17. März 2024

Wenn eine Stadt ihre Radfahrenden überhaupt nicht mag

Dann macht sie es genau so, wie die Stadt Waiblingen es in der Devizesstraße macht. Sie legt zwei sogenannte Schutzstreifen an den Fahrbahnrand, die vor der Bushaltestelle aufhören. 

Wie der Zeitungsverlag Waiblingen berichtet (Bezahlschranke), darf auf der Straße 50 km/h gefahren werden. Für Radfahrende gibt es sogenannte Schutzstreifen. Vor zwei einander gegenüberliegenden Bushaltestellen verengt sich die Fahrbahn aber. Hatten bis dahin Fahrräder und Autos auf eine Richtungsfahrbahn gepasst und waren Überholmanöver möglich, geht das jetzt nicht mehr. Der Platz reicht nicht. Dass der Schutzsteifen an der Bushaltestelle aufhört, ist weniger das Problem, weil der Radfahrende ja ohnehin auf dieser Linie radelt. Eine doppelt durchgezogene Mittellinie sagt Autofahrenden deutlich, dass sie Fahrräder nicht überholen dürfen. Allerdings ertragen es viele Autofahrende nicht, hinter den Radfahrenden zu bleiben. Sie überholen und sie überholen dabei auch sehr eng. Das ist also für etliche Radfahrende eine Angststrecke. Man muss sie sehr selbstbewusst radeln und sollte dabei nicht zu weit rechts fahren, sonst können viele Autofahrende nicht anders als zu glauben, sie kämen ja vorbei. 

Dass es die Stadt mit den Radfahrenden nicht gut meint, sieht man auch an weiteren Details. Beispielsweise radelt man - den Bildern von Apple Karten und GoogleMaps zufolge - aus einer Richtung vor der Bushaltestellenverengung auf einen Bordstein zu, den man in jedem Fall, auch bei Dunkelheit und einer kritischen Überholsitation sehen muss. Das finde ich persönlich ziemlich tückisch, vor allem für Radfahrende die ohnehin ängstlich am Bordstein entlang radeln. 

Um den Kreisverkehr dürfen Radfahrende auf dem freigegebenen Gehweg herumfahren (müssen sie aber natürlich nicht). Dahinter müssen sie wieder runter und sich in den Autoverkehr einfädeln. Dafür hat man kurze schräge Abfahrtsrampen angelegt, an denen der Schutzstreifen wieder beginnt. Der ist immerhin rot markiert, muss aber von Autofahrenden, die aus dem Kreisverkehr herausfahren und sofort auf 50 km/h beschleunigen, auch respektiert werden. Außerdem kann man dort nach rechts in eine Straße abbiegen, praktisch genau an der Stelle, wo Radfahrende auf den Schutzstreifen einfädeln. Das zeigt das  Zufallsfoto von GoogleMaps sehr schön. 

Eine Änderung ist nicht geplant, Tempo 50 bleibt (bei Tempo 30 geschähen die Überholmanöver wenigstens langsamer) eine neue Querungshilfe für Fußgänger:innen soll helfen, den Autoverkehr vor der Bushaltestelle zu bremsen, was aber in Gegenrichtung nicht hilft. 

"Ist doch bisher nix passiert", sagt die Stadt. Das ist aber die falsche Antwort auf die falsche Frage. Die eigentlich Frage ist nicht, ob hier schon mal eine Radfahrer durch einen Autofahrer zum Sturz gebracht wurde, sondern, ob es für Radfahrende angenehm ist, dort zu radeln. Das ist es für viele nicht, sie nehmen lieber den Gehweg, der nicht freigegeben ist. Will man Menschen davon überzeugen, für kurze Strecken das Fahrrad zu nehmen, dann müssen alle wichtigen Radrouten überall in der Stadt angenehm und stressfrei zu befahren sein. Sonst radeln sie nicht, sondern nehmen lieber das Auto. Weil nämlich aus der Windschutzscheibenperspektive das Radfahren sehr gefährlich aussieht

18 Kommentare:

  1. Die Devizestrasse zeigt die Unfähigkeit der StVB. Da könnte man ein 277.1 aufstellen. Schutzstreifen sind die absolut falsche Wahl.
    Und bei einem Kreisverkehr ist es sicherer den Radverkehr auf der Fahrbahn zu führen

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hallo Markus,
      ich kenne die Stelle auch und möchte dir vollkommen zustimmen.
      Thomas

      Löschen
    2. Der Unterschied zwischen Schutzstreifen und Überholverbot? In der Praxis wohl nullkommanull.

      Löschen
  2. Torsten K. aus DA17. März 2024 um 12:00

    Die Markierung des Schutzstreifens auf Bild 1 ist ohnehin illegal. Der Fahrstreifen hat nicht genug Restbreite für ein Kfz.

    AntwortenLöschen
  3. Muss eigentlich immer erst etwas passieren, dass man sich Gedanken über Sicherheit macht? Im Maschinenbau muss man sich mit CE rumschlagen, um jede Maschine sicher zu machen, damit erst garnichts passieren kann. Da muss man alle Gefahren berücksichtigen, dass nichts passiert. Diese Denkweise sollte man für die Gestaltung von Verkehrsinfrastruktur gerne mal übernehmen. Dann gäbe es solche Konstrukte nicht
    Karin

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Liebe Karin, wollen wir hoffen, dass da nichts passiert. Meistens passiert ja nichts. Und wenn, dann hat sich einer der Verkehrsteilnehmenden nicht an die Regeln gehalten und das Ganze wird als individueller Fehler behandelt. Ich finde inzwischen, dass das nicht die Frage ist, die wir stellen müssen. Sondern die: Würde die elfjährige Laura dort radeln und würden ihre Eltern es ihr erlauben. Radinfrastruktur darf nicht nur für Unerschrockene gemacht werden.

      Löschen
    2. Das ist was ich seit Jahren vorbete, im Straßenverkehr dürfen schon ab der Konzeption sämtliche Prinzipien, wie sie etwa im Arbeitsschutz gelten, über Bord geworfen werden. Warum dieses zwiefache Maß, was steckt hinter dieser Schizophrenie?
      Für mich ist es vor allem die Tatsache, dass Autoverkehr, so ineffizient wie er ist, gar nicht funktionieren würde, wenn er nicht so gut wie allen Platz beanspruchen dürfte, und so gut wie alle Risken und Kosten externalisiert würden.

      Löschen
    3. @Christine, die Philisophie hinter CE ist die "Sichere Maschine", sicher für alle. Würde man dies auf das Design von Verkehrsinfrastruktur anwenden, müsste sie auch sicher sein für Kinder. Bei CE muss man dies in Gefährdungsanalysen dokumentieren. Und zwar für alle Lebenslagen (Montage, Betrieb, Reinigung,Wartung, Abbau). Man macht sich Gedanken über den DAU und was alles getan werden muss, diesen zu schützen. Im Strassenverkehr müsste man also die diversen Verkehrskonstellationen für alle Verkehrsteilnehmer denken und dann Lösungen finden. In Ansätzen gibt es das schon, wie z.B. bei Warnleuchten für Strassenbahnen, Schranken für Schienenfahrzeuge. Im Design von Kreuzungen und Kreuzungsabwicklungen fehlt dies oft. Viele Unfälle beim Abbiegen ließen sich durch getrennte Ampelschaltungen für Fuß- und Fahrverkehr vermeiden. Warum das gerade an Kreuzungen, an denen schon etwas passiert ist, nicht passiert, ist nicht nachzuvollziehen. Hier muss ein Umdenken einsetzen. Und es muss zur Einhaltung der Regeln mehr Kontrollen geben. Egoismus hat im Strassenverkehr nichts verloren.
      Karin

      Löschen
    4. "Warum das gerade an Kreuzungen, an denen schon etwas passiert ist, nicht passiert, ist nicht nachzuvollziehen."

      Doch, wenn man zugrundelegt, so wie die Behörden und alle sonstigen Beteiligten, dass den Autoverkehr nichts aufhalten darf, weil er sonst sehr schnell zum Erliegen käme. Der motorisierte Individualverkehr appelliert an den Egoismus, fördert den Egoismus, ist Egoismus.

      Löschen
    5. Liebe Karin, ja, das sehe ich auch so. Die Radinfrastruktur muss den Radfahrenden aller Altersgruppen den Panzer ersetzen, die die Autofahrenden um sich herum haben. Das Zusammentreffen auf denselben Verkehrswegen muss extrem reduziert werden und die Stellen, wo der Autoverkehr über Radwege kreuzt, müssen sicher organisiert werden, und zwar so, dass die Radfahrenden nicht darauf angewiesen sind, dass der Autofahrer sie sieht oder eben nicht sieht.

      Löschen
    6. @marmotte. Meine Erfahrung ist auch, dass die Frage, ob was passiert oder nicht, keine Rolle spielt. Dort, wo ich angefahren wurde, hat es 13 ähnliche Zusammenstöße Auto-Fahrrad gegeben, aber es wurde nichts geändert. Deshalb denke ich inzwischen, dass das der falsche Argumentationsansatz ist. Er wirkt ja nicht.

      Löschen
    7. Es würde vielleicht helfen, wenn eines der Opfer vor Gericht zieht, zusammen mit einem vorherigen Opfer und die Kommune verklagt, weil die Gefahr bekannt war (Unfall) und nichts getan wurde!
      Karin

      Löschen
    8. Vielleicht, vielleicht auch nicht. Und kann es sein, dass wir Bürger:innen eigentlich den riskanten, nervenaufreibenden und teuren Klageweg beschreiten müssen?

      Löschen
  4. Torsten K. aus DA18. März 2024 um 22:02

    Das Scheitern von "da muss etwas passieren" kann man hier nachlesen: https://www.darmstadtfaehrtrad.org/?p=5004

    AntwortenLöschen
  5. Solch ein "Schutzstreifen" ist kontraproduktiv. Er erzieht Autofahrer geradezu, Schutzstreifen zu ignorieren. Wieder mal ein Beispiel dafür, was für ein gefährlicher Murks dabei herauskommt, wenn sich Behörden/Amter und politische Gremien sich weder an Verwaltungsvorschriften halten (VwV-StVO, detailliert in den ERA) und die Muster,ösungen

    AntwortenLöschen
  6. ignorieren, die die AGFK erstellt hat.

    AntwortenLöschen
  7. Ich sehe es anders: Die Fotos allein zeigen nicht die realen Größenverhältnisse. Ein Radfahrer kann auf dem Radstreifen überholt werden. An der Bushaltestelle müssen Radler und Autos halten, wenn dort ein Bus steht. Weder PKW noch Radler dürfen den Bus überholen. Regeln sind dazu da, dass sie eingehalten werden. Dies schützt die Fußgänger und bevorzugt den ÖPNV. Ich fühle mich in der Devisesstraße sicherer als vor dem jetzigen Zustand, auch wenn der Abstand der überholenden Autos geringer als 2 m ist, weil Fahrspuren eingehalten werden. Bei zweispurugen Straßen halten Autos sich auch an die Fahrspuren. Und es gibt sinnvollerweise das Rechtfahrgebot, mit innerstädtisch i.d.R. weniger als 2 m Abstand zum Gegenverkehr. Sonst wäre eine Benutzung der Straße nicht möglich.

    AntwortenLöschen