13. Oktober 2020

Pop-DOWN--Rad-Streifen

Der Pop-Up-Radstreifen auf der Theodor-Heuss-Straße verschwindet wieder. Er wird "demarkiert". 

Es wird also alles wieder so, wie es vorher war, mit kleinen Verbesserungen allerdings. 

So werden die Parkplätze auf der Theo jeweils reichts von den Radstreifen nicht wieder hergestellt. Dort darf nicht mehr privat geparkt werden und wir radeln  auf dem zu schmalen Radstreifen wenigstens nicht mehr in der Dooring-Zone. Die Flächen werden teils durch Radabstellanlagen oder anderes belegt. Die alten Radfahrstreifen werden rot oder vielleicht auch blau eingefärbt. Und ab Kienestraße, wo der Streifen (Richtung Bahnhof)  endet, sollen Radzeichen mittig auf den rechten Fahrstreifen gemalt werden, um Radfahrenden und Autofahrenden zu zeigen, dass hier Rad gefahren wird. Die Ausleitung aus dem Radstreifen Richtung Rotebühplatz zur Ampelanlage soll etwas leichter befahrbar werden, ein Poller kommt weg, damit auch Lastenräder durchkommen. 

Alles nix Großes, es ist auch nur eine Übergangslösung bis zum Bau der dort geplanten breiten geschützten Radfahrstreifen, für die die Verwaltung noch in diesem Jahr eine konkrete Planung vorlegen wird, nachdem der Gemeindrat sie im Prinzip schon beschlossen hat.

Die alten schmalen Radstreifen, die die Theo noch hat, dürfte man heute nicht mehr so anlegen, heute wäre nur ein Schutzstreifen möglich, und solche Schuztstreifen wollen wir in Stuttgart eben auch nicht mehr haben.

Heute, Dienstag, ist die Angelegenheit noch einmal Thema im zuständigen Ausschuss, STA. Aber nach derzeitigem Stand der Dinge, ist es egal, wie der Ausschuss abstimmen würde, es handelt sich um eine verkehrsbehördliche Anordnung des Ordnungsbürgermeisters. Er macht juristische Gründe geltend. Verkehrszählungen zeigten: Es fuhren dort zwar zehn Prozent weniger Autos, aber leider immer noch so viele, dass sich die Autoschlange in Stoßzeiten in die Kreuzung Rotebühl-Platz hinein staute und der Bus nicht mehr durchkam. Außerdem fuhren dort zwar von Tag zu Tag mehr Radfahrende, aber eben doch nicht so viele, wie es hätten sein können. (Ca. 17.000 Autos und 500-900 Fahrräder, je nach Wetter pro Tag.)

Die Haltung des Ordnungsamts: Die StVO verpflichtet die Verkehrsbehörde dazu abzuwägen, ob eine Behinderung des Autoverkehrs wirklich mit einem größeren Nutzen und mehr Sicherheit für andere Verkehrsteilnehmer:innen einhergeht. Sie kam zu dem Schluss, dass die Theo für Radfahrende vorher keine unfallträchtige Straße war, man also nicht mit größerer Sicherheit für Radfahrende argumentieren kann. Und es waren dann auch eben nicht so viele Radler:innen, dass man mit der Menge, also dem dringenden Bedarf argumentieren könnte. Hätte einer dagegen geklagt, hätte er Recht bekommen. Und in Berlin hat die AfD ja gegen solche Radsrtreifen geklagt und in erster Instanz Recht bekommen. 

Pop-up-Radstreifen sind nicht rechtswidrig. Nun ist allerdings das Urteil in Berlin, das Poo-Up-Radwege als Angebot für Radfashrende in erster Instanz verboten hatte, in zweiter Instanz in einer Eilentscheidung aufgehoben worden. Sie dürfen erst einmal bleiben. Allerings entscheidet das Oberverwaltungsgericht erst noch im Hauptsacheverfahren. Die Senatsverwaltung hat Verkehrszählungen, Unfallstatsistiken und knappe Überholabsgtands-Messungen nachgereicht. Unter Berücksichtigung dieser Unterlagen sei die Entscheidung des Verkehrsgerichts mit überwiegender Wahrscheinlichkeit fehlerhaft, hieß es vom OVG. Auch hätten sich die Fahrzeiten für Autofahrende nur minimal verlängert, berichtet u.a. rbb24.

Ich persönlich meine: Unser Versuch auf der Theo hätte länger dauern müssen. Innerhalb von drei Monaten gewöhnt sich niemand grundlegend um, Radfahrende entdecken die Wegeführung nicht so schnell, Autofahrende stellen sich nicht darauf ein.

Zudem sehe ich die Bedürfniss der Fußgänger:innen nicht ähnlich gut gewürdigt wie die der Autofahrenden, denn nun schlingern wieder 500 bis 1000 Radfahrende pro Tag mehr durch die Fußgänger zwischen Kienestraße und Bolzstraße. Das stört und stresst die Menschen zu Fuß. Allemal, wenn die Fußgängerampel gerade rot für den Autoverkehr zeigt, fahren Radler in der für sie erlaubten Fußgängerzone weiter, statt auf der Fahrbahn zu bleiben (in der übrigens auch Autofahrer zu ihren Parkplätzen fahren). Außerdem mischen sich die meisten Radfahrenden nicht gern auf einer zweispurigen Straße unter den Autoverkehr. Auch wenn der eine zweite Spur zum Überholen hat, erzeugen gerade solche Straßen Raserdruck, den nicht viele Radfahrende aushalten. Und zu engen Überholmanövern mag es auch kommen, wenn ein Radler zu weit rechts am Bordstein fährt. 

Gefährlich ist hier die Fahrbahn nicht für Radfahrende (nur stressig) und gefährlich sind die Radfahrenden auch nicht für die Fußgänger:innen in der Fußgängerone, aber stressig. 

Die Bedürfnisse von Fußgänger:innen sind egal. Interessant finde ich, wie schnell und freudig die Parteien im Gemeinderat, die nicht für den Zielbeschluss Fahrradstadt gestimmt haben, Radfahrende unter Fußgänger:innen schicken, Hauptsache, sie sind weg von der Fahrbahn. Andererseits aber, wenn es um die Einrichtung einer Fahrradstraße geht, dann sagen Vertreter derselben Parteien große Gefahren für Fußgänger:innen voraus (wohlgemerkt auf einer Fahrbahn, auf der außerdem Autos fahren) und lehnen die Fahrradstraße kurzerhand ab (so geschehen in Feuerbach und Weilimdorf; Artikel dazu folgt). Man möchte meinen, der Schutz von Fußgänger:innen muss als Argument gegen Radfahrende herhalten, obgleich es nur darum geht, dem Auto den Straßenraum zu erhalten, den es bisher genutzt hat. Und wenn Fußgänger:innen nicht als Argument gegen Radfahrende taugen, dann sind sie auch egal und müssen sich den Raum dann halt mit Radfahrer:innen teilen.

Der Platz-Konflikt Auto gegen Fahrrad geht also immer noch zu Ungunsten des Fahrrads und damit auch zu Lasten des Fußverkehrs aus. Ich halte das für eine falsche Entscheidung des scheidenden Ordnungsbürgermeisters. Juristische Fragen sind immer kompliziert und können eben auch so oder so entschieden werden. Wenn  sie nämlich einfach und eindeutig wären, gäbe es keine Gerichtsprozesse beispielsweise wie die in Berlin über die Pop-up-Radstreifen, wo die Auslegung der Vorschriften eben erst geklärt werden muss. Wir hätten in Ruhe abwarten können, finde ich, bis jemand gegen den Radstreifen auf der Theo klagt. Und mit einer, wenn auch arbeitsauwändigen und gar nicht einfachen Neujustierung der Ampelschaltungen auf der Theo, hätte man den Abfluss der Autos wahrscheinlich auch beschleunigen können, sodass auch in der kurzen Stoßzeit, der Rotebühlplatz frei bleibt.   

Die neuen provisorischen Radstreifen auf der Holzgartenstraße bleiben übrigens erhalten und werden in dauerhafte umgewandelt. Auch wenn es dort heikle Ecken gibt.


9 Kommentare:

  1. Entspricht der von der Straßenverkehrsbehörde geplante Zustand dem Zielbeschluß des Gemeinderats?
    Wenn die Theo, laut Ordnungsbürgermeister, keine für Radfahrer "unfallträchtige" Straße ist, wird dann auch keine Benutzungspflicht angeordnet? Da diese eine verkehrsbeschränkende Maßnahme wäre, müsste sie ja rechtlich gut begründet werden, da sie ja ansonsten rechtswidrig wäre. Meist wird dies ja mit einer Gefahr für die Radler begründet, die es aber in diesem Fall ja nicht geben soll. Bin gespannt auf die "Rechtsakrobatik" des AfÖ.

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    1. Grins. Ich werde allerdings nciht gegen die wiederhergestellten Radstreifen mit roter Fabre etc. argumentieren. Vielleicht kriegt man es hin, dass die blauen Lollies nicht aufgestellt werden, aber der STreifen muss sein, so schmal er auch ist, sonst radelt überhaupt niemand mehr auf der Theo, dann geistern alle durch die Fußgängerbereiche. Aber stimmt schonm eigentlich widerspricht sich hier das AfÖ selbst und ein Argument taugt fürs Eine, schlägt dann aber das andere.

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  2. Jörg
    Es wurde gezählt. Radfahrer vorher 445 nachher ca. 1000. Dazu Nopper:"die Radfahrer blieben fern."
    Autos Rückgang (ich glaube ca. 10%). War das nicht mal ein Ziel, weniger Autoverkehr für mehr Lebensqualität in der Stadt?
    Die Berliner Gerichte sagten, ein wenig Zeitverlust ist keine Einschränkung der Bewegungsfreiheit, also zumutbar.

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  3. Der erste Schritt für eine ernsthafte Behandlung des Themas wäre, dass das Stuttgarter Ordnungsamt das Thema „Überholabstand an Radfahrenden“ überhaupt in seine Betrachtungen zur Gefährlichkeit eines Abschnitts mit einbezöge. Das wird bislang komplett ignoriert und stattdessen nur auf Unfälle als Indiz für eine Gefahrenstrecke verwiesen - aber nicht ein einzelne, es muss schon öfters gekracht haben. Diese Argumentation halte ich für rechtlich nicht haltbar, da sie klare StVO-Regeln einfach ignoriert.

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    1. Jörg
      Guter Ansatz. Früher gab es die Abstandsmessung nicht, heute gibt es diese Technik. Die Behörden müssen den Stand Technik beachten und damit die Gefährdungslage beurteilen. Ein paar Fahrradlobbyisten werden der Stadt hoffentlicht bei den Abstandsmessunen helfen. Vielleicht wäre noch eine Zählung der Radfahrerverteilung Radstreifen, Fahrbahn, Gehweg hilfreich.

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  4. Was für ein Unsinn. Defacto darf ein Radfahrer von einem Auto auf der rechten Spur gar nicht überholt werdem.
    Wird aber trotzdem immer passieren, wenn die Autos nicht stauen.
    Und Kontrollen wird es auch nicht geben.

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  5. Warum die Dinge nicht beim Namen nennen?

    1) Ohne aktive Einschränkung (aka Behinderung) des Autoverkehrs wirds nix mit Verkehrswende. So oder so. Wie soll das gehen?

    2) Radverkehr als Alternative zum Auto macht nur Sinn, wenn der auf den exzellenten Fahrbahnen stattfinden darf, wie sie für den Autoverkehr gemacht werden. Aber sicher nicht auf holprigen Gehwegen zwischen Fußgängern und deren Hunden. Wer bitte soll ernsthaft exzellente Fahrbahnen für Autos finanzieren, wenn er diese als Radfahrer nicht nutzen darf und stattdessen auf Sonderwegen fahren muss, deren Oberfläche man den Stadtgeländewagen nicht mal drei Tage zumuten würde?

    3) Solange der Umstieg vom Auto aufs Fahrrad was mit Verzicht zu tun hat, kann man Verkehrswende in der Pfeife rauchen. Das sollte sogar den dämlichsten Abgeordneten einleuchten.

    S.Schwager, Fürstenfeldbruck

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  6. Mit dem Argument, der Bus stünde aktuell im Stau, liese sich die Pop-Down-Bikelane doch wunderbar in eine Busspur mit Fahrradfahrer frei umwandeln ...?

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  7. Das größte Manke dieser PopUpBikelane war der Anfang und das Ende: Beginnt im Nichts, endet im Nichts und lädt auch nicht zum radeln ein, weil die Stetigkeit fehlt. Als Zweirichtungsradweg wäre die Spur vielleicht auch erheblich besser angekommen- so aber radelten Radfahrer vom Bahnhof aus kommend auf dem Gehweg weiter, weil wer stellt sich schon zig mal an Ampeln an, um für 500m die Radspur zu wechseln.

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