17. Dezember 2019

Auf dem Schulweg ist Radfahren sicherer als das Elterntaxi

Alle Jahre wieder: Die Unfälle von Radfahrenden nehmen zu. Ja, stimmt. Es fahren ja auch viel mehr Leute Fahrrad, und die Radinfrastruktur passt dazu nicht mehr. Sie ist zu eng und winkelig.

Die Zahlen täuschen allerdings etwas. So sind beispielsweise Schulwege sicherer geworden für Rad fahrende Schüler/innen. Der Handreichung für Radverkehrsbeauftragte zufolge verunglückten 1990 in Deutschland fast 17.000 Rad fahrende Kinder, 107 von ihnen tödlich. 2015 waren es noch gut 9.000 und 17 von ihnen tödlich. Gerade für Kinder ist das im Auto zur Schule gebracht Werden gefährlicher als Rad fahren oder zu Fuß gehen.

Quelle: RAD.SH
 Obgleich die Verkehrsdichte insgesamt zunimmt und auch die Zahl der Radfahrenden deutlich steigt, bleiben die Zahlen der Fahrradunfälle relativ stabil, wenn auch mit Tendenz nach oben. Das zeigt beispielsweise die Statistik der Landespolizei Schleswig-Holstein. Sie zeigt auch, dass auf um die 3.500 Unfälle mit leichten Verletzungen rund 525 kommen, wo die Verletzten stationär ins Krankenhaus mussten (schwere Verletzungen) und 11 bis 13 Todesfälle.

Setzt man die tödlichen Unfälle von Menschen, die Rad fahren, ins Verhältnis zu anderen Todesursachen, wird schnell deutlich, dass es in unserem Alltag deutlich höhere Risiken gibt als Radfahren. So sterben jährlich 10.000 Menschen im Haushalt, es ertrinken gut 500 Menschen, während etwa 450 Menschen auf dem Fahrrad sterben.

Kinder, die mit dem Auto in die Schule gebracht werden, verunglücken häufiger als Kinder, die mit dem Fahrrad fahren oder zu Fuß gehen.
Aus dieser Statistik zu Kinderunfällen im Straßenverkehr geht hervor, dass knapp 38 Prozent der Kinder unter 15 als Insassen in einem Pkw zu Schaden kamen (meist Kinder unter sechs Jahre, die am häufigsten chauffiert werden). 35 Prozent kamen auf dem Fahrrad und knapp 22 Prozent zu Fuß zu Schaden. Das Elterntaxi ist also riskanter als Rad fahren oder zu Fuß zur Schule gehen. Jungs sind als Radfahrer allerdings stärker gefährdet als Mädchen. Fast 70 Prozent der verunglückten jugendlichen Radfahrer (unter 15) waren Jungs. Dagegen ist es für Mädchen riskanter, im Auto gefahren zu werden. Hier zeigt sich, dass Eltern offenbar Söhne mehr mit dem Fahrrad fahren lassen als ihre Töchter, die eher chauffiert werden, und dass Jungs draußen im Straßenverkehr tendenziell risikobereiter und weniger vorsichtig sind.

Und, wen wundert's, die riskanteste Uhrzeit für Kinder, die auf dem Fahrrad oder zu Fuß unterwegs sind, ist zwischen 7 und 8 Uhr früh. Da sind sie zur Schule unterwegs, während gleichzeitg alle Berufstätigen mehr oder minder verschlafen und gehetzt in ihren Autos zur Arbeit fahren (und vorher noch schnell als Elterntaxi zur Schule).

Sind die Unfallzahlen von Kindern in Autos aber nur deshalb höher, weil die meisten Kinder zur Schule chauffiert werden? Das scheint nicht so zu sein. Die meisten Kinder gehen immer noch zu Fuß, fahren Öffentliche (was einen Fußweg mit einschießt) oder fahren mit den Fahrrad. Nur ein Viertel (25 %) von ihnen wird mit dem Auto gebracht. Wenn ich mir die erweiterten Radabstellanlagen im Fanny-Leicht-Gymnasium in Vaihingen (an einem Sonntag) anschaue, dann habe ich den Eindruck, es radeln mehr mit dem Fahrrad dorthin als vor vierzig Jahren.

Quelle: Fuß e.V.
Einer Schülerberfragung von Fuß e.V (im Beitrag dem Link folgen) zufolge gehen 28 Prozent der Schüler/innen zu Fuß zur Schule, 14 Prozent fahren mit dem Fahrrad, 47 Prozent mit Bus oder Bahn und 6 Prozent werden von Eltern gebracht (knapp 4 Prozent übrigens von Eltern auf Kleinkrafträdern), was aber je nach Schulart und Bildungsgrad der Eltern sehr unterschiedlich ist. So fahren Hauptschüler/innen kaum Fahrrad, werden aber auch kaum von Eltern im Pkw gebracht, Gymnasiast/innen fahren mehr Fahrrad, werden aber auch auffällig öfter von den Eltern in die Schule gefahren. Am meisten Fahrrad fahren Realschüler/innen, und sie werden am seltendsten von den Eltern chauffiert.


Grundsätzlich gilt: Kinder, die sich auf dem Schulweg selbst bewegen, laufen oder Rad fahren, sind tendenziell besser in der Schule als Kinder, die von den Eltern gefahren werden oder in Bussen und Bahnen sitzen. Dabei spielt es keine Rolle, wie lange sie unterwegs sind, wie früh sie also aufstehen müssen. Entscheidend ist, dass sie sich bewegt haben, ehe sie in die Schule kommen. Das verdeutlicht einmal mehr diese gar nicht so neue Studie.

8 Kommentare:

  1. Jörg
    Für den Schulweg kann man noch einiges machen. Der Schutz vor Autos auch in Tempo 30 Gebieten (Elterntaxis) bringt nicht nur Sicherheit sondern macht es vor allen angenehmer und beruhigt die Eltern. Die Doktrin kein Radweg in Tempo 30 Gebieten leben wir mindestens seit den 90-er Jahren aus. Der Anteil der radfahrenden Schüler zeigt, man könnte Denkverbote aufheben, es ist noch viel Luft nach oben. Die Kultusminister machen so viele Experimente mit unseren Kindern, trauen wir uns doch auch mal was.

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  2. Interessant. Wie stellst du dir das vor? Für Radstreifen oder so, ist ja in den Wohngebietstraßen (Tempo-30-Zonen) kein Platz auf den Fahrbahnen, es sei denn, man nimmt auf beiden Seiten die geparkten Autos weg. Das ist aber gerade in Wohnbieten extrem schwierig, weil Nachtparkplätze genau dort gebraucht werden. Was alledings notwendig ist und sicher auch verstärkt kommt in den kommenden Jahren, sind Fahrradstraßen. Die sind zwar im Grunde nichts anderes als jetztige Nebenstraßen, aber auf ihnen nimmt der Radverkehr trotzdem zu, und die Autosfahrenden wissen meist, dass die Überholerei keinen Sinn hat. Eigentlich müsste man in Stadtebieten wo gewohnt wird und wo Schulen sind, eine generelle Nachrangigkeit des Autoverkehrs vor allen anderen Verkehrsarten (Fuß, Rad, ÖV) anordnen. Das wäre zeitgemäß.

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  3. Jörg
    Fahrradstraßen schützen nicht vor Autos. Es gibt hohe Hürden zur Einrichtung von Fahrradstraßen. Ein von der Straße unabhängigen Radweg, so kleiner Bruder vom Radschnellweg, ist leider nicht in unserem Rechtssystem verankert. Und ohne Verankerung im Rechtssystem wird wohl weiterhin Abstellen von abgeschlossenes Privateigentum Einiger auf öffentliche Flächen, vor dem Interesse vieler potentieller Radfahrer eingestuft werden. Ja, momentan geht es kaum. Die Regelwerke wie STVo, HBS und ERA sollten langsam mal in Richtung Verkehrswende weiter entwickelt werden. Mit revolutionären Ansätzen wie Rad- und Fußverkehr nach den Interessen von Rad- und Fußverkehr organisieren. Die Prämisse, Platz da hier kommt das Auto, darf gerne über Bord geschmissen werden.

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    1. Ja, momentan erobern wir uns in kleinsten Schritten Straßenraum mit dem Fahrrad. Ich denke aber, in nicht allzuferner Zeit wird es da auch Sprünge geben, weil der Druck der Radfahrenden immer größer wird und die Infrastruktur rettungslos veraltet und viel zu eng ist. Vor allem in der Gesetzgebung muss dringend mehr geschehen. Der Verteilungskampf auf den Straßen ist damit aber noch lange nicht geschlagen. Es werden ja auch immer noch immer mehr Autos. Eine groteske Entwicklung in Zeiten, in denen so viel über den Klimawandel gesprochen wird. Manchmal ist es aber so, dass träge Entwicklungen plötzlich Fahrt aufnehmen, wenn der Kipppunkt erreicht ist.

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  4. Man sollte auch den Autoverkehr, wenigstens zeitweise, vor Kindergärten und Schulen beschränken. Und damit Elterntaxis de facto verbieten.
    Gruss, Christoph.

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  5. Ich nehme an, die Aussage aus der Überschrift leitest du aus diesem Satz ab:

    "36,7 % der verunglückten Kinder kam im Jahr 2018 als Insasse in einem Pkw zu
    Schaden, 35,0 % auf einem Fahrrad und 21,5 % der verunglückten Kinder war zu Fuß
    unterwegs, als der Unfall passierte." (Dann wären es übrigens knapp 37%, nicht knapp 38%!)

    Wenn man aber nur den Schulweg betrachten will, sollte man natürlich noch die Fahrstrecke dagegenrechnen, und bestimmt noch einen Haufen an anderen Faktoren. Ich vermute mal sehr stark, dass die (Mit-)Fahrleistung im PKW deutlich über der auf dem Fahrrad liegt - damit ist die Unfallhäufigkeit pro gefahrenem Kilometer im PKW deutlich niedrieger als auf dem Fahrrad. Und der Schulweg wird mit dem Auto und mit dem Fahrrad ungefähr gleich lang sein. Damit wäre der Schulweg für das einzelne Kind mit dem Fahrrad doch gefährlicher als gefahren zu werden.

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  6. Wichtig ist ja vor allem, dass viele Kinder, die auf dem Schulweg als Rad fahrende oder zu Fuß gehende verunglücken, das Opfer von Elterntaxis geworden sind. Gerade in Schulnähe.

    Natürlich kann man die Elterntaxis nicht einfach "verbieten". Denkbar wäre vielleicht, die Zufahrtstraßen der Grundschulen wenigstens in der halben Stunde vor Schulbeginn und nach Schulende für Kfz zu sperren. Sodass man nicht näher als einige hundert Meter an die Schule heran kommt. Das wäre an vielen Schulen leicht umzusetzen und würde den Spaß am Taxifahren verderben.

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