24. Mai 2019

Der größte Trick der Autoindustrie war es ...

Basisbild: Wikipedia
... der Welt weiß zu machen, Rad fahren und zu Fuß gehen passten nicht zusammen. 

Diesen Satz hat Modacity auf Englisch auf Twitter gepostet. (The greatest trick the auto industry ever pulled was convincing the world walking and cycling can’t coexist.)  Die beiden erzählen in dem Post, dass sie seit sie in eine Fahrradstadt (Delft) umgezogen sind, mehr zu Fuß gehen als jemals vorher in ihrem Leben, weil die Straßen nicht von Autos verstopft sind. Da macht man gerne Spaziergänge. Aber stimmt der Satz? Aber was erzählt uns die Autoindustrie eigentlich über uns? 


Ist euch schon mal aufgefallen, dass in unseren Fernsehfilmen in ungefähr der Hälfte aller Seznen Autos vorkommen? Kommissare fahren zur Leiche und finden immer gleich einen Parkplatz am Straßenrand, Autotüren knallen. Autotypen werden prominent, wenn Kommissare sie fahren. In einer Berg-Romanze stehen an jedem Waldweg zwei Autos, die Protagonist/innen steigen in ein Auto, das praktisch an den Tischen der Alp steht, und fahren los ins Grüne. Ein Zelt steht an einem Bach, daneben das Auto. Road-Movies funktionieren nur mit Auto. (Ein Cycle-Movie habe ich noch nicht gesehen). Das Auto ist immer da. Real und in unsere Bilderwelt. Tatsächlich können wir in einer Stadt (aber auch in Dörfern und Nestern) nicht aus dem Fenster gucken (oder zumindest nicht vor die Haustür treten), ohne ein Auto oder viele Autos zu sehen. Wir hören sie in der Stadt ununterbrochen, mal als nächtliches Rauschen, mal einzeln mit offenen Auspuffklappen und hochtourig Fehlzündungen produzierend. Keine Stille und kein Vogelgezwitscher existiert ohne das gelegentliche oder häufige Aufbrummen eines Motors oder das Knallen von Autotüren. Soviel zur absoluten Dominaz des Autos in unseren Augen, Ohren, Köpfen und Straßen.

Wir existieren nicht ohne Auto, das ist die Botschaft.  
Und noch eine Botschaft gibt es: Der Fußgänger ist zumindest in unseren Filmen (fast) immer ein Autofahrer. Er steigt irgendwann in ein Auto ein (nur selten in eine Straßenbahn oder einen Zug). Dagegen ist der Radfahrer fast nie ein Autofahrer. Er ist in Filmen ein Sonderfall. Im Alltag auch.  Für die Autoindustrie ist er deshalb nicht von Interesse, sondern ein Feind. 

Für den Fußverkehr ist der Radverkehr meist ein Feind. 
Fußgänger/innen und ihre Verbände schimpfen auf Radfahrer. Sie seien rücksichstlos, sie führen immer auf Gehwegen, man traue sich nicht, Fahrradstraßen zu überqueren. Und Radler monieren Fußgänger, die ihnen mit Blick aufs Handy vors Rad laufen. Radfahren und zu Fuß gehen sind gewissermaßen zwei gegenüber dem Autoverkehr schwache Mobiliätsformen, die sich nicht mögen.

Für die Autoindustrie und ihre Lobbyisten gibt es nur den Autoverkehr und den Fußverkehr, die eine friedliche Koexistenz eingegangen sind, vollständig zu gunsten des Wegerechts des Autos. Der Autoverkehr wird nur kurz angehalten, damit der Fußverkehr mal queren kann, ansonsten schleicht der sich am Rand der Autostraßen entlang. Das passt. Das wird von Fußgänger/innen kaum infrage gestellt. Der Radfahrer ist in diesem Bund das Dritte, der Böse, der beide stört, die Autofahrer und die Fußgänger. Beide, Autofahrende und Fußgänger/innen samt ihren Verbänden können gemeinsam gegen Radahrende wettern, ihr verhalten skandalisieren und sie zur Gefahr erklären. Das klappt bestens. 

Für Autos die Fahrbahn, der Rest: Chaos
So hat uns die Autoindustrie oder die jahrzehnte lang implementierte Dominanz des Autos in allen Lebensbereichen in unseren Köpfen uns weiß gemacht, dass Radfahrend und zu Fuß Gehen nicht zusammenpasen, dass Radler und Fußgänger sich nicht vertragen können. Das Radler die Rücksichtslosen sind und Fußgänger die Gehetzten, dass man das Radfahren beschränken muss.

In einer Stadt aber, die das Fahrrad hoch hält, den Autoverkehr beschränkt und dem Fahrrad bequeme Wege anbietet, scheint sich diese Gegnerschaft aufzulösen. Wo es schön ist, weil dort kaum oder gar keine Autos fahren, da geht man auch gern zu Fuß. Da nimmt man für kürzere Strecken (so bis 3 km, schätze ich) auch mal nicht das Fahrrad, sondern spaziert. Das ist interessant, finde ich.

Der Hass auf Radfahrende sinkt, wenn nicht mehr überall Autos fahren.
Vermutlich können wir uns in Stuttgart alle Flanniermeilen sparen, solange wir nicht auch den Autoverkehr reduzieren, der an ihnen entlang braust, und statt dessen wesentlich mehr Radverkehr durch die Stadt lenken.  Dann fahren auf den Fahrbahnen die Radler und die Fußgänger/innen haben ihre Gehwege für sich und genießen die Ruhe.
 

10 Kommentare:

  1. Divide et impera, das wussten schon die alten Römer...

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  2. Die mediale Beeinflussung pro Auto ist in der Tat omnipräsent. Es gibt sogar Menschen, die einigen Autos das Attribut "sportlich" verpassen, was ich mit Ausnahme des Morgan Super 8 keinem Auto zugestehen würde.

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    1. Hä? Dann nimm wenigstens 'ne Ente, die konnte man noch sportlich mit einer Kurbel starten.

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    2. Und so stellen sie sich dann beim Sport an: https://www.youtube.com/watch?v=Xu9sLwx4mo8

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  3. "Die ... [Bundesverkehrs-] Minister zählten selten zu den starken Männern im Kabinett, sie wurden nie wegen ihres Engagements in Sachen Verkehrspolitik berufen, geschweige denn wegen ihrer Sachkenntnis.
    ...der gegenwärtige Amtsinhaber...verdankt seine Berufung allein dem Umstand, daß der Posten des Verkehrsministers zu den Pfründen der CSU zählt."

    Ach so.
    Von 1987.
    Hätte ich vielleicht sagen sollen.

    https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13522988.html

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  4. Der Herr Wilsberg und der Tatortkommissar aus Münster fahrent doch mit dem Fahrrad vor. Die Autokonzerne waren fast alle in früherer Zeit alle mal Fahrradhersteller. Von Zeit zu Zeit versuchen die Autohersteller auch mal ein Fahrrad zu verkaufen, mit eher mäßigem Erfolg. Die teure, mittlere Qualität wollen fortgeschrittene Verkäufer nicht. Der Arbeitsplätze wegen sollte man den Konzernen beim e-Auto wohl mehr Erfolg wünschen. Aber der Konsum und der Verkehr wird nicht so bleiben. Vermutlich werden die PKW alleine aus Deutschland auf dem Schrott einen Berg bis zum Mond ergeben. Falls es mal wieder richtig schneit, kann man den Berg dann evt. als Wintersportgebiet nutzen. mfg r.k.

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    1. Korrektur: nicht Verkäufer sondern Käufer mfg r.k.

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    2. Nicht zu vergessen, den bewegenden und mMn. sehr sehenswerten Film "Hin und weg" von 2014...

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  5. Das beste Beispiel heute in der StZ: Die Bäckerei Blankenhorn in Degerloch fürchtet um ihr Überleben. Die Stadt hat "ohne zu fragen" den Gehweg im Kreuzungsbereich abgepollert und Helikoptereltern können beim Vorbeiflug nun nicht mehr auf dem Gehweg parken. Kein Auto=Stadt stirbt?

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  6. Ralph Gutschmidt25. Mai 2019 um 20:09

    Das zeigt sich gerade aktuell wieder beim Gezerre um die neue Landesbauordnung. Immer wieder beklagen Politiker wie auch die Presse die hohen Mehrkosten für den Wohnungsbau durch vorgeschriebene Fahrradstellplätze. Stimmt ja auch, die brauchen Platz und kosten Geld.

    Dass aber schon lange Autostellplätze vorgeschrieben sind, die noch mehr Platz brauchen und außerem noch eine Zufahrt und ein Vielfaches kosten, das stört offenbar niemanden (außer mir, aber das interessiert ja keinen).

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