21. April 2020

Fahrt mit Lastenrädern niemals auf dem Gehweg!

Lastenfahrräder sind schwer.  Sie gehören unter keinen Umständen auf Gehwege.

Prallt man mit so einem schweren Rad auf einem Fußgänger oder eine Fußgängerin, dürften erhebliche Verletzungen die Folge sein. Die Kästen oder Rahmen vor dem Lenker wirken wie ein Panzer oder wie eine Stoßstange. Der Fahrer des E-Lastenrads stürzt vielleicht auch selbst (bei Dreirädern nicht einmal das), aber der Rahmen hat vorher die Beine der Fußgänger/innen empfindlich getroffen. Die sind immer ohne Stoßstangen oder Panzer unterwegs. Und der Gehweg ist ihr Schutzraum.

Darauf hat mich Blogleser Matthias aufmerksam gemacht.
Er schreibt: "Als ich gerade bei Dunkelheit durch Feuerbach gegangen bin, habe ich auf der gegenüberliegenden Straßenseite eine Radfahrerin gesehen, die volles Rohr mit ihrem Lastenrad die Straße entlang geheizt ist. Auf dem Gehweg! Wer da im falschen Moment aus dem Haus getreten wäre, wäre im Krankenhaus gelandet. (...)  Sicherlich war der Radlerin nicht bewusst, welche Gefahr von ihr ausgeht, aber die Entscheidung für den Gehweg war sicher bewusst getroffen."

Vermutlich sogar aus guten Gründen, weil eine Radinfrastruktur auf der Fahrbahn fehlt. Und hier offenbart sich ein großes Manko in Stuttgart (und anderen Städten). Es fehlt auf unseren Fahrbahnen der Schutzraum für Radfahrende. Und Eltern mit ihren Kindern im Lastenrad trauen sich oft nicht, sich auf der Fahrbahn den Stellungskampf mit Autofahrenden zu liefern, denn sie haben kostbare Fracht (siehe auch Foto ganz oben). Wo aber radeln, wenn man entweder vor Autos geworfen oder auf den Gehweg komplimentiert wird?

Allerdings ist das Radeln auf dem Gehweg riskant. Ich habe selber mal fast einen Mann auf meinen Vorderreifen genommen, der aus einer Haustür trat. Er erschrank, ich erschrank, er entschuldigte sich sogar, obgleich ich komplett im Unrecht war. Das war vor vielen Jahren und hat bei mir augenblicklich zu der Einsicht geführt, dass ich auf Gehwegen an Haustüren entlang unter allen Umständen langsam radeln muss, am besten gar nicht.

Am Straßenrandoder wäre viel Platz gewesen.
Wer mit dem E-Lastenfahrrad unterweg ist, sollte sich klar machen, dass diese Räder zu breit und zu wuchtig für Gehwege sind. Wo der Gehweg nicht freigegeben ist, sollte man wirklich mit dem Lastenrad auch nicht fahren, auf fregegebenen sollte man es sich grünlich überlegen. Ohnehin gilt auf Gehwegen Schrittgeschwindigkeit. Gehwege sind das Gebiet der Fußgänger/innen, sie sind nicht gezwungen, damit zu rechnen, dass ein Lastenrad (oder irgendein Fahrrad) kommt, wenn sie aus dem Haus treten. Sie rechnen auch nicht damit, denn der Tritt aus der Haustür auf den Gehweg darf im guten Glauben geschehen, dass auf Gehwegen nur Fußgänger/innen im Fußgängertempo unterwegs sind.

Die Gefahr hat ein Cargo-Bike-Hersteller erkannt. Er polstert den Ramen mit Schaumstoff. Nach meiner Einschätzung mildert das den Aufprall auf die Beine von Fußgänger/innen aber nicht wesentlich. Und wenn sie stürzen, drohen ihnen auch Kopfverletzungen.

Nachbemerkung: Hier geht es nicht um andere Gehwegradler, sondern darum, dass wir uns bewusst machen, dass E-Lastenräder schwerer und gefährlicher sind als Normalräder, und unser Verhalten danach ausrichten. Wir müssen in den Kommentaren also nicht das Gehwegradeln allgemein skandalisieren. Das thematisiere ich mal in einem anderen Post.


8 Kommentare:

  1. Übrigens tun sich beim Fahren mit dem Lastenrad auf dem Gehweg besonders die Zustelldienste hervor.
    Ich bin fast schonmal von so einer rasenden Dame angefahren worden. Auf meinen Hinweis "dies ist ein Gehweg" hat sie mich nur dumm angeschaut.
    Ich denke allerdings es ist wie bei allem. Es ist nicht der "E-Lasten-Rad-Fahrer*in" es ist der Mensch der draufsitzt und sich keinerlei Gedanken über sein Handeln macht. Bei manchen scheint es auch am schieren Wissen zu scheitern, bei vielen ist es schlichtweg Ignoranz und Egoismus.
    Es besteht auch keinerlei Gefühl für Sicherheit, weder für die eigene und schon garnicht für andere.
    Ich würde wirklich gerne mal Radfahrer ansprechen, die sich so eklatant falsch verhalten. Vermutlich werde ich dann irgendwelchen Schwachsinn zu hören bekommen und, natürlich, Beleidigungen ernten.
    Solange der Kontrolldruck für solches Verhalten nicht erhöht wird, wird sich nichts ändern.
    Karin

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  2. Hallo Christine,

    und was tun bei einem benutzungsflichtigen, gemischten Rad/Gehweg (Zeichen 240), der direkt an den Eingangstüren von Wohnhäusern vorbeiführt? Diese Planung ist doch schon beinahe Körperverletzung!
    Beispiel: Der Radweg der Augsburger Straße von Untertürkheim in Richtung Cannstatt führt ab der Dietbachstraße auf dem Gehweg vor den Häusern vorbei.
    Man kann natürlich ganz außen auf dem Gehweg fahren, aber das geht auch nur dann, wenn kein Radler oder Fußgänger entgegenkommt.
    Ich fahre dort immer langsam und mit den Fingern bremsbereit am Bremshebel.

    Alexander Müller

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  3. Dies ist wohl auch (natürlich nicht nur) ein Generationenproblem. Selber gehöre ich zu einer Generation, die noch zu einer Zeit groß geworden ist, als es viermal weniger Autos in Deutschland gab. Natürlich fuhr man auf der Straße, denn Radwege gab es eigentlich nicht. So gewöhnte man sich in einem Umfeld von höherer subjektiver Sicherheit als heute daran, dass der normale Platz eines Radlers auf der Straße ist, eine Gewohnheit, die ich beibehalten habe.
    Wie ich an anderer Stelle schon beschrieben habe, kostet es allerdings selbst mich als Viel- und Weitradler, sehr informiert über den Radverkehr und ein überzeugter Verfechter desselben, vielleicht auch aus Altersgründen heutzutage immer mehr mentale Kraft, mich auf der Straße zu behaupten.
    Wer allerdings das Radfahren erst in einem Kontext von 60 Millionen Automobilen in Deutschland gelernt hat, und das ist der Fall der aktuellen Generation von Eltern mit kleinen Kindern, die nun Kinder mit Lastenr¨Padern transportieren, oder von Fahrern bei Kurierdiensten, der hat oft auch das Gewegradeln als normal gelernt, da auf der Straße die subjektive Sicherheit eben nicht mehr existiert.
    Dass es soweit kommen konnte, ist natürlich die Tragik, und die Schlüsse daraus sind auch klar, massive Reduktion des Autoverkehrs durch einschneidende Maßnahmen, eine umfassende, hervorragende Radinfrastruktur (vor dem Hintergrund einer allgemeinen Strukturpolitik, die unser Land wieder vom Kopf auf dei Füsse stellt). Doch wer hat wirklich den politischen Willen dazu?

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  4. Wichtiger Artikel.
    Ich fürchte allerdings es ist ein längst aussichtsloses Unterfangen die Gehwege vor Lastenrädern zu 'retten'.
    Das ist doch längst fester Bestandteil der Planung. Seit langem werben Lastenradlogistiker und Cargobike-StartUps mit der praktischen Eigenschaft dieser Räder im Ggs. zu LKW/Sprintern keine Parkplatzprobleme zu kennen, sich schneller durch die Stadt bewegen zu können (Gehwege, Parks, ggf. Fahrbahnen, etc.) und zur 'Stauentlastng' (was bekanntlich dann zu NOCH mehr Autoverkehr führt) beizutragen.
    Das passt auch gut ins Gesamtkonzept, wo sich gerade in den Städten verstärkt zeigt, dass steigender Lieferverkehr den Autoverkehrsfluss mit seinen immer weiter steigenden Autozahlen und mit der steigenden Fahrleistung ausbremst.
    Eine win-win-win Situation für Bike-StartUps, Autoplaner/bauer und die Amazon-Branche, die immer mehr Konsumplunder mit immer gigantischeren weltweiten Lieferketten umschlägt. Praktisch auch, dass bald Menschen aus der 'Reservearmee' eingestellt werden können, die es nicht geschafft haben die finanzielle Hürde 'Führerschein' zu überwinden weil sie zum verarmten unteren Viertel unserer 'uns-gehts-doch-gut' Wohlstandsgesellschaft gehören.
    https://onomotion.com/de/
    Wir sollten lernen, dass - nur weil das Wort 'bike' im Geschäftsmodell vorkommt - dieses nicht automatisch dem Gemeinwohl dient, sondern durchaus kompatibel sein kann zur weiteren Automobilisierung, wie es ja auch die Geschichte der Radwege und die automobile Geschichte der 'Radwegeländer' zeigt.
    Auch eine verstärkte Plünderung des Planeten (mehr Effizienz bei der Verteilung des 'fast-fashion-Plunders' aus den Kindernähfabriken) und
    eine verstärkte sozialen Spaltung (verschärfte Standortkonkurrenz durch effizienteren Verkehr sowie Prekarisierung in der Warendistribution nach dem Motto 'Vom Fachverkäufer zum Niedriglohnzusteller') ist nicht schon allein dadurch ausgeschlossen, dass jetzt ein 'bike' eingesetzt wird.
    Auch das Fahrrad kann innerhalb der Logik von Verkehrseffizienz und Renditenmaximierung dazu beitragen die Welt ein Stückchen schlechter zu machen, so lautet wohl die traurige Erkenntnis aus einigen Trends bei der an sich sehr positiven Entwicklung hin zum Lastenrad.
    Es kommt halt darauf an, ob das autogerecht eingepflegt wird (siehe Radverkehrsseparation), oder ob das Fahrrad als Gegenmodell zur automobilen Gesellschaft mit seinem zweifellos vorhandenen Potential für eine soziale / ökologische echte Verkehrswende positioniert werden kann.
    Gegenwärtig sieht es eher danach aus, dass die meisten 'Fahrradtrends' in die weiteren Wachstumsschübe des Automobilismus integriert werden können, oder (siehe die 'neue Radwegbewegung') sie sich bereitwillig selbst integrieren.
    Immerhin sehr gut, dass die 'Radbubble' beginnt die Wichtigkeit des Fussverkehrs anzuerkennen und sich, zwar oft vergeblich, gegen die Binnenkonkurrenz im Umweltverbund auszusprechen beginnt.
    Alfons Krückmann

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  5. Ein Fahrrad hat meiner Meinung nichts auf dem Gehweg verloren, Schluss aus basta . Und die Kommunalpolitik hat dafuer zu sorgen , dass entsprechende Lösungen entwickelt werden . Radwege
    sichere Gehwege und Verkehrsalternativen.

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    1. Der Meinung bin ich auch, leider schickt die Stadt Stuttgart, und nicht nur die, zum Leidwesen der Radfahrenden selber, uns immer wieder auf Gehwege oder gibt sie frei, weil auf der Fahrbahn nebendran zu viele aggressive Autofahrende unterwegs sind, die das Radfahren zu Hölle machen. Es ist der Autoverkehr, der die Radfahrenden auf die Gehwege abdrängt und dafür sorgt, dass sich Fußgänger:innen und Radfahrende um den wenigen Platz dort streiten. Es wäre dingend an der Zeit, dass die Radfahernden Unterstützung von den Fußgänger:innen bekommen, die beispielsweise Radfahrstreifen fordern könnten, statt gegen sie zu protestieren, weil sie dann ihr Auto dort nicht mehr parken können. Leider verbünden sich nämlich Fußgänger:innen (weil sie selber auch Auto fahren) ganz schnell mit den Autofahrenden gegen eine angemessene Radinfrastruktur.

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  6. Lastenraeder haben auf dem Gehweg nichts zu suchen . Die Radwege sollten von den Bürgersteigen getrennt verlaufen.
    Wo dies nicht möglich ist , müssen halt die Radfahrer absteigen und ihr Fahhrad schieben .

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    1. Das ist leicht gesagt. Ein Lastenfahrrad kann man nicht schieben, auch geschobene Fahrräder brauchen deutlich mehr Platz auf einem Gehweg als ein langsam gefahrenes. Und es ist eben so, dass nur weil dem Autoverkehr kein Platz weggenommen werden soll, Radfahrende mit Fußgänger:innen zusammengesperrt werden. Und es ist auch nicht denkbar, dass Radfahrende ihr Fahrrad über einen Kilometer auf einem erlaubten Gehweg schieben. Dann könnten sie auch gleich zu Fuß gehen. Es wäre hingegen gut, wenn ihr, die ihr keine Fahrräder mögt, mit uns zusammen politisch dafür kämpft, dass überall Radfahrstreifen auf Fahrbahnen kommen, die dann eben den Autoverkehr auch einschränken, ihm eine Fahrspur wegnehmen, Parkplätze wegnehmen oder den Autoverkehr zum Langsamfahren zwingen. Fahrräder gehen nämlich nicht weider weg, sie sind da und sie werden immer mehr.

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