7. Mai 2022

Von der Türlenstraße ins Europaviertel

Von der Kunstakademie auf dem Killesberg kommt man über die Robert-Mayer-Straße und die Türlenstraße direkt runter zum Europaviertel. An der Heilbronnerstraße wird es für Radfahrende ätzend. 

Man radelt bergab auf der Fahrbahn die große Kreuzung mit der Heilbronner Straße zu. Die Autos bergab haben drei Spuren, eine Rechtsabbiegespur und zwei Linksabbiegespuren. Außerdem gibt es bergab eine Busspur. Links an der Fußgängerinsel ist am Mast ein Verbotsschild für Fahrräder angebracht, was vermutlich sagen soll, dass Radfahrende nicht auf den Autospuren nach links in die Heilbronner Straße abbiegen dürfen. Das Fahrbahnradeln ist also ab hier verboten. 

Was es auf dieser Straßenseite (unserer rechten) unten nicht gibt, ist ein Fußgänger- und Radüberweg über die Heilbronner Straße. Der ist aus unsere Blickrichtung links von der Türlenstraße. Um dorthin zu kommen gibt es derzeit eine verbotene, eine gefährliche, eine unorthodoxe und eine erlaubte Möglichkeit. Das soll sich aber ändern. 

Unerschrockene Radler:innen ordnen sich bergab links ein und fahren an der Ampel nach links auf die Fußgängerinsel auf, wo sie Grün abwarten können (siehe Karte unten). Das erfordert vor allem, wenn die Autos gerade grün haben und alle schnell rüber wollen, ein hohes fahrerisches Können, denn auf der Fußgängerinsel muss man vermutlich zum Stehen kommen können und vorher sollte man nicht langsam fahren (ich kenne die Ampelschaltungen allerdings nicht genau genug). Andere, die überhaupt nicht halten wollen, sparen sich das und schlingern vor der Fußgängerinsel über alle fünf Spuren einschließlich der beiden Gegenfahrbahnen, um die linke Gehwegecke anzusteuern. Das ist absolut nicht zu empfehlen, weil es einbiegenden Gegenverkehr gibt, der bestimmt nicht langsam ist. 

Die Stadt bietet Radfahrenden immerhin eine Gehwegauffahrt mit Gehwegfreigabe an (Foto ganz oben). Dann kann man, natürlich in Schrittgeschwindigkeit, die nicht einzuhalten ist, durch die Bushaltestelle vor zur Fußgänger- und Radampel fahren, sich dort aufstellen und bei Grün rüber radeln. Das ist jedenfalls der "Radweg", den sich die Stadt vorstellt. Viele dürften allerdings auf der Busspur bis runter fahren (verboten, weil für Radler:innen nicht freigegeben) und können dann nach rechts auf die Gehwegecke hüpfen, wo sie ihr Fahrrad aber um mehr als 90 Grad umdrehen müssen, um den Fußgänger- und Radüberweg zu nehmen. Auch blöd. 

Das soll sich ändern, wenn die Kopenhagener Straße, die aus dem Europaviertel hochkommt, an die Heilbronner Straße angeschlossen ist. Aus der Kopenhagener Straße wird man mit dem Rad zwar nicht direkt und in einem Zug zur Türlenstraße kommen, denn Autos dürfen nur rechts abbiegen, was man wieder mal mit einer Verkehrsinsel sicherstellen muss, aber doch immerhin wird es möglich sein, mit Fahrradampel die Heilbronner Straße zu überqueren. Die Türlenstraße soll zwischen einer Linksabbiege- und einer Rechtsabbiegespur einen Radfahrstreifen bekommen, der das Geradeausfahren zur Kopenhagener Straße erlaubt. Ob die endgültige Planung wirklich so aussieht, wie auf diesem Bild aus einem Bericht im STA vor einem Jahr, weiß ich nicht, aber er gibt eine Vorstellung. 

Kommt man durchs Europaviertel, sieht man die Kopenhagener Straße neben dem grünlichen Hotel schon fast fertig auf die Türlenstraße zu führen. 

Hier ist der Radfahrstreifen schon angelegt, er erlaubt jetzt schon ein Rechtsabbiegen auf den Gehweg. Man muss also nicht mehr durchs Milaneo radeln, wenn man zur Wolframstraße oder weiter die Heilbronner Straße raufradeln will. (Das find ich ziemlich gut.) 

Wann und wie allerdings die Spurführung auf der Türlenstaße geändert wird, kann ich nicht sagen. Die Umsetzung im Bestand (also neue Radfahrspuren aanlegen, wo bereits Asphalt ist) dauert bei uns ja in der Regel doch sehr lange. 

Übrigens sind die Grünen im Gemeinderat mit der Forderung gescheitert, die Kopenhagener Straße zur Einbahnstraße zu machen oder gar ganz für den motorisierten Durchgangsverkehr zu sperren. Also bieten wir jetzt Autofahrenden eine Durchfahrtstraße (und vermutlich auch Schleichverkehrsstraße) durchs Europaviertel an. Das muss dann eine Ampel unattraktiv machen. 

14 Kommentare:

  1. Noch ein weiteres verbotenes - Nein, man muss schon sagen: kriminelles - Verbotsschild für Rad Fahrende.

    Ich bin einfach nur schockiert, wie lange die Verwaltung das durchziehen darf und es auch den Grünen Bürgermeister egal war, was seine Verwaltung da macht.

    Warum werden Beamte nicht bestraft, wenn sie in vollem Bewusstsein aus ideologischen Gründen rechtswidrige Schilder aufstellen? Was ist in Stuttgart los, dass das niemanden stört? Nur lächerliche "Bitten" auf politischer Ebene, dass es doch irgendwie ganz nett wäre, wenn, man vielleicht mal prüft, ob sich irgendwie die StVO eingehalten werden kann? Natürlich nur, wenn es gerade passt. Ist ja nicht wichtig. Ja, geht schon über zehn Jahre ohne die geringsten Fortschritte, aber es eilt ja nicht.

    Immerhin wurde zum ersten Mal eine Baustelle korrekt beschildert.

    Ralph Gutschmidt

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    1. Ralph, erklär mir mal, warum ein Fahrrad-verboten Schild verboten also rechtswidrig ist. Meistens stehen sie sie an Linksabbiegespuren über große Kreuzungen, weil die Verkehrsbehörde meint, dass die Räumzeiten für Fahrräder zu kurz bemessen sind. Sie wären dann noch auf der Kreuzung, wenn der anderer Verkehr bereits gestartet ist.

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  2. Sich da über die Fußgängerinsel nach links zu hangeln ist saugefährlich und, wenn ich mich nicht irre, auch verboten. Wenn man eh schon so weit ist, kann man auch gleich mit dem Autoverkehr links abbiegen. Leider hat die Stadt da konsequent gedacht: wenn's verboten ist, mit dem Rad nach links zu fahren, dann legen wir den Radweg vor dem Milaneo so mit Bordstein hoch, dass man von der Fahrbahn nicht abbiegen kann.

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    1. Ich bin mir nicht so sicher, dass es für Radfahrende verboten ist, sich aus der Fahrbahn auf eine Fußgängerinsel zu hangeln. Genauso, wie wir ja oftmals von einer Fußgängerinsel aus nach links auf die Fahrbahn einbiegen. Nach meinen bisherigen Erkenntnissen sind das völlig ungeregelte Sonderfälle für Radfahrende, an die niemand denkt, weil man nur in Fußgänger und Auto denkt, nicht aber an das dritte Element im Straßenverkehr, das rollt, aber schmal ist wie ein Fußgänger.

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    2. Ralph Gutschmidt8. Mai 2022 um 20:45

      Ja, Fußgängerinseln sind für Radfahrende verboten. Steht in § 2 Abs. 1 StVO. Eine Verkehrs- oder Fußgängerinsel ist keine Fahrbahn, also tabu.

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  3. Ralph Gutschmidt8. Mai 2022 um 17:45


    Hallo Christine,
    sehr gerne: Jegliche Verbote für fließenden Verkehr sind nach § 45 Abs. 9 Satz 1 und 3 nur ausnahmsweise und unter engen Voraussetzungen zulässig. Also nur, wenn aufgrund der "besonderen örtlichen Verhältnisse" eine "Gefahrenlage" besteht, die das allgemeine Risiko "erheblich übersteigt".
    Ich sehe hier nur eine normale innnerstädtische Kreuzung.

    Zu kurze Räumzeiten sind keine "besonderen örtlichen Verhältnisse", denn sie werden ja durch das Schild erst verursacht. Wenn also ein Verbot für Rad Fahrende angeordnet wird, dann kann die Ampel aufgrunddessen mit kürzeren Räumzeiten geplant werden. Würde das Schild entfallen, so würden - wie an anderen Kreuzungen auch - die Räumzeiten angepasst.

    Tatsächlich ist es also so, dass das Verbot nicht wegen einer Gefahrenlage angeordnet wurde, sondern allein zu dem Zweck, kürzere Räumphasen zu programmieren. Dies ist ein nachvollziehbares Anliegen, kommt aber in § 45 Abs. 9 Satz 1 und 3 nicht vor. Damit ist es illegal.

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    1. Danke. Wobei es sich hier um eine alte und wirklich große Kreuzung handelt, auf der in den vergangenen Jahren eher keine Radfahrer unterwegs waren, das nimmt erst jetzt deutlich zu, genauso wie bei der Riesenkreuzung Charlottenplatz, wo auch solche Verbotsschilder für Linksabbieger stehen. Die Stadt Stuttgart steht derzeit noch sehr unter Stress, den sich gerade hier die Heilbronner Straße rauf stauenden Autoverkehr abends flüssig zu halten, genauso wie den Verkehr, der den Charlottenplatz quert. Und Ampelschaltungen an den Radverkehr anpassen ist ja keine Kleinigkeit. Das fordern wir - die Radverbände und die radfreundliche Politik - zwar immer wieder, aber es ist ja bei einem so halbwahnsinnigen Autoverkehr wie in Stuttgart (zu den Hauptverkehrszeiten) keine leichte Aufgabe. Die Autos dürfen sich nicht über die nächst zurückliegende Kreuzung stauen, weil sonst die Busse nicht mehr durchkommen. Aber ich gebe dir natürlich Recht, auch der Radverkehr darf nicht einfach eingeschränkt werden. Eine besondere Lage würde ich allerdings bei diesen Kreuzungen schon sehen.

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    2. Eine "besondere Lage" reicht aber nicht. Genau heißt es:

      "Insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs dürfen nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt."

      Dass sich Autos evtl. stauen könnten, taugt nicht als Argument, Radfahrern das Fahren zu verbieten. Denn das birgt für den Radfahrer kein außergewöhnliches Risiko, sondern nur eine evtl. Unannehmlichkeit für den Autofahrer.

      S.Schwager, Fürstenfeldbruck, Bayern

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    3. Liebe Chrsitine,
      Selbst wenn das "besonderen örtlichen Verhältnisse" wären (was ich nicht so sehe), kann ich keine Gefahrenlage erkennen, die das allgemeine Risiko "erheblich übersteigt". Du erläuterst doch selbst, dass es nicht um eine Gefahr geht, sondern darum, den Autoverkehr flüssig zu halten. Nirgends in § 45 StVO steht: "Für flüssigen Autoverkehr dürfen andere Verkehrsarten beschränkt werden."

      Übrigens: Die Schilder sind schon allein wegen der Art und Weise unzulässig. Die von der Stadt Stuttgart erfundene Anwendung ist ziemlich unklar. Ist die nach links führende Straße für Rad Fahrende verboten? Oder nur die Benutzung der Abbiegespur? Das Abbiegen selbst verbietet das Schild nicht, denn das wäre Zeichen 214 mit dem Zusatzschild "Fahrrad". Du selbst schreibst oben "was vermutlich sagen soll ..."

      Es gibt sogar eine legale Möglichkeit: Eine Radwegeführung nach § 9 Abs. 2 Satz 3 StVO. Also Radweg oder Radfahrstreifen anlegen, dort klar beschildern https://www.duesseldorf.de/fileadmin/Amt66/RADschlag/POIs/News_und_Termine/indirektes-Linksabbiegen-small.jpg. Dann wäre zumindest klar, wie ich fahren soll; allerdings auch dies unter dem Vorbehalt des vorgenannten § 45 Abs. 9 StVO

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    4. Ralph Gutschmidt8. Mai 2022 um 20:42

      Durch dieneue Formulartechnik ist wieder mal mein Name untergegangen.

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    5. Okay. Ich habe immer wieder darüber geschrieben, dass diese Verkehrszeichen in Stuttgart meistens falsch stehen, weil links von der Fahrbahn, die man als Radler nicht nehmen soll, weil man halt zwischen den Fahrspuren keines aufstellen kann. Geradeaus dürfen Radler:innen ja oft, nur eben nicht links abbiegen. Für eine Rechtswidrigkeit in der konkreten Situation ist mir noch kein Argument eingefallen, solange man nicht die Ampelschaltungen generell infrage stellt. Aber auch der Autoverkehr muss flüssig gehalten werden, er darf, wie ich schon mal sagte, sich nicht über die nächste Kreuzung zurückstauen, wenn dort ein Bus fährt, der dann stecken bleibt, weil Autofahrende sich nicht an die Regel halten, dass sie nicht in eine zugestellte Kreuzung einfahren dürfen.

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  4. Ich kann Ralph nur zustimmen. Während die STVO schon seit langem nicht mehr zwischen Kraftfahrzeugen und Fahrrädern unterscheidet (es gibt nur noch Fahrzeuge), tun das die STVBs immer noch wie selbstverständlich (und immer mehr).

    Die engen Grenzen, innerhalb derer Verbote für bestimmte Fahrzeugarten (also auch für Fahrräder) überhaupt angeordnet werden dürfen, machen meiner Schätzung nach ca. 90% aller innerörtlichen "Spezialvorschriften" für Fahrräder in D schlichtweg illegal. Dazu gehören die allgegenwärtigen Radwegbenutzungspflichten genauso wie dein Beispiel.

    Die üblichen "Strategie-Überlegungen", störende Fahrräder irgendwie loszuwerden, sind meist schon vom Denk-Ansatz her illegal. Innerörtliche Radwegbenutzungspflichten dienen sowieso nur diesem einen Zweck.

    Ich war und bin überrascht, wie wenig das bekannt ist.

    S. Schwager, Fürstenfeldbruck, Bayern

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    1. Oft genug ziehe ich hier im Blog auch das ganz große Besteck einer grundsätzlich falsch organisierten Mobilität, die Autos bevorzugt und Fahrräder benachteiligt, es erschien mir nur nie lohnend, gegen einzelne dieser Radfahrverbotschilder anzuwettern, weil ich tatsächlich die Gefahr sehe, dass Fahrräder nicht schnell genug von den großen Kreuzungen runter sind (wenn sie bei Gelb über die Ampel fahren). Auch ich fordere, dass Ampelschaltungen auch die Flüssigkeit des Radverkehrs berücksichtigen. Ich sehe allerdings, dass wir in Stuttgart einen derartig wahnsinnigen Autoverkehr haben (samt wahnsinniger Insass:innen), dass abends so manche Kreuzung verstopft wäre (und Stadtbahn und Bus nicht mehr drüber kommen), wenn man den Autoverkehr zu diesen Stunden nicht flüssig hält. Also, ich persönlich hätte die Nerven, da monatelang zuzugucken, bis die Autofahrenden lernen, dass sie die Kreuzungen wirklich freihalten müssen, um sich nicht selbst zu schaden, aber die Verkehrsbehörden haben diese Nerven nicht. Es beschweren sich dann ja auch Insass:innen von Bussen und Bahnen. Der Verkehrswende täten Megastaus gut (dem Image des Radfahrens auch), aber das hält weder Politik noch Verwaltung aus.

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  5. Dass Mobilität (evtl.) grundsätzlich falsch organisiert ist, hat es ja inzwischen in die Tagespresse, ins Fernsehen und sogar in die Politik geschafft. Dass sie von der Verwaltung aber auch weitgehend *illegal* realisiert wurde und wird, ist absolut unbekannt. Leider.

    Ich finde das bemerkenswert: "Die Schaffung einer realpolitischen Notwendigkeit durch die Verabredung zur organisierten Verwaltungs-Kriminalität". Eigentlich Stoff für einen handfesten Skandal.

    Die Richter an den Verwaltungsgerichtshöfen, die ständig Klagen gegen illegale Verkehrsanweisungen bearbeiten, wissen das. Der deutsche Städtetag hat auch schon mitgekriegt, dass ihre geliebten "Spezialplanungen" für den Radverkehr vor Gericht keine Chance haben und wollen den ungeliebten §45, Abs. 9. schnellstmöglich loswerden. Damit die bisher illegale Realpolitik legalisiert wird. Spannend.

    Leider weiß kaum jemand davon.

    S.Schwager, Fürstenfeldbruck, Bayern


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