29. Mai 2021

Regeln fürs Radgetümmel

Je mehr Menschen mit dem Fahrrad unterwegs sind, desto sinnvoller wird ein geregeltes Radeln, damit wir vorhersehen können, was die anderen machen werden. 

Eigentlich sind es selbstverständliche Regeln, die wir vielfach vom Autoverkehr (und unserer Führerscheinprüfung) kennen.

Rechts fahren! Mir passiert es oft, dass mir ein Radler auf meiner rechten Seite entgegenkommt und ich nach links ausweiche. Weicht der Radler ebenfalls reflexhaft aus seiner Sicht nach rechts aus, krachen wir zusammen oder einer (meist ich, macht eine Vollbremsung). Ich wünsche mir dann immer, dass auch wir Radfahrende uns strikt ans Rechtsfahrgebot halten würden. Dann weiß ich immer, wo die radeln, die mir entgegenkommen, und wohin sie ausweichen werden. 

Nicht auf der falschen Fahrbahnseite radeln! Zum Rechtsfahrgebot gehört auch, dass wir unter keinen Umständen auf dem linksseitigen Radstreifen (oder Radweg) entgegen der Fahrtrichtung unterwegs sind. Denn einer von beiden, der Entgegenkommende oder man selbst muss dann auf die Fahrbahn ausweichen und da fährt vielleicht gerade ein Auto. 

Kurs halten! Es ist sinnvoll, die eigene Linie - am besten die rechts - weiterzuverfolgen und zur Not abzubremsen, womöglich bis zum Stillstand, als in hohem Tempo auszuweichen. Es besteht immer das Risiko, dass der andere, der entgegenkommt, zur selben Seite ausweicht wie ich.  

Rechts vor links beachten! Kommt einer aus einem Wald-, Park- oder Feldweg von rechts angefahren, hat er oder sie Vorrang vor mir. Radfahrende veständigen sich oft mit Blicken und schätzen ab, ob sie noch vorher durchsausen können oder nicht, aber gerade für den Radfahrer, der von rechts kommt, ist es ausgesprochen hilfreich zu wissen, ob ich ihn gesehen habe und ihm seine Vorfahrt auch gewähre. Auf Fahrbahnen gelten dieselben Vorfahrtsregeln wie sie jeweils für die Autofahrenden gelten. 

Mit Handzeichen

Abbiegen ohne Handzeichen
Abbiegen anzeigen! Beim Abbiegen müssen wir als Radfahrende den Arm rausstrecken, was in jedem Fall besser ist, als nur auf Hüfthöhe die Hand mit gestrecktem Zeigefinger hochheben. Es ist ausgesprochen sinnvoll das zu tun, vor allem dann, wenn ich plötzlich auf gerader Stecke nach rechts oder links schwenken oder abbiegen möchte. 

Langsam tun!  Autofahrende neigen dazu, in brenzlichen Situationen auf Beschleunigung zu setzen, um noch durchzukommen, aber schon mein Fahrlehrer hat mir vor dreißig Jahren gesagt: Tun Sie langsam! Wer nämlich langsam fährt, kann schneller bremsen, wenn sich die Situation anders entwickelt als erwartet. Und das gilt auch für Radfahrende. Schnell durchrutschen kann schief gehen, vor allem auch für andere. Also lieber mal abbremsen bei: Kindern und Hunden, überhaupt bei Fußgänger:innen, bei viel Radverkehr und bei radelnden Kindern und Jugendlichen

Auf den Radverkehr hinter mir achten! Das sollte man vor allem dann tun, wenn man ohne Handzeichen zu geben den eigenen Kurs ändern oder plötzlich abbremsen will. Ein Rückspiegel hilft, den Radverkehr hinter mir ihm Auge zu behalten, ist aber halt nicht Pflicht bei uns. Viele Radfahrende fahren wie Fußgänger:innen gehen, sie rechnen nicht damit, dass hinter ihnen andere Radfahrende kommen, die schneller sind, sie fühlen sich meist allein auf der Strecke und vollführen dann auch völlig unerwartete Manöver. Also erst mal nach hinten schauen, bevor ich Geschwindigkeit und Richtung abrupt ändere!

Warnende Handzeichen geben! Zum Beispiel: Achtung, ich bremse! Radelt man in Kolonne mit Freund:innen oder Fremden, dann hilft es enorm, das man die Hand hebt, wenn man langsamer werden oder halten möchte, verbunden damit, dass man sich nach hinten umschaut oder auch mal "Achtung, ich bremse" sagt. Es gibt auch noch eine Reihe weiterer Handzeichen für Radverbände, mit denen man Nachfolgende vor Hindernissen auf der Strecke warnen oder Kommandos geben kann. 

Klingeln beim Überholen! Das ist sogar eigentlich Pflicht. Dann weiß der Radler vor mir auch, dass er oder sie jetzt nicht mal schnell einen Schlenker fahren sollte. Wenn ich nicht klingeln will, dann spreche ich den Radler vor mir übrigens an und sage ihm: Ich fahre jetzt links vorbei. 

Nie rechts überholen! Nur Autos, die an der Ampel stehen, dürfen wir rechts überholen (nicht aber, wenn sie fahren), und in den Niederlanden gilt beispielsweise, dass Radfahrende einander nie rechts überholen dürfen. Eigentlich ist das so selbstverständlich, dass man es gar nicht extra erwähnen sollte, aber es passiert dann doch überraschend häufig. Ich plädiere ja immer dafür, halt auch mal kurz abzubremsen, egal, wie eilig man es zu haben meint, aber das fällt vielen ja doch sehr schwer. Wenn ich doch unbedingt rechts an einem anderen Radfahrer vorbeifahren will, dann sollte ich wenigstens bimmeln oder ihn ansprechen.  

Im Kreisverkehr andere Radler:innen nicht durch die Mitte überholen! Sonst kommt es zu solchen Unfällen wie diesem hier: Eine Radlerin hat auf dem Kreisverkehr in der Silberburgstraße einen anderen Radler überholt indem sie über die Mittelinsel geradeaus fuhr. Der andere Radler wollte aber im Kreisverkehr noch weiter herum radeln, beide stießen zusammen, die überholende Radlerin wurde schwer verletzt. Das sind die Situationen, die das Kreisverkehrradeln grundsätzlich gefährlich machen, wenn man als Radfahrende:r nämlich zulässt, dass ein Autofahrer einen im Kreisverkehr überholen kann. Wenn der Autofahrer drüben wieder rausfahren will, man selber aber weiter herum radeln möchte, knallt es, und zwar zum Nachteil des Radlers. 

Mit den Leuten reden, wenn man von hinten kommt. Ich spreche Fußgänge:innen inzwischen lieber an als dass ich klingle und sage ihnen: Ich fahren jetzt mal links an ihnen vorbei. Auch Radfahrende, die langsam und etwas unberechenbar schlingernd vor mir unterwegs sind spreche ich an und sage ihnen, was ich vorhabe. 

Gegenverkehr durchlassen vor dem Überholen! Grundsätzlich muss immer der im Fahrzeugverkehr abbremsen und zur Not warten, der das Hindernis auf seiner Seite hat. Gehen drei Leute vor mir und kommt mir eine Radfahrerin entgegen, dann muss ich langsam machen und die Radfahrerin erst durchlassen, bevor ich selber überhole. Ganz ungünstig ist es - was man im Schlossgarten oft erlebt - wenn zwei einander entgegenkommende Radfahrer jeweils die Fußgänger auf ihrer Seite überholen und sich dann  in der Mitte zwischen den Fußgängergruppen treffen. Und wenn einer auch noch beschleunigt, statt abzubremsen, wird es kritisch. Also: Langsam tun!

Nicht auf Radstreifen oder Radwegen herumstehen! Auch das geschieht ziemlich oft. Man trifft jemanden und beide stehen mit ihren Rädern wir angewurzelt und versperren damit mindestens eine Hälfte des ohnehin schon schmalen Radwegs oder Radstreifens. Die anderen müssen drum herum fahren und einige auch anhalten, wenn der Gegenverkehr sie gerade nicht durchlässt. 

Und noch ein Tipp an Fußgänger:innen. Halten Sie unbedingt Kurs, weichen Sie nicht aus. Wenn Sie und der Radler nämlich in dieselbe Richtung, also zur selben Seite ausweichen, weil beide höflich oder vorsichtig sein wollen, dann krachen beide zusammen. Radfahrende sehen Fußgänger:innen und zwar oft schneller als sie von Fußgänger:innen erkannt werden, und fahren ohnehin so, dass es nicht zur Kollision kommt, vorausgesetzt, Sie als Fußgänger:in machen keinen schnellen Schritt zu Seite, sondern gehen einfach geradeaus. 


12 Kommentare:

  1. "... dass mir ein Radler auf meiner rechten Seite entgegenkommt und ich nach links ausweiche. "
    Warum machst Du das? *kopfschüttel*
    Damit verstößt Du selbst gegen "Regeln", bringst Dich in Gefahr und bei einem Unfall juristisch betrachtet in eine zweifelhafte Position mit unabsehbaren Folgen.
    Rechtzeitig Klingeln und/oder laut Rufen oder ggf. anhalten ist bei so einem Fall die einzig richtige Verhaltensweise.

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  2. Das Rechtsfahrgebot wird übrigens zuallererst durch linke Zwangsradwege ausgehebelt.Da ist es dann ja angeblich sogar sicherer links zu fahren ( obwohl die Unfallforschung das Gegenteil festgestellt hat). Und darum ist es dann für viele der Geisterfahrer nur noch eine Bagatelle, auch an anderen Stellen illegal links zu fahren.

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  3. Tja, oft fordert die Rad"infrastruktur" das regelbrechende Verhalten heraus, produziert es erst...

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  4. Was vielen Leuten im Verkehr (und auch sonst) abgeht ist vorausschauendes Verhalten. Mit etwas Verkehrserfahrung erkennt man in der Regel schon früh, wie sich eine Situation entwickeln wird, wann es wo eng werden kann. (Deswegen benutze ich auch höchst ungern Wege, die viel von Fußgängern benutzt werden. Zu Fuß gehen hat einfach eine ganz andere Dynamik als Fahrzeugverkehr, ist viel weniger vorhersehbar.)

    Gerade als Radfahrer, der ja nicht gerne abbremst und beschleunigt, ist das hilfreich, um unangenehme oder kritische Situationen gar nicht erst entstehen zu lassen. Wenn man eine Strecke öfter fährt, kennt man ja auch die Orte, wo es am ehesten schwierig werden kann.

    Klares Positionieren, natürlich entsprechend der Verkehrsregeln, klare Handzeichen und das konsequente Vermeiden von zweifelhafter Infrastruktur sind die Verhaltensweisen, die die eigene Sicherheit und die der Anderen am besten garantieren.

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  5. Kommunikation ist das A und O. Als Radler haben wir die Möglichkeit, andere direkt anzusprechen. Oder ich mache anderweitig auf mich aufmerksam machen. Ich habe z.B. keine Platz-da-Klingel, sondern einen sehr lauten Freilauf am Rennrad.

    Bei den Jedermann-Rennen gelten übrigens die gleichen Regeln, v.a. das Rechtsfahrgebot und das Verbot, rechts zu überholen. Und wir bewegen uns auf abgesperrten Strecken ohne Gegenverkehr. Und es gilt das unbeschriebene Gesetz: "Wenn jeder im Pulk auf seine Nebenleute aufpasst, sind alle geschützt."

    Deine Bildauswahl lädt manchmal zum Schmunzeln ein. Die beiden Radler, die auf dem Radweg irgendetwas besprechen (vielleicht ist einer fremd und fragt nach dem Weg), stehen an einer Fußgängerampel.

    Doch nicht zum Schmunzeln, eher zum Kotzen.

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    1. Danke, Matthias, ja, das Bild passt nicht, ich habe das Falsche reingestellt. Passiert manchmal. Korrigiere ich bei Gelegenheit. Grins!

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    2. Im Hintergrund ist da allerdings auch eine rote Strassenmalerei zu sehen, die direkt auf das andere Ende der Ampelfurt zuführt. Und Blauschilder.
      Könnte auch es sein, das da "vergessen" wurde, die Streuscheiben zu tauschen ?

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  6. Rechts vor Links klingt gut. Aber auf vielen Feld und Forstwegen gibt es undokumentierte Haupt. Bzw. Vorfahrtswege da haben wir wieder das Infrastrukturproblem.
    Das Klingeln oder schreien beim Überholen ist albern. Was wäre das für ein Gehupe auf der Autobahn. Sollen wir auf breiten Radwege mit Dauerleuten fahren? Schaut bitte nochmal Holland und Dänemark Cycling Videos z. B. Dutch cycling

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  7. Rechts vor links gilt nicht an Feld- oder Waldwegen. Aber gut, wenn dus sagst.

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    1. Wenn sich z.B. zwei Feldwege kreuzen könnte das wohl schon gelten.
      Sicher aber nicht, wenn ein Wald- oder Feldweg auf eine Straße mündet.

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  8. Das Anzeigen des Überholvorgangs DARF außerhalb geschlossener Ortschaften mit Licht- und Schallzeichen angezeigt werden. Ich habe aber noch NIE erlebt, dass ein KFZ vor dem Überholen gehupt hätte, wenn ich selbst im Auto unterwegs war. Täte man das, würde man wohl als irrer Rowdy angesehen.
    Auch wenn man mit dem Rad klingelt wird man oft noch von Fußgängern angeschnauzt.
    Also eine diesbezügliche Vorschrift zum Klingeln wäre mir neu.
    Bitte um einen Verweis.

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    1. Will man Fußgänger:innen überholen, muss man sicherstellen, dass sie einen gehört haben, also im Zweifelfall bimmeln: https://dasfahrradblog.blogspot.com/2020/11/erst-klingeln-dann-den-fuganer-uberholen.html Was das Bimmeln vor dem Überholen eines anderen Fahrrads betrifft, muss ich erst mal in der StVO recherchieren, und dazu habe ich gerade keine Zeit.

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