21. Dezember 2019

Des Radlers 7. Sinn - Radinfrastruktur-Schnipsel

Radrouten sind Bastelarbeit. Da was hingepeppt, dort was abgeschnitten, hier was zurechtgebogen. 

Parkplätze, Grünflächen, Bäume, Fahrbahnen sind den Radfahrenden im Weg, Radstreifen enden abrupt, werden in blitzkurze Radstreifchen umgeleitet auf einen Gehweg oder auf eine Fahrbahn. Radfahren ist Pfadfindertum. An jeder Ecke muss man sich orientieren, um herauszufinden, wie es für Menschen auf dem Fahrrad weitergeht. 

Da ist oftmals viel siebter Sinn gefragt. Man muss nämlich auf ganz wenigen Metern erkennen, wie sich die Stadt mein Fortkommen gedacht hat, und entscheiden, wie ich den Weg fahre.

In Cannstatt landet man auf dem Meter Radstreifen (Bild rechts), nachdem man den Wilhelmsplatz Richtung Kursaal überquert hat. Bordstein runter hopsen, hinterm geparkten Auto halten, Längsverkehr vorbeilassen, sich einfädeln.

Hat man den Charlottenplatz Richtung Degerloch überquert (Bild links), dann landet man auf dem Gehweg an dieser Fahrradampel, die einem sagt, ab jetzt geht es auf der Fahrbahn weiter. Ich habe noch nie jemanden dort warten sehen. Entweder die Radler fahren ganz anders oder auf dem Gehweg hoch oder sie fahren auf die Fahrbhn, ohne die Ampel zu bemerken, wenn frei ist.

Seit Ewigkeiten finden wir in der Cottastraße Richtung Stattmitte, nachdem wir die Hauptstätterstraße überquert haben, diesen Abschnitt (Bild links oben). Diese rote Radspur in der Cottastraße gehört zu den ältesten Radanlagen Stuttgarts. Obwohl ich mich über diese Zumuntung von Anfang an in diesem Blog beschwert habe, habe ich noch keine Signale, dass da mal was geändert wird. In Gegenrichtung finden Radfahrende in der Cottastraße ebenfalls rote Schnipsel vor (Doppelbild rechts oben).  Dem routinierten Radler ist klar, dass es sich hier um kleine Sperrflächen handelt, die Autofahrenden zeigen sollen, dass Radler/innen kommen und dass sie genau hier gegen die Einbahnrichtung der Straße fahren. Ähnlich verhält es sich mit der roten Malerei am Kreisverkehr in der Silberburgstraße (Bild links unten). Dem Radler, der hier zum ersten Mal ankommt, mag das Kopfzerbrechen bereiten. Oder er denkt gar nicht und fährt halt irgendwie. Auch diese nagelneue Bastelei (Bild rechts unten in der Collage) ist ausgeklügelte Bastelarbeit. Ein paar Meter vorher durften Radfahrende wählen, ob sie auf der Fahrbahn der Neckartalstraße Richtung Müster oder auf dem freigegebenen Gehweg radeln wollen. Auf dem Gehweg können sie die eventuell rote Autoampel umfahren. Die Gehwegfahrt endet an diesem Bogen mit weißer Haltelinie am Bordstein.
 
Und so stolpert man sich mit dem Fahrrad am Hauptbahnhof vorbei. Wer es weiß, findet sich zurecht, aber intuitiv verständlich ist die Wegführung am Bahnhof nicht. Dem Radler kommen die Infrastrukturschnipsel gewissermaßen vors Vorderrad, und er nutzt sie oder fährt doch ganz anders, beispielsweise, weil die Schnipsel von Autos belegt sind oder weil ein Fahrrad dort geparkt ist.


Wer sich auskennt, findet auch diesen Aufgang, nachdem er die riesige Kreuzung auf dem Pragsattel aus der Siemensstraße heraus Richtung Polizeipräsidium überquert hat. Von weitem sieht man das nicht. Da muss man schon voller Selbstvertrauen auf der Fahrbahn über die ganue Kreuzung drauf zu radeln. Aber wenn man's weiß ... Hingegen sollte man diesen Radflecken nicht als Aufstellplatz für eine Fahrt in Gegenrichtung nutzen.


Und noch so ein Schnipsel gibt es an der Gänsheidestraße, wenn man bergab (stadtwärts) auf die Kreuzung Gerokstraße zufährt. Radfahrende werden erst mit dem Schlenker-Pfeil zwischen die Stadtbahnschienen gelenkt (was ihnen Gullideckel erspart). Dahinter geht die Gänsheidestraße als kleine Nebenstraße mit Gehwegüberweg weiter. Und dort hinein werden die Radler mit diesem Zeichen und Pfeil auf den linksseitigen Gehweg gelenkt, der hier freigegeben ist. Ich würde eigentlich lieber auf der Fahrbahn fahren. Sehr seltsam. 

Und immer noch verblüffend, die Linksabbiegebucht für Radfahrende in Möhringen. Mitten auf der Fahrbahn radeln ist hier Pflcht, wenn man dort abbiegen möchte. Wer nicht es nicht weiß, fährt vorbei. Angekündigt wird es jedenfalls nicht.











10 Kommentare:

  1. Rudis Resterampe.
    Allen diesen Schnipseln wohnt eine Nachricht inne: fuer euch bleibt das, was uebrig geblieben ist, nachdem wir dem Autoverkehr das Silbertablett bereitet haben.
    Ich glaube in dieser Stadt nicht an eine getrennte Infrastruktur. Die wird immer nur aus Schnipseln bestehen, siehe Hauptradroute 1.
    Was langfristig eher gehen koennte, ist Tempo 30 ueberall, weniger Autos wegen wenig Parkmoeglichkeiten, und wir fahren ueberall auf der Fahrbahn.
    Wenn es dann als Sahnehaeubchen noch die rechte Spur auf den Ringen und vierspurigen Strassen gibt (wie neuerdings in Esslingen als gemeinsame Rad- und Busspur), dann waere das ein echter Gewinn.
    Aber diese Schnipselei ist nichts als Gefahr und Zeitverschwendung.

    Gruss - Matthias

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  2. Jörg
    zu Bild 5 Auffahrt am Pragsattel. Das musste mir erst einer erklären. Danach bin ich es gefahren. Es ist nur etwas für "Unerschrokene" ohne Begleitung von Kindern. Nimm die ganze Spur ein. Fahre zügig: 25 km/h + X, damit Du den/die AutofahrerIn mental nicht überforderst (es ist deine Gesundheit). Dennoch ich bin für mehr solcher Auf- und Abfahrten. Sie ermöglichen "schnellen" Radfahrern situativ mehr auf der Straße zu fahren. Die Radwegebenutzungspflicht ist das natürlich kontraproduktiv, alternativ gibt es den freiwilligen Radweg. Die Welt ist eben nicht schwarz und weiß sondern hell- und dunkelgrau.

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  3. "Und immer noch verblüffend, die Linksabbiegebucht für Radfahrende in Möhringen. Mitten auf der Fahrbahn radeln ist hier Pflcht, wenn man dort abbiegen möchte. Wer nicht es nicht weiß, fährt vorbei. Angekündigt wird es jedenfalls nicht."

    Eine riesige Überraschung: wer sich zum Linksabbiegen nicht rechtzeitig einordnet fährt nachher falsch. Das ist doch genau das gleiche auf normalen Linksabbiegerspuren.

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  4. Dummerweise ist das Manöver hier für den nachfolgenden Autoverkehr auch überraschend, weil diese Abbiegespur für ihn noch schwerer zu sehen ist. Und dann wird es halt ganz schnell gefährlich für den Radler, lieber anonym2

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  5. Jörg
    Auch in Möhringen ist das Licht und Schatten zugleich. Es ist gut, dass die Autos nicht geradeaus der Sigmaringer Straße folgen können, die Radfahrer aber schon. Es ist etwas knackig in die Bucht zu fahren. Mit Anhänger und Kindern funktioniert es eher nicht. Also nur eine Teillösung für "unererschrokene" Aleinfahrer. Die anderen müssen mühsam über die Fußgängerampel, dann auf dem Gehweg in die Sigmaringer und nur noch zurück auf die Straße und schon fahren sie wieder anständig weiter. Was ist aber die alternative Gestaltung? Es ist schon schwer. Eine kleine Linksabradlerfläche auf der Rembrandstraße Richtung Süd vor der Stadtbahn fände ich gut. Da war vor jahren noch eine Sperrfläche. Das würde einigen Wilden das Gehwegradeln von der vorherigen Fußgängerampel aus ersparen. Es wäre praktisch vor einigen Verkehrsinseln eine Fläche zum Linksabradeln zu schaffen. Man kann einigermaßen sicher stehen bleiben und auf ein Lücke im Gegenverkehr warten. Sonst muss man den folgenden Verkehr nicht durchlassen und auf eine beidseitige Lücke warten. Es wäre Wahnsinn so wie mit dem Auto auf der Fahrspur stehen zu bleiben und auf ein Linksabbiege Lücke zu warten. Die Autos fahren rechts oder links an Dir vorbei, der nächste sieht Dich nicht usw. Es ist deine Gesundheit.

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  6. Interessant, dass die paar Probleme, die ich gezeigt habe, von euch tatsächlich auch als problematisch kommentiert werden. Wir brauchen wirklich endlich großzügige, selbsterklärende und schöne Infrastrukturlösungen für Radfahrende. Leider an so unendlich vielen Ecken, dass man eigentlich gar nicht weiß, wo man anfangen sollte.

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    1. Ja.
      Das sind halt die Probleme, wenn das extrem gut ausgebaute Strassensystem nicht zu Lasten des Autoverkehrs umgewidmet und/oder umgenutzt wird, sondern stattdessen darauf gesetzt wird ein zweites Netz dazu-zumodeln.
      Kostet recht viel, ist sehr kompromißhaft, dauert etliche Jahrzehnte, führt NICHT zum notwendigen Rückgang des Autoverkehrs, hat teils erhebliche Sicherheitsdefizite, baut Kapazitätsprobleme auf, verschlechtert die Reisezeit von A zu B, etc.
      Aber 'Reclaim the Streets' ist ja gegenwärtig nicht mehr so gefragt.
      Stattdessen verteidigt der ADFC (Koopmann u.a.) auf Twitter den Bundes Autominister weil er ja Geld für mehr autogerechte separierende Radwegelchen bereitstellt.
      Alfons Krückmann

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    2. Alfons, erklär mir mal, wie du Menschen auf dem Fahrrad auf die Fahrbahn bekommen willst in der Menge, die den Autoverkehr so beschränkt, dass sich Radfahrende auch mit Kindern auf den Rädern auf der B14 wohl fühlen. Ich radle auch lieber auf Fahrbahnen, brauche aber die fünf Schrecksekunden auf jeder Fahrt nicht, wo ein Autofahrer knapp an mir vorbei fährt, vor mir abbiegt, so dass ich bremsen muss oder dicht hinter mir fährt und den Motor röhren lässt. Diese Aggressionen will ich nicht immer aushalten müssen, und die meisten Menshcen wollen das auch nicht. Und derzeit kann man das Autofahren in Städten nicht einfach verbieten. Soweit sind wir mit den gesetztlichen Regelungen noch nicht. Wie also geht das, einen Massenradverkehr auf Fahrbahnen herstellen? Erklär es mir.

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  7. "Kann das weg oder malen wir n Fahrrad drauf?"

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  8. Ich habe vor 20 Jahren in Stuttgart studiert und damals 3 Bedeutungen für das Verkehrsschild mit weißem Fahrrad auf blauem Grund kennengelernt:
    1. LKW-Ladezone
    2. Vorsicht, hoher Bordstein
    3. Dieser Weg endet bald im Nichts.
    Interessant, dass sich wohl nur wenig geändert hat in der Zwischenzeit.

    Wie ernst es einer Kommune mit Fahrradinfrastruktur ist, erkennt man daran, wie es vor und nach diesen Wegen weitergeht.

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