Derzeit graust es allen vor den E-Scootern. Leute fordern ein Verbot, die andererseits Verbote der freien Mobilitätswahl mit lautem Protest ablehnen, etwa Fahrverbote für Autos.
Die Deutsche Polizeigewerkschaft fordert ein Verbot von E-Tretrollern. Sie seien eine Gefahr für Fußgänger/innen. Da die Dinger nicht auf Gehwegen fahren dürfen, bezieht der Polizeigewerkschaftler sich auf die Situationen, wo Ältere, Gehbehinderte, Kinder, Sehbehinderte und so weiter, eine Straße überqueren wollen. Die hören die E-Tretroller nicht und könnten auch gar nicht einschätzen, wie sie sich bewegen (können viele auch bei Fahrrädern nicht). Viele Tretrollerfahrer sind auch noch ziemlich unsicher auf den Dingern und beherrschen sie nur ungenügen. Außerdem würden viele sich auch nicht an die Regeln halten und auf Gehwegen fahren. Die Folgen einer solchen Politik (gemeint ist die Genehmigung von E-Tretrollern durch den Bundesverkehrsminister) würden dann auf die Polizei abgewälzt. Und das dürfe nicht sein.
Kann ich nachvollziehen, ist aber auch ein bisschen schräg.
Einer sagte kürzlich zu mir: Wenn das Fahrrad heute erfunden würde, würde es verboten. Es ist schon kurios, wie sehr sich Medien und Vertreter von Fußgänger- oder Polizeiverbänden gegen den Tretroller und immer wieder auch gegen das Fahrrad stellen und es skandalisieren, aber nicht auf die Idee kommen, das ungleich gefährlichere Fahrzeug, das Auto, ähnlichen Forderungen zu unterwerfen: einer rigorosen Beschränkung, am besten verbieten, der Gefahren wegen, die von ihm für Fußgänger/innen (und Radfahrende und E-Scooterfahrende) ausgehen. Es ist doch unverantwortlich, dass die Politik es an die Polizei delegiert, die Regelverstöße durch Autofahrende zu kontrollieren und zu ahnden und die Gefahr, die vom Auto ausgeht, möglichst klein zu halten.
Das aber sieht der Polizeigewerkschaftler gar nicht als Problem. Er fordert kein Verbot von Autos, sondern das des neuesten Elements im Mobilitätswandel, des elektrischen Tretrollers. Wir Menschen neigen dazu, völlig blind für den Irrsinn zu sein, in dem wir seit Jahrzehnten leben, wachen aber erschreckt auf, wenn etwas Neues dazu kommt, das wir noch nicht einschätzen können. Im Grunde ist ein E-Tretroller nur eines von den vielen Minifahrzeugen, die wir noch zu sehen bekommen (und vernünftiger als Flugtaxis), mit denen Menschen die Unbequemlichkeiten des zu Fuß Gehens umgehen werden. Lieber mit dem E-Scooter sonntags zum Bäcker als mit dem Auto.
Derzeit erzählen mir immer wieder Leute von anderen Städten, wo das Tretroller-Chaos herrscht. In Stuttgart herrscht übrigens - anders als in anderen Städten - kein Leihfahrradchaos, weil wir einen einzigen Anbieter damit betraut haben und die Leihstationen festlegen. So muss das mit den E-Scootern auch laufen. Und in der Innenstadt darf es gar keine Leihstationen geben, denn die ist fast nur Fußgängerzone. Wenn doch jemand mit einem E-Scooter reinfährt, dann muss sich der Motor abschalten, so wie das jetzt schon bei den Stella-Rollern ist. Geht also alles.
Mir ist schon klar, dass diese Roller mit den kleinen Reifen schwierig zu fahren sind und erhebliche Risiken bergen, vor allem aber für ihre Fahrer. In London hat sich eine sehr prominente Youtuberin damit zu Tode gefahren. Kürzlich kam mir einer auf so einem Roller entgegen und schwenkte mir genau vors Vorderrad. Er hatte einen Gullideckel unfahren. Vorher abbremsen war für ihn offenbar keine Option gewesen. Solches Zeug wird uns ständig passieren. Andererseits können auch Fußgänger/innen bei jeder Gelegenheit davon erzählen, dass ein Fahrradfahrer sie fast auf dem Zebrastreifen tot gefahren hätte. Wir müssen schon lernen, mit der Mobilität umzugehen, die zwischen zu Fuß Gehen und Autofahren liegt. Und für diese leise und umweltfreundlichere Mobilität müssen wir die Wege bereitstellen: Breite Radwege anstelle von mehrspurigen Autostraßen.
Übrigens müssen wir natürlich auch den ÖPNV ausbauen. Aber das dauert von der Planung bis zum Bau zwanzig Jahre. Und man braucht viel Geld dafür (weshalb ein kostenloser Nahverkehr kontraproduktiv ist, und reiche Leute müssen nicht gratis fahren, sonst wird dass sozial ungerecht). Radwege, die breit genug sind, um den langsameren E-Scooter-Verkehr auch aufzunehmen, sind deutlich schneller geplant und angelegt, vor allem, wenn man dafür die bereits bestehenden Autofahrbahnen nimmt.
Wenn es Platz verliert, wird das gefährlichste Fahrzeug unserer Städte unattraktiver gemacht, das Auto.
Das Monopol im Fahrradverleih sorgt auf einer Seite für Ordnung, auf der anderen Seite für ein Mangelangebot. So bekommt es der Anbieter nicht gebacken, alle Stationen mit Ladesäulen für Pedelecs auszustatten. Und wenn ich erst einen Kilometer zum Fahrrad laufen muss, fahr ich gleich mit der Bahn. Dieses Mangelangebot führt dazu, dass sich Leute, die nicht Autofahren, nach Alternativen umschauen und da kommt der E-Roller ins Spiel.
AntwortenLöschenIch hab kein Problem mit den Rollern an sich. Was mir aufstößt ist der Umgang damit. Die einen feiern sie, als wären sie jetzt die ultimative Lösung für unsere Verkehrsprobleme und andererseits haben wir eh schon zu knappe Infrastruktur für Fahrräder und die müssen sich jetzt auch noch Fahrräder und Roller teilen.
AntwortenLöschenWären Radwege grundsätzlich mal zwei Meter breit gäbe es für mich überhaupt kein Problem, dann wär genug Platz für alle da.
Ich glaub's nicht, unser schlechtes Leihfahrradsystem auch noch schönreden?
AntwortenLöschenWir haben Stationen, nur damit die Fahrradhasser sich nicht gestört fühlen. In der Praxis ist das System daher kaum nutzbar, jedenfalls nicht für die letzte Meile von der Haltestelle zum Ziel.
Erst mal muss man eine Station suchen um ein Fahrrad zu leihen. Aber richtig schlimm ist die Rückgabe. Man muss nämlich vom Ziel wieder wegfahren und erst herumirren, bis man eine Station gefunden hat, viele sind's ja nicht. Gerade als ich mich in Stuttgart noch nicht auskannte, hat die Stationsrecherche länger gedauert als die eigentliche Fahrt.
Heute zahle ich lieber für die Kraftfahrzeuge von Stella oder Car2go, da stört es offenbar niemanden, dass man sie direkt am Ziel abstellen darf.
Dass sich für die Stadträder überhaupt Nutzer finden, liegt wohl nur an der kostenlosen ersten halben Stunde.
Übrigens, in Frankfurt, Karlsruhe, Berlin oder selbst München stört sich niemand am stationslosen Leihsystem von Nextbike oder Callabike. Nur Obike war ein Sonderfall.
Zum ÖPNV-Ausbau muss ich widersprechen. Ein paar zusätzliche Busse, ein Stundentakt dauert genau ein Jahr. Eine neue Linie mit Genehmigung und bei neuer Haltestellen vielleicht zwei bis drei Jahre. Sogar der Deutschland Takt soll schon 2030 stehen.
AntwortenLöschenFür die meisten Maßnahmen braucht es nur Geld. Ich trauere daher ständig den 40 Million nach, die jetzt jährlich für die Tarifkosmetik vom April ausgegeben werden. Das Geld entspricht 1.000 Fahrern. Oder 300 eingesetzten Bussen inkl. Fahrer. Oder 150 eingesetzten Stadtbahnen inkl. Fahrern, Abschreibung und allen Betriebskosten.
Zwanzig Jahre brauche ich für komplett neue Trassen.
Stimmt, mehr Busse müssen wir auf den Weg schicken und für sie die Busspuren erkämpfen (also im Gemeinderat dafür eine Mehrheit finden). Das geht schneller, aber der Ausbau des Radverkehrs hilft halt auch viel und ist kostengünstig und notwendig. Radfahren ist viel schöner als Bus fahren, gehrt auch viel schneller. Leute, die dazu Lust haben, sollen das endlich ohne Angst tun können.
LöschenInteressant, herrscht da wirklich so ein Mangel? Ich muss gestehen, dass ich selber an diesen Fahrradleihsystemen nicht so interessiert bin, weil ich mit dem eigenen Fahrrad überall hin fahre. Wenn es da gravierende Probleme gibt, wäre es gut, wenn wir mal darüber reden würden, was zu ändern wäre.
AntwortenLöschen@Ralph: Ist das tatsächlich so schlecht? Andere Städte haben sich über überall herumstehende und herumliegende Räder chinisischer Verleihfirmen beschwert und die engedämmt. Berlin hat mehrer Verleihsysteme, was bedeutet, dass man sich bei jeder Firma anmelden (Geld hinterlegen) und Apps aufs Handy laden muss. Wird asuch nicht als so toll empfunden. Wenn wir ernsthaft über das Verleihsystem nachdenken, was könnte man praktikabel besser machen?
AntwortenLöschen"Schlecht" ist es, wenn man es anders kennt. 2007 bis 2013 in Karlsruhe mit dem stationslosen System gelebt. Als mein Fahrrad kaputt ging, habe ich es lange Zeit nicht reparieren lassen, will Callabike so praktisch war.
LöschenStuttgart war erst mal ein Schock. Die ersten Jahre wohnte ich noch nicht hier und eine App gab's auch noch nicht. Ich musste immer lange am PC tüfteln, um eine Route zu planen.
Wenn ich mit der Bahn in der Stadt bin, aber nur mal eine kleine Strecke quer zu den Hauptlinien zurücklege, dann mache ich das inzwischen nur noch dann mit Callabike, wenn ich sicher bin, dass es am Ziel eine Station gibt. Also Landtag oder Grüne Mitgliederversammlung kann ich vergessen.
In München haben Nextbike und Callabike zusammen 5.000 Räder, davon viele stationslos und trotzdem konfliktfrei. Wenn jemand da über Nacht 7.000 primitive Räder dazu stellt und sich anschließend nicht mehr darum kümmert, ist das natürlich mehr Belästigung als Zusatznutzen.
"Eingedämmt" wird da übrigens nichts, das geht rechtlich nicht. Die stationslosen Callabike in Berlin sind auch gegen den Willen des Senats, aber sie werden gepflegt, regelmäßig eingesammelt und daher konfliktfrei.
Mein Wunsch wäre eine stationslose Zone (gerne gegen Aufpreis) z. B. Zwischen Olgastraße, Schwabstraße, Hegelstraße, Milaneo, Neckartor (so grob).