900 von der Stadt geförderte E-Lastenräder fahren inzwischen in Stuttgart herum. Sie sind seit 2018 fast eine Million Kilometer gefahren und haben 229 Tonnen CO2 eingespart. Nach Angaben der Stadt gab es seit 2018 bislang 1.200 Anträge auf Förderung, von denen fast alle positiv beschieden werden konnten. 1,07 Millionen Euro hat die Stadt in die Förderung bisher investiert. Am meisten Anträge wurden im Jahr 2020 gesetllt. Die Lieferengpässe, verursacht durch die Pandemie, führen allerdings dazu, dass bisher noch nicht alle Räder ausgeliefert werden konnten. Hinzu kam ein Förderprogramme für Menschen, die sich kein E-Lastenrad kaufen können, weil der Eigenanteil zu hoch ist, sich aber eines bei der Neuen Arbeit dauerhaft leihen können sollen. Davon machten bisher 121 Familien Gebrauch. Außerdem gibt es ein Förderprogramm zum Erwerb von E-Trikes, also E-Dreirädern für Mobilitätseingeschränkte.
Im Juli dieses Jahres hat die Stadt die Lastenradbesitzer:innen befragt, um mehr über die Gründe für den Kauf von Lastenrädern erfahren.
Demnach fahren 80 Prozent der Familien ihr Lastenrad mindestens vier Mal pro Woche bis täglich. Diese Familien sehen das Lasternrad als alternatives Transportmittel zum Auto an. 90 Prozent der Befragten genießen vor allem die große Flexibilität des E-Lastenrads, mit dem man überall hin kommt, aber nie Parkplatz suchen muss, 82 Prozent freuen sich, dass sie dabei auch was für die Umwelt tun können. Die Befragten sind der Stadt sehr dankbar für die Förderung und die Lebensqualität, die sie dadurch gewonnen haben. Das alles kann in der städtischen Drucksache 919/2021ausführlich nachgelesen werden.In meiner direkten Nachbarschaft beobachte ich, dass das von der Stadt geförderte E-Lastenrad wirklich jeden Tag mehrmals im Einsatz ist, haupstächlich, um die Kinder auf den Wegen zur Kita oder zum Einkaufen zu transportieren. Abgestellt wird es in einem ebenerdigen Kellerbereich. Das Abstellen stellt, so vermute ich, für einige, die gerne ein E-Lastenrad hätten, durchaus ein Hindernis dar. Man lässt es ungern in Wind und Wetter draußen stehen, auf Gehwegen ist eigentlich kein Platz, am Fahrbahnrand gerät man in Konkurrenz mit Autofahrenden und ihrer Parkplatzpanik. Nötig sind also in Wohnstraßen eigentlich überdaschte Lastenradparkplätze, die von der Stadt auch gesucht werden, wenn es damit auch sehr langsam vorangeht.
Die sicher mittlerweile über 1000 Lastenrad-Radler:innen machen auch die Erfahrung, dass so manche Radrouten, die über Fußgänger-Radampeln über die großen Suttgarter Kreuzungen oder breiten Straßen geführt werden, auf den viel zu schmalen Verkehrsinseln aufgeschmissen sind, weil sie vorn oder hinten in die Fahrbahn ragen. Sie müssen sich Wege suchen oder Ampelschaltungen so durchschauen lernen, dass sie diese Stellen vermeiden. Auch fehlt immer noch vielerorts die durchgängige und breite Radinfrastruktur, so manche Gehwege, die als Radwege ausgewiesen sind, sind viel zu schmal für ein Lastenrad im Begegnungsvekehr mit einem Normalrad oder Fußgänger:innen. Die Infrastruktur hinkt dem Radverkehr hinterher.
Kurz gesagt: In Stuttgart sind wir großartig darin, Fahrräder auf die Straßen zu bringen, aber immer noch langsam darin, die Infrastruktur auszubauen.
Ja, der zweite Schritt vor dem ersten. Eigentlich ist die Aufgabe von Staat/Land/Stadt das Bereitstellen von Infrastruktur, nicht das Verteilen von Subventionen.
AntwortenLöschenGut, die Lastenradförderung ist wenigstens eine einigermaßen sinnvolle und unschädliche Subvention, aber trotzdem: Gute Radinfrastruktur sollte Radverkehr induzieren, nicht umgekehrt. Dieser verkehrte Weg in umgekehrter Reihenfolge scheint notwendig zu sein, da viele Politiker reagieren statt proaktiv zu agieren und das Prinzip der Induktion nicht verstehen oder nicht verstehen wollen: der zukünftige Bedarf wird nicht berücksichtigt, sondern die aktuelle Nutzung des Verkehrsraumes zugrunde gelegt. Die ist seit Jahrzehnten von stark genutztem Kfz-Verkehrsraum geprägt und so wird in Kfz-Infrastruktur und Kfz-Subvention immer noch ein Mehrfaches investiert als in Radinfrastruktur, weil sich viele Entscheidungsträger nur schwerfällig an geänderte Randbedingungen anpassen.
Das viel höhere Subventionen in die Kfz-Elektromobilität gesteckt werden und in den entsprechenden Infrastrukturausbau (Ladestationen) ist allerdings befremdlich.
Ein Fahrrad hat seinen ökologischen break even bereits bei weit unter 1000 km (gemessen an den eingesparten Verbrenner-Kilometern), ein Elektro-Auto erst bei ca. 100.000 km. Ein Elektroauto ist also über 100 fach klimaschädlicher als ein Fahrrad/Lastenrad.
Ja, man sieht überproportional zunehmend Lastenräder im Stadtbild und man hat unwillkürlich Mitleid, weil sie schwerfälliger sind und die Lastenradfahrer mehr improvisieren müssen, um mit der unzureichenden Infrastruktur klar zu kommen. Noch haben sie Exotenstatus und genießen etwas mehr Rücksichtnahme der Autofahrer als Normal-Radfahrer. Das wird sich auf Sicht verlieren und das Fahrbahnradeln wird auch für Lastenrad-Piloten zunehmend stressiger werden.
In unserer Tiefgarage steht so ein gefördertes Lastenrad. Erworben von einer Nachbarin, die als zukünftige Firmenerbin sich locker dieses 5000+ € Gefährt auch ohne Förderung hätte kaufen können. Abgesehen von ihrem Job mit 10000+ € Einkommen.
AntwortenLöschenNa ja, und dieses Lastenrad steht eingekeilt zwischen ihrem PKW und der Tiefgaragenwand. Im letzten halben Jahr habe ich sie nur einmal (für eine Foto-Shooting) damit fahren sehen (mit dem Lastenrad versteht sich, im Auto sieht man sie fast täglich.
Irgendwie kann ich an den ökologischen Erfolg nicht so recht glauben...
Solche Extremfälle wird escwohl ein paar geben, die meisten Leute werden es regelmäßig benutzen.
LöschenIm Großen und Ganzen erinnert mich die E-Lastenradgeschichte aber sehr an die Sache mit der Glühbirne (*der* große Beitrag der EU zur Verhinderung der Klimakatastrophe...).
Bei so einer Subvention gibt es natürlich immer Mitnahmeeffekte.
Löschena) wer sowieso, auch ohne den zusätzlichen Anreiz, vor hatte, sich ein Lastenrad zu kaufen, der freut sich über das Geschenk aus Steuermitteln.
b) wer es dann doch nicht oder minimal nutzt, da war es dann eben einfache internationale Industrie-, Asien-Import und Handels-Förderung. Den Fahrrad-Handel freut's und der Anteil kommt immerhin in der Region an.
Immerhin hat es einen umfassenden verkehrspolitischen Nutzen.
1. Befürworter des Radverkehrs können sich mit einer Maßnahme "schmücken", die kurzfristig, noch innerhalb der Wahlperiode initiiert und umgesetzt werden kann.
2. Gegner des Radverkehrs freuen sich darüber, dass die Maßnahme minimalen Effekt hat (bezogen auf die Zielvorgabe, dass Millionen Autofahrten durch Fahrradfahrten ersetzt werden sollen) und dass das Geld nicht in wirksame Infrastrukturmaßnahmen fließt, die zu Lasten von Kfz-Verkehrsflächen gehen und Radverkehr induzieren. Ein Zeitgewinn von 1-2 Jahren, wenn nicht mehr.
Außerdem lenkt das von Kfz-Subventionen ab bzw. erschwert die Kritik an der (m.E. widersinnigen und umwelttechnisch nahezu nutzlosen) Hybridantrieb-Förderung von Firmenwagen.
Entsprechend ist der Nutzen gering für die Radfahrer-Allgemeinheit.
Meine Meinung: wenn man schon den Kauf oder das Leasing von Fahrzeugen subventionieren will, dann in einer übergreifend konzipierten Aktion, bei der aus einem Topf die höchsten Förderbeträge für die Fahrzeuge mit der besten Umweltbilanz gezahlt werden und dann proportional für die anderen. Fahrrad ohne Elektro das 100-fache eines Elektroautos, Pedelec und e-Bike das 50-fache.
Besser natürlich eine verhaltensabhängige Belohnung, z.B. ein privates Umwelt-Zertifikat, in der man sich z.B. mit 20km Radfahrt einen km Autofahrt "erkaufen" kann. Ähnlich wie den Zertifikatehandel für die Industrie.
Nachtrag: die Lastenrad-Förderung für bedürftige Familien, die finde ich vorbehaltlos Spitzenklasse.
AntwortenLöschenDir, Christine, und euch, allen Blogleserinnen und Bloglesern, wünsche ich ein gesegnetes Weihnachtsfest!
AntwortenLöschen@HOlger: "Außerdem lenkt das von Kfz-Subventionen ab bzw. erschwert die Kritik an der (m.E. widersinnigen und umwelttechnisch nahezu nutzlosen) Hybridantrieb-Förderung von Firmenwagen."
AntwortenLöschenDas ist genau der Punkt: Kann man auch Greenwashing nennen.
Kleine Anekdote dazu: In BaWü werden im Hochschulbereich (derzeit nur für Professoren!) Dienstfahrräder angeboten. Ich kenne nur einen einzigen, der ein solches Fahrrad zumindest zeitweise statt dem Auto zum Pendeln nutzt. Die meisten Pedelecs landen wohl bei den Ehepartnern oder Kindern. Und S-Pedelecs werden erst gar nicht als Dienstfahrräder genehmigt - die könnten ja ein Auto ersetzen.
Fazit: Sozial unausgewogen und ökologische Wirkung absolut fraglich. Was soll man dazu noch sagen...