Autofahrer kommen nur langsam vorwärts, Radfahrende haben zu viele Unfälle und Fußgänger:innen fühlen sich untergebuttert.
Die FAZ hat eine kleine Analyse der Zustände auf unseren Straßen gemacht, in der sich auch die Aussage befindet, dass Stuttgart für Radfahrende die unfallstsrächtigste deutsche Stadt ist. Die Aussage beruht auf einer 2018 veröffentlichten Statistik, die wiederum noch älter ist. Demnach kamen auf eine Millionen Radfahrten kommen 12 Unfälle, in Berlin sind es 10,2, in Frankfurt 9,6, in Amsterdam aber eben nur 1,2 und in Kopenagen nur 0,7 Unfälle auf eine Million Fahrten. Obgleich die Gründe vielfältig sind, scheint mir, dass es vor allem daran liegt, dass bei uns eine vom Autoverkehr oder Fußverkehr getrennte Radverkehrsführung so gut wie gar nicht gibt. Auch wenn die Datenerhebung schon viele Jahre alt ist, hat sich in Stuttgart in derselben Zeit eben auch nichts Entscheidendes für den Radverkehr geändert.
Wir haben nur 8 km Radwege (baulich getrennt), der Rest sind gemischte Wege auf denselben Flächen mit Fußgänger:innen oder mit Autos. Das ist konflikt- und unfallträchtig. In Städten mit wenig Radunfällen gibt es dagegen Radwege, Fahrradbrücken, kreuzungsfreie Radunterführungen und eine geschützte Radinfrastruktur. Deutsche Gemeinderäte wollen lieber die Einfahrt mit dem Auto durch Gebühren unattraktiv machen als sich der Anstrengung unterziehen, ihre Städte für den Rad- und Fußverkehr umzuplanen und umzugestalten. (Ich vermute, man möchte weniger Stau für die eigene Fahrt in die Stadt und mit dem Auto immer noch überall bis vor die Tür fahren können.) Das kostet aber Gesundheit und Leben von Radfahrenden.
Unser Straßenverkehr ist für alle stressig. Und zwar laut FAZ für Autofahrende, Radfahrende und Fußgänger:innen gleichermaßen. 60 Prozent der Autofahrenden finden ihre Fahrten stressig, bei den Radfahrenden sind es immerhin nur knapp 50 Prozent. Fußgänger:innen sind zu über 60 Prozent vor genervt von E-Stehrollern, von Radfahrern auf dem Gehweg und solchen, die zu eng an ihnen vorbei fahren und von Autofahrer:innen, die beim Abbiegen oder an Zebrastreifen nicht anhalten und die Kreuzungen zuparken. Dass Fußgänger:innen sich am meisten über E-Roller-Fahrer und am wenigsten über Autos ärgern, hängt auch damit zusammen, dass Gehwege vom Autoverkehr und auch vom Großteil des Radverkehrs getrennt verlaufen, sich aber geradeE-Stehroller-Fahrer nicht ans Verbot halten, auf Gehwegen zu fahren. Außerdem sind alle Autofahrenden auch Fußgänger:innen und haben darum Verständnis für Autofahrende (insbesondere Falschparker).
Es gibt eigentlich keinen guten Grund, mit dem Auto zur Arbeit in die Innenstädte zu fahren, dennoch fahren rund 75 Prozent mit dem Auto, ca. 13 Prozent mit Bahn und Bussen und nur 10 Prozent mit dem Fahrrad. Und das, obgleich man mit dem Auto, gemessen an der Motorisierung von Autos, extrem langsam unterwegs ist. Wobei wir in Stuttgart mit 26 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit zur Hauptverkehrszeit noch recht flott unterwegs sind (wir sind nämlich nicht nicht die Stauhauptstadt) verglichen mit Berlin oder Frankfurt am Main mit ca. 17,5 km/h. Das ist man mit dem Fahrrad immer schneller. Radfahren tun aber viele, die es könnten, nicht, weil sie den Autoverkehr für zu gefährlich halten oder weil ihnen die Duschen beim Arbeitgeber fehlen.
Wir alle wissen ganz genau, was zu tun wäre: Radwege ausbauen, Gehwege von Autos freihalten, den Autoverkehr disziplinieren und reduzieren. Im Prinzip ist auch eine knappe Mehrheit der Bevölkerung eigentlich dafür, allerdings nur solange, bis eine zukunftsträchtige Verkehrsplanung sie selbst betrifft. Es wäre gut, das würde sich mal ändern.
Man sollte mal untersuchen, warum Menschen mit dem Auto kommen. Auch ich fahre mit dem Auto ins Büro und nicht mit dem ÖPNV oder dem Rad. Einfache Strecke 20 km, Auto 20-25min, Fahrrad 55-65 min, ÖPNV 70-75min inkl. Fußweg über eine Straße ohne Gehweg und ohne Beleuchtung. Noch Fragen?
AntwortenLöschenIn regelmäßigen Abständen frage ich über die Fahrplanung des Verkehrsverbundes ab, ob sich villeicht mal eine schnellere ÖPNV-Route ergeben könnte (in 5 Jahren leider nicht). Bei der letzten Abfrage hatte ich den Eindruck, dass sich die Fahrzeit sogar noch verlängert hätte.
Kollege hat nur in einem anderen Vorort gewohnt, kürzeste Strecke 5km, Radroute besch..(Feldwege, unbeleuchtet), ÖPNV 45 min, weil riesen Umweg, Kosten für Monatsticket horrend, Auto 10min. Noch Fragen?
Und das geht vielen ähnlich. Ein angepasster ÖPNV und vielleicht auch mehr Park&Ride wäre hier hilfreich.
Karin
"Einfache Strecke 20 km"
LöschenTypischer Fall der jahrzehntelangen falschen, nur aufs Auto ausgerichteten Raum- und Verkehrsplanung.
Jörg
LöschenWer länger bei einer grossen Firma schafft, wird einfach mal an einen anderen Standort kommen (freiwillig oder semi-freiwillig). Die 20 km einfach haben mich getroffen.
Von der Anbindung des Standorts hängt die ÖPNV Quote ab. Am Standort in Stuttgart ist sie hoch. Beim Außen-Standort mit dem Bus von der S-Bahn fahren, ist nur was für die harten.
Unbeleuchtete Feldwege, es gibt gutes Licht. Es blendet nur die anderen. Schuhe muss man wechseln. Feldwege sind häufig dreckig.
Dass ein Liter verbranntes Benzin aus 10.000 Litern Frischluft 10.000 Liter Abgase macht, interessiert nach meiner Erkenntnis keinen einzigen Autofahrer. Würde allein diese Auto-Eigenschaft in irgendeiner Weise sachlich angemessen bepreist werden, würdest du aber sowas von mit dem ÖPNV oder dem Fahrrad fahren müssen :-)
LöschenBei mir sind die Verhältnisse ähnlich. Ich hab die annähernd verdoppelte Fahrzeit mit dem (E-)Fahrrad in Kauf genommen, um aus der Tretmühle zu kommen. Und auch nach ca. 3 Jahren geniesse ich es immer noch jeden Tag, sozusagen das Highlight eines Arbeitstags.
Ich kann mir inzwischen nicht mehr vorstellen, aus reiner Bequemlichkeit mit einer Stinkekarre rumzufahren. Versuchs mal. Leih dir ein E-Bike für einen Monat und ziehs durch. Das kann wie eine Therapie sein.
S. Schwager, Fürstenfeldbruck
Jörg
LöschenSteht da irgendwas über meine Verkehrsmittelwahl /-nutzung?
Das man in der Stadt mit dem Rad schneller ist halte ich für sehr relativ. Mein Arbeitsweg hat mich jahrelang quer durch Frankfurt a.M. geführt. Glücklicherweise konnte ich für den größten Teil der Strecke den südlichen Mainradweg nutzen. Irgendwann gab es dann ein leichtes Hochwasser, da war dann der Radweg dicht, aber die meisten Straßen waren noch ok. Ich habe dann genau ein Mal die Straßen parallel zum Main genutzt. Anstatt ca. 50min auf dem Mainradweg habe ich dann etwa doppelt so lang auf der Straße benötigt. Ampeln und vor allem der Ampelstau halten unendlich auf. Direkt in den Abgasen zu stehen ist auch kein Spaß. Auch ist die Straßenführung am Main entlang nicht immer direkt. Das sind keine Hauptrouten für den Autoverkehr, so gibt es dann immer wieder Einbahnstraßen die man umfahren muss.
AntwortenLöschenAuf Strecken unter 5 km ist man mit dem Rad wirklich fast immer schneller (oder gleich schnell), selbst dann, wenn nicht viel Autoverkehr herrscht. Zur reinen Autofahrt kommt ja noch die Parkplatzsuche und der Fußweg vom Parkplatz zum Ziel dazu. Ich meide mit dem Fahrrad aber natürlich auch Strecken, wo ich wie die Autofahrenden ständig an roten Ampeln halten muss, auch das ist ein Vorteil des Radfahrens. In Einzelfällen mag das mal anders sein, aber die stehen ja nicht fürs Ganze.
LöschenEs gibt eigentlich keinen guten Grund X zu tun, dennoch tun das 75%.
AntwortenLöschenFinde den Fehler.
Es gibt bei vielen Dingen, de wir tun, keinen guten Grund, und dennoch tun es viele Menschen. Zum Beispiel rauchen oder zu viel Alkohol trinken, sich nicht bewegen, sich mit anderen streiten, schlechte Laune verbreiten, neidisch sein und so weiter. Im Grunde verhalten sich Autofahrende wie Süchtige, die nicht richtig loskommen von dieser Krücke, den Alltag zu bewältigen, obgleich es sie stört, dass ihre Gedanken ständig ums Auto kreisen. Sich zu überlegen, wie gut die Gründe wirklich sind, warum man etwas tut, was viele andere auch tun, schadet nicht, finde ich.
LöschenDie Zahl 8 km baulich getrennte Fahrradwege macht mich echt stutzig! Ich hätte nicht gedacht, dass wir in Stuttgart nur so wenige km geschützte Radwege haben. Das muss besser werden. Die große Herausforderung ist, in dicht gebauten Gebieten der Innenstadt trotz des begrenzten Platzes ein durchgehendes, sicheres Radwege Netz zu schaffen. Große Verkehrsachsen sollten hochwertige, baulich getrennte Radwege haben, die in das Gesamtradwegenetz integriert sind. Da müsste es bestimmt auch gute Beispiele von anderen deutschen Kommunen geben, die ein ähnlich enges Straßennetz haben. Die Radschnellwege aus den angrenzenden Kommunen sind ebenfals ein wichtiger Baustein.
AntwortenLöschenViele vergessen in der Diskussion, dass pures Geld gespart wird, wenn man radelt, auch fürs Fitnessstudio und den Kardiologen. Ich will nicht ans Auto gefesslt sein, sondern flexibel das Fahrrad schieben, tragen oder stehen lassen um dem Parasiten MIV zu entgehen, der meine Freizügigkeit auffrist. Stau gibt es beim Radfahren nicht, denn diese Mobilität ist menschlich. Das Fehlentwicklungen, die Menschen Anreize gegeben haben (die gerne angenommen wurden) Stadtwohnen mit Vorstadtwohnen zu tauschen, von den Umsiedlern, die jetzt Kosten für 2 Autos,lange Fahrtwege, "Parkdruck" und Staustress als Normal und wie gottgegeben verklären - geschenkt. Selbstinduzierte Unfreiheit, weil billig Bauland und so bekommt von mir kein Mitleid - pure Wohlstandsprobleme.
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