Fahrradstraßen sind aus einem mir nicht ganz nachvollziehbarem Grund unbeliebt bei Anwohner:innen. In Hannover hat ein Kläger zwei Mal Recht bekommen. Mit dem Ergebnis, dass aus einer halbherzigen Fahrradstraße eine echte Fahrradstraße wird.
Die Kleefelder Straße in Hannover war als Fahrradstraße ausgewiesen, es fuhren aber Autos und es parkten viele am Straßenrand. Vorteile für Radfahrende waren eigentlich nicht erkennbar. Wenn eine Stadt aber eine Fahrradstraße ausweist, dann muss sie für Radfahrende einen Gewinn bringen. Wenn das nicht so ist, dann darf das ganze keine Fahrradstraße sein, stellte das Verwaltungsgericht fest.
Schon 2019 hatte ein Anwohner gegen die Fahrradstraße geklagt. Er fand, dass die Fahrradstraße eine Rennbahn geworden sei, die Wegnahme von einigen Parkplätzen führe dazu, dass gerast werde.
Er wollte darum die Autostraße und Parkplatzstraße erhalten sehen. Das Verwalrtungsgericht wies ihn schon darauf hin, dass das Urteil auch anders ausgehen könne. Eine Fahrradstaße muss für Radfahrende sicher sein, sonst ist es keine, so das Gericht. Okay, sagte sich die Stadt, dann bessern wir nach. Die Stadt reduzierte die Zahl der Parkplätze noch einmal drastisch und wiese die Kleefelder Straße als Einbahnstraße aus.Der Anwohner klagte erneut und das Verwaltungsgericht stellte im August 2021 fest: Parkende Autos stellen ein Risiko für Radfahrende dar. In der Kleefelder Straße ist die Fahrbahn nur noch 3,50 m breit, wo Autos parken. Fahrradstraßen müssen aber 4,75 m breit sein. Der zuständige Richter schlug auch gleich eine Lösung vor. Die taz zitiert ihn mit den Worten: "Man könne auf die Idee kommen, das Parken rauszunehmen, zudem könne man die Kleefelder Straße zu einer Anliegerstraße machen." Durchgangsverkehr wäre dort dann verboten. Wie die Stadt mitteilt, sollen jetzt alle Parkplätze wegfallen, eine Schleichwegverbindung unterbrochen werden. Die Kleefelder Straße soll eine echte und sichere Fahrradstraße sein.
Ob das aber auf alle Fahrradstraßen anwendbar ist oder angewendet werden muss, will Hannover noch entscheiden, denn die Gerichtsentscheidungen bezogen sich auf die Gegebenheiten in der Kleefelder Straße.
Die Frage, die sich hier und in anderen Städten stellt ist die: Bauen wir unsere Fahrradstraßen ernsthaft so um, dass die Autos weitgehend draußen bleiben oder sind die Fahrradstraßenschilder nur Schmuckelemente? Und muss immer erst einer klagen, bis in einer Stadt ein echtes Fahrradstraßenkonzept verwirklicht wird?Auch wenn in Fahrradstraßen allmählich der Radverkehr zunimmt, reicht es wirklich nicht nicht, nur Schilder aufzustellen und den Asphalt zu bemalen. Solange da Autos durchfahren (oft illegal, weil die Straße nur Anliegern zugänglich ist) und vor allem, solange sie da parken, sind Radfahrende gefährdet: Durch zweite-Reihe-Anhalter, Wender und durch, solche, die die Fahrertür aufstoßen ohne zu gucken. In unserer langen Fahrradstraße, der Tübinger Straße, ist das Autogetümmel beachtlich, und es passieren auch eine beachtliche Menge an Dooring-Unfällen und an der Schleuse Feinstraße wird gewendet, was die Boliden hergeben. Und das ist nicht gut. Andererseits lernen Autofahrende gerade auf unserer Fahrradstraße, dass sie auf Fahrräder achten und auch mal hinter ihnen zurückstehen müssen. Insofern lohnen sich Fahrradsstraßen immer.
Immer häufiger müssen Gerichte die Polituk dazu verdammen, ihre Arbeit zu tun. Aber die Mühlen der Justiz mahlen zu langsam.
AntwortenLöschenMir schient, Fahrradstraße ist für die meisten Städte ein Konstrukt, bei dem man sich mit wenig Aufwand und wenig Kosten damit brüsten kann, "wir machen doch echt viel für Radverkehr, seht soch mal die vielen Fahrradstraßen". Die Fahrradstraßen, die ich kenne sind mit Farbe bepinselte und mit Schildern versehene ganz normale von Autos weniger befahrene Straßen. Unterschied zum vorherigen Zustand, quasi Null.
AntwortenLöschenMeinem Eindruck nach, dienen Maßnahmen fürs Radfahren nur dem Zweck Fördergelder aus diesem Topf abzuschöpfen. Primäres Ziel ist allerdings, die Sanierung für den Autoverkehr. Ich kenne bei uns eine Stelle, die dringend erneuert werden muss (tiefste Spurrillen). Dort wird jetzt ein 75m (!) langer geschützter Radweg eingerichtet. Vermutlich wird hier auch der Fördertopf angezapft. Vielleicht sollten die Bewilliger solcher Baumaßnahmen die Sinnhaltigkeit solch einer Maßnahme mal überprüfen. Das ist ungefähr wie 3 km Autobahn mittel im Feldweg.
Fahrradstraßen sollten richtige Fahrradstraßen sein und nicht nur Alibi.
Karin
Liebe Karin, ganz so negativ sehe ich das nicht. Manchmal sind Fahrradstraßen besser als irgendwelche viel zu schmalen Radfahrstreifen oder Schutzstreifen. In schmalen Straßen gehen die gar nicht. Auch wenn sich im Grunde nicht viel ändert, weil fast alle Städte Autos zulassen, fährt der Radverkehr auf Fahrradstraßen selbstbewusster und Autofahrende lernen Demut den Radfahrenden gegenüber. Seitdem die Tübinger Straße in Stuttgart eine ein Kilometer lange Fahrradstraße ist, hat der Radverkehr zugenommen und Eltern radeln mit ihren Kindern dort auf der Fahrbahn, das machen sie in anderen Nebenstraßen ähnlichen Charakters nicht. Es hilft also schon was. Die Straßen, die bei uns jetzt zu Fahrradstraßen umgebaut werden, erfahren eine Aufwertung auch für Fußgänger:innen, die Kreuzungsecken werden so gestaltet, dass Autos da nicht mehr so einfach parken können, Parkplätze fallen weg. Deshalb wehren sich auch die Anwohner:innen oft gegen Fahrradstraßen, sie sehen nur die wegfallenden Parkplätze und haben Angst vor "rasenden Radlern".
LöschenHallo Christine,
Löschenvieleicht habt ihr in Stuttgart da mehr Glück. Hier in Mannheim wurden die meisten Fahrradstraßen mit Farbe und Schildern eingerichtet. Und der dort fahrende motorisierte Verkehr hat keine Ahnung über Vorrang des Radverkehrs. In der Innenstadt versucht man in der Fahrradstraße sogar Radfahrer wegzuhupen. Aber bei uns werden auch Fußgänger in der Fußgängerzone weggehupt.
Auf neu eingerichteten Radwegen fährt der motorisierte Verkehr dann gleich auf dem neu aufgemalten Radweg und hupt die Fahrradfahrer weg, oder steht im Weg, weil er meint, es sei die Rechtsabbiegerspur oder die Ladezone.
In einem anderen Bereich darf der Bus den Radweg mitbenutzten (genauso rum beschildert) in wieweit das funktioniert weiß ich nicht, das ist nicht meine Ecke.
Aber viele Dinge erscheinen einfach halbherzig.
Karin
Liebe Karin, wir haben auch eine sehr aktive Radler:innen-Szene, die sich in solchen Fällen wehrt und Konflikte mit Autofahrenden nicht scheut, die sich daneben benehmen. Mag sein, dass so was auch dazu beiträgt, dass Autofahrende, die immer wieder durch Fahrradstraßen fahren, lernen, welche Regeln gelten. Aber kann auch sein, dass es nicht so ist.
LöschenIch radel auch gern (allein und mit meinen Kindern) auf unserer lokalen (oder anderen) Fahrradstrassen (mit Kfz frei). Ich muss dann immer erinnern, dass wir nebeneinander fahren koennen und auch sonst haben die Kinder die Möglichkeit in Ruhe das Fahren auf Straßen mit rechts vor links zu üben.
AntwortenLöschenAuch allein fahre ich dort mehr in Ruhe, also etwas gemütlicher, als auf der etwas direkteren Verbindung auf den gängigeren Straßen des Ortes. Die Angst der Anwohner vor rasenden Radlern besteht vermutlich (und hoffentlich) nur bis die Fahrradstraße eingerichtet ist.
Danke, das ist vermutlich eben auch der Effekt von Fahrradstaßen. Kürzlich erzählte mir aber wieder eine Spaziergängerin, dass die Tübinger Straße als Fahrradstraße blod ist, Autos würden wenigstens anhalten, wenn man als Fußgänger rüber wolle, Radfahrende nicht. Dieses Missverständnis bleibt immer erhalten. Radfahrende müssen ja nicht anhalten, sie rutschen hinter dem querenden Fußgänger durch, aber es gibt Fußgänger:innen, die sich erst rüber trauen, wenn der Radfahrer steht wie ein Auto. Sie glauben, sie würden vom Radfahrer über den Haufen gefahren. Und kurioserweise erleiden genau diese Menschen dann auch Unfälle mit Fahrradfahrer:innen.
LöschenJörg
AntwortenLöschenWann kriegt Stuttgart endlich mehr Fahrradstraßen? Der durchfahrende MIV muss unterbunden werden. Da verstehe ich die Anwohner nicht. Jeder weiß nur die Sackgasse ist wirklich ruhig. Da ist es doch gar nicht schlimm wenn die eigene Straße zur Sackgasse für Autos wird. Die Radfahrenden machen ja nicht so viel Krach.
Ich halte nicht viel von Fahrradstraßen. Der nur ausnahmsweise zulässige KFZ-Verkehr ist praktisch immer zugelassen. Nebenstraßen quer abzupollern damit es nur noch einen Weg zur Hauptstraße gibt würde jeglichen Durchgangsverkehr eliminieren und flächendeckende Parkverbote den Parksuchverkehr. Mit den restlichen Anliegern die zu ihren Grundstücken oder zu den Parkplätzen von Geschäften wollen könnte man als Radfahrer gut leben.
AntwortenLöschenGenau! Bei uns in Esslingen wurde zunächst eine, dann die zweite Diagonalsperre eingerichtet, seither geht's besser. Jetzt müsste noch gelegentlich die Polizei das illegale Überholen wegen unzureichender Seitenabstände kontrollieren und ahnden, dann würden sich viele Schleichwegmanöver nicht mehr lohnen.
LöschenWahrscheinlich braucht es echt eine Richterlicher Anordnung, damit Stuttgart endlich richtige Fahrradstrassen kriegt. Also auf der Tübingerstrasse finde ich die Situation wirklich nicht optimal. Es gibt zu viele geparkte Autos auf beiden Seiten der Strasse. Auf der Eberhardtstrasse ist die Situation etwas besser, aber es hat immer noch zu viele Autos die da reinfahren, bzw. auf der Fahrbahn parken / halten. Besonders problematisch finde ich die Kreuzung von Sophienstrasse und Tübingerstrasse. Da habe ich schon öfters Autofahrer:Innen beobachtet, die sich da agreessiv und unter Einsatz der Hupe in den Fahrradverkehr schieben. Wäre schön wenn dieser Teil der Tübingerstrasse komplett autofrei werden könnte (z.B. von Pualinenbrücke bis Eberhardtstrasse).
AntwortenLöschenAndreas
Bei der Kreuzung Tübinger Str. / Sophienstraße gilt nun allerdings tatsächlich rechts vor links (eine Fahrradstraße ist dieser Teil nämlich auch nicht mehr) und Autofahrende die aus der Sopbhienstraße kommen, haben Vorrang vor allen Radfahrenden, die vom Marienplatz her kommen und dürfen eigentlich erwarten, dass Radfahrende sie auch reinlassen. Ich beobachte aber auch, dass vor allem von Radfahrenden die Tübinger Straße hier als Vorrangstaße empfunden wird. Und viele Autofahrende lassen das auch zu und warten.
LöschenEs ist doch immer das gleiche: man möchte irgendeine Straße nur Anwohnern zugänglich machen (siehe Kreefelder Straße) und diese sollen ihre Wohnungen/Parkplätze aus allen Richtungen anfahren können. Gleichzeitig sollen alle Nicht-Anwohner nicht durchfahren können.
AntwortenLöschenBestes Beispiel in Stuttgart: Amstetter Straße in Hedelfingen.
Das ist eine Illusion!
Entweder ich sperre mittels Poller derart, dass eben keine Auto mehr durchfahren können. Dann wird es für die Anwohner auch unbequemer.
Oder ich lasse das mit dem Anwohner-Gedöns und lasse einfach alle durchfahren. Entweder konsequentes Nicht-Anwenden solcher Regeln oder konsequentes Absperren.
Ich hoffe, dass in der Straße in Hannover physische Sperren in Form von Pollern zukünftig das Durchfahren von KfZ verhindern.
In Tübingen gibt es seit ca. 6 Monaten eine neue Fahrradstraße (die ca. 400 letzten Meter der Schaffhausenstraße Richtung Hauptbahnhof rechts neben der Bahnstrecke.) Ich frage mich echt, was die Verantwortlichen der Stadt währen der Planung dieser Straße wohl getrunken haben:
AntwortenLöschenBis auf zwei Ausweichstellen wurden die Autoparkplätze nicht beseitigt. Für Radfahrer ist diese Einbahnstraße aber trotzdem in Gegenrichtung freigegeben. Kommt einem dabei ein Auto entgegen, dann hat man außerhalb der zwei Ausweichstellen nur ca. 50 cm Platz um an dem Auto vorbei zu kommen.
Durch diese Straße führt aber auch eine Buslinie: An einem Bus gibt es dann gar kein Vorbeikommen mehr - das Fahrrad muss auf den Gehweg ausweichen.
Ganz abgesehen davon rasen hier morgens die Autos mit >>50 km/h durch egal was denen entgegen kommt.
Es ist eigentlich nur eine Frage der Zeit bis es hier Schwerverletzte gibt.
Für mich ist es einfach nur frustig, dass eine Klage hier die einzige Möglichkeit ist etwas zu ändern...