3. Februar 2021

Regenradeln nimmt bei guter Radinfrastruktur zu

Bei Regen radelt ja niemand? Stimmt nicht. Wenn die Radinfrastruktur gut ist, dann fahren die meisten derer auch bei Regen oder Schnee mit dem Fahrrad, die bei schönem Wetter radeln. 

Das hat eine Studie der Uni Münster ergeben, die mir auf Englisch vorliegt. Demzufolge untercheiden sich nicht nur die Radfahrzahlen bei unterschiedlichen Städten stark voneinander, sondern auch die Zahl derer, die bei schlechtem Wetter immer noch radeln. In der Studie wurden in dreißig deutschen Städten die Daten von 122 automatischen Zählstationen untersucht. Die Zahlen wurden mit Wetterfaktoren wie Kälte, Regen und Wind ins Verhältnis gesetzt. Dabei zeigte sich, dass dort, wo viele junge Leute leben und wo es ein gut ausgebautes Radnetzt gibt, mehr Leute auch bei schlechtem Wetter radeln als in Städten, wo es das nicht gibt.  

In Fahrradstädten wie Münster, Oldenburg und Göttingen wird auch bei schlechtem Wetter weiter geradelt. Die Autor:innen vermuten, dass das mit der Qualität des Fahrradnetzes zusammenhängt. Ein gutes und etabliertes Radstreckennetz führt dazu, dass das Radfahren generell zunimmt und die Leute viel mehr daran gewöhnt sind, dass sie das Fahrrad nehmen, auch wenn es regnet. Das Fahrrad ist zum unverzichtbaren Verkehrsmittel für viele Menschen geworden. 

Die Studie zeigt damit auch etwas auf, was das ADFC-Städteranking oder andere Rankings nicht abbilden. Korrelliert man Wetterdaten mit Zählstell-Daten, zeigt sich, wie gut Städte bereits als Fahrradstädte gesehen und erlebt werden. Stuttgart liegt da auf dem zweitletzten Platz vor Würzburg. Nach Angaben von von Jan Wessel (einer der Autoren) wurden Daten von der Zählstelle Böblinger Straße ausgewertet.

Das beobachte ich auch an mir: Da ich nie anders als mit dem Fahrrad in die Stadt radle, benutze ich es auch bei Regen. Ich bin dafür ausgerüstet. Es ist mein Verkehrsmittel. Wer sich aber täglich zwischen Auto/Stadtbahn und Fahrrad entscheidet, nimmt bei schlechtem Wetter dann eben nicht das Fahrrad. Ich finde aber auch noch einen anderern Aspekt bedenkenswert: Ich finde es unangenehm, bei Regen, allemal wenn es auch noch dunkel ist, mich in die Glitzerwelt des Autoverkehrs zu mischen. 

Ich fürchte mich bei Regen mehr, von nachfolgenden Autos nicht gesehen zu werden, obgleich meine Beleuchtung gut ist. Ich möchte auch ein bisschen langsamer radeln, wenn ich vermute, dass es glatt ist, und dann erzeuge ich hinter mir Überholstress bei Autofahrenden. Oder ich bin mir nicht sicher, ob sie die Glätte falsch einschätzen und mich dann auf den Kühler nehmen, weil sie nicht mehr bremsen können. Und wie schlecht Autogfahrende Glätte einschätzen, sah man kürzlich auf der Alten Weinsteige, wo durch Rutschereien und Scheeunfälle gleich zehn Autos beschädigt wurden.

Weil ich bei Regen auch selber wegen Brille und Kapuze weniger Rundumsicht habe, finde ich das Radeln auf Radwegen dann angenehmer. Auf vom Autoverkehr getrennten Radwegen und klar definierten Radfahrräumen radelt es sich blendfreier und entspannter. Und man wird weniger nassgespritzt.



12 Kommentare:

  1. Letztlich braucht man/frau nur ein wenig länger, sich nässegerecht anzuziehen (Regenhose/ Gamaschen). Weshalb man deswegen auf die Idee käme, lieber Kohlendioxid und Abgase in die Umwelt zu pusten, erschließt sich mir nicht! Wegen der geringeren Durchlüftung fahre ich auch nicht so zügig und angestrengt, aber das sind auch nur Minuten Unterschied.

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    1. Meine Erfahrung ist, dass das Radfahren bei Regen reine Gewöhnung ist. Hat man es ein paar Mal gemacht, dann findet man es oft sogar ganz schön. Mir geht das so: Die Luft ist gut, es sind wenige Radfahrende unterwegs, die die man trifft sind Gleichgesinnte und wie ich ein wenig Abenteurer:innen, und wenn ich ankomme, fühle ich mich besser als diejenigen, die stickigen Verkehrsmitteln angekommen sind und womöglich mit Schirm noch zum Ziel laufen mussten und es kalt fanden. Regenradeln ist eigentlich ganz schön.

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    2. Es hängt auch mit der Entfernung der Strecke zusammen und mit der Art des Fahrrades. Ich fahre noch bei leichtem Nieselregen (und ohne Regenkleidung) zur Arbeit, aber definitiv nicht bei starkem Regen, wo ich Regenkleidung benötigen würde. Bei zügiger Geschwindigkeit, Streckenlänge knapp unter 30km mit Steigungen aber ohne Motor-Unterstützung komme ich auf jeden Fall ins Schwitzen. Unter Regenkleidung ist das ekelig und extrem anstrengend.

      Alle Argumente und Risiken bezüglich Rutschgefahr, Dreck-Gespritze, Sichtbehinderung der Autofahrer durch Reflexion gelten natürlich trotzdem.

      Spaß macht das Fahren im Regen dennoch nicht. Spaß und Begeisterung sind beim Pendeln aber auch nicht die ersten Begriffe, die mir einfallen - egal ob ich das Auto, die Öffis oder das Fahrrad nehme. Es geht um die Wahl des kleinsten Übels.

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  2. Jörg
    Regenradeln ist mässig cool. Es gibt ein paar faszinierende Stimmungen, aber das war es. Der Autoverkehr stört bei Regen mehr. Schon allein weil einem gezeigt wird, wir sitzen trocken. Dann ist der Verkehr lauter, es wird rücksichtslos durch Pfützen gefahren. Es gibt keinen Respekt wenn man selber Pfützen ausweicht. Im Dunkeln wird es richtig übel. Das eigene Lichtlein sieht man kaum auf dem Boden. Die Autos blenden, die Brille ist voller Tropfen. Da will man weg von der Straße. Im Wald wartet der angeblich umweltfreundliche Splitweg. Der ist aufgeweicht und eine Matschepampe wartet dich einzusauen. Dabei ist der Asphaltweg für den Boden mit unter schonender als der Split, da er vor tiefen Bodenverdichtungen durch Laster und Trecker schützt. Am Ende muss die Kette unbedingt nachgeölt werden und die Kleidung zum trocknen aufgehängt werden.
    Klar - es geht. Auf kurzen Strecken ohne Autos stört der Regen wenig.
    Auf einer Pendelstrecke >10 km wird man auf jeden Fall nass. Da muss man durch.
    Die Pedelecer kommen glaube ich besser mit Regenkleidung klar. Sie schwitzen diese nicht so von innen voll.

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  3. > Die Pedelecer kommen glaube ich besser mit Regenkleidung klar. Sie schwitzen diese nicht so von innen voll.

    Das stimmt bei mir nicht. Zumindest dampfe ich mit meinem S-Ped so viel raus, dass erst die halben Rainlegs geholfen haben, dass ich von innen nicht genauso nass war wie von außen.

    Ich finde beim Regen eigentlich am nervigsten, dass ich oft schneller fahre als der Untergrund erlaubt und dann einen Abgang mache.

    Das Brillenproblem ist nicht wirklich gelöst - ich verwende bei starkem Regen eine gelbe Schutzbrille über der normalen Brille, die ich dann mit den Händen oder Handschuhen eben mal abziehen kann.

    Vor den Autos habe ich nicht so sehr Schiss, aber das ist in Esslingen auch etwas harmloser, die respektieren dort einen halbwegs selbstbewussten Radler vor sich eher als in Stuttgart.

    Was die Feuchtigkeit angeht: meistens kommt von unten mehr als von oben. Unangenehm sind nasse Füße: manchmal bin ich zu faul, die Gamaschen anzuziehen und dann trocknen die Schuhe den ganzen Tag nicht richtig, brr...

    Insgesamt aber mag ich Regenfahren richtig gern. Es kann ganz kontemplativ sein: abends nach der Arbeit im Regen nach Hause trödeln.

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    1. Ich habe mir ja mal an meinen Helm eine Sonnenblende gebastelt, die ich auch als Regenschutz verwende. Ist nicht perfekt, hilft aber gegen das Gröbste.

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    2. Insgesamt fehlt eine praktische Regenbekleidung fürs Fahrrad, also beispielssweise ein Mantel mit integriertem Beinschutz, der etwa so funktioneirt wir die Redleggins, nur eben bis zu den Knöcheln geht. ich habe mal mit einem Regenbekleidungshersteller gesprochen, der mir erklärte, die Entwicklung von so was lohne sich nicht, weil die Radhänlder solche Sachen nicht in den Laden hängen und sie folglich von zu wenigen gekauft werden.

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    3. @Matthias
      "Unangenehm sind nasse Füße: manchmal bin ich zu faul, die Gamaschen anzuziehen und dann trocknen die Schuhe den ganzen Tag nicht richtig, brr..."

      Da helfen vor allem richtige Schutzbleche. Was heute so an den Rädern hängt ist viel zu kurz. Wenn z.B. am Tretlager oder gar am Sitzrohr Dreckspritzer sind, dann ist das definitiv der Fall. Das Schutzblech sollte so 15cm über dem Boden enden, und dann ein flexibler Spritzlappen unten dran, der bis etwa 6 cm über dem Boden reicht. Dann kann das Wasser nicht mehr hoch spritzen.

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    4. Mit Klebeband kann man das Schutzblech improvisiert verlängern. Die Optik ist aber bescheiden. Füße werden trotzdem nass, weil das Wasser von oben reinläuft usw. Ich habe auch mal Schuh-Überzieher probiert. Dann hatte ich eine wunde Stelle am Bein, wo der Reissverschluss gescheuert hat.

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    5. "Da helfen vor allem richtige Schutzbleche ... Wenn z.B. am Tretlager oder gar am Sitzrohr Dreckspritzer sind, dann ist das definitiv der Fall."

      Mein Tretlager ist eine echte Sedimentsammlung, da kann man genau ablesen, wo ich gerade hergefahren bin. :)
      Von diesen Schutzblechschlappen hab ich schon viel gelesen, das werde ich definitiv angehen, danke!

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    6. "ich habe mal mit einem Regenbekleidungshersteller gesprochen, der mir erklärte, die Entwicklung von so was lohne sich nicht, weil die Radhändler solche Sachen nicht in den Laden hängen und sie folglich von zu wenigen gekauft werden"

      @Christine:
      Das kann ich mir fast nicht vorstellen: warum gibt es im Outdoorbereich viele und auch pragmatische Angebote, nicht aber im Fahrradbereich?
      Weil die Weicheierquote noch zu hoch ist :)? Oder weil wir Ganzjahresradler schon immer mit (zu?) wenig zufrieden waren und unser Ding selber gemacht haben? Wo wir schon dabei sind: Radkleidung und deren Alltagstauglichkeit wäre doch mal ein lohnenswertes Artikelthema, oder? :)
      Mich nerven z.B. die 'Rüst'zeiten, ich möchte Regenklamotten überwerfen und los gehts. Rainlegs, Gamaschen, Überbrille, Handschuhe, da können schon mal 3 Minuten ins Land gehen, bis alles passt und festgezurrt ist.
      Dabei habe ich das Gefühl, dass man als Radfahrer mit seinen Wetter- und Kleidungsproblemen auf sich gestellt ist, was habe ich schon alles probiert. Regencapes z.B. flattern ab Geschwindigkeiten über 20 km/h nur noch. Oder man macht sie so eng fest, dass sie die Beine nicht mehr wirkungsvoll schützen.
      Viele Kleidungsstücke sind nur bei bestimmten Temperaturen brauchbar, sonst ist die Schwitzerei so stark, dass man auch darauf verzichten kann. Andersherum habe ich keine Lust, langsam zu fahren, nur um Aspiration zu vermeiden.
      Das Zwiebelprinzip ist nett, das mache ich auch bei Minustemperaturen, 3 Jacken mit Reißverschlüssen übereinander, auf, zu, je nach Wärmeproduktion. Aber trocken sollte es dann schon sein.

      Alles nicht wirklich befriedigend und alltagstauglich. Oder?

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  4. am coolsten ist eh im tiefschnee durch den schlossgarten.

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