27. Oktober 2020

Bei Regen radelt doch niemand - stimmt nicht

Sechs von zehn Radfahrenden nehmen auch bei Regen das Fahrrad auf dem Weg zur Arbeit. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung in der Schweiz. 

Sie wurde gemacht, um die Behauptung der Radgegner:innen zu widerlegen, die wir auch bei uns oft hören, bei schlechtem Wetter radle ja niemand, und dann müssten die Öffentlichen Verkehrsmittel sie transportieren und dafür entsprechend ausgebaut werden. Das behaupten Initiativen, die verhindern wollen, dass es in Zürich fünfzig Kilomter weitgehend autofreie Fahrradstraßen ausgewiesen werden. Darüber wird es  eine Volksabstimmung geben. Autolobbyisten laufen dagegen Sturm. Sie behaupten, bei Regen würden höchstens noch ein Viertel der Radler:innen fahren, die sonst bei schönem Wetter fahren. Und das stimmt nicht.

Wie InfoSperber darlegt, wird am wenigsten in den Schulferien geradelt. Den zweitgrößten Einfluss haben in der Tat Niederschläge. Rechnet man die Wochenenden raus, wo der Radverkehr eher ein Freizeitverkehr ist, radeln ungefähr zwei Drittel derer, die im Sommer zur Arbeit radeln, auch bei schlechtem Wetter. Zählt man die Wochenenden mit, fährt im Winter noch jedes dritte Fahrrad, das im Sommer fährt. 

Wenn es unter fünf Grad kalt ist, radeln noch 7 von 10 zur Arbeit, abends nehmen sie dann vermehrt den ÖV, vermutlich, weil es auch noch dunkel ist, was das Radeln gefährlicher macht. Der schlechteste Radlermonat war in Zürich 2019 der Januar. Es schneite oder regnete ständig und war kalt. Und weil die Radwege in Zürich im besten Fall ganz zuletzt geräumt werden, nahmen viele dann nicht mehr das Fahrrad. Dennoch fuhr immer noch jeder zweite, der sonst radelte, unter diesen Bedingungen noch mit dem Rad zur Arbeit. Übrigens steht Zürich, was die Radfreundlichkeit betrifft am Schluss der Rangliste. Die Zahl der verunglückten Radler:innen wird immer höher. 

Ich finde Zürich auch nicht wirklich schön für Radfahrende. Vor sechs Jahren schien mir Zürich uns aber noch voraus zu sein, es gab mehr Radstreiffen und vor allem viele Radparkplätze auch in Wohngebieten. Aber die Radinfrstruktur in Zürich wirkt, sechs Jahre später besehen, nicht mehr ganz so gut. Nur was das Parkplatzmanagement betrifft, ist uns Zürich weit voraus. Da gibt es keine kostenlose Parkplätze in der Stadt und sehr viele Kontrollen. Und es gibt viel Platz für Radparkplätze.



11 Kommentare:

  1. Jörg
    Auf welche Tage soll man Infrastruktur auslegen? Jedenfalls sollte falls man Ferien für Radfahrende heranzieht diese Zeiten ebenso für den Autoverkehr und den ÖPNV heranziehen. Dann merkt der denkende Mensch. Das ist Murks. Bei Autos wird die regelmäßig wiederkehrende Spitzenstunde herangezogen, das muss für das Rad genauso gelten.
    Die sieben Monate von April - Oktober sind komplett Radsasion. Im Rest des Jahres kommt man pro Richtung wahrscheinlich mit der Regelbreiten von 2 m pro Radstreifen aus. Es wird Zeit das in Stuttgart die ERA und die anderen Vorschriften auch an Kreuzungen eingehalten werden (Ampelzeiten).

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  2. Jörg
    Die Initiative sichere Velorouten wurde am 27.9.20 mit 70,5 % Ja-Stimmen angenommen.
    https://www.stadt-zuerich.ch/portal/de/index/politik_u_recht/abstimmungen_u_wahlen/archiv_abstimmungen/vergangene_termine/200927/200927-1.html
    Hier die Initiative selbst: https://velo-routen.ch/
    Was ich bei uns vermisse: Direkte Demokratie

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    1. Ja, Demokratie hat was. Toll wenn die Züricher Bürger selbst entscheiden dürfen, ob ein Radweg vor ihre Haustüre kommt. Schade, dass so eine Abstimmung in Stuttgart verboten wurde.

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  3. Zu der Thematik gehört auch, und es ist eine Schlange, die sich in den Schwanz beißt, dass Fahrräder eben immer noch nicht als vollwertiges Verkehrsmittel angesehen werden, sondern als Freizeitartikel und dementsprechend auch nicht nach praktischen Gesichtspunkten designt werden, sondern nach sportlichem Aussehen oder dgl.

    Vor allem die Schutzbleche sind ein großer Knackpunkt, irgendwie müssen die seit der MTB-Welle in den 80/80ern immer aussehen wie nachträglich angeklebt, um das sportliche Aussehen des Rades nicht zu sehr zu beeinträchtigen. Dementsprechend sind sie immer viel zu kurz, vor allem vorne und zu wenig breit, haben keine gerollten Ränder und sind mit irgendwelchen Clips befestigt. Resultat, das Regenwasser spritzt von der Straße (von da kommt das allermeiste Wasser!) auf Schuhe und Hose. Wie hoch, das kann man sehen, wenn man mal Tretlager und Sattelrohr nach einer Regenfahrt betrachtet, mindestens kniehoch klebt da der Dreck. Auch seitlich spritzt es heraus. Mehr als kurze Fahrten kann man bei Regen mit sowas nicht machen, bevor es ungemütlich wird und man am Zielort nicht mehr präsentabel ausschaut.

    Das ist natürlich nicht das einzige Problem, die Lichtanlage ist ein anderes, die ungeeignete Infrastruktur ist bei schlechter Sicht noch gefährlicher, Kleiderordnungen, die ihre Ursprünge bei kutschenfahrenden Großbürgern des 19. Jhs haben und Anzug und Krawatte oder sonstwas vorschreiben, mit dem schon bei gutem Wetter nicht gut zu radeln ist, gehören auch zum Problem.

    Es ist ein Teufelskreis. Radfahren kann so nicht selbstverständlicher Teil des täglichen Lebens werden und gleichzeitig, weil es das nicht ist, wird us die Radindustrie mit ungeeigneten Rädern, die Politik mit ungeeigneter Infrastruktur und die Autofahrergesellschaft mit Verachtung strafen.

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  4. P.S.: Wie sollten Schutzbleche aussehen. Wie vor 70 Jahren (der Fortschritt verläuft nicht linear...):
    https://forum.tontonvelo.com/download/file.php?id=146580&t=1
    Oder gar so:
    https://vintagebicycle.files.wordpress.com/2019/07/dsc_1644.jpg?w=774&h=644

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  5. Ich hab mal schnell bei 2 Versandhändlern geschaut. Die bieten beide StVZO-konforme Räder an. Bei einem gibt es sogar den Verweis auf ein mögliches Dienstrad-Leasing.

    Auch bei einer Suche nach Rädern mit Riemenantrieben (weniger Wartung und weniger Dreck) wird man bei verschiedenen Anbietern schnell fündig.

    Ab rund €1000,-- geht's los.

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    1. Falls das eine Antwort auf meinen Kommentar war: STVO-konform heißt nicht automatisch praktisch und effizient im täglichen Leben. Schutzbleche etwa schreibt sie STVO z.B. überhaupt nicht vor. Und ohne die entsprechenden Räder gesehen zu haben, mit 99%er Wahrscheinlichkeit haben deren Schutzbleche Mängel.

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    2. StVO-konform bezog sich auf deinen Verweis auf die Lichtanlagen. Schön, dass du Urteile fällen kannst, ohne Sachverhalte zu kennen. Das scheint eine besondere Begabung zu sein. Vielleicht ist das aber auch nur ein Schutzmechanismus für dein Weltbild.

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  6. Hinweis: die Züricher haben bei der Abstimmung für die "Velostraßen" gestimmt - mit 70,5% !

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  7. Ich radle das ganze Jahr durch. Im Winter auf Spikes, die kommen demnächst wieder drauf. Bleche habe ich und möchte sie nicht missen aber ohne Überhose fahre ich bei Feuchtigkeit nicht los. Die kostet mich viel, ist in 3 Minuten angezogen und macht die Witterung schlagartig weitgehend irrelevant. Das nur zu diesem Teil der Diskussion. Ein Rad, von(!) Dem man bei Regen sauber und trocken absteigt, gibt's nicht. Und einfache Überkleidung kostet fast nix und ist allemal leichter als ein Velomobil oder so...

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