14. April 2019

Stuttgarter Schelmenstück - Radlerumleitung durch U-Bahn-Station

Hui, Spiralrampe runter, durch die querenden Bahnreisenden schlingern, Strampel, Spiralrampe wieder rauf. 

Das Stuttgarter Kuriosum ist nur für eine Woche zu besichtigen und zu befahren. Also beeilen, angucken, staunen! Ohnehin ist die gesamte Radlerumleitung der Hammer.

Am Neckartor wird die Fahrbahn mit einem Straßenbelag versehen, der Stickstoffdioxid reduzieren soll. Autos können stadteinwärts noch fahren, stadtauswärts aber nicht, sie werden über die Neckarstraße in die Heilmannstraße umgeleitet, zweispurig. Deshalb ist rundum alles für Fußgänger/innen und Radfahrende kurzerhand dicht gemacht worden. Wir sehen uns einem Verhau von roten Gittern und einem Wald von gelben Umleitungsschildern gegenüber. Die Radspur auf der Neckarstaßre Richtung Zentrum endet beim Autohaus.

Auch für Autos. Autofahrer sollen umdrehen und irgendwelchen U3-Schildern folgen. Das taten gestern viele nicht. Sie fuhren unterm Verbotsschild durch auf der Spur, die Rettungswagen vorbehalten ist, und schoben sich in den Abbiegeverkehr in die Heilmannstraße. Der Fahrer eines Rettungswagens wurde schier wahnsinnig.

Radler werden mit einem gelben Umleitungsschild erfreut. Immerhin, man hat an uns gedacht. Das allerdings stellt uns hier vor eine kleine Herausforderung. Da, wo ich stehe und das Foto mache, geht links ein neuer Behelfsfußgängerüberweg rüber zur Stöckachapotheke.

Das ist aber offensichtlich nicht der Weg, den man mir weist. Ich soll dahinter links fahren. Ein zweiter Radler, der dazu kam, rätselte auch. Hinter und rechts von uns die Autos, die die verbotene Rettungswagengasse durchbrausten, aggressiv und viel zu schnell, weil bewusst illegal unterwegs.






Wir müssen hier in der Tat auf diese Fahrbahn schwenken und uns dahinter nach links Richtung Urbanstraße orientieren und dabei den Autoverkehr kreuzen, der die Neckarstaße geradaus weiterfährt. Eine Regelung gibt es hier nicht. Wir schlängen uns irgendwie durch die Baken rollen in paar Meter gegen die Fahrtrichtung auf der Fahrbahn und biegen dann in die Urbanstraße ein.

Der andere Radler rätselte mit mir, denn ein Umleitungsschild, die Urbanstaße hinauf, sahen wir nicht. Ich erklärte ihm, dass ich gerade versuche herauszufinden, wie die Umleitung geht. Er meinte, "viel Spaß!" und radelte dann den linksseitigen Gehweg der Neckarstraße vor zum Neckartor. Kurios für mich ist immer, dass man Fußgänger-Verboten-Schilder aufstellt, wo eine Schranke das Fortkommen absolut unmöglich macht. Aber das nur am Rande.

Da ich die Strecke, die Urbanstraße hinauf, oft radle, war mir klar, wie die Umleitung laufen würde. Wer sich hier nicht auskennt, ist erst mal verratzt. (Karte mit den Routen, siehe unten.)

Zudem geht es ordentlich den Berg hinauf zum Friedensplatz. Für mich mit Pedelec keine Problem, für alle Normalradler auf ihrem normalen Weg zur Arbeit, eine ziemlich böse Überraschung.  Es sind zwar viele in Stuttgart mit dem Pedelec unterwegs, aber die meisten Radfahreten werden immer noch mit dem Standardrad gemacht. Und Radler planen ihre Fahrten so, dass sie Anstiege vermeiden.






Erst oben am Friedensplatz sehe ich wieder die gelben Umleitungsschilder für Radfahrende. Gleich zwei. Sie lassen keinen Raum für Missverständnisse, kann man nichts gegen sagen. Top!

Also schräg rechts wieder runter. "Schön, dass wir mal hier waren und diese Ecke von Stuttgart kennenlernen durften", mögen sich Radler sagen, die sonst die ebene Neckarstraße langradeln. Deshalb fährt man ja Fahrrad, man kommt viel rum in der Stadt und sieht entlegene Ecken, von denen man nicht mal wusste.


Unten wird es kniffliger. Zum einen wegen der Autofahrenden, die hupend in den Stau am Neckartor reindrängen und dabei entdecken mögen, dass sie so auch nicht auf die Cannstatter Straße kommen, zum andern, weil das Schild Überlegungen erfordert: Ich sehe ein Umleitungsschild mit gebogenen Pfeil und darunter auf dem weißen Schild geschrieben: "Bitte Unterführung benutzen." Der gebogene Pfeil meint nicht, dass ich vorne auf eine Fahrbahn abbiegen soll, sondern dass ich genau hier über die Fahrben nach links hinüber auf den Gehweg fahren muss.
Jetzt sollte man wissen, wo der Eingang zur Unterführung ist (schicken die mich etwa über Treppen?), denn die am ursprünglichen und jetzt gesperrten Übergang etwas wahllos hingesgtellten Schilder ermutigen einen nur, irgendwie weiter zur radeln. Geschickterweise fährt man aber nicht hinterm Fahrstuhl, sondern vor ihm nach links.

Da stößt man auf die Einfahrt in die Rampe (ja, super, keine Treppen!), die lang und spiralig nach unten geht. Sehr sauber und bequem. Die Fußgänger (die auch Treppen haben), die dort unterwegs waren, traten freundlich beiseite, wobei ich sehr langsam fuhr. Ich bedankte mich überschwänglich, was sie auch wieder freute. 
 
Unten dann die krasse Wahrheit: Wir durchqueren radelnd eine echte U-Bahn-Haltestelle, wo Leute von Rolltreppen hochkommen und quer rüber gehen. Ich habe bei der Fahrt am Samstag vor lauter Staunen und Spannung überhaupt nicht geschaut, ob diese Passage für Radler freigegeben ist. Am Sonntag habe ich dann diese Fotos gemacht. Viel los war da natürlich nicht. Die Unterführung ist nicht ausdrücklich als reine Fußgängerunterführung gekennzeichnet, wenn man von dieser Seite kommt. (Auf der Schlossgartenseite schon). Wir werden so eindeutig da lang geschickt, dass ich das Gefühl hatte, dies sei eine mit dem Rad zu befahrende Route.

Drüben geht es eine ähnliche lange Rampe (unter 6 Prozent Steigung, weil Rollstuhl-tauglich) wieder hinauf. Man kommt neben der Stelle heraus, die man, vom Planetarium kommend, am Innenministerium zum sonstigen Übergang über die Neckartor-Fahrbahnen, ansteuert.

Hier hat man sich alledings die Beschilderung gespart. Ein Umleitungshinweis fehlt. Der Radweg ist hier noch ausgewiesen, nicht aufgehoben. Man kann nur nicht dort radeln, weil ein Sperrgitter da steht.  Fußgänger durften hier noch nie gehen. Darunter auf dem weißen Schild: "Kein Übergang, Fußgänger bitte Unterführung benutzen." Und wir? Hier steht auch heine Fußgänger-only-Schild an der Rampe runter. Kein Weg für uns Radler.

Ich vermute mal, dass der Weg zurück dem Weg in Gegenrichtung entspricht, den ich beschrieben habe. Man fädelt sich dann bei der Stöckachapotheke in den Verkehr auf der Neckarstaße.

Der Plan zeigt grau die zweispurigen Fahrbahnen der Autos und grün die Umleitungsstrecke für Radler bergauf und bergab.

Leider fehlen auf der Hinfahrt über die Neckarstraße vom Schlossgarten her alle Schilder, die darauf hinweisen, dass man am Neckartor auf eine komplizierte Umleitungsstrecke mit deutlicher Steigung stößt, Umleitungsschilder sind alledings zahlreich vorhanden, die mich genau in das Chaos führen. Ich bin das absichtlich gefahren, obgleich ich Alternativstrecken kenne.

Mir hat auch eine Blogleserin einigermaßen entsetzt geschrieben, dass sie gar nicht weiß, wie sie diese U-Bahn-Haltestellendurchfahrt vermeiden soll, sich aber auch nicht vorstellen könne, wochendtags durch die Stadtbahn-Rhushhour zu fahren. Das wird schon schwierig, wenn man das Rad schiebt (geschobene Räder sind sperrig). Sie wird weder die einzige ziemlich verblüffte und pfadfindernde Radfahrende sein, die auf Schwünge von Fußgänger/innen stößt, die es eilig haben, noch werden die Fußgänger/innen erfreut sein, dass die "Scheißradfahrer" nun auch hier fahren. Die meisten Fußgänger/innen dürften gar nicht wissen, dass dies Teil einer Umleitungsstrecke für Radfahrende ist.



Kritisch dürfte vor allem der Weg aus Stuttgart Ost/Gablenberg Richtung Hauptbahnhof sein. Da sehe ich die Möglichkeit, von der Landhausstraße rechts in die Schwarenbergstraße (runter) abzubiegen, ein Stück die Hackstraße zu fahren und die nächste rechts in die Heinrich-Baumann-Straße abzubiegen, die direkt auf den Steg zuführt, der über die Cannstatter Straße in den Schlossgarten führt. Leider ist die Stadtbahnlinie da ein Hindernis, das wir nicht rollend überqueren können. Aber es gibt einen Fußgängerüberweg mit Z-Übergang über die Neckarstraße. Sehr unbequem, mag aber einfacher sein, als durch die U-Bahnhaltestelle zu schieben. Zwischen Cannstatt und S-Zentrum bietet sich der Schlossgarten an. Für Leute, die aus dem Kernerviertel kommen und rüber wollen, würde ich den Umweg über die Urbanstaße und den Charlottenplatz empfehlen (ist leider die einzige nächste Querung für Radler). Der beschlossene Überweg an der Staatsgalerie ist ja noch nicht gebaut.)

Fazit: Wieder mal "Zum Teufel mit den Radfahrern!" Für Autos der Asphalt (der die Gifte aufsaugen soll, die Autos produzieren), für Autos hier auch jeweils zwei Spuren, für Radfahrende eine Umleitung mit steilen Anstiegen und über Rampen durch eine U-Bahn-Haltestelle, die man sich vermutlich als Schiebestrecke vorstellt. (Für Fußgänger sind solche Umwege noch viel länger als für Radfahrende.) Dabei sind wir es, die zu Fuß Gehenden und die Radfahrenden, die den größten Beitrag dazu leisten, dass das Stickstoffdioxid gar nicht entsteht. Dafür wollen wir endlich mal gehätschelt werden.

Eine Behelfs-Fußgänger- und Radlerampel am Neckartor rüber zum Innenministerium wäre das Mindeste gewesen, was man uns hätte anbieten können. Ja, dann hätten die Autofahrende an einer roten Ampel stehen und warten müssen, bis wir rüber sind. Klar, gibt das Stau, aber Stau gibt es sowieso. Da hätten Tiefbauamt und Ordnungsamt allen Autofahrenden und vor allem uns Radfahrenden und Fußgänger/innen mal zeigen können, dass man uns wertschätzt und uns unsere Wege nicht zu Gunsten des Phantoms der Leichtigkeit des Autoverkehrs richtig schwer machen möchte. Es wäre ja nur für eine Woche gewesen.

Nicht gut!  

Auch die Neckartor-Initative hat die Situation unter dem Titele "Alles fürs Auto" dokumentiert und bewertet. Briefe an die Stadtverwaltung wurden auch schon geschrieben. Auf Twitter hat der Zweirat die Geschichte auch vebreitet.

Und wohlgemerkt, für Fußgänger/innen ist das hier alles noch viel schwieriger. Wir sehen hier auf dem Foto in die Heilmannstraße. Die Autos biegen hier zweispurig ein (am Stonntag war nicht viel Verkehr), alle Gehwege sind mit einem Verhau von Sperrgittern versehen, damit auch ja kein Fußgänger an irgendeiner Stelle die Straße quert. Alles, damit man auch ja keine Fußgängerampel da einrichten muss.

8 Kommentare:

  1. Wie schon bei der Vollsperrung auf der Heilbronner Str. in Feuerbach zeigt uns die Stadt hier ganz klar: Ihr seid uns Scheiß egal. Wir wollen nur jammern. Über Staus, über Feinstaub und Fahrverbote. Über Alternativen redet man ungern. Jammern ist einfach zu schön.

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  2. Jetzt sind ja wieder ganz viele Wahlversprechen plakatiert.
    Irgendwie lustig, dass egal wer dran ist, dieser Murks immer gleich bleibt.

    Einzig die Tatsache, dass - wie wir schon immer - mittlerweile auch die Verursacher der Misere teil-kriminalisiert werden ist relativ neu.

    Und die Medien berichten auch schön über jede noch so belangslose Veranstaltung der Dieselextremisten.

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    1. Es wäre eben gut, die Fahrradexpertin wäre nicht allein im Gemeinderat, sondern es gäbe noch ein paar mehr, die zumindest wild entschlossen sind, jede Art von Fahrradpolitik zu unterstützen und entsprechende Entscheidungen zu treffen oder solche Baustellenumleitungen nicht zu genehmigen. Ich bin zwar auch wütend, aber ich sehe eben auch, dass wir unermüdlich für uns und unsere Belange sprechen und schreiben müssen, und die Radfahrenden in Stuttgart sind ja schon viel lauter geworden und werden auch gehört. So tiefgreifende Änderungsprozesse wie den Umbau einer Autosstadt mit verpeilten Autoabhängingen, die leider sehr laut sind, in eine Fahrrad- und Fußgängerstadt ist halt schwierig und geht nicht von jetzt auf nachher. Es braucht viele Menschen, die zusammen für eine Änderung kämpfen und sie immer wieder einfordern.

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  3. Jörg
    hier wird der Fußgänger und der Radfahrer ganz klar diskriminiert. Eigentlich gibt das die STVO und auch die RAST (Regeln für die Anlage von Stadtstraßen) nicht her.
    Das sind schon ganz freie Interpretationen die da an den Haaren herangezogen werden.
    Bitte beschwert Euch bei der Verwaltung und redet mit den bald wieder vermehrt herum stehenden Kommunalpolitikern darüber. Regt euch dabei nicht auf, sondern bleibt sachlich und argumentiert. Laßt Euch doch die Regel zeigen, dass das Auto zu bevorzugen ist. Diese regel gibt es nämlich nicht.

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  4. Hallo,
    ich bin heute Mittag erstmals jene Strecke stadteinwärts gefahren, und kann deinen Eindruck bestätigen.
    Völlig unnötig, dass der Radstreifen schlagartig per Barriere endet. An der Kreuzung Urbanstraße muss man in der Tat grübeln, wie das Umleitungsschild zu deuten ist (keinerlei Straßenmarkierungen für den Radverkehr). Dazu der Pylonen-Slalom und Autoquerverkehr Richtung Stöckach.
    Das erste Schild am Ende der Schubartstraße ist ebenfalls verwirrend, das zweite hinterm (!) Aufzug falsch positioniert. Immerhin wurde am Handlauf der Rampeneinfahrt ein kleines Schildchen befestigt, der die Radumleitung verdeutlicht. Die belebte Unterführung ist dunkel, Fußgänger wissen nicht, warum hier Radfahrer unterwegs sind und sind mitunter (verständlicherweise) mürrisch.
    Ich finde auch, dass eine oberirdische Querung nötig und auch möglich gewesen wäre. Die Belagsarbeiten tangieren die eigentliche Querung beim ADAC kaum, diese hätte man einfach nur ein bisschen verschwenken müssen.
    Eins noch: Die Stelle der Fußgängerampel auf Höhe Stöckachapotheke ist extrem schlecht gewählt. Die Bordsteinkante der Mittelinsel ist wirklich hoch. Eine Frau mit Kinderwagen hatte heute Mittag sichtlich Probleme, für Rollstuhlfahrer ist das nicht zu schaffen.
    Schöne Grüße, Basti

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    1. Danke, Basti, für deine Schilderung. Ja, für einen Rollstuhlfahrer unmöglich, für eine Gehbehingerte mit Rollator auch nicht zu bewältigen, aber die trauen sich ja ohnehin nicht in unsere Stadt. Schade, dass der Gemeinderat über solche Baustellenumleitungen nicht informiert wird. Die ploppen plötzlich auf (ist ja nur für ne Woche in den Ferien) und alle schütteln den Kopf über die Stadt.

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  5. Ich bin heute auch das erste mal dort durch gefahren.. Ups irgendwie keine Schilder gesehen. Bin ich jetzt ein Kampfradler? Oder einfach nur überfordert mit so viel Unfähigkeit der Straßenplaner?

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    1. Tja, die meisten RAdler sehen keine Schilder (viele Autofahrer übrigens auch nicht), in der Mischaung aus viel zu viele und gar keine ist das auch eine Überforderung von Radlern, die ja auch rollen und nicht ständig stehen bleiben können, um Schilder zu suchen und zu kapieren. Für Autofahrer werden Schilder optimiert aufgehängt, für Radler hängen sie meist viel zu hoch, denn der Radler muss auch noch extrem auf den Staßenverkehr unten gucken, auf Schlaglöcher in der Fahrbahn und auf Autos, deren Fahrer unvorhersehbares tun.

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