27. September 2024

Wer denkt sich sowas aus?

Wer von Norden Richtung Fußgängerzone über die Wilhelmsbrücke in Cannstatt geradelt ist, darf jetzt nur noch auf Fußwege abbiegen (die fürs Fahrrad freigegeben sind). Auf die Fahrbahnen der Bad- und Überkingerstraße darf man nicht mehr. 

Das verbietet eine enorme Sperrfleche, die die Stadt markiert hat. Für die, die über die Überkingerstraße (auf dem Foto von links) kommen, ist eine Fahrradspur offen gehalten, ebenso für diejenigen, die von der Badstraße (auf dem Foto von rechts kommend) auf die Wilhelmsbrücke abbiegen wollen. Es ist offensichtlich niemand darauf gekommen, dass einige Radler:innen nicht auf den Neckardammgehwegen radeln wollen, sondern auf der Fahrbahn, auch weil ihr Ziel nicht dort liegt, wo der Neckardammweg sie hinführt. 

Und: Gehwege aber sind keine Radwege. Radfahrende dürfen nicht gezwungen werden, freigegebene Fußwege zu benutzen. 

Es gibt keine Verpflichtung, dort zu radeln, zumal man Schrittgeschwindigkeit fahren muss. Das macht zwar niemand, weil es nicht geht, aber alle, die schneller radeln, bewegen sich in der Illegalität. Und genau dazu zwingt sie hier jetzt die Stadt. Sie verbietet de facto das erlaubte Fahrbahnradeln. Der Effekt: An unsinnige Anordnungen, die Radfahrende zu verrückten Schlenkern und Umwegen zwingen, hält sich niemand, der nicht den Neckardamm entlang radeln will (der ja nur ein freigebener Gehweg ist). 

Es wird also über die Sperrfläche geradelt, und zwar so oft, dass ich es auf auf meinen Fahrten ständig sehe. Wie auch sonst sollte man nach links in die Überkinger Straße kommen, wenn man weiter in die Altstadtgassen oder zur Brunnenstraße will? (Vor allem dann, wenn man sich nicht so gut auskennt und die schlechten und holprigen Fußwege nicht kennt, über die man die Radfahrenden schickt.) In die Fußgängerzone der Altstadt darf man ürbigens nicht reinfahren, weder mit dem Auto noch mit dem Fahrrad. Die Sperrfläche verhindert das aber auch nicht, wer da rein radeln will, tut es trotzdem. Und Autos sieht man da auch oft.

Übrigens ebenso absurd wie diese Sperrfläche ist die Rad- und Fußgängerampel an dieser Stelle. Jetzt hat man im Zuge der Markierung auch noch die Aufstellfläche für Fußgänger:innen markiert. Das Geld hätte man sich sparen können. Fußgänger:innen nehmen immer den für sie kürzesten Weg. Sie laufen, wenn die Überkinger oder Badstraße überquert haben, nicht durch die heranfahrenden oder stehenden Fahrräder, um sich zu den Fußgängerzeichen zu stellen, sie bleiben gleich an der Ecke vor den Fahrradzeichen stehen und warten auf Grün, falls sie hier überhaupt auf Grün warten. 

Denn hier wartet eh kaum jemand. Über die Wilhelmsbrücke (wo es auch eine Ampel gibt), kommt kaum ein Fahrrad. Hingegen ist der Fuß- und Radverkehr auf dem Neckardamm rege und reichlich. Die meisten Radler:innen, die den Neckardamm entlang fahren, halten nicht, wenn die Fußgänger/Radampel Rot zeigt. Es kommt ja nichts. Die paar Radler:innen, die über die Wilhelmsbrücke kommen, halten meistens auch nicht, wenn ihre Ampel Rot zeigt, und sie die Stelle schon kennen. Autos können hier nicht mehr einbiegen. 
Ampeln aber braucht man nur, wo Menschen zu Fuß und auf Rädern mit denen in Autos aufeinander treffen, Radfahrende und Zufußgehende brauchen keine Ampeln. Sie sehen sich und arrangieren sich. Zumal ja die Radler:innen, die von der Wilhelmsbrücke kommen, sogleich nach links oder rechts in die Fußgängerzone (Neckardammwege)  abbiegen müssen, wo sie auf genau die Fußgänger:innen und Radler:innen treffen, die sie auf der Fußgängerfurt passieren lassen sollen. Übrigens genau in dem Moment, wo diese Fußgänger:innen und Radler:innen am Bordstein stehen und warten sollen, den man selber mit dem Rad jetzt hochfahren soll.  

Das ist Murks. Das ist echt gaga! Wer denkt sich sowas aus? 

9 Kommentare:

  1. Wie gestern, warum wird "Infrastruktur" nicht benutzt? Offenbar kennen ja noch nichtmal die Planer wirklich die StVO (siehe meinen Kommentar dort), das ist schon schlimm, oder sie kennen sie, und versuchen, sie auf diese Weise zu umgehen, was noch schlimmer ist.

    Denn ganz offenbar geht es auch hier ja nur wieder mal drum, dem Autoverkehr die allgemeine Fahrbahn zuzuschanzen.

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  2. Ich glaube die Planer sitzen sonstwo in Deutschland, kennen die Örtlichkeiten nicht und planen nur nach Plan. Bei der Planung wird anscheinend auch nicht darüber nachgedacht, wie die Verkehrströme laufen und wer wohin möchte. Nur so kann man sich so einen Murks erklären.
    Zum Thema freigegebene Gehwege. Ich habe mal gelesen, dass der Gesetzgeber diese "Krücke" erlaubt hat, wenn es gar keine andere Möglichkeit gäbe (z.b: das Stück Fusweg am Ende der Sackgasse als Durchfahrt zur nächsten Strasse ermöglichen). Aber, Zitat, "die Kommunen setzen dies inflationär ein". Der Sinn wurde also mal wieder vollkommen verdreht. Ob in dem oben beschriebenen Fall dies überhaupt statthaft ist, das so zu machen, sollte mal geklärt werden. Vor allem, wenn es vorher anders war. Gibts an der Stelle irgendwelche herausragenden gefahren für Radfahrer, dass man das so machen muss?
    Aber ich schließe mich Marmotte an, das Beispiel passt genau zum vorherigen Artikel, warum Infrastruktur nicht genutzt wird.
    Karin

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  3. Eigentlich sagt man ja grundsätzlich, man soll nicht böse Absicht unterstellen, wenn Dummheit als Erklärung ausreicht.

    Die schiere Menge an immer wieder neuen Beispielen lässt mich aber zweifeln, ob es wirklich nur Desinteresse, Ignoranz, Unkenntnis der Vorschriften und Unfähigkeit ist. Es liegt nahe, dass der Radverkehr in Stuttgart planerisch nach wie vor systematisch und absichtlich behindert und zurückgedrängt wird zugunsten des PKW-Verkehrs.

    Fachkundige Beratung gibt es zudem auch reichlich. Es muss ja schon fast mühsam sein, diese Expertise außer Acht zu lassen: ADFC, Arbeitsgemeinschaft der Fahrrad- und Fußgängerfreundlichen Gemeinden, Uni-Institute in Stuttgart und Karlsruhe würden ja helfen, wenn man sie ließe.

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    1. Hallo Holger,
      Ich bin auch schön langsam der Meinung, das es Unkenntnis der Regeln nicht mehr ausreicht das zu erklären. Da die Themen regelmäßig angesprochen werden, sind die bei den zuständigen Behörden auch bekannt. Und wenn dann darauf verzichtet wird, die vorhandene Expertise beim nächsten mal nicht in Anspruch zu nehmen, ist das irgendwann nur noch mit Vorsatz zu erklären.

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    2. natürlich ist es nicht "Desinteresse, Ignoranz, Unkenntnis" - es ist volle Absicht der Stuttgarter Verwaltung und sie scheinen beim Thema Radverkehr aktiv irgendeine Art von Sadismus auszuleben.

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    3. Dass von der Wilhelmsbrücke kaum Radler kommen, stimmt so nicht. Ich fahre dort zur und von der Arbeit kommend quasi täglich über die Brücke: morgens von der Neckartalstraße kommend und abends in Gegenrichtung, ich bin selten allein. Die Brücke wird rege genutzt auch mittig zunehmend von Fußgängern, Rollerfahrern etc. Auf der Neckartalstraßen-Seite wird die Ampel nicht abgeschaltet, weil es Menschen gibt, die direkt in die Brückenstraße wollen. Wer nach rechts in die Neckartalstraße weiter will, würde keine Ampel benötigen. Manche denken sich da einen Grünen Pfeil und biegen vorsichtig durch die an der Fußgängerampel wartenden Fußgänger hindurch ab, um zum Anfang des Zweirichtungsradwegs zu gelangen.
      Die Sperrfläche auf der Cannstatter Seite mag dem Ansinnen geschuldet sein, dass man vermeiden wollte, dass Motorisierte etwa aus Gewohnheit Richtung Brücke abbiegen. Der Groschen scheint soweit gefallen zu sein, dass man Nichtmotorisierte immer ganz arg schützen muss, (und am meisten vor sich selbst) - das laute Rufen nach Trennung der Verkehre bleibt nicht ungehört, führt aber statt zu mehr Sicherheit zu immer mehr Regulierung und immer mehr Einhegung. Warum versucht man man die Nichtmotorisierten nun auch noch so aufzustellen, dass der auf die Brücke abbiegende Radverkehr sich maximal unterordnen muss? Warum noch "aneinander vorbei" wenn man auch "umeinander herum" und "ineinander hinein" haben kann. Warum? Wem nützt es? Wem schadet es? Ich neige auch zu der Annahme, dass das nicht allein mit Nichtkönnen zu erklären ist. Hajö.

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    4. Es ist aber ja nicht verboten, auf der Fahrbahn Richtung Ampel an der jetzt abgerissenen Rosensteinbrücke zu fahren, man kann und darf sogar noch weiter radeln, bis vor zur König-Karls-Straße, wo es eine Linksabbiegespur für Radfahrende gibt. Man muss Radfahrende nicht davor schützen, diese Straße zu nehmen. Machen eh nur wenige, sehe ich aber auch immer mal wieder. Du magst Recht haben, dass der RAdverkehr auf der Wilhelmsbrücke stärker ist, als ich das so wahrnehme. Meistens kommt niemand, wenn ich da quere, aber klar, natürlich fahren da RAdler:innen, obgleich die Anbindung auf der Seite der Neckarvorstadt eher mau ist. Danke für deinen Hinweis.

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  4. Interessant wäre, aus welchem Budget die Straßenmalereien bezahlt werden? Vermutlich wird es dem Ausbau der Radinfrastruktur zugeordnet.
    VG Niko

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  5. Die "Verkehrsplaner" sind alle auf ihrem Dienstposten bzw. in ihrer TVÖD Arbeitstelle weil sie "fachlich geeignet" sind. Daher sind diese Fehlplanungen meiner Ansicht nach als Veruntreuung anklagbar, ja anzuklangen, sie sind Straftaten! Also sollte das mit Strafen und Schadensersatz sanktioniert werden. Denn wenn das "Fehler" waren wären diese Herren (seltener Damen) ja nicht fachlich geeignet und müssten aus dem Dienst- oder Arbeitsverhältnis entfernt werden...

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