14. Februar 2019

Schöner leben in Quartieren ohne Autos

Autofreie Stadtteile sind selten in Deutschland. Mit guter Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr funktionieren sie auch gut. 

Andererseits wünschen sich viele genau das: mehr Ruhe im Wohngebiet, Kinder können draußen spielen, sie wachsen nicht zwischen geparkten Autos und Wohngebietsrasern auf. Eigentlich müssten alle Wohngebiete autofrei sein. Das würde auch jenen gut gefallen, die eigentlich ohne ihr Auto vor der Tür nicht leben zu können meinen: Es ist nämlich entspannter (keine Parkplatzsuchverkehr, kein Rangieren, keine lauten Motorräder im Sommer), man hört die Vögel, man trifft sich draußen, man kann einfach eine Bierbank vor die Tür stellen und mit Nachbarn feiern, man kennt sich, man hilft sich, die Nachbarschaft bildet eine Gemeinschaft.

In Köln-Nippes gibt es so eine Siedlung. Hier wohnen vor allem junge Familien. Der Wohnraum ist billiger als anderswo, weil keine Stellplätze mit gebaut und bezahlt werden müssen. Die in Deutschland geltende Pflicht, Stellplätze nachzuweisen, kostet auf jeden Quadratkilometer Hausbau 300 Euro. Nur in Münster, Freiburg (Vauban-Quartier, siehe Foto) und Hamburg gibt es autofreie Siedlungen, auf dem Weg zu autfrei ist auch das Quartier Franklin in Mannheim. Hier werden Anwohner/innen beraten, wie sie ohne eigenes Auto auskommen und mit Angebotspaketen für E-Autos und Lastenfahrrädern versorgt, wie der Deutschlandfunk berichtet. Allerdings, zwingen kann man niemanden, auch nicht mit besonderen Mietverträgen, sich nicht doch ein Auto zuzulegen und es in Nachbarquartieren abzustellen. Das passiert allerdings gar nicht so häufig, wie die Nachbarquartiere das befürchten. Die meisten Menschen, allemal die, die in so ein autofreies Quartier ziehen, sind ganz froh, kein Auto zu brauchen. Autos sind nämlich teuer in der Haltung und verlangen ständig Aufmerksamkeit (Inspektion, Reifenwechsel, TÜV etc.). Aus Berlin weiß man, dass Menschen sehr viel zu Fuß gehen, wenn es in ihrem Viertel alles gibt, was sie brauchen (Läden, Kneipen, Supermärkte). Und wenn das Radfahren angenehm ist, steigen sehr viele Menschen aufs Fahrrad für die kurzen Strecken von 1 bis 5 km, die man in Städten zurücklegt. Auch das ist bekannt.

Burgstallstraße, Stuttgart, eigentlich verkehrsberuhigt
Und viele Mütter (und Väter) dürften unendlich froh sein, wenn sie ihre Kinder im Wohngebiet springen und spielen lassen können, ohne die ständige Sorge vor dem Autoverkehr, der wenig Rücksicht nimmt, auf die Bewegungsmuster und die spontanen Entscheidungen von Kindern. Und wie schön, wenn man die Kinder per Fahrrad zur Schule schicken kann, wenn sie sich bewegen und ihre Koordination stärken können, wenn sie lernen, sich in ihrer Umgebung zurechtzufinden, selbstständig und stolz auf sich selbst.

Ich wünsche uns allen mehr Mut zu neuen Wohn- und Mobilitätsformen.

Und bitte keine halben Sachen. Die sind gefährlich. Ein bisschen Auto geht nicht. Wie gefährlich verkehrsberuhigte Bereiche, sogenannte Spielstraßen sind, in denen Autos parken dürfen oder es geduldet wird, zeigt dieser Unfall, der sich im vergangenen Jahr in Mönchengladbach ereignet hat. Wo Autos parken dürfen, kann das lebensgefährlich werden.

3 Kommentare:

  1. Jörg
    Stuttgart hat ein paar alte Ansätze. Sie finden sich in Teilen von Neugereut und der Assemwald gehört auch dazu.

    Bei den Wohnkonzepten könnte Stuttgart noch viel machen. Cool finde ich die Genossenschaften wie Kraftwerk1 aus Zürich. Wer dort wohnt ist Mitglied und muss sich einbringen. Es gibt auch ein Kaffee und Gemeinsschaftsräume und Werkräume. Und eben Gästezimmer die man mieten kann. Es sind meist mehrere Mehrfamiliehäuser in enem Ensemble.
    https://www.kraftwerk1.ch/
    Geparkt wird allerdings überall in Tiefgaragen nur ist die Trennung gegenüber Rad und Fuß strikter.

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  2. Hallo Christine,
    Du hast da Franklin in Mannheim angesprochen. Ich wohne da gerade ums Eck. So toll ist das da aber nicht mit autofrei. 1. Es ist alles noch im Bau. 2. Ganze Teile, wie Z.B. die Offizierssiedlung sind nicht an den ÖPNV angeschlossen. 3. Eine Nahversorgung gibt es bislang auch nicht.
    Es gibt eine Rundbuslinie, die bis zum Bahnhof Käfertal fährt und auf deren Weg kein einziges Geschäft liegt. Es gibt eine zweite Buslinie, die sich aber nicht mit der ersten schneidet. Mit der kommt man zu einem Einkaufszentrum. Man muss aber aus der letzten Ecke vom Viertel an die Haltestelle laufen. Das sind dann schonmal 1-1,5 km. Also wenn man da ohne Auto leben möchten, dann braucht man viel Zeit, alleinschon, um bis zu irgendeinem ÖPNV zu kommen und ob man dann den ganzen Kram noch nach Hause schleppen möchte? Zum einen Einkaufszentrum kommt man mit dem Rad äußerst schlecht und zum zweiten Einlaufszentrum (näher) muss man mit Rad durch den Wald fahren, ohne Kontakt zur Straße, nicht beleuchtet, nicht einsehbar. Ich bin das einmal alleine gefahren. Ich fahre da nur noch mit dem Auto.
    Das Konzept autofreie Viertel ist schon gut, es sollten dann aber auch die Rahmenbedingungen stimmen, von Anfang an und in Franklin stimmen sie, meiner Meinung nach, nicht. Allein schon die fehlende Nahversorgung.
    Gruß
    Karin

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    1. Danke, Karin, es ist ja immer schön, die Realität mit den Ankündigungen zu vergleichen. So wie ich das verstanden und geschrieben habe, ist Mannheim erst auf dem Weg zum autofreiem Stadtteil. Immer schlecht, wenn man mit Ansprüchen anfängt, aber die Infrastruktur dazu nicht innerhlab kurzer Zeit hinkriegt. Wobei Radfahren zu den Haltestellen des ÖV ja auch eine gute Option ist. Es gibt Dreiräder für Ältere mit großen Transportkisten zum Einkaufen. Wir in Suttgart radeln vermutlich teils unter schlechteren Bedingungen als Menschen in einem Stadtteil, der autofrei werden will oder soll.

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