die Polizei etwa auf Höhe des Santiago de Chile-Platzes und die Auto kehrten reihenweise um.

An diesem letzten Tag der Kontrollen war der Schleichverkehr so enorm, dass die Kontrolleure schließlich aufgaben, weil die Autokolonne zu lang wurde. (Siehe Collage links unten).




Der Bezirksbeirat Süd verlangt nun von der Stadtverwaltung Maßnahmen, die dieses Aufwärtsfahren in der verbotenen Zeit zwischen 15 und 19 Uhr wirkungsvoll unterbindet. Auch muss der absolut illegale Abwärts-Autoverkehr über das Verbotsschild an der Wielandshöhe hinaus gestoppt werden. Am wirkungsvollsten dürften hier versenkbare Poller sein. Anwohner/innen bekämen einen Chip, mit dem sie sie betätigen können.

Ich meine, Taxifahrer müssen die Alte Weinsteige eigentlich nicht rauf und runter fahren, aber auch die können ja einen Chip bekommen, wenn es denn sein muss.


17 Kommentare:

  1. Für mich ein weiteres Zeichen, dass die Stadt bei der Kontrolle und Ahndung komplett versagt. Nicht mal wenn gezielte Aktionen durchgeführt werden kann das Ziel erreicht werden.

    Nur ein Punkt: Taxis sollten erlaubt bleiben. Rad und Fuß ausgenommen sind Taxen neben der Zacke die einzige Möglichkeit die Wielandshöhe legal zu erreichen. Fällt Taxi weg würde der illegale Verkehr zumindest abends so bleiben oder verstärkt werden. Die durchschnittlichen Kunden von Vincent Klink würden 20 Euro mehr oder weniger kaum jucken, wenn die überhaupt kassiert werden.

    (BTW, Klink besitzt selbst mehrere Fahrräder/Pedelec, die er auch rege benutzt.)

    Martin

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    1. Stimmt. Wobei auch die Taxis eigentlich dazu nicht durchfahren müssten. Sie könnten von oben runter fahren, aussteigen lassen und wieder hoch fahren. Die Taxis, die nachts die Zacke ersetzen, natürlich ausgenommen. Aber das ist ohnehin nicht der entscheidende Punkt. Und ich finde, es ist nicht ein Zeichen, dass die Stadt bei der Kontrolle komplett versagt, sondern, dass auch wir täglich versagen, was unsere Selbstkontrolle und die gegenseitige soziale Kontrolle betrifft. Natürlich wünsche ich mir da öfter Kontrollen, so oft, bis wirklich alle wissen, da zu fahren ist riskant. Aber dazu braucht man viele Polizeieinsätze, und nicht nur hier, sondern an vielen anderen eigentlich verbotenen Schleichverkehrstrecken in der Stadt.

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    2. Bitte nicht böse sein - aber das klingt ein bisschen naiv. Wenn wir alle über echte "Selbstkontrolle und soziale Kontrolle" verfügten, bräuchten wir keine Polizei. Und vielleicht wäre dann sogar der Sozialismus ein Erfolgsmodell geworden.

      Aber schon wer mit Kindern zu tun hat weiß, dass es sinnlos ist, Regeln aufzustellen die nicht kontrolliert werden und Strafen anzudrohen, die nicht folgen. Die Kontrolle zu beenden, weil zu viele Fahrzeuge im Stau stehen ist doch ein Witz mit Anlauf. Wer hier eine halbe Stunde wartet, um sich dann auch noch einen Strafzettel abzuholen, erfährt vielleicht tatsächlich einen Lerneffekt. Wäre ich Anwohner, ich hätte dafür sogar echtes Verständnis, denn ich würde ja langfristig von einer solchen Aktion profitieren.

      So erscheint es mir, dass ich, wenn ich eine gesperrte Straße befahre, trotzdem das Recht habe, zügig voranzukommen. Schlimmstenfalls für 20 Euro Gebühr aber weiterhin ohne großen Zeitverlust.

      In der Zeitung war weiterhin zu lesen, dass die Schranke jetzt auch nicht mehr geschlossen wird. Für mich klingt das schon sehr nach Kapitulation.

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    3. Kleiner Hinweis zum Thema "Taxis": Während sich die Zahl der ausnahmeberechtigten Anwohner im zweistelligen Bereich bewegen dürfte, sind meines Wissens sämtliche Taxis durchfahrberechtigt, die im Stadtgebiet Stuttgart und auf den Fildern registriert sind. Das sind mehrere hundert. Das sollte man, wenn man die Ausgabe von Chips erwägt, vielleicht mitbedenken - auch im Hinblick auf die Kontrollierbarkeit einer solchen Regelung...

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  2. Die Kontrolleure kamen nicht mehr nach? Zu viel Nachfrage? Zu viele Kunden, die ein Ticket kaufen wollen?

    Also ich muss nachher noch einkaufen. Und wenn die Schlange an der Kasse zu lang wird, macht der Geschäftsinhaber eine weitere Kasse auf. Ich habe noch nie erlebt, dass die Kassierer bei großem Andrang aufgeben und die Kunden ohne zu zahlen gehen lassen.

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    1. Na ja, die Straße ist so schmal, dass du keine zweite Kasse aufmachen kannt. :-)

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    2. Hab noch nie erlebt, dass eine zweite Kasse geöffnet wurde, weil an der Ersten Stau war ;)

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  3. Kann das Durchfahrtverbot nicht auch automatisch überwacht werden? Blitzer?

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    1. Finde ich auch grundsätzlich das Einfachste. Allerdings sind wir in Stuttgart noch nicht soweit, dass wir Überwachungskameras aufstellen, um die Verkehrsverstöße von Autofahrenden zu dokumentieren. Fang mal an, das in deiner Nachbarschaft und in deinem Bekanntenkreis zu disktuieren, du wirst schnell spüren, dass dieses Kameraauge, das alles sieht, Unbehagen verbreitet oder als Überwachung abgelehnt wird. Über so was müssen wir in der Stadtgesellschaft diskutieren. Die Frage ist doch immer: Können Polizei, Poller und Blitzer die Sozialkontrolle ersetzen und wollen wir das. DArüber muss man ernsthaft und unaufgeregt nachdenken.

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    2. Definitiv. Es ist merkwürdig, über Kameras in Bahnhöfen, Geschäften, Bahnen regt sich keiner auf. Auch nicht auf öffentlichen Plätzen wie Schloßplatz oder an dem Platz auf der Königstraße kurz vor dem Rotebühlplatz. Aber wehe Autofahrer sollen überwacht werden! Dann brodelt der Volkszorn. Ein weiterer Punkt, bei dem die Blickpunkte verrutscht sind.

      Martin

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    3. Und dann lautet die Schlagzeile wie folgt: Abzocke! Autofahrer empört über Blitzer an der alten Weinsteige. Stadt rudert zurück und hebt das Durchfahrtsverbot auf Antrag von CDU und FDP auf.

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    4. Bzgl. „Überwachung“ hatte ich an ein Blitzgerät gedacht, das z.B. bei > 15 km/h auslöst und so intelligent ist, das keine Fotos von Radfahrern, Skateboardern etc. gemacht werden. Da die Kennzeichen der Kennzeichen der durchfahrtberechtigten Anwohner bekannt sind, könnten die Bilder der Anwohner, nach dem Blitzen automatisch gelöscht werden. Natürlich nur wenn sie nicht zu schnell unterwegs waren.

      Und warum kann die Polizei nicht einfach jedes falsch fahrende Auto fotografieren und danach die Bußgeldbescheide verschicken. Warum verschwenden sie ihre kostbare Zeit mit dem Belehren der Falschfahrer.

      Vielleicht kommt auch ein versenkbarer Poller in Frage?

      Oder eine automatische Schranke mit Nummernschilderkennung. Kann nicht so teuer sein, da auch Campingplätze damit ausgestattet sind.

      Viele Grüße
      Claus

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  4. Einfach in der Mitte dicht machen. Zwei Sack Strassen draus machen. Gibt es auch in anderen Strassen.

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  5. Nur zum Verständnis. Runter darf man generell nicht mit dem Auto, rauf nur Anwohner, richtig?
    Ich bin am Montag raufgefahren (normales Rad!) und weil einige Autos runter fuhren, auf den Gehweg ausgewichen, weil ich nicht anhalten wollte.
    Grüße
    Ralph

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    1. Runter darf man schon, nur nicht weiter als bis zum Lokal Wielandshöhe. Dort steht dann das Schild Durchfahrt-Verboten, Radler frei. Unterhalb dieses Schilds wiederum dürfen Autofahrende auch wieder runter fahren, also die, die da parken zum Beispiel. Nur von oben bis ganz nach unten durchfahren dürfen Autofahrende nicht. Rauf zu schon, aber die ganze Straße ab Pfaffenweg ist zwischen 15 und 19 Uhr für den Autoverkehr gesperrt. Anwohner/innen dürfen immer, Taxis auch. Radafahrende sowieso. Die Autos, die dir entgegen runter kommen, müssen übrigens ausweichen und in Parklücken warten, weil die Hindernisse ja auf ihrer Seite sind, als Radfahrender raufzu hast du vor allen herabkommenden Autos Vorrang. (Die meisten Autofahrer wissen das auch und respektieren das, von ein paar Deppen abgesehen.) Runder zu musst du als Radler dagegen den heraufkommenden Autos in Parklücken ausweichen. Es gelten die normalen Verkehrsregeln.

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    2. Ihre Erklärung der geltenden Regelung macht in meinen Augen deutlich, warum Radfahrern nur begrenzt geholfen wäre, wenn man einfach die jetzige Regelung wirksamer umsetzen würde. Es gäbe dann zwar deutlich weniger Verkehr auf der Straße. Die Befahrung in beide Richtungen durch PKWs bestünde aber weiterhin, das grundsätzliche Problem des Ausweichens wäre nicht gelöst. Statt sich auf zufällige Parklücken zu verlassen, wäre es daher besser, in regelmäßigen Abständen und über den gesamten Sperrabschnitt Parkverbotszonen auszuweisen. Die bisherigen Parkverbote orientieren sich nicht an der Notwendigkeit, dem Gegenverkehr auszuweichen, sondern nur daran, wo Anwohnerausfahrten sind.

      Was mich übrigens wundert, ist, daß in der ganzen Diskussion noch niemand die Frage aufgeworfen hat, warum es überhaupt eine Schranke mitten auf der Straße gibt. Das Ordnungsamt begründet die aktuelle Regelung mit der besonderen baulichen Situation im Sperrabschnitt. Die ist aber über die gesamte Länge die gleiche. Es wäre daher in meinen Augen sinnvoll, den Sperrabschnitt auch als eine Einheit zu betrachten - und ihn nicht in zwei Teile mit unterschiedlichen Verkehrsregeln zu zerlegen. Im Moment haben wir oben eine Sackgasse und unten faktisch eine Einbahnstraße, die aber nicht so heißen darf, weil es sonst keine Ausnahmen für die Anwohner geben könnte...

      Ein weiteres Problem wurde wohl auch noch nirgends angesprochen: Die Alte Weinsteige wird von mehreren Routenplanern (und möglicherweise auch Navigationsgeräten) als normale Durchgangsstraße empfohlen - entgegen der geltenden Verkehrsregel. Es dürfte zwar schwierig sein, hier eine Änderung zu erwirken. Ich vermute aber, daß das durchaus einen erkennbaren Effekt hätte.

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  6. Vielen Dank für die Berichterstattung, die die Komplexität des Problems zumindest ansatzweise deutlich macht. Es gäbe dazu noch vieles zu sagen. Zunächst mal wird aber spannend sein, welche Vorschläge das Ordnungsamt für eine Neuregelung vorlegt.

    Kleine Korrektur: Die Wielandshöhe ist derzeit von oben problemlos mit dem Auto zu erreichen, weil der obere Teil des Sperrabschnitts rechtlich eine normale Sackgasse ist. Das würde sich auch bei einer kompletten Schließung der Straße an der Schranke (= Sackgasse oben und unten) nicht ändern. Da die Anwohner ihre Ausnahmeregelungen gegen die jetzige Regelung erst nachträglich erklagt haben, wären sie wohl, falls der Gemeinderat eine völlig neue Verkehrsregel beschließt, hinfällig. Meiner Meinung nach würde das eine weniger komplizierte Regelung auf der Straße deutlich erleichtern, die dann vermutlich auch gerichtsfester wäre.

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