26. März 2019

Frauen und Radfahrer sind immer selber schuld

Und wieder mal diskutieren wir über einen Nebenaspekt der Radfahrsicherheit, die Helmpflicht. 

Eine sexistische Werbug des Bundesverkehrsministeriums fürs Helmtragen, sorgt bei Radfahrerinnen für Empörung.

Gezeigt werden Frauen und Männer (mehr Frauen als Männer) halbnackt in sexualisierten Posen mit Helmen auf den Köpfen und einem Text, der suggeriert, dass Helme zwar scheiße aussehen, aber Leben retten. Das ist total verfehlt, denn Helme müssen erstens nicht scheiße aussehen, sondern können auch cool aussehen, und es ist nicht erwiesen, dass Helme Leben retten, bestenfalls könnte das der Fall sein, muss aber nicht. Sie erhöhen aber auch das Risiko für Radler/innen.

Werbecampagne des Verkehrsministerium 2019
Erwiesen ist, dass das Helmtragen das Radfahren riskanter macht. Zum einen, weil der Radler selber sich für geschützt hält und risikofreudiger  radelt, zum andern aber - und das habe ich leider auch beobachtet - weil Autofahrende bei eingerüsteten Radfahrenden (mit Helm, womöglich noch mit Leuchtweste) knapper überholen und rücksichtsloser fahren. Das stellt die taz in diesem Artikel wieder einmal ausführlich dar.

In Australien ging die Zahl der Radfahrenden zurück, als man eine Helmpflicht einführte. Das bedeutet zugleich, dass das Unfallrisiko für die restlichen Radfahrenden steigt, weil Autofahrende dann nicht mehr daran gewöhnt sind, dass überall auch Fahrräder unterwegs sind und gegen einzelne rücksichtslosser anfahren. In Vancouver haben die mit Helmpflicht gegängelten Radfahrer sich ein T-Shirt zugelegt, auf dem steht: „I wear a helmet so that you can drive like an idiot“ („Ich trage einen Helm, damit du wie ein Idiot fahren kannst“). Offensichtlich gibt es viele Autofahrende, die unbewusst die eingerüstete Radler nicht mehr als Menschen wahrnehmen, sondern als irgendwas, das man knapp überholen und nicht mehr wahrnehmen muss. Sie scheinen zu glauben, dass der Helm dem Panzer gleicht, den sie selbst als Autofahrende um sich herum haben. In den Niederlanden trägt man kaum Helme, in den USa dagegen fast 40 Prozent. Dennoch werden in den Niederlanden auf der gleichen Strecke nur ein Zehntel der Radfahrenden getötet wie in den USA. 

Vor den meisten tödlichen Unfällen schützt nicht der Helm.  Bei den fürchterlichen Rechtsabbiegeunfällen mit Lkw nützt er gar nichts. Vor Unfällen schützt nur und ausschließlich eine gute Radinfrastruktzur und eine große Zahl vorn Radfahrenden auf der Straße (Safety in Numbers).

Leider ist Werbung fürs Radfahren oder Radthemen sehr oft sexualisiert und damit auch sexistisch. Konstanz zeigte vor einigen Jahren auf Plakaten einen roten Highheel auf einem Pedal. Immer wieder sind auch Frauen in kurzen Röcken zu sehen, und Männern wird suggeriert, dass Radeln einen schönen Hintern macht, sodass sie bei Frauen besser ankommen. Wahrscheinlich abgekupfert von der Autowerbung mit weiblichen Models auf der Kühlerhaube.  

Verkehr ist halt männlich, Mobilität ist weiblich. Wir sind für eine sichere und familienfreundlich Mobilität, nicht für diesen ruppigen Verkehr, der den Opfern seines Agierens, den Radfahrenden, eine Mitschuld an ihrem Tod gibt, indem er behauptet, der Autofahrer hätte den Radler nicht umgefahren, wenn er einen Helm getragen hätte.

Und leider ist es so furchtbar wahr: Hier wird das Bild der Frau als Opfer (männlicher sexueller Gewalt) zum Sinnbild für die Opfer im Straßenverkehr, die Radfhahrenden. Sie, so suggierieren die Bilder, sind selber schuld, weil sie keinen Helm trugen, so wie die Frau selber schuld ist, wenn sie angegrabscht oder vergewaltigt wird, weil sie sich in sexuall aufreizender Pose gezeigt hat. Ein sehr düsteres Menschenbild, das unser Vekehrsminister da zeichnet. Und sehr entlarvend.


Dennoch trage ich selber einen Helm. Und im schicksalhaften Einzelfall kann eben der Helm auch ein Leben auch retten. Allerdings wissen wir, dass das Risiko an einer Kopfverletzung zu sterben, im Haushalt und Garten oder auf Treppen um ein Vielfaches größer ist. Aber fürs Kirschenpflücken, für Treppenhäuser oder fürs Flannieren fordern wir keine Helme für Fußgänger/innen. Es scheint politisch geboten, nur das Radfahren als etwas sehr gefährliches darzustellen. 

Warum wohl: Damit möglichst wenige aufs Fahrrad steigen?






29 Kommentare:

  1. Die aktuelle Radhelmkampagne finde ich einfach unterirdisch. Lange Zeit habe ich diesen Alltagssexismus mehr oder weniger ignoriert. Mit zunehmendem Alter finde ich ihn in höchstem Maße beleidigend. Was bildet sich denn die eine Hälfte der Menschheit ein, ein solches Bild über die andere Hälfte zu verbreiten. Wenn Kampagne dann sachlich, mit Argumenten, aber nicht so.
    Ich wehre mich auch gegen die Behauptung Radfahren sei gefährlich. Gefährlich sind die ganzen Idi... die da draußen rumfahren und meinen sie sind der Käs' bloß weil sie stinken. Ich werde als Radfahrerin geschnitten, angehupt, beschimpft, beleidigt, und alles obwohl ich mich vollkommen korrekt verhalte. Ich bin auch schon als auf dem Gehweg stehende Fußgängerin beschimpft und beleidigt worden, nur weil ich einem Auto keinen Platz gemacht habe und einem Radfahrer gesagt habe, dass dies ein Gehweg sei.
    Solange es keine Einsicht gibt, dass alle anderen auch Verkehrsteilnehmer*innen sind, und man gegenseitig rücksichtig sein muss, wird sich nichts ändern. Autofahrer rüsten immer weiter auf (SUV), andere werden immer weiter an den Rand gedrängt. Tempo 30 außerhalb von Hauptverkehrsachsen haben wir hier bei uns schon weitestgehend, aber was bringt's wenn es nicht dicht kontrolliert wird.
    Es gibt eine These, wonach mangelnde Kontrolle im Verkehr sich auf sämtliche Bereiche der Gesellschaft ausweitet.
    Ich kann mich noch so sehr schützen, wenn andere nicht aufpassen bzw. können/wollen, bringt kein Schutz etwas.
    Ich werde jedenfalls weiterhin ohne Helm zum Einkaufen fahren. Da stelle ich mich auf die Position der Gegenseite, sollen doch die Anderen aufpassen.
    Gruß
    Karin

    AntwortenLöschen
  2. Eines vorweg: Ich selbst trage keinen Helm. Allerdings ist die Studie von Walker, wonach Autofahrer Behelmten aggressiver begegnen, längst widerlegt. Die Daten waren zum Teil falsch geschlussfolgert!

    https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0075424

    Hinzu kommt, dass die allermeisten tödlichen Unfälle von Radlern statistisch tatsächlich auf Kopfverletzungen zurückzuführen sind. Und hier trugen allesamt keinen Helm! Im Umkehrschluss überlebten all die, die einen Helm trugen.

    https://detektor.fm/politik/automobil-helmpflicht-fuer-radfahrer-sinnvoll-oder-unwirksam

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Wenn ich mich richtig erinnere, gab es in der letzten "Tote Radfahrerstatistik" mehr tote Radfahrer mit Helm als statistisch aufgrund der Helmtragquote zu erwarten gewesen wäre.
      Irgendsowas wie 30% der Toten trug Helm, aber die Helmtragequote beträgt durchschnittlich nur 17?%. (Nagelt mich nicht auf die Zahlen fest)
      Ich frage mich dann immer, wie passt das zusammen? Werden die mit Helm mehr gefährdet, oder fahren die besonders risikoreich, oder sind die besonders ungeschickt? Was wird da sonst an Daten erfasst? Ist der Radfahrer, der ohne Helm an Herzinfarkt stirbt ein Verkehrstoter? Insgesamt sind es auch nicht besonders viele und die Ursachen scheinen wohl recht vielfältig zu sein. Wurde der Tote, der demletzt an der Landstraße gefunden wurde, abgedrängt oder starb er eines natürlichen Todes, oder hat es sich beim Handydaddeln verfahren und ist gestürzt, oder ist er in ein Schlagloch gefahren? Wie wird so ein Unfall statistisch verbucht? Wer kontrolliert den Eintrag? Die Polizei hat da übrigens Definitionsmacht und wenn sich dann später etwas anderes herausstellt, wird sicherlich nicht noch der statistische Eintrag korrigiert. Also bitte auch vorsichtig bei statistischer Interpretation. Auch werden Autofahrer eher als unfallursächlich erfasst, da sie "mehr Rücksicht nehmen müssen". Also immer Vorsicht bei Statistiken.
      Gruß
      Karin

      Löschen
    2. "Hinzu kommt, dass die allermeisten tödlichen Unfälle von Radlern statistisch tatsächlich auf Kopfverletzungen zurückzuführen sind. Und hier trugen allesamt keinen Helm! Im Umkehrschluss überlebten all die, die einen Helm trugen."

      Man muss mit Zahlen extrem vorsichtig umgehen.

      Viele schwere Unfälle mit Radfahren sind Rechtsabbiegeunfälle, oft mit LKW, Bussen, Müllwagen etc. Hier landen die Radfahrer unter den schweren Fahrzeugen, da hilft kein Helm, auch wenn vielleicht medizinisch am Ende die Kopfverletzung als die entscheidene Todesursache genannt wird. Also nur weil jemand an einer Kopfverletzung stirbt, heißt es nicht, dass ein Helm diese verhindert hätte, oder wenn er sie verhindert hätte, dass der Radfahrer nicht sowieso an anderen Verletzungen gestorben wäre.

      Dein Umkehrschluss gilt auch nicht. Dazu müsste man erstmal Statistiken erheben, wieviele Leute mit und ohne Helm überhaupt in Unfälle verwickelt sind. Könnte z.B. sein, dass nur die besonders vorsichtigen oder die besonders routinierten Radfahrer Helme tragen, die generell weniger in Unfälle verwickelt sind.

      Übrigens sind bei schweren Autounfällen Kopfverletzungen der Insassen auch extrem häufig. Helme für Autofahrer und -insassen fordert aber komischerweise nie jemand.

      Löschen
    3. „Dein Umkehrschluss gilt auch nicht. Dazu müsste man erstmal Statistiken erheben, wieviele Leute mit und ohne Helm überhaupt in Unfälle verwickelt sind. Könnte z.B. sein, dass nur die besonders vorsichtigen oder die besonders routinierten Radfahrer Helme tragen, die generell weniger in Unfälle verwickelt sind.“

      Es ist nicht mein Umkehrschluss, sondern der u. a. von Siegfried Brockmann. Wer sich den geposteten Podcast von detektor.fm anhört, stellt ein differenziertes Bild von ihm fest. Er selbst hält ja auch nichts von einer Helmpflicht. Nicht aber, weil er meint, dass ein Helm nichts bringt - ganz im Gegenteil -, sondern weil es keine validen wissenschaftlichen Erkenntnisse dazu gibt.

      Sehr wohl aber gibt es Auffälligkeiten bei den getöteten Radfahrern, die man als richtungsweisenden Anhalt ansehen kann.

      Mir selbst ist die Debatte um Helme und ihren Sinn zu müßig und zu ideologisch überfrachtet. Das ist dann derselbe Diskurs wie Radfahrstreifen versus Hochbord oder U-Bahn gegen Straßenbahn.

      Löschen
    4. Die Daten waren zum Teil falsch geschlussfolgert!

      Dann gilt das auch für diese hier:

      Hinzu kommt, dass die allermeisten tödlichen Unfälle von Radlern statistisch tatsächlich auf Kopfverletzungen zurückzuführen sind. Und hier trugen allesamt keinen Helm! Im Umkehrschluss überlebten all die, die einen Helm trugen.

      Das ist doch totaler Blödsinn; es stimmt schon einmal gar nicht, dass Kopfverletzungen überhaupt die (alleinige) Haupttodesursache sind. Du willst mir doch auch nicht ernsthaft erzählen, dass ausschließlich nur unbehelmte Radfahrer (an Kopfverletzungen) starben, während es gleichzeitig keinen einzigen Radfahrer gab, der trotz des Styroporhütchens tödliche Kopfverletzungen erlitten hat...!?

      "Fahrradhelme" führen zu Risikokompensation. Besonders ängstliche und unsichere Radfahrer greifen zum Helm. Oder einige sportliche Radfahrer, die die Vernunft bewusst ausschalten - um das durch einen "Helm" zu kompensieren (ein Großteil der Mountainbiker und Rennradfahrer).

      Das bisschen Styropor verhindert vielleicht leichte Verletzungen - entscheidet aber sicher nicht über Leben und Tod!

      Löschen
    5. Einfach herrlich, diese immer wieder allerorten im selben Stil sinnlos ausufernden Diskussionen. Genau das meinte ich mit ideologisch überfrachtet!

      „Das ist doch totaler Blödsinn; es stimmt schon einmal gar nicht, dass Kopfverletzungen überhaupt die (alleinige) Haupttodesursache sind. Du willst mir doch auch nicht ernsthaft erzählen, dass ausschließlich nur unbehelmte Radfahrer (an Kopfverletzungen) starben, während es gleichzeitig keinen einzigen Radfahrer gab, der trotz des Styroporhütchens tödliche Kopfverletzungen erlitten hat...!?“

      Nach einer ausführlichen Analyse der Uni Münster und der UDV ist in über 50% der Fälle ein Schädel-Hirn-Trauma die Todesursache bei Radfahrern. Wenn Dir andere Daten vorliegen, wäre es konstruktiv, diese mit Quellen zu belegen und nicht einfach als „Blödsinn“ zu deklarieren.

      Nochmals: Ich trage auch keinen Helm, versuche es aber nicht durch irgendwelche Pseudo-Statistiken schönzuargumentieren. Ich mag halt keinen Helm, gut ist es. Ich bin mir aber durchaus des höheren Risikos im Fall einer Kopfkollision bewusst. Ich fahre jeden Monat zwischen 800 und 1.100 km, womit ich das hier zitierte Fensterputzen signifikant übertreffe.

      Löschen
  3. Im Arbeitsschutz gibt es übrigens das TOP-Prinzip. Technische Lösung vor Organisatorischer vor Personenschutz (ganz verkrüzt dargestellt, ausführlich guckst Du hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Ma%C3%9Fnahmenhierarchie)
    Bevor man Helme propagiert, sollte man erstmal alles übrige ausschöpfen.

    AntwortenLöschen
  4. Seit Jahren ist das Bundesverkehrsministerium in der Hand einer national-extremistischen Splitterpartei.
    Die Helmkampagne ist dabei noch eines der harmloseren Verfehlungen der dortigen Männer am Lobbytropf.
    Einer hatte die Umstellung der Versicherungskennzeichen als Leistungszenit zu verbuchen (ja, das war da, als der Dieselskandal seinen Anfang nahm)

    Mit so Leuten gibt es keine Konsenslösungen.

    AntwortenLöschen
  5. Es wird häufig Korrelation mit Kausalität verwechselt. Kaum ein Radfahrer fährt riskanter, nur weil er jetzt einen Helm hat. Vielmehr dürften im Umkehrschluss gerade Radfahrer, die viel und eher sportlich fahren, sich des höheren Risikos bewußt sein und eher zum Helm neigen. Wer zehnmal mehr Rad faährt als der Durchschnittsbürger, aber nur doppelt so häufig auf dem Rad verstirbt, muss dann wohl unterm String ein relativ geringeres Risiko haben.

    Quatsch ist auch die gerne zitierte Statistik, dass das Risiko auf dem Rad an einer Kopfverletzung zu sterben etwa ein Zehntel von dem beträgt, beim Fensterputzen an einer Kopfverletzung zu sterben. Ich putze nur einmal im Jahr Fenster, fahre nur 3000km Auto, aber 5000km Rad. Bei mir persönlich dürften die Risiken deutlich verschoben sein. Man darf nicht einfach Todesfälle pro Jahr auf die Gesamtbevölkerung umlegen. Vor einer Weile hat die Geschichte eines Mannes die Runde gemacht, der bereits viermal vom Blitz getroffen wurde: Der Typ ist Ranger in einem der großen Nationalparks in den USA. Da gehört es zu seiner Pflicht, auch bei schlechtem Wetter draußen zu sein - und plötzlich erscheint sein Blitzschlagrisiko nicht mehr absurd hoch.

    Abgesehen davon bin ich auch gegen eine Helmpflicht. Auch Helmempfehlungen sollten eher behutsam erfolgen und sich vor allem an diejenigen richten, die viel fahren. Viel wichtiger ist es zunächst viele Menschen aufs Rad zu bringen. Jeder Autofahrer, der regelmäßig die Perspektive der Radfahrer kennenlernt, achtet mehr auf Radfahrer und ist ein geringeres Risiko. Jeder, der gelegentlich Rad fährt, senkt das Risiko für Adipositas und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Jeder, der Rad fährt, entlastet die Städte und senkt Stickoxid- und Feinstaubemissionen.

    Und BTW: Wenn ich nachts bei Regen mal mit dem Auto unterwegs bin, freue ich mich über Radfahrer, die Warnwesten tragen, weil ich diese besser wahrnehme. Aber um sie überhaupt wahrzunehmen, muss ich mit ihnen rechnen - entweder weil viele Radfahrer da sind, oder eben weil ich selbst viel Rad fahre. Um das Paradoxon der übersehenen Radler, die leuchten, wie ein Weihnachtsbaum zu erklären, muss man wohl darauf hinweisen, dass hier in Leipzig ganz viele Autos aus L-Land, MTL oder TDO ständig mit Straßenbahnen kollidieren. Im Polizeibericht steht dann "Straßenbahn übersehen". Wie kann man etwas großes wie eine Straßenbahn übersehen? Das geht schon, wenn man aus einer Ecke kommt, woe es keine Straßenbahnen gibt, wo man nicht selbst mit fährt und nicht mit "plötzlich aus dem Nichts auftauchenden Straßenbahnen" rechnet.

    AntwortenLöschen
  6. Matthias, villeicht beziehst du das jetzt zu sehr auf dich. Du putzt nur einmal im Jahr Fenster, andere tun das öfter und haben darum in diesem Punkt ein höheres Risiko. Es geht nicht darum, dein persönliches Risiko abzuwägen, sondern eine ungefähre Vorstellung davon zu bekommen, dass wir die Gefährlichkeit von Alltagsverhalten sehr unterschiedlich bewerten, auch wenn nicht alle in allen Bereichen herumturnen. Klar ist schon auch, dass Risiko nicht gleich Gefahr ist, tatsächlich zu verunglücken. Wenn jemand nicht schwindelfrei ist, ist sein Risiko abzustürzen größer als das eines Menschen, der absolut schwindelfrei ist. Und das mit der STraßenbahn übersehen, stimmt so nicht ganz. Denn in Stuttgart gibt es viele Straßenbahnen, sie dährt überall, dennoch sehen Autofahrende sie nicht, wenn sie illegal links abbiegen (vermutlich, weil sie mental zu sehr mit der illegalen Handlung beschäftigt sind, die sie so schnell wie möglich hinter sich bringen wollen). Und eine Bitte: Ich bezeichne nicht einfach mal rigoros als "Quatsch" was du schreibst, tu das bitte bei dem was andere und ich hier schreiben auch nicht. Ich möchte einen respektvollen Umgang miteinander hier haben.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Das "Quatsch" bezog sich auf diese eine zitierte Statistik "Quatsch ist auch die gerne zitierte Statistik…" nicht Deine Argumentation an sich. Du hast viele valide Punkte angebracht, aber es ist oft schwierig, individuelle Risiken richtig zu bewerten und häufig findet man Korrelationen, die keine Kausalitäten sind.

      Und wenn man das isolierte Ereignis "Kopf gegen Dachkante eines Minivans" betrachtet, gewinnt der behelmte Radfahrer.

      Im Rumänien der 1990er wurde ich immer ausgelacht, wenn ich mich im Auto angeschnallt habe. Mein Ausbildungsmeister hat mich ausgelacht, wenn ich im Sommer beim Schweissen über Kopf ein Baumwolloberteil mit langem Ärmel und Rollkragen angezogen habe. Wenn ich ein Risiko mit sehr wenig Aufwand minimieren kann, dann tue ich das. Ihm ist dann man ein Tropfen glühender Stahl durch den weiten Kragen dorthin gefallen, wo es besonders weh tut.

      Löschen
    2. Ja, ich finde dolche rigorosen Sbwertungen im Umgang aber nicht so gut. Und du trägst sicher keinen Helm beim Autofshrrn oder Spazierengehen, wo auch er das einfachste Mittwl wöre, ebenso große Risiken zu minimieren. Ich trage such Helm beim Radfahren, durchaus, aber ich möchte darauf aufmerksam machen, dass die Helmkamoage Radlern die Verantwortung zuschiebt, wo die sehe mangelhafte Radinfrastruktur eigentlich verantwortlich ist.

      Löschen
  7. Laut den Statistiken die ich kenne, erleiden Radfahrer pro Zeiteinheit etwa genausoviele Kopfverletzungen wie Autofahrer, Fussgänger etwa doppelt so viele wohl vorallem wegen Treppen. Deswegen sollte man erst einmal mit einem Fussgängerhelm anfangen, dann einem Autofahrerhelm denn als Autofahrer kann man den besser verstauen und Autofahren ist auch nicht so anstrengend, danach kann man dann Helme für Radfahrer angehen. Am Besten wäre jedoch erstmal ein dreijähriger Test einer Helmpflicht für Bundespolitiker, immer und bei jeder Gelegenheit. Denn sicher ist sicher und das sind doch unsere wichtigsten Persönlichkeiten und die Vorbildwirkung wäre gigantisch!

    AntwortenLöschen
  8. Bei aller Aufregung sollten wir nicht vergessen, dass es sich in erster Linie um eine folkloristische Darbietung handelt. Aus nicht ganz geklärten Gründen hat es sich eingebürgert, steigende Temperaturen und länger werdende Tage mit der Frühjahrstriade der Selbstschutzaufforderungen zu begleiten:

    (1) Zeckenalarm,
    (2) Helmkampagne,
    (3) Sonnenbrand- und Hautkrebswarnung.

    Wenn man dazu jedes Jahr originelle Beiträge leisten möchte, wird das schnell so anstrengend wie Karneval.

    AntwortenLöschen
  9. Das ist ja wohl der vorläufige Gipfel dieser Unsäglichen Helm Propaganda, die am Problem komplett vorbei geht.

    Gerade bei meiner ersten längeren Ausfahrt letzte Woche hatte mir wieder ein Autofahrer mit Absicht die Vorfahrt genommen.
    Ich konnten einen Einschlag nur durch eine Vollbremsung und Ausweichen vermeiden und musste mir noch das selbstgefälliges Grinsen vom Fahrer anschauen.
    Hätte er das auch getan wenn ich keinen Helm auf hätte? Macht er das nur bei Rennradfahrern?
    Das ist leider mittlerweile fast schon Alltag und gefühlt werden solche Begegnungen von Jahr zu Jahr mehr.
    Ist ja auch kein Wunder, der Autofahrer hat nichts zu befürchten, ist ja nix passiert.
    Selbst wenn’s knallt bleit er unverletzt und hatte mich halt übersehen.
    Ja ich fahre meistens mit Helm und ich denke auch der hatte mir schon das Leben gerettet, da ich schon 3 mal von Autos abgeräumt wurde.
    Aber wär es nicht besser solchen Leute mal den Führerschein zu entziehen und die mal zu ein paartausend Radkilometern zu verdonnern?

    PS: Bei den Radprofis gibt es seit einigen Jahren eine Helmpflicht. Gibt es dazu eine Unfall Statistik?

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Es gibt auch eine Helmpflicht bei den Fahrprofis (DTM, Formel 1, Formel E, etc.). Auch die Skifahrer tragen einen und die Eishockeyspieler und die Shorttracker und und und.
      Und Schumi trug auch einen, immer.

      Löschen
  10. Es ist in der Tat so, dass der Helm womöglich den Schädelbruch verhindert, bei einem Aufprall aber nicht den Abriss des Gehirns vom Schädel auf der gegenüberliegenden Seite, und das sind die schweren Verletzungen, die auch tödlich ausgehen. Helme haben, so habe ich gelesen, auf der Oberseite die beste Schutzwirkung, aber kaum jemand knallt auf den Scheitel. Ob sie seitlich auch so gut schützen ist fraglich. Aber eigentlich ist diese Diskussion eben auch müßig, weil Radfahren nicht riskanter ist als Treppensteigen oder Autofahren, waa Kopfverletzungen betrifft.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Genau deswegen meinte ich ja bereits eingangs, dass ich derlei Diskurse müßig finde, weil sie prädestiniert dafur sind, in die demagogische Ecke abzudriften.

      Und meine Intention war es ja eher, darauf hinzuweisen, dass gerade die Walker-Studie längst als überholt gilt.

      Dass Fahrradfahren indes genauso risikoarm wie Autofahren ist, zumindest in der Stadt, wage ich zu bezweifeln. Alleine die Tatsache, dass auf dem Rad die Physis ungeschützt ist, spricht dagegen.

      Und ja, ich glaube durchaus, dass ein Helm in bestimmten Situationen schützt. Dennoch wäre eine Pflicht der falsche Weg, weil eben die Infrastruktur sicher gemacht werden muss, anstatt an Symptomen zu doktern.

      Löschen
    2. Dieser verstärkte Whiplash-Effekt, den Du meinst (Belastung der Nackenmuskulatur und des Rückenmarks durch den Helm) tritt tatsächlich bei Kollisionen bei Autorennen auf, weshalb hier mittlerweile mit zusätzlichen Stützen gearbeitet wird. Bei aktuellen Helmmassen von 300g bei Radfahrern praktisch nicht. Allenfalls bei Kleinkindern im Hänger ist der Effekt spürbar ungünstig.

      Der geschützte Scheitel ist dann relevant, wenn jemand ohne auf den Radweg zu achten aus der Seitenstraße den Radweg quert und der Radfahrer (m/w/d) eben mit dem Scheitel die Dachkante des PKW erwischt.

      Es spricht also nichts gegen das Tragen eines Helmes. Aber eben auch nicht soviel dafür, dass eine Kampagne angemessen wäre.

      Jetzt sprich mal mit einem Ökonomen (m/w/d) - ich bin zufällig mit einem (w) verheiratet. Die volkswirtschaftlichen Kosten, wenn jeder Rad fahrende einen Helm kauft, diesen trägt und nach fünf Jahren austauscht würden nicht den Schaden durch die wenigen Toten und Krüppel aufwiegen. Rechnet man zudem die volkswirtschaftlichen Kosten durch eine niedrigere Radfahrerquote (mehr Adipositas, mehr Herz-Kreislauf-Erkrankungen, mehr Diabetis), dann sind Helm-Kampagnen ganz schön teuer.

      Was die Kopfverletzungen beim Auto fahren angeht, frag mal Unfallwissenschaftler (m/w/d): Meist sind es nicht angeschnallte Fahrer (m/w/d), wo der Airbag seine Wirkung nicht entfalten kann, Hochrisikogruppen (junge Männer auf Brandenburger Landstraßen) oder Stauendeunfälle. Überhaupt sind tote PKW-Insassen in der Stadt eher selten.

      Ich fasse zusammen:

      * Ein Radhelm schadet nicht
      * Das individuelle Risiko abzuschäzuen ist wichtiger als Durchschnite über die Gesamtbevölkerung
      * Kampagnen sind dahingehend gefährlich, dass der Effekt schnell eine sinkende Radfahrerquote ist
      * Die Kampagne von Scheuer ist wüstestes Victim Blaming

      Löschen
  11. "Hier wird das Bild der Frau als Opfer (männlicher sexueller Gewalt) zum Sinnbild für die Opfer im Straßenverkehr, die Radfhahrenden."

    Ich glaube kaum, dass die Kampagne auf Frauen als Opfer männlicher Gewalt anspielt. Worauf sollen denn dann die rein männlichen Bilder und die gemischten Bilder der Kampagne anspielen? Viel eher geht es hier wohl einfach in die Richtung "Sex sells".

    "Leider ist Werbung fürs Radfahren oder Radthemen sehr oft sexualisiert und damit auch sexistisch."

    Der Sprung von sexualisiert zu sexistisch in dieser Allgemeinheit klingt mir unplausibel.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Lieber Anonymus, ich vermute, du bist ein Mann. Lass uns doch deinen Namen wissen. Die Kampagne zeigt Frauen in erotischen Positionen, mal mit Mann mal ohne, und das nur, um für einen Helm zu werben. Das ist sexistisch (und eine sexualisierte Werbung), die Frau präsentiert sich dem voyeuristischen Blick des Mannees bereit, genommen zu werden. Das ist Sexismus, der das Bild einer Frau zeigt, die Opfer wird. Natürlich haben sich die Kampagnenmacher nicht bewusst überlegt: Hoho, wir zeigen mal die Frau als Opfer, weil Radler sind ja auch immer Opfer, aber es ist ihnen halt passiert, dass sie dieses Signal senden, weil sie Frauen und Radler mehr oder minder unbewussst als Opfer sehen. Das ist eine patriarchale Ästhektik und ein patriarchaler Blick auf unsere gesellschaftlichen Verhältnisse. Das sehe ich als Frau vermutlich deutlicher als du als Mann.

      Löschen
    2. "Lieber Anonymus, ich vermute, du bist ein Mann."

      Kannst du diese Vermutung mit irgendetwas ausser geschlechtsbasierten Vorurteilen untermauern?

      "Die Kampagne zeigt Frauen in erotischen Positionen, mal mit Mann mal ohne, und das nur, um für einen Helm zu werben."

      Hast du die Poster der Kampagne, auf denen überhaupt keine Männer zu sehen sind, übersehen? Lassen sich die Argumente, die du für die Frauen-Poster anführst, auch auf die Männer-Poster anwenden? Wenn nein, warum nicht? Und wenn ja, was macht dann die Kampagne als ganzes sexistisch?

      Löschen
    3. ...eine Antwort hatte ich nicht erwartet, trotzdem schade.

      Löschen
  12. Was soll das Ziel dieser Kampagne sein? Dass mehr Radler Helm tragen? Sicher nicht.

    Ein Produkt mit "Scheiße aussehen" bewerben in der Hoffnung auf höhere Absätze: Das ist ein gewagter Ansatz.

    Mal schauen, vielleicht gibt es ja Nachahmer. Auto-Industrie "unsere Autos sehen zwar Scheiße aus, fahren aber." Bild-Zeitung "steht zwar Scheiße drin, aber zum Bio-Müll einwickeln reicht es"

    AntwortenLöschen
  13. Ganz unabhängig davon, ob mit dieser Kampagne sexualisiert wird oder nicht, sehe ich schon krasse Parallelen zwischen sexueller Gewalt und Radunfällen: in beiden Fällen ist eine Tendenz zum Victim Blaming erkennbar. Demnach seien die Opfer in der Regel immer irgendwie mit Schuld, weil der Rock zu kurz war, der Blick zu sexy, der Radfahrer auf der Straße, kein Helm, ...

    Tolle Ratschläge sind dann, man möge "eine Armlänge Abstand halten" (s. Kölner Bürgermeisterin nach den Silvester-Vorfällen), mit Warnwesten radeln und sich im Verkehr möglichst devot allen denkbaren Fehlverhalten der anderen unterordnen. Wenn man im Wiki-Artikel zur "Rape-Culture" die entsprechenden Fachbegriffe austauscht, kann man den wunderbar auf die Beobachtungen im Radverkehr anwenden:

    "So eine „Vergewaltigungskultur“ überträgt die Vorsorge und Verhinderung von und sogar die Verantwortung für Vergewaltigungen teils oder ganz den Opfern in der Form von victim blaming (Opferbeschuldigung) (...): Frauen wird geraten, bei der Wahl der Kleidung, der Art sich zu bewegen, der Art von Unternehmungen und Kontakten vorsichtig zu sein. Damit geht die Verharmlosung von Vergewaltigungen und die Herabsetzung Betroffener oder potentieller Opfer zu Sexualobjekten einher."

    Diese Forderung nach Unterordnung macht sich auch in den Gesetzen breit: der Radfahrer hat "eine hell tönende Glocke" zu nutzen, die schon Fußgänger an lauten Straßen kaum hören können, geschweige denn Auto-/Motorradfahrer (die beide aufgrund schallgedämmter Karossen oft schon Probleme haben, die mit Presslufthorn herannahende Feuerwehr zu hören). So hat der Radler überhaupt keine Chance, ein KFZ auf eine Gefahr (wie zu dichtes Überholen, Schneiden, etc.) aufmerksam zu machen, ohne gleich mit Flaschen zu werfen oder an der nächsten Ampel "anzuklopfen" (d. h. gegen das heilige Blechle im wahrsten Sinn handgreiflich zu werden).

    Gruß
    Chris

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Danke Christ, für diese Überlegungen. So sehe ich das auch. Gut der Begriff "Vergewaltigungskultur". Werde ich mir merken.

      Löschen
  14. Ich habe diese interessante Diskussion jetzt erst entdeckt. Dennoch erlaube ich mir noch einen Kommentar bzw. eine Frage:
    Im Jahr 2018 starben in Baden-Württemberg 68 Radfahrer im Verkehr. Zwei Drittel von ihnen trugen keinen Helm. (Quelle: https://www.echo24.de/region/polizei-verkehr-unfall-bilanz-baden-wuerttemberg-2018-11842231.html)
    Warum ist eigentlich der Anteil der Helmträger unter den tödlich verunglückten Radfahrern deutlich größer als die Helmträgerquote insgesamt? Die liegt m. W. nur bei rund 20 %.
    Hätte der Helm wirklich so eine große Schutzwirkung, wie es die Helmpflicht-Befürworter propagieren, dann müsste der Anteil der Helmträger unter den Verunglückten deutlich unter 20 Prozent liegen, und nicht bei einem Drittel.
    Dieser Widerspruch muss genauer untersucht und aufgeklärt werden, bevor über eine Helmpflicht eingeführt wird.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Es gab mal eine sehr detaillierte Untersuchung des Verkehrsministerium in Baden-Württemberg, aus der sich auch nicht ableiten ließ, dass man für eine Helmpflicht sein müsse, die andererseits aber auch wieder so kompliziert war, dass sie nie öffentlich diskutiert wurde. Es gibt etliche, einander widersprechende Untersuchungen, von nach der Helm man im Promillbereich nützt, mal nicht. Ich vermute, der Punkt ist der, dass des viel zu wenige Verunglückte mit und ohne Helm gibt (und die Unglücke im Einzelnen auch kaum vergleichbar sind), dass man daraus keine echten statistischen Aussagen ableiten kann. Der Helm nützt im Einzelfall (hat vielleicht genützt, weil man feststellt, der Verunglückte ist noch am Leben) oder er hätte da sein sollen, weil man feststellt, der Veruntlückte liegt nun im Koma (trug keinen Helm). Viele Helme werden auch falsch aufgesetzt und nützen dann nichts, auch das muss man herausrechnen, beziehungsweise erst einmal rekonstruieren. Und wie manche behaupten, könnten Helme auch dazu verführen, dass man riskanter radelt oder Autofahrende einen nicht mehr als so verletzlich wahrnehmen. Aber ein paar Hundert Todesfälle reichen nicht, um eine Regel daraus abzuleiten, vor allem, weil man nie weiß, wie der Verunglückte den Helm aufgesetzt hatte. Manche sagen auch, der Helm verkürzt den Aufprallweg (ist vor allem bei Kindern der Fall, so ein Helm ist ja mehrere Zentimeter dick) und erzeugt deshalb einen heftigeren Aufprall. Deshalb ist die Frage, Helm oder nicht, derzeit noch müßig.

      Löschen