24. Oktober 2022

Das Schilder-Rätsel von Sonnenberg

In Sonnenberg gibt es eine verlotterte Radverkehrsanlage. Hier radelt doch niemand, dachte ich. Aber dann kam mir auf dem Gehweg ein Radler entgegen. Diese Radspur hat er nicht benutzt. 

Schön ist, dass Radfahrende der Laustraße über einen Freiabbieger folgen können, der für Autos gesperrt ist. Sie müssen nicht an der Ampel warten. Doch wenn man sich die ganze Sache genauer anschaut, tauchen einige Fragen auf. 

Aber der Reihe nach: Radfahrenden, die die Waldfriedhofstecke hochgeächzt sind oder die Heinestraße entlang aus Degerloch kommen und in Sonnenberg auf der Laustraße Richtung Rembrandstraße (Kremlerstraße, Hallenbad etc.) weiter wollen, müssen hier lang (siehe Karte unten). 

Sie radeln erst auf der Fahrbahn (einspurig) und sehen dann, wenn die Autofahrbahn zur Peregrinastraße hin zweispurig wird, diese Sperrfläche und eine durchgezogene Linie. Dass dies ihr Radstreifen ist, sehen sie aber erst am Schluss (Bild oben), wenn es in den Freiabbieger geht. Und immer entsteht an so einer Stelle die Frage: Darf man denn durchgezogene Linien überfahren? Man darf, wenn man sieht, dass die Spur einem zugewiesen ist. Das aber sieht man hier noch nicht. Das Radzeichen fehlt am Anfang der Spur.  

Nun kam genau an dieser Stelle der Radler auf dem Gehweg (ich war zu Fuß unterwegs) mit Ziel nach rechts Laustraße Richtung Rembrandstraße. Ich konnte mir nicht verkneifen auf die Spur zu zeigen und "Da ist der Radstreifen" zu sagen. Er lächelte freundlich und radelte auf dem Gehweg weiter. Auf dem nächsten Bild sieht man ihn noch hinter der Gebüschecke verschwinden. Und man sieht noch was: 

Da hängt an einem Mast das blaue Schild, dass einen Gehweg als gemeinsamen Geh- und Radweg ausweist, nicht links der Radweg und rechts der Gehweg, sondern beides untereinander also als Mischverkehrsfläche. Ja, dann hätte der Radler völlig richtig gehandelt. Oder? Auf einem Radweg muss gefahren werden. Allerdings: Wozu dann diese Radspur, die auf der Fahrbahn beginnt? Die dürfte der Radler gar nicht nutzen, denn er muss ja auf dem Radweg fahren. Sehr seltsam. Zumal unter dem blauen Lolly ein Schild hängt, auf dem steht: "Zufahrt zu Laustr. 75.77.79 und 81A frei". Und die werden ja mit ihren Autos nicht auf dem Gehweg fahren. 

Nur scheinbar wird das Rätsel gelöst, wenn man noch etwas weiter zurücktritt. Dann sieht man eine Straße, die rechts runter führt. Ist dies also der gemeinsame Geh- und Radweg, den Autofahrende benutzen dürfen, die zu ihren Stellplätzen wollen? 

Aber das Verkehrzeichen steht links davon. Und es steht vor allem rechts vom Gehweg und der Route, die wir mit dem Fahrrad kommen und langfahren, wenn wir nach schräg rechts abbiegen wollen. Und was als Verkehrszeichen rechts von mir steht, gilt, was links steht, gilt nicht, es sei denn, es wird auf einem Schild rechts ebenfalls angeordnet. Das ist bei dieser Straße aber nicht der Fall. Und mal ehrlich: Wo haben wir in Stuttgart eine mehr als autobreite Fahrbahn gesehen, die ein Rad- und Gehweg sein soll? 

Nach längerem Nachdenken müssen wir aber wohl feststellen, dass es genauso gemeint ist: Straße  bergab ist Radweg, der Gehweg ist Gehweg und für Radler ist die Radspur da. Der Gehwegradler war also falsch unterwegs. 

Dieses Verkehrszeichen "Rad-/Gehweg" ist eines von vielen uneindeutigen oder stark interpretationsbedürftigen Anordnungen, denen wir auf unseren Strecken immer wieder begegnen. Die Radstreckenführung selbst ist alles andere als eindeutig. 

Wir erkennen den Sinn des Verkehrszeichens nicht im Vorbeirollen, wir müssen länger darüber nachdenken, auf welche Verkehrsfläche (Gehweg oder Fahrbahn) es sich bezieht. Ein unbefangener Radler ohne Misstrauen in die Beschilderung von Radverkehrsanlagen, sieht hier: Radweg und radelt auf dem Gehweg. Ein Fahrbahnradler, der schneller ist, sieht hier "Radweg", denkt: "Hä, Scheiße, wie soll ich da hochkommen? Was denken die sich eigentlich?" und sieht ein paar Meter später, ein Radzeichen auf der durch eine durchgezogene Linie abgetrennten Streifen und die Durchfahrt zwischen Sperre und Bordstein, vergisst alle Zweifel und radelt so. 

Wer sich auskennt, weiß es irgendwann. Es sei noch hinzugefügt, dass am Beginn der Laustraße an der Heinestraße natürlich weder ein Radwegschild für den Gehweg steht noch überhaupt ein Rad-frei-Schild. Auf diesem Gehweg darf also nicht geradelt werden. Jetzt könnte man sagen, wer von der Heinestraße kommt, sieht das und kann sich nicht irren, zumal er auf dem Fahrrad ohnehin auf der Fahrbahn gekommen sein muss, es sei denn, er oder sie hat dann doch lieber den Gehweg genommen, weil die Autofahrenden im Ampel- und Abbiegestress drängeln und das Radeln beängstigend machen. Und weil man an solchen Ecken ohnehin nicht auf die Verkehrzeichen achtet, sondern auf Autofahrende, den Asphalt und den Fortgang der Strecke, dürften die meisten vergessen haben, was sie hier gesehen haben, zumal Radfahrende den Kopf in den Nacken legen müssen, um diese hoch hängenden Verkehrszeichen zu erkennen. 

Hier die Karte, blau der kleine Radstreifen. In umgekehrter Richtung gibt es auf der der Laustraße es einen schmalen durch Baken abgetrennten Radfahrstreifen zur Ampel hin. Danach gibt es keinerlei Radinfrastruktur mehr, nur einen sehr breiten Autostellplatzstreifen mit gestrichelter Linie, den man auch als Radstreifen (oder Schutzstreifen) fehlinterpretieren könnte. 

So richtig viele radeln hier nicht, weil es geschicktere Routen zwischen Degerloch oder Stuttgart Süd gibt. Sicher aber auch, weil es davor und danach überhaupt nichts für Radfahrende gibt, nur Mischverkehr mit drängeligen Autofahrenden. Da radeln Anwohner:innen - die hier losfahren oder hier hinwollen - dann eben doch lieber stressfrei auf den Gehwegen.  

7 Kommentare:

  1. Schöner Artikel.

    Allerdings könnte man da auch gut eine Serie draus machen, es gibt ja zahlreiche vergleichbare Stellen.

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  2. Du schreibst es gibt geschicktere (asphaltierte?) Routen zwischen Degerloch und S-Süd. Kann die mir jemand mal sagen? Ich komme gelegentlich aus Sonnenberg Richtung S-Süd und fahre dann immer dort lang (und dann entweder die Klos-Str. runter oder wenns nicht zu matschig ist durch den Wald).
    Ute

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    1. Liebe Ute, schreib mir eine E-Mail (E-Mail-Adesse steht oben im Impressum), dann kann ich dir eine markierte Karte schicken. Kommt natürlich ein bisschen darauf an, wo die genau hinwillst, aber ich radle von Sonnenberg aus über Degerloch und die Alte Weinsteige nach Stuttgart Süd (Degerlocherstraße hoch, über die Brücke, immer geradeaus die Bodelschwingstr. lang, dann rechts ,wo dein Radweg (beschildert) zwischen Häusern lang führt durchs Straßengewirr zur Alten Weinsteige.) Andere Möglichkeit ist von der Laustrauße nach links in den Sonnenbühl und dort nach links die Abraham-Wolf-Straße runter und wieder links die Christian-belser-Str., dann kommt man an der Böblinger Straße auf dem Radweg raus.

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    2. Jörg
      Ich kenne da auch keine Alternative zum zügig runterfahren. Christian Belser Straße ist ein Umweg und nicht so super. Bergauf gibt es den Schimmelhütten, runter ist der Nichts.
      Nervig sie die Autofahrenden die auf dem kurzen Flachstück am Friedhof überholen, meist ordnungswidrig. Und weiter unten stört der Stau. Dem kann nach links in die Kelterstraße durch den Fußweg oder rechts zur Freude der Anwohner durch die Liebigstraße. Stutttgarter Radinfrastruktur wie sie leibt und lebt. Legal illegal s..egal

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  3. Dort gibt es ja auch eine Fahrbahn, die komplett mit Sperrfläche blockiert ist- Hauptsache dem Radverkehr nichts schenken. Und die tolle Brücke parallel zur Stadtbahn, die eigentlich nur ein Parkplatz ist und stets zu kritischen Situationen führt. Ach und überhaupt ist das dort alles sehr merkwürdig.

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  4. Jörg
    Die Lernkurve der Straßenplaner und Straßenbauer ist nicht sehr steil. Wie kommt ein Radfahry auf den "Radfahrstreifen"? Über durchgezogene Linien soll man doch nicht fahren. Korrigiert wird sowas am St. Nimmerleinstag.
    Wer nach links will muss nach meiner Kenntnis die Fahrspur mit den Linksabbieger Autofahrys nutzen.

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  5. Im Namen hier ein Post von Torsten K. aus Da, den er mir gemailt hat: ich antworte Dir, weil das Kommentieren Deiner Artikel auf meinem Handy nicht funktioniert. Du darfst meine Mails gerne in der Kommentarleiste verwenden:

    Aus meiner Sicht ist das geschilderte StVO-Debakel noch größer.
    1. Nein, Radelnde dürfen das Vz 295 nicht überfahren. Am Anfang müsste für eine gewisse Strecke Vz 340 angeordnet sein. Man kommt also legal nicht auf den Seitenstreifen.
    2. Vor der Verzweigung steht eine Leitbake Vz 605. Die gilt auf für Radelnde. Man muss dort also links vorbei fahren.
    Zeige mir eine Straßenverkehrsbehörde und ich zeige Dir einen Hort der Unkenntnis.
    Beste Grüße, Torsten K. aus DA

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