Berlin führt auf der für Autos gesperrten Friedrichstaße eine Geschwindigkeitsbegegrenzung für Fahrräder ein. Berlin ist der Meinung, damit Neuland zu betreten.
Aber wir in Stuttgart haben schon lange ein Tempo-20-Schild nur für Radfahrende stehen, nämlich in der Lautensschlager Straße, wenn man von der Bolzstraße her gegen die Einbahnrichtung fährt. Das Foto oben habe ich 2014 aufgenommen. In Berlin will man die Radler:innen auch kontrollieren. Allerdings radeln eh die meisten dort nicht schneller als 20 km/h (Berlin ist keine Stadt der Pedelecs wie Stuttgart) und würde man mit Messgeräten kontrollieren, müssten sie eine Toleranz von 10 km/h einrechnen und der Radler schon mit mehr als 30 km/h unterwegs sein. So schnell fahren höchsten eins paar Renndadler:innen in einer Innenstadt.
Die große Frage ist aber: Gilt für Radfahrende eine Geschwindigkeitsbegrenzung? Kurioserweise legt nämlich unsere StVO für Fahrräder keine konkrete Geschwindigkeitsbeschränkung innerorts fest. Das gelbe Ortsschild, das allen Autofahrenden sagt, ab jetzt nur noch 50 km/h, hat für Radfahrende keine Gültigkeit. Theoretisch könnten wir mit achztig durch einen Ort brettern, schaffen wir halt bloß nicht mit dem Fahrrad. Steht aber ein Schild mit einer Tempobeschränkung da, Tempo 30 oder Tempo 20, dann gilt es auch für Radfahrende. Denn eine Stadt kann aus guten Gründen, den Verkehr verlangsamen (StVO § 45), und weil Fahrräder Teil des Verkehrs sind, müssen sich ihre Fahrer:innen daran halten. So gilt zum Beispiel auch für uns Radfahrende in der Tübinger Straße im Abschnitt zwischen Gerber und Rotebühlplatz wie für alle Autofahrende Tempo 20.
Die üblichen stationären Blitzer können zwar auch Radfahrende blitzen,
aber die Verwaltung kann in der Regel den Fahrer oder die Fahrerin nicht
ermitteln (es sei denn, sie oder er ist öffentlich bekannt), und deshalb wird
es eher keinen Bußgeldbescheid geben. Die Polizei muss sich da schon mit
einem Tempomessgereät hinstellen und den Radler gleich rauswinken.
Allerdings müssen Fahrräder keine Tachos haben. Ein Radfahrender muss nicht seine genaue Geschwindigkeit kennen. Bei der gefühlsmäßigen Abschätzung kann man sich durchaus um ein paar Stundenkilometer irren. Auch der Tacho kann ungenau sein. Hat man ihn sich selber rangebastelt, kann er auf eine falsche Reifengröße eingestellt sein oder er geht aus anderen Gründen ungenau. Auch deshalb muss die Polizei bei einer Konztrolle eine Toleranz von 10 km/h einrechnen.
Ein gewisses Gefühl für die eigene Geschwindigkeit vermittelt einem ein Fahrrad allerdings gut, sogar ein Pedelec. Ich weiß genau, wie schnell ich bin, ich merke es am Fahrverhalen bergab und an meiner Trittfrequenz. Aber ich muss es nicht merken. Die StVO zwingt mich nicht dazu zu wissen, wie schnell ich mit meinem Fahrrad bin. Wenn allerdings ein Radfahrer auf der Neuen Weinsteige bergab ein halbes Dutzend Autos überholt, dann weiß er schon genau, dass er schneller ist als die erlaubten 40 km/h, und dürfte bei der Argumentation einer Polizeistreife gegenüber Schwierigkeiten haben.
"Radfahrende", "Radler:innen", Fahrer:innen (wie spricht man das?) - das muss nicht sein. ("Ein Radfahrender" - hier klappt das entstellte Deutsch nicht mehr.) Interessanter Blog, möchte aber nicht meine Sprache verlernen...)
AntwortenLöschenSprache ist stets im Fluss. Es geht also nicht darum, sie zu verlernen, sondern Aenderungen zu erlernen, als andauernden Prozess.
LöschenWie geschlechtsspezifische Ausdruecke ersetzt werden koennen, beschaeftigt mittlerweile den Duden:
https://www.duden.de/sprachwissen/sprachratgeber/gendern-komposita-personenbezeichnungen
Gruss - Matthias
Achtung, den Verfechtern einer Kennzeichenpflicht (und natürlich immer auch einer Reihe anderer Pflichten, Helmpflicht, Warnwestenpflicht, Führerscheinpflicht und warum nicht auch noch Tachopflicht) für Radler keine Munition zu liefern.
LöschenDie Mär, dass Radfahrer sich nicht an Regeln halten ist genauso alt wie falsch (1), aber das ficht diese Leute nicht an, denn deren Ziel ist einzig und allein, das Radfahren schwierig zu machen, als gefährlich zu brandmarken und so zurückzudrängen.
Radfahrer können von wenigen Ausnahmen abgesehen kaum je in den Bereich einer echten Geschwindigkeitsübertretung kommen und wenn, dann gefährden sie immer zuerst sich selbst. Das muss endlich auch in den Köpfen der Verkehrsplaner und der Verantwortlichen in Verwaltung und Politik ankommen und konkret inm Straßenbau umgesetzt werden genauso wie die Tatsache, dass Radfahrer, da sie keinen Motor haben, bestimmten physikalischen Gegebenheiten, darunter der Schwerkraft, besonders unterworfen sind, dass sie sich durch Muskelkraft fortbewegen und diese Energie nicht ständig wegbremsen können und wollen.
(1) https://www.google.com/amp/s/road.cc/content/news/260509-cyclists-far-less-likely-break-traffic-laws-motorists-finds-study%3famp
Man bemerke wie der geringe Prozentsatz noch abnimmt, wenn wirklich Radinfrastruktur vorhanden ist.
Liebe anonyme Sprach-Beobachterin (oder bist du ein Mann?), bei der Veränderung von Sprache gibt es natürlich keine Geschwindigkeitsbegrenzungen. Und mittlerweile können auch Journalist:innen den Doppelpunkt gut aussprechen, man macht nämlich eine kleine Pause, etwa so wie bei "The'ater", die jungen Leute können das schon lange. Sprache ist übrigens nie konsequent oder logisch, sie versucht nur das auszudrücken, was man ausdrücken will. Ich will unbedingt deutlich machen, dass es nicht nur Radfahrer gibt (da stellen wir uns oft einen Ramboradler vor oder eben einen Mann), sondern auch Radfahrerinnen. Weder sind nur die Autofahrer die Rader, sondern es gibt auch Autofahrerinnen, die die Verkehrsregeln missachten, noch sind nur Radler unterwegs. Die Verkehrspolitik ist die einzige reine Männerdomäne din Deutschland, im Verkehrsministerium sitzen in der Führungsebene keine Frauen, sie wird also von Männern für Männer gemacht, nämlich für Autofahrer und gegen Fußgänger:innen und Radfahrer:innen und sowieso gegen Kinder im öffentlichen Raum. Auch deshalb ist es wicht, dass wir beim Reden übers Radfahren auch Frauen auf Rädern vor unserem inneren Auge sehen. Und die haben vielfach andere Bedürfnisse als männliche Radler. Ich finde es lohnend, den Blick zu öffnen für das Vielfältige. Und von unserer Perspektive auf die Welt hängt eben viel ab, vor allem auch unser Handeln.
Löschen@Anonym: Das bitte einmal in Althochdeutsch formulieren, dann können wir weiter diskutieren ob sich Sprache verändern darf oder nicht ;)
Löschen@Anonym 01.10.20 05:52 Uhr,
Löschenwie haben wohl Freiherr von Goethe oder F. Schiller Radfahrende genannt? Mal scharf nachdenken...
Sprache verändert sich, weil sich die Realität und die Gesellschaft ändern.
Hallo :)
AntwortenLöschenAuf dem Radschnellweg zwischen Vaihingen und Böblingen steht auch ein Schild mit Tempobegrenzung 30, denke ich, aber die meisten halten sich (vor allem in Richtung Böblingen) nicht daran.
Es ist schon lustig:
AntwortenLöschenIch bin viel und ganzjährig auf allen erdenklichen Straßen und Wegen mit dem Rad unterwegs, aber das Thema, Tempolimit für Fahrradfahrer spielt dabei keine eine Rolle.
Was allerdings eine Rolle spielt, sind Geschwindigkeitsextremisten mit ihren staatlich geförderten Terrorwaffen, die mich schneiden, bedrängen, verlärmen und verletzen.
Sofern ich sie erwische, sind sie uneinsichtig, aggresiv, gleichgütig oder immer noch so vom Handy abgelenkt, dass sie mich gar nicht wahrnehmen.
Gleichzeitig gibt es keine nachhaltigen Verordnungen, Regelungen oder Gesetze, die diesem Treiben Einhalt gebieten würden.
Das sind drängende Themen, nicht ein rein virtuelles Höchstgeschwindigkeitsproblem.
Gleiches gilt übrigens auch für Gendersprech.
Wir brauchen Lösungen.
Jetzt.
Ohne Zweifel gibt es viele andere drängende Themen, aber auch kleine Fragen können ja mal beantwortet werden. Die Frage, wie schnell RAdfahrende fahren dürfen, taucht immer wieder auf. Und es ist ja nicht schlecht zu wissen, was gilt. Über andere Themen schreibe ich ja auch.
LöschenInteressant. Und klar, eigentlich logisch, dass Geschwindigkeitsbegrenzungen für alle Verkehrsteilnehmer gelten. Allerdings wird mich dieses Wissen nicht dazu bringen, meine kostbar erradelten Höhenmeter bergab in Friktionswärme zu verwandeln.
AntwortenLöschenMein Lieblingsschild hat Böblingen leider abgebaut. Dort stand eine Weile ein 30 Schild mit dem Zusatz "Fahhrad frei". Ging da aber leicht bergauf, nur was für Sportskanonen ;-)
AntwortenLöschenDafür haben sie noch das ein oder andere Parkverbotsschild mit Radfreigabe darunter :D
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