2. August 2025

Wenn Leute auf der falschen Straßenseite radeln

Dann offenbart das einen Mangel der Radinfrastruktur. Wenn Autofahrende durch verbotene Wege fahren, dann demonstrieren sie, dass sie keinerlei Behinderungen akzeptieren. 

Denn Straßen haben Autofahrende mehr als genug. Sie können praktisch überall lang fahren, kommen in den meisten Fällen bis vor die Haustür oder bis zum Parkplatz eines Sportvereins. Umwege kosten sie keine physische Anstrengung und trotzdem erspart man sie ihnen, wo immer es geht. Autofahrende haben knapp 60 Prozent der Verkehrsfläche für sich. Radfahrende haben deutlich weniger Wege.  Studien sagen, dass die Radinfrastruktur nur etwa 2 bis 6 Prozent der gesamten Verkehrsinfrastruktur in einer Stadt ausmacht. Und nicht alle Straßen sind für sie problemlos oder angstfrei befahrbar. 

Hinzu kommt, dass Radfahrende oft nicht umstandslos links abbiegen können. Entweder erwartet man von ihnen, dass sie indirekt links abbiegen und mehrmals bei Rot warten oder dass sie über Fußgängerfurten auf die andere Straßenseite wechseln und ebenfalls mehrmals und lange bei Rot warten. Oder man erwartet, dass sie eine längere Strecke geradeaus fahren bis zu einer Stelle, wo sie links rüber komm, wo sie dann wieder eine längere Strecke zurückfahren müssen. 

Der Radfahrer (Bild oben) fäbrt auf der Böblinger Straße Richtung Vaihingen vom Waldeck aus hunderte von Metern auf dem linksseitigen Radfahrstreifen hoch. Das Falschfahren auf der Böblinger Straße ist ein großes Thema bei der Evaluation der Radfahrstreifen gewesen. Polizeikontrollen wurden angekündigt. 

Dieser Radler fuhr dann auf der Höhe der Spitzkehre bergauf drüben in den Auweiler Weg, der parallel bis ganz hoch nach Vaihingen (Fanny-Leicht-Gymnasium) führt. Er kürzte also ab. Unten ist der Weg als Gehweg ausgeschildert mit Freigabe für Anlieger. Oben an der Brücke, wo man von der bergauf-Rottweiler Straße legal auf die andere Seite fahren kann, ist er nur für Kraftfahrzeuge verboten (runter also darf man radeln). Falls der Radler  nicht zu einem der Häuser im Auweiler Weg wollte (was er darf, er ist dann Anlieger),  hat er sich die langen zwei Spitzkehren über die Rottweiler Straße hoch zu der Brücke gespart. Der Radler fuhr ziemlich ungerührt, obgleich ihm bergab zwei Radfahrende entgegen kamen, einer wich nach links auf den Autofahrstreifen aus, dem anderen wich der Geisterradler auf die Autospur aus, wo gerade keine Autos runter kamen. Eine ziemlich krasse Aktion. Aber dass hier jemand auf der falschen Seite auf dem Radstreifen hoch fährt, ist tatsächlich nicht gerade selten. Ein Radfahrstreifen ist übrigens kein Teil der Fahrbahn. Autos dürfen nicht auf ihm fahren. 

Ich heiße das nicht gut und will es auch nicht entschuldigen. Manche machen das routinemäßig. Viel öfter als wir denken, finden allerdings ortsunkundige und regelunkundige Radfahrende die Radstreifen oder Radwege nicht, auf denen sie regelkonform weiterkämen. Linksseitige Radfahrstreifen oder Schutzstreifen erscheinen manchen als legale Strecke, sie sehen nur die Radfahrzeichen auf dem Asphalt. Besonders typisch ist dafür die Straße Elsental, die bergauf Richtung Dachswald einen Schutzstreifen hat, den aber bis heute viele Radler auch bergab benutzen, manche - wie ich weiß - ohne auch nur auf die Idee gekommen zu sein, dass sie falsch fahren. Aber praktisch überall, wo es nur auf einer Straßenseite Radstreifen gibt, verirren sich immer mal wieder Radler:innen in Gegenrichtung auf den linksseitigen Streifen, Das passiert so oft, dass ich viele Fotos von Geisterradler:innen habe. 

Ein Beispiel, wo es ständig schief läuft, ist die Querung aus der Marienstraße bergauf über die Paulinenstraße. Beinahe jedes Mal, wenn ich hier an der Radampel stehe, steht drüben ein radelnder Mensch auf dem Radstreifen auf der falschen Seite und wartet darauf, dass er sieht, dass ich Grün kriege, um loszufahren. Den Weg über diverse Autofahrspuren zum Radstreifenschnipsel auf der rechten Fahrbahnseite finden viele nicht oder halten ihn für unzumutbar. Diese Kreuzung funktioniert nur für Autofahrende, für Radfahrende funktioniert sie überhaupt nicht. Beliebt für Falschfahrten ist auch der Radfahrstreifen auf der Neckarstraße zwischen Neckartor und Hauffstraße. Auch hier erfordert der legale Weg einen weiten Umweg. 

Abgesehen davon, dass unsere Radinfrastruktur viel eindeutiger sein muss als sie ist, muss sie auch bequem sein und der Natur des Radelns entsprechen, also Umwege vermeiden, mehrere Ampelsopps vermeiden und das Linksabbiegen umstandslos ermöglichen (also nicht über mehrzügige Rad-/Fußgängerfurten). Denn Radfahrende fahren aus eigener Kraft, Stopps und Starts kosten Energie und bergauf will man sich jeden Meter sparen. 

Ich plädiere auch immer dafür, dass Radfahrstreifen oder Radwege, die zuseiten breiter und schwer zu überquerender mehrspuriger Straßen liegen, Zweirichtungsradwege sind. Das reduziert Gehwegfahrten neben dem Radweg oder eben solche Falschfahrten. Genaus das wird auch den geplanten Radwegen zuseiten der Theodor-Heuss-Straße passieren. Auf dem bereits fertigen Teilstück am Rotebühlplatz ist mir schon ein Radler entgegengekommen. 

Das Hauptproblem für Falschfahrten ist allerdings eine uneindeutige und lückenhafte Radstreckenführung, auf der sich zudem oft die Infrastrukturelemente auf kurzer Strecke abwechseln: mal Radstreifen, dann Fahrbahn, dann Gehweg, dann Weiterführung jenseits eine Fußgängerampel oder gar nicht erkennbar. In Stuttgart müssen Radfahrende im Pfadfindermodus unterwegs sein, sie suchen sich ihre Wege. Gegen Regelverstöße durch Radfahrende hilft eine gute, durchgängige und intuitiv erfassbare Infrastruktur, so wie sie Autofahrende haben. 

4 Kommentare:

  1. "Wenn Leute auf der falschen Straßenseite radeln, Dann offenbart das einen Mangel der Radinfrastruktur. Wenn Autofahrende durch verbotene Wege fahren, dann demonstrieren sie, dass sie keinerlei Behinderungen akzeptieren."
    Das ist zu schwarz-weiß und zu vereinfacht: Auto = böse, Rad = gut. Egal wie sich die jeweiligen Fahrzeuglenker verhalten.
    Korrekt wäre doch: Fahrzeuglenker (jeder Art) demonstrieren, dass sie keinerlei Behinderungen akzeptieren.
    Ja, die Radinfrastruktur ist jämmerlich. Gibt aber immer noch kein Recht, Verkehrsregeln zu brechen und gefährliche Situationen wie oben beschrieben zu provozieren. Mein Lieblingsbeispiel ist die Fußgängerampel auf der König-Karls-Brücke. Zeigt die Ampel rot für Radfahrende, wird diese zu 90% ignoriert. Und hier kann man nicht von schlechter Infrastruktur und Umwegen reden. Einfache Ignoranz. Mit welcher Begründung also fordern wir dann bessere Infrastruktur, wenn wir sie ignorieren, sobald sie uns bremst und unbequem erscheint? Wir sind nun mal nicht alleine im Verkehr und auch wir müssen Rücksicht auf andere nehmen. Nur gemeinsam wird der Verkehr sicherer, nicht im Gegeneinander.
    Das in Deinem Beitrag aufgezeigte Beispiel ist auch durch keine mangelhafte Infrastruktur zu entschuldigen. Persönliche Bequemlichkeit vor Sicherheit ist einfach ein NoGo und auf einer Ebene mit den Regelverstößen der Autofahrenden.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Übrigens bin ich auf der König-Karlsbrücke mal zwei Radlern der Polizeiradstaffel hinterhergeradelt, die das Rot der Fußgängerampel auch nicht gesehen haben und bei Rot durchfuhren. Als ich sie darauf ansprach, waren sie erstaunt, sie hatten die Ampel nicht gesehen. Und kürzlich stand ich am Waldeck an der Ampel bei einem ortsunkundigen Radler, der mich fragte, ob das hier die letzte Möglichkeit sei, auf die rechte Bergauffahrbahn rüber zu kommen. Vielleicht wäre auch er geradeaus linksseitig weitergeradelt, weil der es nicht richtig kapiert hatte. Es ist halt manchmal schwer, die ständig wechselnde Radinfrastruktur zu interpretieren. Ganz so schwer macht man es Autofahrenden nicht, Straßen sind immer gleich organisiert, und es stehen Verkehrszeichen da, die anzeigen, was kommt. Trotzdem vertun sich sich auch Autofahrende und fahren falsch auf die Autobahn drauf und sind dann dort als Geisterfahrer unterwegs, was sehr viel gefährlicher ist als ein Radler, der auf der falschen Radwegseite fährt. Es geht nicht darum, bewusstes Falschfahren zu entschuldigen, sondern darum, dass wir Radelnden eine verwirrendere Infrastruktur vorfinden als Fußgänger:innen oder Autofahrende, und dass daraus Fehler entstehen.

      Löschen
    2. @Michael, Ob man an der Stelle dieser Ampel nicht von schlechter Infrastruktur reden kann sollte man schon diskutieren können, insbesondere, wenn Du schreibst, dass die Ampel von 90% als Schikane ignoriert wird.

      Radverkehr und Fußverkehr koordinieren sich selbst wesentlich besser, als Kraftfahrzeugverkehr mit beliebigen anderen Verkehrsarten. Deshalb gibt es eine nennenswerte Verbreitung von Ampeln auch erst seit der Verbreitung des Automobils.

      Konkret (Ich nehme an, es geht um den Überweg zur Straßenbahnhaltestelle):
      Hier muss man mit dem Rad offensichtlich anhalten, wenn z.B. Fußgänger noch 10m entfernt losgehen, oder den Radweg bereits passiert haben --- ohne Ampel reicht es sich mit dem Fußgänger zu koordinieren. Wenn hier nicht gerade hohes Aufkommen von sowohl Fuß- als auch Radverkehr vorliegt, sieht die Ampel schon aus, als würde hier einfach ein Mittel zur Regelung von Autoverkehr benutzt weil es für die Spuren daneben schon da ist.
      Denkbar wäre zum Beispiel eine Führung bei der Fußgänger den Radweg zu einer Aufstellfläche queren können. Denkbar wäre auch den jetzt per Ampel geschützten Bereich über den Radweg als Fußgängerüberweg auszuführen.

      Löschen
  2. Als Radfahrer in Stuttgart man ja wirklich das Allerletze.

    Ich wollte heute auf der Filderbahnstr. in Richtung Norden die Vaihinger Str. überqueren. Als ich ankam, war die Ampel auf Rot. Dann sind regelmäßig links u. rechts die beiden Fußgängeramplen parallel zur Filderbahnstr. auf Grün gesprungen, die Autos auf der Vaihinger Str. haben Grün bekommen, sogar die Autos, die auf der Filderbahnstr. in Richtung Sünden unterwegs waren, haben Grün bekommen, nur ich nicht auf meinem Fahrad.

    Hey - wie kann das sein und was soll das?

    Auch ein Beispiel für schlechte Infrastruktur

    AntwortenLöschen