18. Juli 2019

Verarschen kann ich mich selber

Da stehe ich nun auf der Verkehrsinsel mitten auf dem Wilhelmsplatz. Meine Radampel zeigt Rot. Parallel dazu haben die Fußgänger Grün.

Sie laufen hinüber und zurück und hinüber. Die Autos auf der Hauptstätterstraße stehen wie festgenagelt. Ich auch. Der Weg ist frei, aber ich habe Rot. Die Autos aus der Torstraße haben dagegen schon wieder Grün gekriegt und rasen links an mir vorbei geradeaus in die Wilhelmstraße, dorthin, wo ich auch hin will. Aber ich stehe. Und stehe.

Schließlich steige ich ab, schiebe das Rad auf den Fußgängerüberweg, wo die Fußgänger immer noch Grün haben, und gehe hinüber. Drüben steige ich wieder auf und radle weiter.

Die (Radler-)Ampeln am Wilhelsmplatz sind eine Strafe für alle, die Rad fahren.

Leider muss ich nämlich, von der Tübinger kommend auf diesen blöden Radweg entlang der Torstaße fahren und an der Radlerampel am Wilhelmsplatz warten. Links neben mir kriegen die Autos grün, aber ich nicht. Sie kriegen Rot. Ich kriege immer noch kein Grün. Von allen Seiten fahren die Autos nun über den Wilhelmsplatz. Und noch einmal kriegen die Autos links neben mir Grün, ich aber stehe immer noch. Ein Radler nimmt unterdessen den Fußgängerüberweg und entschwindet in weiter Ferne und ward nicht mehr gesehen.

Nach vier Minuten und anderthalb Umläufen (gefühlt dreien für Autos) kriege ich dann auch mal Grün und darf auf den roten Streifen über den Platz radeln. Wie immer haben dann alle hinterinanter geschalteten Radlerampeln Richtung Wilhelmstaße Grün.

An die rote Ampel auf der Verkehrsinsel bin ich deshalb geraten, weil ich wegen einer Menge von Fußgängern auf dem Radweg an der Ampel Nesenbachstraße nicht hochfahren konnte. Er war verstopft. Man muss nämlich tatsächlich genau in den Aufstellplatz für Fußgänger hochfahren ungefähr so wie auf dem Foto zu sehen. Deshalb bin ich auf der Fahrbahn geblieben (hinter mir kamen ja Autos, die ich wüst ausgebremst hätte). Die Autos hatten gerade Grün, also bin ich mit ihnen auf der Fahrbahn in den Wilhelmsplatz eingefahren. Die rote Radlerampel an meinem Radstreifen war dann aber so gebieterisch, dass ich angehalten habe. Und da stand ich dann.

Immer wieder stehen wir Radfahrenden an Radlerampeln, während die Fußgänger laufen. Ja, man will uns in einem Zug Grün geben, nicht in mehreren wie den Fußgänger/innen, deshalb muss die Kreuzung insgesamt freigeräumt sein. Aber das ist hier am Wilhelsmsplatz offensichtlich nicht das Problem. Viele Radfahrende entscheiden sich dann für den Fußgängermodus. So kommen sie erheblich schneller über solche Kreuzungen.

Auch in Gegenrichtung ist der Wilhelmsplatz zum Abgewöhnen. Erst wird man an der Ecke Katharinenstraße von geradeaus fahrenden Autofahrern auf dem sogenannten Schutzstreifen geschnitten und gegen den Bordstein gedrückt, dann versuchen Autofahrer einen links zu überholen, währendich ich mitten auf der Krezung nach links auf den roten Streifen zielen muss, da steht dann aber ein Auto quer, und ich muss wieder nach rechts hinaus auf die Autofahrbahn. Hinter mir ein zunehmend grimmiger Autofahrer. Und dann warte ich gaaaaanz lange an der roten Ampel für die Geradeausfahrer und Linksabbieger. Ganz lange. Sehr lange. Und muss mir dabei noch den Hals verrenken, um entweder über mir oder links einen Blick auf die Autoampel zu erhaschen. In meiner Blickrichtung steht nämlich keine.

Die Organisation des Radverkehrs zwischen Wilhelmstraße und Torstraße über den Wilhelmsplatz ist komplett verkorkst. Sie ist schlecht, gefährlich, ärgerlich und benachteiligt Radfahrende. Sie scheint sich geradezu über uns Deppen auf zwei Rädern lustig zu machen. Kein Wunder, dass hier nur wenige mit dem Fahrrad fahren. Nicht mal die Hartgesottenen fahren hier, denn gerade die warten nicht minutenlang auf einem Bein stehend an Ampeln. Ich vermeide jedenfalls diese Strecke, egal in welche Richtung. Das ist mir alles zu blöd.

So bleiben sollte das nicht, wenn wir wirklich Fahrradstadt werden wollen. Was nämlich heißt: ein Angebot machen, das auch diejenigen nicht mehr ablehnen können, die das Radfahren in Stuttgart jetzt noch zu verwirrend und angstmachend finden.




8 Kommentare:

  1. Die Organisation des Radverkehrs zwischen Wilhelmsplatz und Tagblattturm ist eine Bankrotterklärung der Stadt Stuttgart gegenüber den Radfahrenden. Die Ampelregelungen, das Verschwenken von Radstreifen, und der unsäglich schlechte Umbau der Kreuzung am Tagblattturm von der schlechtesten Ampelkreuzung zur schlechtesten Kreuzung Stuttgarts und und und..... . Wenn man böse denken würde, könnte man meinen, diese "Ecke" ist eine Strategie der Stadt, den Fahrradverkehr zu verhindern.
    Vielen Dank Frau Lehmann, dass Sie stetig und unermüdlich den Finger in die Wunde legen.
    Viele Grüße
    Harald

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    1. Ich habe ja schon mehrmals darüber geschrieben. Dies Planung ist Jahre alt, war vom Bezirksbeirat Mitte irgendwann genehmigt und vergessen worden. Hätte man letztes Jahr darüber befunden, hätte der Bezirksbeirat dem so nicht zugestimmt und ich - im Gemeinderat- auch nicht. Es ist ein Problem, das wir dieser Zeit haben, dass das, was jetzt auf die Straße kommt, noch aus alter Vor-Zielbeschluss-Zeit stammt. Was wohl damit zusammenhängt, dass das Tiebauamt die Pläne nicht so schnell auf die Straße bringt, wie eigentlich nötig wäre. Es ist kompliziert, und der Radentscheid, der ADFC und ich, wir arbeiten an einem Paradigmenwechsel für den Radverkehr, es geht leider nicht so schnell, wie wir wollen.

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  2. Vielen Dank für diesen Artikel !
    Ich kann das nur bestätigen - die Situation für Radfahrer rund um den Wilhelmsplatz ist eine Katastrophe. Ich es Ihnen gerne gleichtun und diesen Bereich meiden. Allerdings ist schwer, wenn der Arbeitsplatz am Wilhelmsplatz ist ;-)

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  3. Ich habe der Stadt Stuttgart im Oktober 2018 dazu geschrieben. Herr Unkhoff antwortete mir:
    "Die o.a. Signalanlage wurde im September im Zusammenhang mit der geplanten Einführung des neuen Schnellbusses X1 erneuert und mit einer völlig neuen Software ausgestattet. Unsere Überprüfung hat aufgezeigt, dass sich ein Teil der Busse zu früh anmeldet und damit die jeweils anderen Fahrbeziehungen zu lange warten müssen. Eine Änderung der Zeitparameter ist bereits beauftragt und soll in Kürze eingespielt werden."

    Als ich im Januar 2019 immer noch keine Verbesserung feststellen konnte, fragte ich erneut nach. Ich erhielt folgende Antwort:
    "...ich kann durchaus nachvollziehen, dass die Signalregelung aus der Sicht der Verkehrsteilnehmer nicht immer optimal und manches Anhalten vor einer roten Ampel auf den ersten Blick überflüssig erscheint. Ich kann Ihnen jedoch versichern, dass die Stadt Stuttgart bemüht ist, den Verkehr so zügig wie möglich abzuwickeln. Dabei wird angestrebt, alle Verkehrsteilnehmer in ausgewogener Weise zu berücksichtigen.

    Leider sind die an der o.a. Signalanlage aufgetretenen Probleme größer als erwartet, so dass, nach einer ersten Korrektur der Signalprogramme, weitere Anpassungen erforderlich sind. Diese sind derzeit in Bearbeitung.

    Grundsätzlich gilt aber, dass infolge der vom Gemeinderat vorgegebenen Busbevorrechtigung die betreffenden Phasen mitsamt den parallelen Fahrzeug-, Rad- und Fußgängerbeziehungen auch mal "dazwischen" eingeschoben werden und somit teilweise eben mehrfach, andere Fahrbeziehungen aber nur einfach geschaltet werden."

    Es bleibt festzuhalten, dass die Situation für viele Verkehrsteilnehmer nach wie vor unbefriedigend. Vor allem für Radfahrende.

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  4. Auch das ist nur eines der vielen Probleme, welche erst durch "Radinfrastruktur" entstehen. Grade an beampelten Kreuzungen wird das vor allem in dieser Form überdeutlich. Deshalb: Fahrbahn - anstatt vergiftete, übel schmeckende Extrawürste...!

    "Verarschen kann ich mich auch alleine" - denk mir ja auch ständig. Egal wie: "Radinfrastruktur" führt im Ergebnis immer nur zur Benachteiligung, Behinderung, Gängelung und Gefährdung von Radfahrern. Leider wird das vielen erst bei solchen Extremfällen wie den von Christine geschilderten annähernd bewusst...

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  5. Das wird alles anders, wenn wir erst mal einen grünen Bürgermeister und eine grüne Landesregierung haben.
    Die werden sich für unsere Interessen einsetzen.

    Deshalb haben wir sie gewählt.

    #nomoreexcuses

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    1. Das ist vermutlich spöttisch gemeint. Leider haben die Grünen weder im Gemeinderat noch in der Landesregierung die absolute Mehrheit. Im Gemeinderat waren sie bisher 14 von 60 und sind nun 16 von 60. Und jede Entscheidung wird vom Gemeinderat getroffen. Grüne können (und das ist auch gut so) nicht diktatorisch regieren, sie brauchen immer Verhandlungen mit anderen Parteien und demzufolge einen Kompromiss. Politik ist überhaupt eine permanente Suche nach einem Interessensausgleich. Und wenn viele mitreden dürfen (Bürgerbeteiligung), dann dauert es noch mal länger bis es zu einem Beschluss kommt. Und bei der Umsetzung von Radinfrastruktur sind drei Ämter beteiligt, grünes Stadtplanungsamt, CDU-Ordnungsamt, und SPD-Tiefbauamt.

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