In der Stuttgarter Zeitung hat er uns am 30. Dezember mit zehn Tipps erfreut, wie man sich in diesem Jahr sportlich etwas auf Trab bringt.
Sein Tipp 1: Fahren Sie Fahrrad. "Fast jeder in der Region Stuttgart", schreibt er, "kann sich ein Auto leisten und nur die Wenigsten fahren mit dem Fahrrad zur Arbeit. Zu steil, zu umständlich, zu gefährlich." Alles Ausreden, so der Tenor des Textes. Pedelecs nivellieren die Steilstrecken, und selbst wer Pedelec fährt, verschafft sich immer noch mehr frische Luft, Bewegung, Fitness und gute Laune als jemand, der im Auto sitzt. Mit ein wenig Geschick finde man einen ungefährlichen Weg, Stuttgart und ihre Region hätten erstaunlich schöne Wege zu bieten, und je mehr Menschen das Fahrrad nutzten, desto mehr werde auch in die Radinfrastruktur für Radfahrer investiert. "Wer es sich einrichten kann, sollte sich also den Luxus gönnen, den Weg zur Arbeit mit dem Fahrrad zurückzulegen."
Was mir gut gefällt, Arne Gabius schreibt unbefangen und unabbhängig von allem Diskussionen über unsere Radinfrastruktur, die wir hier ständig führen. Wer will, so seine Aussage, der kann auch Radfahren. Man muss im Grunde nur wollen. Er misst seine Überlegungen nicht an den Hindernissen, sondern an dem, was für einen selber gut ist, und was man aus dem macht, was man vorfindet. Unser (mein) Augenmerk liegt dagegen oft auf den Mängeln der Radinfrastruktur, auf den Behinderungen für Radfahrende und auf der Auseinandersetzung mit dem Autoverkehr. Auf diesen Autoverkehr schauen auch diejenigen, die hinter dem Lenkrad sitzen und uns gern erklären, man könne gar nicht Rad fahren in Stuttgart.
Aber man kann eben doch Rad fahren und das sogar ziemlich gut. Die meisten Straßen in Stuttgart sind Nebenstraßen mit einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h. Es gibt viele Grünanlagen, den Schlossgarten und Waldwege rund um Stuttgart, wo man Fußgänger/innen ärgern kann, aber nicht von Autofahrenden geärgert wird. Man kommt mit dem Fahrrad irgendwie immer in die Stadt hinunter und überall hin, und man kommt auch an Stellen durch, wo der Autoverkehr morgens und abends steht und wo Automenschen dann herumsitzen und darüber nachdenken, ob ein bisschen mehr Bewegung nicht eigentlich ganz gut wäre. Vielleicht sehen sie einen Radler im Regen an der parallelen Radlerampel stehen und denken: "Das arme Schwein!" Insgeheim aber bewundern sie ihn. Der oder die traut sich etwas, was sich der Automensch nicht traut: das Wetter fühlen, sich ein bisschen anstrengen, die Freiheit auskosten, die es bedeutet, von Stadtbahnen und dem Auto unabhängig durch die Stadt zu fahren.
Es bedarf nur eines Entschlusses und eines funktionstüchtigen Fahrrads, um zu diesen freien und verwegenen Menschen dazuzugehören.
Wer jetzt sofort, also im Winter anfängt (und wann, wenn nicht jetzt?), muss raus aus dem Trott und ein paar ungewohnte Überlegungen anstellen (am besten am Vorabend, nicht erst beim Frühstück). Wenn man bereits ein Fahrrad besitzt, bei dem die Bremsen und das Licht funktionieren, womöglich bereits ein Pedelec, dann muss man nur noch über über Schuhe und Kleidung nachdenken. Anfangs fühlen sich Kälte und Nässe so direkt nach dem Frühstück ungewohnt an (man wäre jetzt im sich aufheizenden Auto unterwegs), aber immerhin hat man sich den Ärger des Scheibenkratzens oder es Staus erspart.
Allerdings muss man einen neuen Weg zur Arbeit entdecken. Denn die Autowege will man vor allem anfangs nicht mit dem Fahrrad fahren. Die Nebenstraßen kennt man aber gar nicht, und die Strecken für Radfahrende noch weniger. Auf Anhieb klappt das nicht. Da landet man mit dem Rad an Ecken, wo man über die Radinfrastruktur Stuttgarts fassungslos den Kopf schüttelt, weil sie ganz fehlt oder weil man sie nicht auf Anhieb versteht. Aber: Es gibt keine Probleme, es gibt nur Lösungen.
Beim nächsten Mal eine andere Strecke (Waldfriedhof) |
Es gibt Menschen, die sich von Schwierigkeiten allein dadurch abschrecken lassen, dass sie sie sich ausmalen (ich habe nichts zum Anziehen, ich werde nass, Autos sind gefährlich, wenn man selber nicht drin sitzt, mein Fahrrad ist zu alt, ein Pedelec zu teuer, ich will nicht in Schwitzen kommen und so weiter). Das sind die hoffnungslosen Fälle. Andere fahren immerhin einmal und finden den Weg zu kompliziert oder unangenehm und zu anstrengend, und es hat ihnen keinen Spaß gemacht. Für die gibt es noch Hoffnung, denn einmal ist keinmal. Vielleicht gibt es einen anderen Weg, den wir per Googlemaps und auf einer Sonntagsradtour finden. Und das nächste Mal habe ich Handschuhe dabei und ein Regencape. Und vor allem: Ich radle langsamer. Bewegung auf niedrigem Level stärkt die Fitness besser als die an der Auspower-Grenze. Der Weg zur Arbeit ist kein Wettrennen, sondern ein Flannieren auf zwei Rädern durch die Stadt.
Wir entdecken die Stadt neu und uns selbst.
Wer ein Jahr lang mit dem Fahrrad zur Arbeit geradelt ist (und immer mehr andere Alltagswege mit dem Fahrrad zurücklegt), ist ein anderer Mensch geworden: fitter, munterer, sportlicher, unternehmungslustiger, heller im Kopf, besser zuhause in der Stadt, besser gelaunt. Er oder sie fühlt sich stärker, dem Alltag besser gewachsen, aufgewacht und lebensmutig. Ja, Radfahren ist ein ganz einfacher Luxus, der kaum Geld kostet und keine weite Reisen erfordert. Gönnen wir ihn uns!
Zitat: "Vielleicht sehen sie einen Radler im Regen an der parallelen Radlerampel stehen und denken: "Das arme Schwein!" Insgeheim aber bewundern sie ihn. Der oder die traut sich etwas, was sich der Automensch nicht traut."
AntwortenLöschenLeider sind zu dieser Erkenntnis ja nur äußerst wenige in der Lage.
Die meisten Autofahrer scheinen zu denken:"was für ein Idiot, sitzt der bei dem Sauwetter auf den Fahrrad. Gut, dass ich das nicht nötig habe. Lieber tu ich alles andere als das." Das ist mein Eindruck. Jeder zweite Autofahrer scheint mich vor schierer Ungeduld loswerden zu wollen, selbst wenn man Tempo 30 in einer 30er Zone fährt, wird man als Hindernis behandelt. Entsprechendes spiegelt sich in den Zahlen des Anteils der Radfahrer im Verkehr wieder.
Daher stimme ich einigen älteren Beiträgen zu, die eine bessere Radinfrastruktur fordern. Nur damit kann man sich noch steigern, wenn es miteinmal bequem und privilegiert wird, Rad zu fahren. Die Mischung aller Verkehrsteilnehmer in einem Raum schürt sehr viele Feindseeligkeiten.
Menschen mit der Einstellung wie Arne Gabius gibt es viel zu wenige ;)
Btrifft:Das Bild mit dem Radfahrer auf der Landstraße zum Waldfriedhof er hat eine schöne Strecke aus gesucht und er hat die Muse zugeniesen.Das erkennt man an seiner entspannte Haltung.Er verdient mein Respekt.Er ist auf der Richtige Straße,weiter so.
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