3. Februar 2020

Fahrradweichen sind keine gute Lösung

Wie kann man Kreuzungen für Radfahrende sicher machen? Viele Städte setzen auf sogenannte Fahrradweichen. 

Der ADFC lehnt sie ab, weil sie das Radfahren nicht sicherer machen. Die meisten Radfunfälle passieren, weil Autofahrende abbiegen, ohne die Vorfahrt von Radlern zu beachten (rund ein Viertel), und in Kreuzungsbereichen (knapp ein Drittel), wo Radler selber einbiegen oder abbiegen.

Wie der ADFC darstellt, gibt es bislang nur eine einzige Studie der TU Berlin, die zu dem Schluss kommt, dass zwar die Zahl der Unfälle nach der Markierung von Radstreifen mit Geradeaus-Weichen etwas zurückging, dass aber die schweren Unfälle von Radfahrenden deutlich zunahmen. 

Warum das so ist, wissen wir Radler und können es auch anderen logisch erklären.
Quelle: Volksentscheid Fahrrad
Eine Fahrradweiche leitet Radler/innen geradeaus zwischen die Geradeaus- und die Abbiegespur (meistens der Rechtsabbiegespur) der Autofahrenden. Autofahrer, die rechts abbiegen wollen, kreuzen den rot markierten Radstreifen, und das oft mit zu hoher Geschwindigkeit. Und immer dann, wenn ein Radfahrer von rechts hinten kommt, während ein Autofahrer nach rechts will, besteht allerhöchste Gefahr, dass der Autofahrer den Radler nicht sieht und umnietet. Man schafft damit sozusagen ein Rechtabbiegeproblem auf der Fahrbahn, das es bisher nur für das Abbiegen über einen rechts von der Fahrbahn verlaufenden Radweg oder Radstreifen gab.

Wenn ich auf eine Fahrradweiche zuradle, checke ich sehr aufmerksam ab, was die Autofahrenden neben mir, vor mir und hinter mir wohl vorhaben könnten. Es  blinkt ja durchaus nicht jeder, der die Spur wechseln will. Eine solche Infrastruktur ist nur was für aufmerksam und vorausschauend radelnde Verkehrsteilnehmer/innen. Jugendliche oder gar zehnjährige Kinder (die nicht mehr auf Gehwegen radeln dürfen), möchte man da nicht lang schicken, genau zwischen die großen Autos auf mehrspurgen Straßen, die aufs Gas treten, wenn sie sehen, dass sie es noch bei Grün schaffen könnten, oder zwischen Lastwagen mit totem Winkel, wie das Foto des Volksentscheids Fahrrad dokumentiert.

Neckarstraße, links 2013.
Als die Neckarstraße noch keine Fahrradweiche hatte, radelte ich auf der rechten Fahrspur relativ mittig zu Ampel vor und stellte mich vor die Autos auf der mittleren Spur auf, um geradeaus zu radeln, wenn es Grün wurde. Auch das würde ich Kindern und Jugendlichen nicht empfehlen, aber es war allen Rechtsabbiegern klar, dass sie mich nicht links überholen und vor mir nach rechts schwenken konnten. Die Radweiche bringt bei Stau den Vorteil, dass ich Platz habe, zwischen den Autos nach vorn zu kommen. Allerdings stehen auch gerade bei Stau die Rechtsabbieger quer über der Radspur, und ich muss mich  im Slalom durch die Fahrzeuge schlängeln.

Besonders schwierig wird es für Radfahrende, wenn sie über eine Kreuzung hinweg vom Radstreifen von rechts nach links auf eine Fahrradweiche zielen müssen, über die wiederum linksabbiegende Autos queren. Diesen doppelten Gefahrenstress halten wir in Stuttgart auf der Wilhelmstraße Richtung Wilhelmsplatz bereit. Bei Ampelstau stehen die Autos außerdem quer auf dem Radstreifen. Das ist definitiv keine Radinfrastruktur für alle von 8 bis 80, sondern nur eine für sehr erfahrene Radler/innen.

Grundsätzlich gilt: Für Radfahrende wird es gefährlich, wenn sie den Autoverkehr kreuzen müssen oder der Autoverkehr ihre Wege kreuzt. Sicherheit bedeutet, solche Situationen zu vermeiden. Es wird Zeit, dass für sichere Kreuzungen ein Deutschland ein Standard entwickelt wird. Dann wissen Stadtverwaltungen und Radinitiativen endlich, wo es hingehen muss.

6 Kommentare:

  1. Am Wilhelmsplatz hat es noch andere Schwierigkeiten:
    Steht man vorschriftsmäßig an der Haltelinie, kann man die Ampel kaum noch erkennen, die für die Radfahrer in 5m Höhe hängt. Man verbiegt sich quasi den Hals. Nach der Querung der Kreuzung endet der Radstreifen an Klemmfix/Leitboys und der Radfahrer muss sich in den Autoverkehr einordnen, um rechts auf die Fahrradstraße abbiegen zu können. Wegen was? 2 Parkplätzen? Absolut schlecht durchdacht, gefährlich und typisch für die Planlosigkeit der Stadt.

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  2. Und wenn man die Radweichen ganz vorne (dort, wo der Radweg in Richtung Fahrbahnmitte verschwenkt wird) mit Pfosten/Ketten/Blumenkübeln schützen würde? Dann würde kein Autofahrer mehr blind drüber brettern...

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    1. Meinst du den in Zuffenhausen? Oder den unten am Wilhelmsplatz? Blumenkübel auf der Fahrbahn wird kein Ordnungsamt jemals genehmigen. Außerdem sollen ja Autofahrende queren, die haben ja auf der anderen Seite des roten Radstreifens eine Fahrspur zum Abbiegen. Am Wilhelmsplatz verlief die Radspur vorher rechts der Fahrabhnen, endete aber dann blöd im Taxiaufstellplatz und so. Dennoch hätte ich es besser gefunden, den Radstreifen rechts zu lassen und dann geradeaus zu führen (auch wenn Rechtsabbieger dann queren), und zwar, weil man als Radler von der Aufstellspur dann sowieso wieder nach rechts muss, wo die Torstraße beginnt. Ist ein total verkorkster Mist, aber ordentlich und mit dem Placet des Ordnungsamts geplant.

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  3. Warum nur an den Symptomen herumdoktoren?

    Es gibt auch im fremdmobilen Bereich mittlerweile digitale Steuerungen, die erkennen können, ob ein Gefährder einen eigenmobilen Verkehrsteilnehmer in Bedrängnis bringt. Es ist möglich, entsprechende Regelungen zu erlassen, die in einem solchen Fall den sofortigen Stillstand des Gefährdenden verlangen.
    Das würde dem Wirtschaftsstandort Deutschland - nach Jahrzehnten des Tiefschlafs - entscheidenen Vorsprung vor den internatinalen Wettbewerbern verschaffen.

    Also.
    Machen!

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    1. Ginge man das Problem konsequent steuerungstechnisch an, wären noch ganz andere Konzepte denkbar: ein unterbrochener Radweg zum Beispiel, von dem sich Radfahrer rechtzeitig vor der Kreuzung auf eine reguläre Fahrspur einordnen, unterstützt durch eine verträgliche Geschwindigkeit des übrigen Verkehrs.

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  4. Jörg
    Das mit fahren auf der Autofahrbahn, mag ich erst empfehlen, wenn die Autofahrer aufgehört haben untereinander so viele Unfälle zu bauen. Unsere Stuttgarter Zeitungen sind voll von schweren Autounfällen. Auf https://unfallatlas.statistikportal.de/ erkennt man die vielen vielen Unfälle mit Verletzten auf Straßen wo nur Autos (z.B A8 B27, B10, B14 ...) fahren. Solange die Autos sich so häufig anbumsen, werde ich niemanden raten ungeschützt am diesem Verkehr teil zu nehmen.

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