5. Februar 2020

Autofahren ist gezuckerte Schlagsahne

Das Auto als Verkehrsmittel ungeschlagen, titelt für "die steile These" Svenja Bergt in der taz. Oje, ist das wirklich so? Warum fahren wir eigentlich Auto, Fahrrad oder mit Bussen und Bahnen? 

Eine Freundin von mir ist immer Auto gefahren. Wenn sie zum Feiern in die Stadt fuhr, nahm sie allerdings die Stadtbahn und zurück vielleicht ein Taxi, denn den Führerschein wollte sie nicht riskieren. Schließlich brauchte sie das Auto für die weite Fahrt zur Arbeit.

Dann kam die Parkplatznot. In ihrer Wohnstraße wurde wild geparkt, auch von Ortsfremden (kein Parkraummanagement), sie fand abends keinen Parkplatz mehr in Wohnungsnähe. Zuerst wartete sie eine halbe Stunde oder länger im Auto, bis jemand wegfuhr. Schon vor der Heimfahrt der Stress: Werde ich heute abend einen Parkplatz finden? Immer öfter ließ sie das Auto für kurze Wege stehen, um den Parkplatz nicht zu riskieren. Nach einem Jahr Parkplatzvollstress hat sie Auto abgeschafft und fährt seitdem mit der Bahn, und das gern. Ihr Leben ist viel entspannter geworden.
Eine Nachbarin wollte, als es schneite, mit der Zacke nach Degerloch hoch und dann mit der 6 weiter raus fahren. Sie war fünf Minuten zu früh, ein eisiger Wind wehte, es schneite. Dann die Durchsage, eine Zahnradbahn fällt aus. Auf die nächste musste sie eine Viertelstunde warten. Also marschierte sie zurück, stieg ins Auto und fuhr damit zu ihrem Ziel. Mit der Bahn hätte es eh länger gedauert.

WIR MERKEN UNS:
Wenn das Autofahren unbequem wird, beispielsweise, weil es keinen Parkplatz gibt, dann verliert es seine Vorteile und Menschen steigen auf andere Mobilitätsformen um.
Wenn aber die Alternative nicht richtig klappt und die Wartezeit an einer unangenehmen Haltestelle zu lang wird, dann nimmt man das Auto.

So schön es im Auto
Unsere Städte, noch mehr unsere ländlichen Gegenden, sind so organisiert, dass das Auto unschlagbar ist. Es ist bequem, warum und trocken (im Sommer klimanlagenkühl). Es erlaubt Multitasking und Zeitvertreib: Ich kann Musik hören oder ein Deutschlandfunkfeature, Nachrichen oder Hörbücher. Ich kann mit der Freisprechanlage telefonieren, und niemand hört mit. Und ich stoße mit dem Auto auf eine Infrastruktur, die darauf ausgelegt ist, dass ich möglichst schnell und störungsfrei vorankomme. Und wenn es dann doch mal Stau gibt, na ja ... Warm und privat bleibt das Auto trotzdem. Im Auto kann ich auch immer allerlei für alle Fälle dabei haben, die leere Getränkekiste, die Sporttasche ...

Auf dem Fahrrad ist es schöner, aber es weiß niemand, der es nicht fährt
Als Radfahrerin weiß ich, dass ich im Stuttgarter Kessel mit meinem Fahrrad so gut wie immer schneller am Ziel bin als Autofahrende. Ich kenne mich gut aus, und mit dem Fahrrad komme ich immer durch, auch wenn der gesamte andere Verkehr steht. Ich kenne das Vergnügen, Rad zu fahren, ich genieße es. Ich kann kurz mal irgendwo vorbei fahren, ein Besüchle machen, was einwerfen, in einen etwas abgelegenen Laden schauen, in ein Museum gehen, mir eine neue Anpflanzung angucken und so weiter. Wer nicht Rad fährt, ahnt davon nichts. Ich habe das auch erst erfahren, als ich Ende 40 war und merkte, dass ich mich irgendwie mehr bewegen sollte, ganz dringend! Und als ich ein Pedelec testgefahren hatte. Mit dem halbmotorisierten Fahrrad kam ich auf dem Heimweg den Berg hoch, ohne danach duschen zu müssen. Das war die Lösung. Ich habe klein angefangen, mit 6 km zum Job und 6 km nach Hause, immer dieselbe Strecke. Bei Regen und Schnee wieder das Auto. Bis ich mir Regenklamotten zugelegt hatte und das Regenradeln zu genießen begann, hat es eine Weile gedauert. Zudem wurde es immer schwieriger, beim Arbeitgeber einen Parkplatz zu ergattern, gerade bei Regen fuhren ja mehr mit dem Auto als mit dem Fahrrad. Die Verbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln war übrigens umständlich und zeitraubend.

Während der Streiks bei den öffentlichen Verkehrsmitteln in Frankreich stiegen immer mehr Menschen in Paris aufs Fahrrad um. Damit kam man nämlich auch durch den Autostau.

WIR MERKEN UNS:
Parkplatzmangel und schlechte öffentliche Anbindung ist ein Argument fürs Radfahren.
Es braucht einen äußeren Anlass, aufs Fahrrad umzusteigen oder ein persönliches Motiv. 

Wenn Autofahren ein Teil der Identität ist
Eine Kollegin fuhr jeweils mit ihrem Auto so früh von daheim los, dass sie eine halbe Stunde vor Dienstbeginn bei der Arbeit war und in der Tiefgarage warten konnte, bis jemand rausfuhr. Wenn sie Glück hatte, ging sie in der Kantine noch einen Kaffee trinken. Sie wohnt nur drei Kilometer vom Arbeitsplatz entfernt. Aber mit dem Fahrrad fahren? Nein, auf keinen Fall. Warum nicht? Darauf habe ich noch keine Antwort bekommen. Autofahren ist für sie offenbar ein Teil ihrer Identität. Man weiß ja auch: Menschen sind gern ein wenig länger unterwegs, damit es sich wie ein Reiseweg anfühlt. Das ist ein Grund, warum Autofahrende auch Staus in Kauf nehmen. Der Weg zur Arbeit, zum Sport zu einem Freundinnenbesuch darf oder soll ruhig länger als eine halbe Stunde dauern.

WIR MERKEN UNS:
Manche Menschen sind Autofahrer/innen. Sie organisieren ihr Leben so, dass sie mit dem Auto überall hin fahren können. Zur Not planen sie mehr Zeit ein.

Die Öffentlichen sind vernünftig und manchmal auch bequem.
Eine Sportkameradin, die mit ihrem Fahrrad schon um die Welt geradelt ist und gerne Sport treibt, erzählt mir, seitdem sie die "Fahrkarte" habe (also ein Stadtbahnabo), fahre sie weniger Fahrrad. Sie muss nämlich erst mal den Berg hoch, wenn sie von daheim losfährt, zum Beispiel zur Arbeit, und mit der Bahn ist sie direkt und schnell dort. Wenn sie sich entschließen würde, ein Pedelec zu kaufen (dazu ist sie noch zu jung und sportlich, es passt nicht zu ihrer Identität als Radlerin), dann würde sich das ändern, dann würde sie der Berg nicht stören und sie würde mehr radeln.

Eine Freundin arbeitet in Aalen und fährt jeden Tag von Stuttgart mit den Bahnen dorthin und zurück. Kürzlich habe ich mich mit ihr verabredet, aber sie musste die Verabredung absagen, denn auf der Heimfahrt war eine Bahn ausgefallen und sie wusste nicht, wann sie in Stuttgart sein würde. Sie war dann anderthalb Stunden zu spät dort. Aber an sich findet sie die Bahn zuverlässig. Sie besitzt gar kein Auto. Man redet immer über Bahnverspätungen, aber niemand redet darüber, wie oft man mit dem Auto im Stau steht, und wie unzuverlässig das Auto als Verkehrsmittel ist, wenn es um pünktliches Ankommen geht.

Viele, die ich kenne, haben ein Abo (ich habe auch eines) und fahren mit der Stadtbahn. Manche, die mit Normalrädern unterwegs sind, schieben ihr Fahrrad in die Bahn, wenn es nachts eine weite Strecke nach Hause geht. Immerhin kann man genau abschätzen, wann man los muss und ankommt, denn die Mobilitätsapps sagen einem das.

Allerdings sind die öffentlichen Räume, die wir betreten müssen, wenn wir U-Bahn fahren, hässlich  und deprimierend. 
Es geht lange Treppen hinunter ins Zwielicht oder hinauf, manchal funktioniert die Rolltreppe nicht, manchmal der Fahrstuhl auch nicht, dann wird es schwierig mit dem Kinderwagen. Wir wandern durch lange Gänge, die nachts menschenleer sind und nach Urin stinken, wir stehen oder sitzen in gekachelten Haltestellen herum. Auf den Fahrten sehen wir nichts von der Gegend, von der Stadt. Schön ist Stadtbahnfahren nicht. Man wartet, man sitzt, man guckt auf Fixpunkte.

WIR MERKEN UNS:
Wenn das Bahnfahren bequemer (direkter, schneller und weniger anstrengend)  ist als die Alternative, dann fährt man mit der Bahn. Und wenn man ein Abo hat, dann entscheidet man sich auch öfter fürs Bahnfahren.

Ich fahre nicht gern Bahn, obgleich ich ein Jahresabo habe, denn mit der Umsteigerei dauert es meist länger, als wenn ich mit dem Fahrrad (es ist ein Pedelec) innerhalb der Stadt von A nach B fahre. Oberleitungsschäden oder andere Pannen berühren mich nicht. Ich stecke auch nicht eine Stunde in einer Bahn in einem Tunnel fest. Nur bei Glatteis und Schneeglätte wird es schwierg. Da nehme ich dann die Füße und die Bahn (wenn sie noch fährt).

Als ich Schülerin und Studentin war, bin ich unendlich viel mit der Stadtbahn gefahren. Damals fuhr die 6 noch auf der Neuen Weinsteige, nicht durch den Tunnel. Ich habe den Blick rüber zum Birkenkopf genossen. Eine gewisse Zeit musste ich auch regelmäßig von Sonnenberg quer durch den Kessel fahren. Das bedeutete, Umsteigen am Charlottenplatz und mit einer weiteren Linie in den Westen. Spät abends auf dem Rückweg war die 6 immer gerade weg, wenn ich den Bahnsteig gewechselt hatte, und ich musste eine Viertelstunde warten. Kaum ein Mensch auf dem Bahnsteig, und immer wieder verwickelten mich Obdachlose in ein Gespräch, die irgendwo in dem unterirdischen Bahnhof Platte machten. Einmal saß in der Bahn ein Mann vor mir, der anfing zu onanieren. Ähnliche Irritationen gab es regelmäßig. Wenn ich spät abends heimfuhr, habe ich genau geschaut, wer im Wagen ist, und von wem ich Abstand halten muss. Betrunkene haben mir Angst gemacht, weil sie unberechenbar sind. Man konnte ins Zentrum ihrer Aufmerksamkeit geraten und nicht fliehen. Manchmal saßen Männer neben mir, die die Beine so breit machten, dass ich immer Kniekontakt hatte, wenn ich mich nicht superschmal gemacht habe. Sobald ich genügend Geld beisammen hatte, habe ich mir ein Auto gekauft und war richtig froh.

Züge sind Schicksalsgemeinschaften
Die meisten Fahrten in öffentlichen Verkehrsmitteln sind völlig undramatisch und meist stressfrei, man kann interessante Leute kennenlernen, man wird auch in Ruhe gelassen. Die meisten Mitreisenden sind diskret, manche nett. Aber in öffentlichen Verkehrsmitteln ist man mit Menschen aller Art konfrontiert und zuweilen auch mit stressigen. Stress ist das, was man meist auf Heimwegen oder Wegen zur Terminen gar nicht brauchen kann.

Wenn der Zug in der Nacht hinter Mannheim auf offener Strecke hält, ergeben sich plötzlich auch mal Notgemeinschaften, man hilft einander mit Informationen aus, die man auf Smartphoneapps sammelt. Man schimpft gemeinsam auf die Bahn und die Durchsagen oder fehlende Durchsagen, und hofft, dass es nicht vier Stunden dauert. Wenn es dann überraschend schnell weitergeht, ist man erleichtert.

Auf jeden Fall ist man mit Menschlichem konfrontiert. Fremden Gesprächen, lauten Telefonaten, Gerüchen. Grausig fand ich es immer, wenn Gruppen (Fußballfans, Bundeswehrsoldate, Kegelclubs etc) saufen, gröhlen und kotzen. Wenn ein Frustrierter anfängt, eine Ausländerin anzupöbeln und ich Zivilcourage zeigen muss. Ausweichen kann ich nicht. Was an Menschen mit mir fährt, bildet für diese Zeit meine Lebensgemeinschaft.

In öffentlichen Verkehrsmitteln werde ich auch mehr als anderswo damit konfrontiert, dass ich eine Frau bin (zum Glück nicht mehr so jung!) und meine Raumansprüche zurückschrauben und auf Grenzverletzungen achten muss, die nur Frauen drohen.

Woanders ist alles anders
In Berlin bin ich eine Woche lang U-Bahn gefahren. Ich musste nie lange warten, innerhalb von 3 Minuten war ich umgestiegen. Einer Sitznachbarin wurde zwar der Rucksack geklaut, als sie mit ihrem Kind beschäftigt war, aber ich habe alles an mir festgehalten. Vorsichtig sein muss man halt. Ich fand es bequem. Berlin ist riesig, da ist man mit der U-Bahn schneller als mit was anderem. Der öffentliche Nahverkehr scheint gut organisiert. Um Mitternacht auf der Hautpstrecke im rammelvollen Wagen traf ich Bekiffte, Betrunkene und Bettler in beeindruckender Dichte und wusste: Berlin ist eine Weltstadt. Die Fußwege von der Haltestelle ins Hotel oder zu Sehenswürdigkeiten waren allerdings lang, das Bussystem habe ich so schnell nicht durchschaut. Und ohne Handyapp mit Fahrkartenkauf und Streckenplan wäre das auch nicht so stressfrei gegangen. Allerdings hätte ich auch mit dem Fahrrad, das ich hätte leihen können, ohne Navi auf dem Handy kein Ziel erreicht. In fremden Städten kennt man sich halt nicht aus und ist eh im Urlaubsmodus unterwegs, da nimmt man auch öffentliche Verkehrsmittel. In Berlin kann man übrigens ganz gut Auto fahren. Es sind weniger Autos auf den Straßen als in Stuttgart und Parkplätze findet man überall. Und im Auto kann man den Navi anschalten und sich zum Ziel dirigieren lassen.

WIR MERKEN UNS:
Im Urlaubsbodus fahren wir eher mit Öffentlichen.
Im Ballkleid und Smoking setzen wir uns aber nicht in die Stadtbahn zwischen Fußballfans, auch wenn die Fahrt kostenlos wäre und wir wüssten, dass wir um ein Uhr in der Nacht mit der Stadtbahn wieder nach Hause kämen, zusammen mit all de anderen, die von Festen kommen.
Ein kostenloser Nahverkehr würde nicht diejenigen in die Bahn locken, die eine sich sicherer anfühlende Alternative haben.

Zu Fuß gehen eine Eroberung von Zeitreichtum.
Eine Kollegin von mir ging nach der Arbeit gerne zu Fuß nach Hause, sie war vom Stuttgarter Osten in den Westen eine Dreiviertelstunde unterwegs. Auf diesen Heimweg freute sie sich. Eine weitere Kollegin legte ihre Wege zur Arbeit und nach Hause gerne laufend (sie trainierte für einen Triathlon) mit Rucksack mit Steinen drin zurück. Ein Übergewichtiger Kollege entschloss sich, den 4-km-Weg zur Arbeit zu gehen, nahm ab und hat einen Sport daraus gemacht. Ein Kollege aus der Lokalpolitik bezeichnet sich selbst als leidenschaftlicher Fußgänger. Er wandert mit langen Beinen kilometerweit und raucht dabei Pfeife.

Der Spaziergangwissenschaftler Bertram Weisshaar wollte sich auf eine Wanderung vorbereiten und ging alle Wege zu Fuß. Soviel Zeit hätte ich gar nicht, kommentierten viele Menschen, wenn er das erzählt. Seine Erkenntnis: Das Gehen ist Ausdruck von Zeitreichtum. Man muss es sich leisten können, zu gehen. Die Armen fahren mit dem Auto.

Wer sich zum ersten Mal entschließt, einen 3-km-Weg zu Fuß zu machen, lernt nach zwanzig Minuten sein/ihr Schuhwerk kennen: Blasen, Druckstellen an den Zehen, zu viel Absatz, zu weiche Sohle. Wer viel zu Fuß geht, verbraucht Schuhsohlen (was immer noch billiger ist als Kraftstoff fürs Auto) tut aber viel für seine/ihre Mobiltiät im Alter, die man sich nur erhalten kann, wenn die Beine oft und lange für das gebraucht, wofür sie geschaffen wurden: das Gehen und Laufen. Etwa 8 km sollten wir pro Tag zu Fuß gehen, wenn wir unseren genetischen Anlagen als Bewegungstiere folgen würden.

Wenn ich zu Fußg gehe, langweile ich mich an endlosen Gebäudewänden oder Autostraßen entlang. Ich finde das Stehen auf Verkehrsinseln zwischen rasenden Autos in Asphaltwüsten ermüdend. Ich merke nicht, dass ich gehe, wenn es Schaufenster, Lokale oder Grünanlagen gibt, also Abwechslung und Kleinteiliges. Dann halte ich nach Vögeln Ausschau, sehe Mäuse und Insekten und habe Muße mir Ecken anzuschauen. Ich sehe aber auch viel Müll, schlecht gepflegten Asphalt und habe neben mir immer eine Wand geparkter Autos. Immer wieder muss ich stehen bleiben und warten, weil eine Fußgängerampel Rot ist und Autos queren. Ich sehe viel, fühle mich aber langsam. Ich ärgere mich über Autofahrer/innen, die ihre Autos auf Gehwegen abstellen oder nicht am Zebrastreifen halten, über diese extrem exzessive Vereinnahmung aller Flächen durch Autos. Ich denke immer, ich sollte mehr zu Fuß gehen. Aber so richtig Spaß macht es mir nicht. Und ich habe meist das Fahrrad dabei.

WIR MERKEN UNS:
Man kann durchaus weite Strecken gehen, aber wenn wir ehrlich sind, ist das Zufußgehen gut fürs eigene Stadtviertel und weniger eine Option für lange Strecken quer oder längs durch die Stadt. Da führt der Fußgweg dann zur Stadtbahn.

Fazit:

Nichts kann das Auto schlagen, was Privatsphäre und das Gefühl von Sicherheit  betrifft. Es ist abgeschlossen, panzert mich, ich kann darin machen, was ich will und niemand kommt an mich ran. Ich bin im eigenen Wohnzummer unterwegs. Und alles ist so organisiert, dass ich mit dem Auto schnell durchkomme. Manchmal stehe ich im Stau. Aber das macht nichts. Ich habe dann eine halbe Stunde Urlaub vom Kommunikationsstress und kann meinen Gedanken nachhängen. Stressig wird es nur, wenn ich pünktlich zu einem Termin erscheinen will. Oder wenn es Glatteis oder Schneechaos gibt. (Leider stecken dann Bahnen und Stadtbahnen auch im Schneechaos.) Und megastressig wird es, wenn ich keinen Parkplatz finde. Das Auto ist außerdem ein vergleichsweise billiges Verkehrsmittel (oder verlängertes Zuhause), weil es und seine Infrastruktur mit Unsummen subventioniert werden.

Nichts kann das Fahrrad schlagen, was Lebensfreude, Bewegungslust, Abtenteuer und unmittelbare Nähe zur Natur oder zur Stadtgesellschaft betrifft, durch die man gleitet. Es ist immer pünktlich, auf ihm verbindet man Mobilität mit eigener Bewegung, es erfrischt und es ist auf rund 5 km das schnellste Verkehrsmittel. Außerdem ist es auch dann noch das billigste Verkehrsmittel, wenn man sich ein vergleichsweise teures Pedelec leistet. Man gehört zu einer tapferen und leicht verwegenen Minderheit in unserer durch Autoheizung und Regungslosigkeit benebelten Gesellschaft. Wer bei Wind und Wetter radelt, erregt Bewunderung. Das Fahrrad ist ein Statement. Das gute Gewissen, sich umweltschonend zu verhalten, stärkt das Selbstbewusstsein. Aber leider muss man durchs Radfahren erst selbst entdecken, dass das Fahrrad in der Stadt als Verkehrsmittel unschlagbar ist und am meisten Spaß macht.

Und alles schlägt den Öffentlichen Nahverkehr. Er ist eigentlich zuverlässig und schnell, aber wir empfinden ihn auch als langsam, lückenhaft, pannenanfällig und sozial stressig bis ängstigend. Die öffentlichen Verkehrsmittel verlangen Sozialtoleranz und Sozialkompetenz. Wenm Frühlingsfest oder Volksfest ist, merken wir das sofort am bedirndelten und später besoffenen Publikum. Wenn es dumm läuft, sitzen wir zusammen mit anderen genervten Menschen in Waggons fest, manchmal (selten, aber es kommt vor) sogar stundenlang, ohne Licht, ohne Heizung oder Kühlung. Aber eigentlich ist der ÖV super bequem, ziemlich zuverlässig, sogar schnell, wenn man nicht umsteigen muss oder zu entlegeneren Orten fahren will. Er lockt durch sich selbst allerdings niemanden an. ÖV fährt man nur, wenn alle Alternativen unbquemer oder stressiger sind. Der ÖV ist übrigens vergleichsweise billig. Das allein macht ihn aber nicht attraktiv. Das 365-Euro-Ticket in Wien hat keine signifikante Steigerung der Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs gebracht.

Wie schlagen wir das unschlagbare Auto?
Wenn wir tatsächlich weniger Autoverkehr in den Städten und weniger Pendlerverkehr aus dem Umland haben wollen, reicht es nicht, einen kostenlosen Nahverkehr anzubieten und ein paar Fahrradwege oder Radstreifen dorthin zu legen, wo sie den Autoverkehr nicht stören. Gute und billige Angebote verändern zwar tendenziell ein bisschen was, aber nicht so grundlegend, wie wir das hoffen, schon gar nicht schnell. 

Eine Änderung im Monilitätsverhalten geht nur mit politischem Handeln, das auch Verbote und Einschränkungen vorsieht, die das Autofahren unattraktiv machen. Wenn Stress der Hauptgrund ist, auf ein anderes Verkehrsmittel auszweichen, dann müssen wir Autofahrenden mehr Stress machen als bisher. Autofahren muss richtig unattraktiv gemacht werden. 

Für die Änderung des Mobilitätsverhaltens braucht es immer einen äußeren Anlass und/oder eine persönliche Motiviation. Außere Anlässe für einen Umstieg vom Auto auf was anderes sind:
  • Fahrverbote
  • Parkplatzmangel
Und mnache, vermutlich nicht einmal wenige Menschen warten darauf, dass sie gezwungen werden, Rad oder Bahn zu nehmen. Sie warten auf Fahrverbote.

Und das Auto wird unbequem und stressig,
  • wenn es keine Straßenrandparkplätze in der Innenstadt mehr gibt
  • wenn Straßrenrandparkplätze drum herum richtig teuer sind
  • wenn die Strafen für Falschparken hoch sind
  • wenn Falschparken geahndet wird
  • wenn es in Wohnvierteln Bäume anstelle von Straßenrandparkplätzen gibt
  • wenn Innenstadtstraßen für Autos zurückgebaut oder ganz gesperrt werden.
  • wenn Durchfahrten durch Ortsteile und die Innenstadt nicht möglich sind (Einbahnstraßenführungen) und man immer dort wieder rausfahren muss, wo man reingefahren ist
  • wenn es keine grüne Welle für Autos gibt, sondern für Fußgänger/innen und Radfahrende
  • wenn in Innenstädten nur noch 30 km/h gefahren werden darf
Außerdem ist das Autofahren zu billig, gemessen an dem, was Autos die gesamte Stadtgesellschaft über die Steuern, die alle zahlen, kosten. Autofahren wird unattraktiver
  • wenn Pendlerpauschale für den Pkw bei der Steuer gestrichen werden
  • wenn die Kraftfahrzeugsteuern (etwa in Relation zum CO2-Aussoß und der Lärmemission) erhöht werden
  • wenn der fossile Brennstoff teurer wird
  • wenn Autofahrende über Steuern die wahren Kosten tragen müssen, die sie mit ihrem Fahrzeug verursachen. 
Der öffentliche Aufschrei und Aufstand der Autofahrer fällt milder aus nur dann, wenn die Angebote für Fahrräder und Nutzer/innen öffentlicher Verkehrsmittel gleichzeitig überdeutlich sichtbar und spürbar verbessert werden. Und wenn die Stadtkerne in lebendige und lebenswerte Räume umgewandelt werden.

Vor allem in ländlichen Raum muss die Bequemlichkeit des öffentlichen Verkehrs immens gesteigert werden, Busse und Regionalzüge müssen oft und direkt fahren. Bahnhöfe dürfen keine Angsträume sein. Bushaltestellen dürfen nicht einsam mitten im Nirgendwo liegen. Und entlang aller Landstraßen gibt es eine nutzbare Radinfrastruktur.

Das Fahrrad wird attraktiv
  • wenn es eine durchgehende Radinfrastruktur ohne Lücken und Angstsituationen an Kreuzungen gibt
  • wenn Radfahren nicht als gefährlich empfunden wird
  • wenn viele Rad fahren
Das ÖV-Fahren wird attraktiv
  • wenn die Taktzeiten auch abends und nachts kurz sind
  • wenn Bahnen und Busse auch zu entlegenene Orten (Sportvereinen, Schwimmbädern, Freizeitzielen) fahren
  • wenn es nicht als teuer empfinden wird 
  • wenn die Bahnen sauber und ordentlich aussehen und man sich auch als Frau sicher fühlen darf 
  • wenn eine Familie für die Hin- und Rückfahrt nicht mehr Geld ausgibt als man für zwei Stunden Parkhaus bezahlen müsste.

Nachbemerkung: Na und?, könnte man sagen, dann ist das Auto halt unser bequemstes Verkehrsmittel, das privateste und sozial isolierendste. Eine geniale Erfindung! Warum sollten wir das ändern? Hat sich doch bewährt. Ohnehin wird es bald elektrisch fahren und womöglich auch noch durch die Luft fliegen, autonom kreisen und geteilt werden. Radfahren, Bahnfahren und zu Fuß gehen ist ein Rückschritt.

Vielleicht würden wir diese Diskussion gar nicht führen, wenn die Autos nicht immer größer und breiter geworden wären und immer mehr Menschen in CO2-fatale SUVs umgestiegen wären, wenn sie nicht immer schneller fahren und ungeheuer aggressiv überall parken und den Raum von Fußgänger/innen und Radfahrenden besetzen würden, wenn es nicht diese fürchterlichen (wenn auch seltenen) Raserunfälle gäbe, bei denen gleich mehrere Menschen sterben. Wenn das Auto also nicht immer mehr Platz in Anspruch nehmen würde, während der Platz uns langsam ausgeht. Wenn nicht nachts die Tuning-Szene mit überlauten Motoren durch die Städte kreisen würde und uns den Nachtschlaf raubte.

Dem Auto fehlt jegliche Bescheidenheit
Wäre der Trend in den letzten Jahren zu kleinen und leisen Stadtautos gegangen, wäre man langsamer und rücksichtsvoller gefahren und hätten sich Autofahrende an die Regeln gehalten, vor allem die Parkregeln, wäre der Lieferverkehr zurückgegangen (hätte man unterirdische Liefersysteme gebaut) und wäre in kleinen Fahrzeugen unterwegs, dann wäre der Konflikt zwischen Autos und allen anderen Mobilitäten nicht so eskaliert.

Aber so ist es eben nicht. Autos nehmen ungeheuer viel Platz ein in einer Stadt, deren Straßen nicht breiter werden können, weil an ihnen Häuser stehen. Derzeit besitzt durchschnittlich jeder zweite ein Auto, das 23 Stunden herumsteht. Es wird nicht gehen, dass jeder ein Auto hat. Die, die Auto fahren, sind zudem darauf angewiesen, dass es viele andere nicht tun. Täten sie es, würde der Verkehr kollabieren. Neue Straßen kann man nicht bauen, erstens, weil die jeweiligen Anwohner/innen sofort heftige Proteste starten würden, zum andern, weil die Fläche endlich ist, nicht unendlich. Und wo eine Straße ist, auf der viele Autos fahren, wird die Gegend unattraktiv für Menschen.

Zudem leidet die Gesundheit einer ganzen Gesellschaft darunter, dass wir uns immer weniger selbst bewegen, dass Kinder nicht mehr selber zur Schule gehen oder radeln dürfen, dass und wir uns voneinander isolieren, statt miteinander auszukommen und soziale Kontakte aufzubauen. Selbst wer nicht Auto fährt, leidet am Lärm und an der Luftverschmutzung, stirbt sogar vorzeitig daran. Das Auto macht krank und einsam.

Die Produktion von Autos und ihr Betrieb ist aber auch - und das ist das Thema der Zeit - alles andere als nachhaltig, sie verbrauchen Ressourcen, für sie werden Erde und Landstriche ausgebeutet, Dörfer vernichtet, soziale Strukturen zerstört. Wir haben nur diese eine Erde, verbrauchen aber derzeit anderthalb, und in Deutschland zweieinhalb Erden pro Jahr. Die Erde wird uns überleben, denn sie kann ohne uns existieren, wir aber nicht ohne sie. Deshalb ist es nötig, dass wir daran arbeiten, dass wir unsere Bewegungsfreiheit allemal in Städten nicht auf höchstem energetischem Nivau ausleben, sondern auf einem deutlich niedrigeren. Autos stören dabei enorm.

17 Kommentare:

  1. Liebe Christine,
    ich gebe Dir bei vielen Dingen recht.
    Was aber machen Leute, die in einem Nicht-Ballungsraum wohnen? (die meisten Initativen gegen Auto kommen aus großen Ballungsräumen mit relativ gutem ÖPNV-Netz (B, HH, M, K, D, S...).
    Die sind aufs Auto angewiesen. Sieh Dir doch mal die Berichte an, bei denen über Fahrdienste, Mitnahmeprojekte etc. berichtet wird. Das organisieren Leute mit Auto(!) für Leute ohne Auto(!), weil die ohne Auto nicht mehr weg kämen. Es hapert an den Alternativen, an ÖPNV, an Anbindung. Wer auf dem Land wohnt, kämpft mit fehlendem ÖPNV, fehlender Nahversorgung, fehlender ärztlicher Versorgung, fehlenden Schulen und Kindergärten. Alles irgendwo erreichbar - mit AUTO(!). Wenn man in die Stadt ziehen will, kann man das Wohnen dort nicht mehr bezahlen. Und ja, ich gebe Dir recht, dass man nicht die ganze Stadt mit Autos zustellen kann. Aber vertreiben hilft nicht, es müssen schlüssige Konzepte her. Erst die Alternative, dann "vertreiben". Und ehrlich, kommt man sich nicht verar.. vor? Unser Verkehrsministerium hat Jahrzentelang nur das Auto propagiert, die Bahn heruntergewirtschaftet, den ÖPNV vernachlässigt. Und nun soll man das Auto verteufeln und nur noch mit dem ÖPNV fahren? Dem ÖPNV, der jetzt schon an der Kapazitätsgrenze ist, bei dem man mittags mehrere Bahnen abwarten muss, bis man mitkommt? Mein Mann ist drei Jahre ÖPNV gefahren. Er hat es aufgegeben, weil er nicht mehr in übervollen Bahnen rumstehen wollte, weil er nicht mehr mehrere Bahnen abwarten wollte bis er mitgekommen wird. Frau eines Kollegen hat es aufgegeben, weil sie, als Kranenschwester mit Nachtdienst, nicht mehr nachts von Besoffenen in der Bahn angepöbelt werden wollte, weil sie nicht mehr körperlich angegangen werden wollte. Kann ich alles verstehen. Was machen beide heute? Sie fahren mit dem Auto und sie werden nicht mehr zurück umsteigen.
    Wenn wir eine verkehrswende wollen, müssen wir die Alternativen schaffen und nicht eine Verkehrsart vergrämen und alle davon Betroffenen im Regen stehen lassen. Es kann nicht jeder mit dem Rad fahren. Mir zum Beispiel fehlt die sichere Strecke. Ich bin die Strecke einmal mit dem Rad gefahren, eine Zumutung, schlecht ausgeschildert, wenn ein Hinweis, kreuz und quer, mal rechts mal links der Landstraße, schlecht beleuchtet, Radwege hinter Lärmschutzwänden, zwischen Kleingärten. Im Dunkeln, als Frau, alles viel zu unübersichtlich. Die Alternativen, genauso unbeleuchtet, quer übers Feld, ungeteert, einsam. Das können sportlich ambitionierte Einzelkämpfertypen mögen, ich als Frau will von A nach B und das möglichst zügig, sicher und ohne Belästigung.
    Wir brauchen eine gescheite Verkehrswende, mit gescheiten Linien und mit mehr Kapazität und mehr Komfort, dann wirds vielleicht auch was.
    Ich schaue regelmäßig in der Linienauskunft des ÖPNV, ob sich was geändert hat, damit ich vielleicht umsteigen könnte. Aber, nichts. Wir haben in 800m Entfernung einen Straßenbahnhalt, den ich nutzen könnte. Problem: kein Übergang über die parallele Bahnlinie, Umweg zu Fuß: 3km. Wirklich keine Einladung.
    Fazit regelmäßig: Auto: 20-25min, ÖPNV: 1:20-1:30, Rad: ca. 1h (ohne E) und selbst bei der ÜPNV-Abfrage bekomme ich als Alternative Carsharing angezeigt: 40 min (20min zu Fuß zum Carsharing, 20min Fahrt!)
    Was signalisiert mir das? Auto
    Gruß
    Karin
    (P.S. in die Stadt und bei uns im Ort fahre ich mit dem Rad, ist schneller, bequemer, man hat kein Parkplatzproblem und trifft auch noch Bekannte)

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    1. Liebe Karin, geneau dieses Dilemma schildere ich ja: Frauen müssen im öffentlichen Raum sicher unterwegs sein, sonst nehmen sie das Auto. Ich bin übrigens früher zum Frühdienst beim SWR um vier Uhr mit dem Fahrrad gefahren, war super schön, und ich hatte die Straßen für mich. Aber würde ich auf dem Land wohnen und müsste einsame Wege entlang dunkler Landstraßen radeln, würde ich das auch nicht nachts machen. Das ist eben der Punkt, den ich hier auch beschreibe: Die Alternativen sind voller Hässlichkeiten, Unbequemlichkeiten, Angst-Stellen und so weiter. Kein Wunder, dass so viele SUV fahren.

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    2. Ralph Gutschmidt5. Februar 2020 um 12:41

      Liebe Karin,

      Dein Argument kommt mir so vor, wie ein Ertrinken der, der aber das war nicht ablaufen lässt, weil er Angst hat, zu verdursten.

      Wir nutzen heute das Auto in einem geradezu absurden Übermaß. Es kann ohne weiteres um die Hälfte reduziert werden, ohne an Lebensqualität einzubüßen. Und wenn wir nur noch ein Drittel der heutigen Autos haben, dann können wir vielleicht darüber reden, ob wir nicht doch noch welche brauchen, um Mobilität sicher zu stellen.

      Selbst wenn die Autohasser in der Regierung absolute Mehrheit hätten, würde das noch zwanzig bis dreißig Jahre dauern.

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  2. Liebe Christine,

    vielen Dank für den guten Artikel. Ich kann die Verkehrsträger in Stuttgart gut vergleichen, denn außer einigen Pedelec haben wir auch zwei Autos, und weil der Arbeitgeber meiner Frau kostenlos ein übertragbares Jahresticket Plus für den VVS draufgelegt hat nutzen wir auch regelmäßig die Stadtbahnhaltestelle vor der Haustür.
    Innerhalb von Stuttgart nehme ich fast nie das Auto. Ich fahre gern mit dem Rad, etwa zum Einkaufen von Vaihingen runter in die City. Wenns es mal regnet, nehme ich stattdessen die Stadtbahn.
    Zum Pendeln nehme ich bei fast jedem Wetter das Rad, für Fahrten ins Grüne und in den Urlaub nehme ich unser großes Auto. Es hat einen Vorteil, den Du nicht bedacht hast: es kann 4 Fahrräder für die Famile und einen Kubikmeter Spielzeug für den Strand nach Italien transportieren. Da ist es tatsächlich unschlagbar - sonst nirgends.

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    1. Stimmt, mit Urhlaubsfahrten hatte ich mich nicht beschäftigt. Im Grunde geht es auch nicht darum, das Auto generell abzuschaffen, für weite STrecken mit viel Gepäck ist es wirklich unschlagbar, sondern darum, dass wir uns überlegen, wann wir damit fahren und wann nicht doch eher mit dem Fahrrad, so wie du das machst.

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    2. Moin Carsten, wenn du gerne für ein oder zwei Wochen im Jahr mit einem großen Schlitten über die Alpen schipperst, warum erfüllst du dir den Wunsch nicht mit Hilfe der Autovermietung deines Vertrauens? Bei nur zwei Wochen im Jahr unschlagbar billig verglichen mit dem Autohändler, und du kannst jedes Jahr das neueste Modell probieren. Gruß von Martin

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  3. Der gestrige Tag hat gezeigt, wie anfällig der ÖPNV ist: Ein gewöhnlicher Kabelbrand, ein bischen Rauch- und der ganze Bahnhof ist für Stunden außer Betrieb. Ob das nun Not tut oder maßlos überzogen ist- es ist, wie es ist: nicht verlässlich. Das kann man vom Fahrrad eben nicht behaupten. Und nur vom Fahrrad.

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  4. Die Autoverliebtheit der Stuttgarter konnte ich ehrlich gesagt noch nie so ganz nachvollziehen.
    Ich komme ursprünglich aus einem kleinen Dorf in Oberschwaben und Autos bedeuten dort Mobilität. Wenn nur zweimal am Tag ein Bus durch die Ortschaft rollt ist das Auto bei einem Arbeitsweg von rund 30 km alternativlos. Man braucht ein Auto, um seinen Alltag zu bestreiten. Das hat dort nichts mit "Freiheit" oder "privatem Raum" zu tun, sondern ist schlichtweg eine Notwendigkeit.
    Seit ich in Stuttgart lebe hatte ich noch nie den Wunsch ein Auto zu besitzen. Alle Ziele konnte ich immer gut mit öffentlichen, zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichen. Wenn es doch mal nötig ist, bieten Mietwagen und Carsharing eine gute Ergänzung. Meinen Alltag kann ich hier aber sehr gut auch ohne Auto bestreiten. Tatsächlich finde ich Autos in der Stadt unendlich umständlich. Man darf maximal 50 fahren, steht im Stau und findet nie einen Parkplatz. Ich denke, ich bin da zu pragmatisch. Für ein "Lebensgefühl" möchte ich keine mehrere tausend Euro zahlen...

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  5. Siegfried Walter5. Februar 2020 um 13:44

    Autos an sich stören nicht in der Stadt. Ohne Autos würde vieles überhaupt nicht funktionieren:
    - Lebensmittelversorgung (besonders Getränke)
    - Versorgung mit Haushaltsgütern aller Art (Einrichtungsgegenstände, Maschinen, ...)
    - Arzneimittelversorgung (Belieferung der Apotheken, Krankenhäuser, Sanitätshäuser, ...)
    - Belieferung der Kaufhäuser und der sonstigen Geschäfte
    - Lieferung von Gütern an Gewerbetreibende (Kopierpapier, Ordner, ...)
    - und, und, und
    Gar nicht zu reden davon, dass auch die Rettungsdienste, Pflegedienste & Co. auf das Auto angewiesen sind. Die Feuerwehr wird ebenfalls niemals mit dem Fahrrad oder E-Bike zum löschen vorbei kommen, der Notarzt ebensowenig.
    Und Baumaterial aller Art wird man ebenfalls nur mit dem Auto zur Baustelle befördern können, ausser es gibt unmittelbar neben der Baustelle einen Zughalt. Und Busse könnten ebenfalls nicht mehr im bisherigen Umfang fahren.
    Würde man also den Autofahrern die Strassen wegnehmen oder sehr stark begrenzen, dann würde alles oben aufgeführte (und noch viel mehr) nicht mehr funktionieren. Man wird es nicht bewerkstelligen können eine oder mehrere Strassen nur bei Bedarf "aufzuklappen" und nach dem Einsatz wieder wegzuräumen. Es bliebe dann nur noch der Luftweg.
    Es ist schon ein guter Weg das Auto zu elektrifizieren. Zwar nicht bei der Herstellung, dafür aber bei der Benutzung - Stichwort Schadstoffausstoss. Strassen benötigen Elektrofahrzeuge trotz allem, ausser die Option "fliegen" wird bei Kauf mit ausgewählt.

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    1. Du irrst dich, Siegfried Walter. Wenn weniger Autos fahren würden, wenn vor allem Privatleute nicht mehr mit ihrem Auto überallhin fahren würden, kämen die Handwerker besser durch, der Rettungsdienst sowieso, die Arzneimittelversorgung würde besser klappen, denn alle die stünden nie im Stau. Pflegedienste müssen übrigens auch gar nicht überallhin mit dem Auto fahren, das Fahrrad ist da auch gut und erfrischt die Pflegedienstleistenden auch noch (manche Pflegedienste planend das), auch der Handel kann viele Dinge mit Lastenrädern liefern, es gibt in STuttgart einen STeinmetz, der am liebsten mit dem E-Lastenrad zu seinen Kund/innen in den Westen fährt, denn da kriegt er einen Parkplatz. Und schon in meiner Kindheit konnte man sich Getränke liefern lassen , und wer den Lieferdienst nicht will, könnte ein E-Lastenrad nehmen oder eben das eigene Auto. Du hast auch nicht verstanden, dass es nicht darum geht, das Autofahren zu verbieten, sondern darum, die privaten Autofahrten (2 km zum Friseur, 1,5 km zum Laden, 4 km zur Arbeit) zu verringern. Auf fünf Kilometern ist man mit dem Fahrrad immer schneller als mit jedem anderem Verkehrsmittel, und gut tut es einem auch noch, wenn man sich ein bisschen draußen bewegt. Würden jeden zweiten unserer Wege zu Fuß oder mit dem Fahrrad machen, hätten wir bereits eine Halbierung des privaten Autoverkehrs, und alle Handwerker, Rettungsfahrer, Taxifahrer und Pflegedienste wären froh und dankbar, dass sie nun endlich auch durchkommen. Anlieferer für Baustellen auch, eigentlich alle. Es geht um diese privaten Fahrten auf kurzen Strecken für alle, die sich selbst bewegen können.

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    2. Und wer für seinen wöchentlichen Großeinkauf kein Lastenrad kaufen will und auch keins ausleihen kann, weil er nicht in der Nähe einer Verleihstation wohnt, der kauft sich einen guten Fahrradanhänger zum Zehntel des Preises eines Lastenrads und hängt ihn bei Bedarf an sein vorhandenes Fahrrad oder Pedelec ran. Gruß von Martin

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    3. Siegfried Walter6. Februar 2020 um 10:27

      Teilzitat Frau Lehmann:
      "Du hast auch nicht verstanden, dass es nicht darum geht, das Autofahren zu verbieten ..."

      Weshalb stehen in dem Artikel dann Aussagen (Forderungen) wie folgende:
      "wenn Innenstadtstraßen für Autos zurückgebaut oder ganz gesperrt werden."
      "wenn Durchfahrten durch Ortsteile und die Innenstadt nicht möglich sind."
      "... hätte man unterirdische Liefersysteme gebaut ..."
      ?
      Das zielt eindeutig in Richtung Verbot und soll den Autofahrenden die Möglichkeit nehmen von A nach B zu kommen! Es würde ebenso die Rettungsdienste, die Zulieferer, die Handwerker, die Müllabfuhrbetriebe, die Taxen, die Busse, die Nahversorger, und und und treffen! Oder bekommen die dann alle einen Schlüssel um die Absperrungen zeitweise zu entfernen?

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    4. Nein. Krankenwagen, Feuerwehr und Polizei kann immer überall reinfahren, auch in Fußgängerzonen. Bei Pollern haben die Schlüssel oder RFID-Chips. Sowas ist geregelt. Handwerker können immer eine Ausnahmegenehmigung beantragen, wenn sie in ein autofreies Gebiet müssen. Am Rand eines solchen Gebiets gibt es ausgewiesene Lieferzonen für die Zeiten, wo der Lieferverkehr nicht mehr rein darf (in der Regel darf er von 18 bis 11 Uhr liefern), Müllabfuhr darf ja eh über all rein, Behindertenparkplätze bleiben erhalten und dürfen angefahren werden und so weiter. So wie du dir das vorstellst, ist es in der Realität eben nicht. In die Innenstadt muss man in den allermeisten Fällen (sicherlich in 90 Prozent) nicht mit dem Privat-Pkw reinfahren. Es gibt Bahnen und es gibt an den Rändern Tausende von Parkplätzen in Parkhäusern. Eine Ortsdurchfahrt- gemeint ist der meist alte Ortskern einer Stadt - wird dadurch unmöglich gemacht, dass man immer dort rausfahren muss, wo man reingefahren ist. Damit haben andere Städte (z.B. Delft) gute Erfahrungen gemacht. Die Innenstadt wird dann von Fu0ßgänger/innen und Radfahrenden vermeht aufgesucht, sie ist voll, und die Leute kaufen mehr ein als Autofahrende (die kaufen ja eher wenig). Aus wirtschaftlichen Gründen ist autofreiheit eigentlich notwendig, wenn man die Innenstädte retten will.

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    5. Siegfried Walter6. Februar 2020 um 12:44

      Ich gebe ihnen einfach mal ein Bespiel (von sehr vielen) aus meinem Alltag. Wir beliefern Anwalts- und Steuerberatungskanzleien (den kompletten Tag über) auch in der Innenstadt mit Verbrauchsmaterial. Wir halten z.B. 2.000.000 Blatt Kopierpapier am Lager, welches wir i.d.R. binnen 3 Wochen in Chargen zu den Kanzleien bringen. Von 10.000 bis 100.000 Blatt pro Lieferung ist alles vertreten. Ohne Lieferwagen und LKW wäre das 1.) unmöglich 2.) unbezahlbar. Die Marge liegt deutlich unterhalb von 10%. 40 Fahrten mit Lastenfahrrädern, anstatt einer mit dem LKW, wären nicht nur zeitlich sondern vor allem kostenmässig ruinös. Es sei denn sie stellen mir Lastenradfahrer, welche mit 3 Euro pro Stunde zufrieden wären. Und wenn wir zukünftig an die Kanzleien nicht mehr herankommen mit unserem LKW auch Nachmittags, dann bedeutet dies mit dem Hubwagen über schmale Gehwege die Ware anzuliefern.

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    6. zwischen 18 und 11 Uhr sind die meisten Fußgängerzonen für den Lieferverkehr frei.

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    7. Siegfried Walter6. Februar 2020 um 13:47

      Das hilft mir nicht viel, wir liefern von 7:30 - 16:30 Uhr, siehe auch oben.

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    8. Frau Lehmann schrieb:
      "Aus wirtschaftlichen Gründen ist autofreiheit eigentlich notwendig, wenn man die Innenstädte retten will."

      Das lese ich vor allem hier oft, richtig wird es dadurch aber nicht! Einige Städte haben das bereits erkannt, z.B.: Itzehoe, Neumünster, Stadthagen, Borna, Northeim, ... Hier dürfen auch Autos wieder in die Innenstadt, alle Experimente bezüglich "autofreier Innenstadt" sind gescheitert.

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