In Baden-Württemberg scheint die Zahl der Radfahrenden, die im Straßenverkehr einen Unfall erleiden, rückläufig zu sein. Bei Pedelec-Radler:innen gibt es keine nennenswerte Veränderung. An der Zahl der Getöteten änderte sich nichts. 25 Radfahrende starben in der ersten Jahreshälfte in Baden-Württemberg. Wie das Pressereferat des Statistischen Landesamts mitteilt, verunglückten von Januar bis Juni dieses Jahres rund 4.100 Personen mit einem Fahrrad. Das sind 800 weniger als im gleichen Zeitraum 2020. Im Jahr 2019, vor der Corona-Pandemie, lag die Zahl bei 4.362 und damit über dem von diesem Halbjahr.
In der Pressemitteilung heißt es: "Sowohl die Zahl der Leichtverletzten (-15,6 %) als auch die der Schwerverletzten (-18,0 %) hat im ersten Halbjahr 2021 gegenüber dem ersten Halbjahr 2020 abgenommen. Nicht ganz drei Viertel (73 %) der im ersten Halbjahr verunglückten Fahrradfahrenden waren mit einem Fahrrad ohne Elektroantrieb unterwegs, über ein Viertel (27 %) entfiel dagegen auf die Nutzerinnen und Nutzer von Pedelecs. Während die Zahl der Verunglückten mit Fahrrädern ohne Elektromotor im 1. Halbjahr 2021 um deutliche 20,9 % sank, lag die Zahl der Personen, die mit ihrem Pedelec verunglückten, mit einem Plus von knapp 0,8 % über dem Niveau des Vorjahreszeitraums."
Freiburg war die Stadt mit den meisten Fahrradunfällen (263), gefolgt von Stuttgart (231, davon 68 Menschen mit Pedelecs) und dem Ortenaukreis (210). Am wenigsten Fahrradunfälle gab es in Baden-Baden (20).
Die Zahlen zu interpretieren, ist schwierig. Die leichte Zunahme der Pedelec-Unfälle könnte damit zusammenhängen, dass immer mehr Leute Pedelecs anstelle von Normalrädern radeln. Schaut man sich eine flache Stadt wie Mannheim an, wo 97 Normalradler und 9 Pedelecradelnde verunglückten, scheint das eine wahrscheinliche Erklärung zu sein. In bergigen Städten, wo mehr Menschen Pedelecs fahren (und eher älter und zahlungskräftig sind) ist er Unterschied nicht so groß.
Und wo viele mit Fahrrädern unterwegs sind, wie in Freiburg, gibt es auch viele Fahrradunfälle, was nicht unbedingt für eine gute Fahrradinfrastruktur spricht. Wenn man davon ausgeht, dass Freiburg immer noch eine Studentenstadt ist, wo jüngere Menschen eher weniger teure Fahrräder fahren (keine Pedelecs), dann verwundert es auch nicht, dass das Verhältnis Normalrad zu Pedelec-Unfälle dort bei 225 zu 38 liegt. Dass die Zahl der Radunfälle gegenüber dem ersten Halbjahr 2020 zurückging, kann damit zusammenhängen, dass vor einem Jahr recht viele Radneulinge dazukamen, die wegen Corona Rad statt Bus oder Bahn fuhren und denen die Erfahrungen im Umgang mit dem Fahrrad und dem Straßenverkehr fehlte, dieses Jahr aber nicht mehr. Immerhin ging die Zahl der Radunfälle gegenüber der Vor-Corona-Zeit auch leicht zurück, obgleich sicherlich eher mehr Menschen Rad fahren als weniger, wenn auch vielleicht nicht mehr alle, die noch im ersten Halbjahr 21 Rad gefahren sind. Dass man daraus einen Trend ablesen kann, bezweifle ich.
Wo es Todesfälle gab, führt die Statistik, die mir zur Verfügung gestellt wurde, nicht auf. Wir wissen aber, dass
in Untertürkheim im Mai dieses Jahres ein Radfahrer ums Leben kam
. (Zwei weitere starben im September dieses Jahres,
darunter eine Radfahrerin in Feuerbach, und fallen nicht in den Zeitraum.) Die Statistik untersucht auch nicht, wer jeweils den Unfall verursacht hat. Die Zahlen beruhen auch nur auf den von der Polizei gemeldeten Unfällen. Da mag, gerade bei Alleinunfällen, aber auch bei leichteren Konflikten zwischen Autofahrenden und Radfahrenden, nicht jedes Mal die Polizei gerufen worden sein.
In eigener Sache: Da auf der Pressemitteilung die Sperrfrist 10 Uhr lag, erscheint der Post heute auch erst um 10 Uhr.
Jörg
AntwortenLöschenMit der Statistik wird lupenreines Victim Blaming betrieben. Erst wird man vom Auto angefahren und dann sind Fahrräder wegen der Unfälle gefährlich. Mir fehlt die Aufschlüsselung nach Verkehrsart der Beteiligten.
Wir erleben zunehmend das Unfälle mit Autos nicht mehr extra aufgeführt werden. In Stuttgart habe ich das in der letzten Veröffentlichung vergebens gesucht. Die Statistiker sehen selber wie gefährlich Autos sind und wollen uns freundlicher Weise nicht mit diesem Wissen belasten. Diese Nebelkerze Rad- und Pedelec auf zu teilen ist schon fast böse. Wir wissen alle: Die meisten Unfälle mit Personenschaden werden von Autofahrys verursacht.
Es ist unfair Daten zurück zu halten. Wir fordern OpenData und Einblick in die Statistik.
OpenData gibt's hier:
Löschenhttps://unfallatlas.statistikportal.de/_opendata2021.html
Entscheidend ist, denke ich, welche Schlüsse man aus solchen Daten zieht. Der Schluss, Pedelec radeln sei gefährlicher als Normalrad Fahren, wäre jedenfalls völlig verkehrt. Wenn man das so aufschlüsselt, liegt er aber nahe. Und sinnvoller wäre es, wenn die statistischen Daten vollständiger wären und alles nach Unfallarten aufgegliedert wäre, wobei sich dabei auch zeigt, dass knapp die Hälfte der Radlerunfälle selbstverursacht sind, oft auch Alleinunfälle.
LöschenManchmal lohnt es sich, direkt beim Verfasser Informationen einzuholen. Denn wer sich die Mühe macht und direkt beim Statistischen Landesamt sowohl die vollständige Pressemitteilung als auch die ebenfalls verlinkten Tabellen zu Unfällen anzuschauen, wird durchaus mit vielen weiteren Informationen bedient. Von blaming ist da jedenfalls nicht die Rede.
Löschenhttps://www.statistik-bw.de/Presse/Pressemitteilungen/2021275
Ich habe inzwischen zum Statistischen Landesamt verlinkt. Der Artikel entstand aufgrund der Pressemeldung, die ich im Voraus direkt vom Statistischen Landesamt bekommen habe. Die Information, wer für die jeweilgen Radunfälle verantwortlich war, findet sich auf der Seite des StaLa aber auch nicht.
Löschen'wobei sich dabei auch zeigt, dass knapp die Hälfte der Radlerunfälle selbstverursacht sind, oft auch Alleinunfälle."
AntwortenLöschenWas aber immer noch nicht heißt, dass Radfahren gefährlich ist.
Auch Alleinunfälle, sogar selbstverursachte, müssen nicht die Schuld des Radfahrers sein, wenn die Ursache schlechte, enge, gefährliche, schlecht instandgehaltene oder schlecht gesäuberte Infrastruktur ist.
Wie ein Alleinunfall kann es auch aussehen, wenn der Unfallverusacher, ein zu dicht überholender Auto- oder LKW-Fahrer etwa, Unfallflucht begangen hat.
Und wieviele Alleinunfälle passieren, weil jemand nach Verlust des Führerscheins alkoholisiert Rad fährt? Da ist nicht das Fahrrad an sich die Gefahr.
Nein, ich behaupte nicht, dass Radfahren gefährlich ist. Das mit den Alleinunfällen sehe ich aber etwas anders als du. Wenn ein nicht gekennzeichnetes Hindernis bei Finsternis auf dem Radweg steht oder liegt, dann ja, dann ist der Radfahrer nicht unbedingt gänzlich allein schuld, aber Fahren mit angepasster Geschwindigkeit ist schon etwas, das man auch von Radfahrenden verlangen kann (so wie man das von Autofahrenden verlangt), also langsam machen in engen Kurven, wo man nicht sieht, was dahinter ist, oder auf hoppeligem Untergrund, oder wenn man einen Bordstein rauffährt, oder einem viele Radler:innen entgegen kommen. oder wenn man auf der Fahrbahn in Bus-Boden-Rillen zu geraten droht. Ich finde auch, dass man Gleise sicherer machen könnte, da gibt es Möglichkeiten, andererseits, wenn man parallel zu Gleisen radelt, muss man schon auch aufpassen, ich finde nicht, dass man für einen Sturz dann andere verantwortlich machen kann. Klar, wenn man eine Notbremsung machen musste ,weil ein Autofahrer einem die Vorfahrt nimmt, dann ist der Autofahrer verantwortlich. Aber schlechte Infrastruktur müssen wir halt so beradeln, dass wir nicht stürzen. Selbstverständlich finde ich, dass die Radinfrastruktur für Radfahrende besser sein muss. (Übrigens ist auch zu Fuß Gehen so gesehen gefährlich, denn auch Fußgänger:innen stürzen über Bodenunebenheiten oder knallen gegen Schildermasten.)
LöschenDas sehe ich anders. Es gibt eine Verkehrssicherungspflicht.
LöschenDie beinhaltet beispielsweise, dass das Lichtraumprofil freigehalten werden muss (also Hecken schneiden), dass Laub weggemacht werden muss, dass Schnee geräumt werden muss.
Stürzt ein Fußgänger, wo die Stadt (oder wer als Baulastträger in der Pflicht steht) die Räumpflicht auf die Anlieger abgewälzt hat, dann bekommt nicht der Fußgänger Schuld. Der Anwohner haftet. Wo die Stadt aber selbst verantwortlich geblieben ist (oder eine ihrer Tochtergesellschaften wie die AWS), da drückt sie sich aus jeglicher Verantwortung. Alleinunfall, der Radfahrer ist schuld, wenn unsichtbar unter einer glitschigen Laubschicht eine Längsfuge zum Sturz führt. So etwas lässt sich durch keinerlei angepasste Fahrweise verhindern.
Oder nimm einen benutzungspflichtigen Radweg. Benutzungspflicht hat die Stadt (Ordnungsamt) nur deshalb anordnen dürfen, weil das Fahren auf der Fahrbahn zu gefährlich ist. Dann aber im Winter, wenn die Sicht durch vereiste und beschlagene Windschutzscheiben und Spiegel beeinträchtigt ist, wenn Radfahrer und Autos auch noch rutschen, schlechter die Spur halten und einen längeren Bremsweg haben, dann sollen die Radfahrer doch auf die Fahrbahn ausweichen, weil der Gemeinderat nicht für ALLE benutzungspflichtigen Radwege Winterdienst bezahlen lassen wollte. Ob dieser menschenunfreundlichen Ignoranz und Ungleichbehandlung habe ich 'nen dicken Hals.
Wenn die Infrastruktur so schlecht gemacht und gepflegt wurde, dass sie den Verwaltungsvorschriften widerspricht, also nicht einmal die elementarsten Sicherheitsmaßnahmen eingehalten wurden, dann entspräche es meinem moralischen Empfinden, wenn die Verantwortlichen (Teil-)Schuld bekämen.
Jörg
AntwortenLöschenich habe tatsächlich in die Opendata schauen können. 2020 ist da. Für Stuttgart 287 Radbeteiligungen, 640 mit Kfz und 92 Fußgänger. Für BW 5109 Unfälle mit Radbeteiligung, 11537 mit Kfz und 1396 Fußgängern. Unfälle mit nur Autobeteiligung und Rad gegen Fuß könnte man nun auch noch filtern. Auf die 2021 Zahlen müssen wir noch warten.
Die meisten Unfälle sind mit Kfz. Hier hätten wir den größten Hebel etwas zu bewegen. Hoffentlich hält nicht die eine Partei am extremen Rasen z.B. mit 250 km/h im 3 Tonnen Gefährt aus reiner Ideologie fest. Wenn auf dieser Straße eine ganze Familie mit 120 km/h über die Autobahn "schleicht" und womöglich einen Laster der 80 km/h fährt überholt, ist das eine egoistische Gefährdung anderer.
Für die Stadt gilt weiterhin T30 ist sicherer, es kostet bei jeder Fahrt Minuten. Es spart gelegentlich viele Stunden in Krankenhäusern von Betroffenen, Angehörigen,Ärtzinnen und Pflegerinnen.
Jörg
AntwortenLöschenErgänzende Daten 15 857 Verletze gab es in dem Vergleichszeitraum in BW (14,1 % weniger als im ersten Halbjahr 2020). https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/08/PD21_394_46241.html;jsessionid=619B0130D107A4ACCE0FF9C61D597B19.live742
Was ich schon verrückt finde wie viele Unfälle es trotz dem geringeren Verkehr in der Corona Phase gab. Aber klar mich haben semi verrückte Autofahrer sogar mit Kindern auf der Rückbank gefährlich außerhalb der STVO überholt.
Jörg
AntwortenLöschenBitte vergesst nicht alle die Gescheichten vom letzten Winter: Um 20:00 Uhr mussten erwachsene Leute zuhause sein. Dazu wurden Witze gemacht. Gegen 19 Uhr waren die Straßen leer wie nachts um 2. Ich erinnere mich wie ich am frühen abend heim geradelt bin. Kaum ein Auto fuhr. Die Zone 30 habe ich mir mit Joggern geteilt. In so einer friedlichen ruhigen Welt gibt es keine Unfälle.
Sorry aber das ist die einzige passende Erklärung für den Unfallrückgang für den Zeitraum. Mit den Erfahrungen an den frühen Abenden könnte man noch viele positive Verkehrsgeschichte erzählen.