24. Juli 2022

Der Fluch des Bäckereibesuchs

Heute ist Sonntag, also auf zum Bäcker. Und womit? Mit dem Auto! Und das parken wir dann genau dort. 

Wo auch immer ein Bäcker ist, stehen Autos illegal herum, nicht nur sonntags. Entscheidend ist offensichtlich, dass der kurze Besuch des Bäckers für Autofahrende in keinem Verhältnis steht zu der Länge der Parkplatzsuche und des Fußwegs vom Parkplatz zum Bäcker. Deshalb wird gar kein Parkplatz gesucht, sondern das Auto davor abgestellt, entweder auf Gehwegen oder auf Radwegen oder auf Fußgängerquerungen oder an Kreuzungsecken oder in zweiter Reihe. Dieses Auto hat sein Besitzer genau so stehen lassen, um in die Bäckerei zu gehen. Die Grundregel des Bäckereibesuchs ist offensichtlich das Faulheitsprinzip.
Das gilt auch für E-Scooter-Fahrer. An einem Sonntag fuhr ich mit dem Fahrrad auf der Neckarstraße einem E-Scooter hinterher, dessen Fahrer das Ding ordentlich auf der Fahrbahn über die grünen Ampeln lenkte. Schön!, dachte ich. Aber kurz vor der Ampel an der Hackstraße, wo wir hätten anhalten müssen, stieg er ab, hob den E-Scooter auf den Gehweg und fuhr dort weiter. Ich rief ihm zu: "Schade, jetzt sind Sie so schön auf der Straße gefahren und nun doch wieder Gehweg." Er war völlig konsterniert: "Ich muss doch nur zum Bäcker." - "Auf dem Gehweg ist trotzdem verboten."- "Aber der Bäcker ist doch hier um die Ecke." 

"Nur mal kurz zum Bäcker" ist das Symbol im Konflikt um das Falschparken, mit dem Autofahrer:innen alle anderen behindern. Als ein Kölner Radfahrer 2017 sein Fahrrad neben den Radstreifen auf die Fahrbahn stellte, versehen mit dem Schild "Nur mal kurz zum Bäcker" und das auf Twitter postete, gab es eine Erleuchtung im Netz. Was wäre, wenn wir unsere Fahrräder so auf Fahrbahnen abstellten, wie Autofahrende auf Radwegen und Gehwegen?

Es gibt tatsächlich auch Menschen, die mit dem Fahrrad zum Bäcker fahren. Die stellen ihre Räder dann auch bäckernah ab (selten auf der Fahrbahn, wenn zufällig Platz ist), und das auch nicht immer fußgängerfreundlich. 
Das Radparken auf Gehwegen ist allerdings ausdrücklich erlaubt und wird von der Autofahrergemeinde auch gewünscht, weil Räder ansonsten Straßenrandparkplatz wegnehmen würden. Am liebsten sähen es diese Leute natürlich, wenn  man gar nicht mit dem Fahrrad kommt und es abstellt. (Nehmt doch lieber das Auto!) 

In Degerloch gibt es regelmäßig Bäckerdramen. Hier eignet sich der Gehweg der Mittleren Straße besonders gut, um das Auto hinzustellen, auch für den Großeinkauf von Kuchen. Oder auch für einen anderen Einkauf, denn beim Bäcker kann man sein Auto ja immer hinstellen und sagen, man wolle nur kurz zum Bäcker. Als die Stadt bei einem anderen Bäcker in der Albstraße dem illegalen Bäckerparken auf dem Gehweg (der Schulweg ist) ein Ende machte und Poller aufstellte, sah der Händler seine Existenz bedroht, woraufhin die Stadt in der Nähe Dauerparkplätze in Kurzeitparkplätze umwidmete. Dass Bäcker auch ohne Parkplätze vor der Tür gute Geschäfte machen, betont wiederum eine dritte Bäckerei in Degerloch

abgepollerter Bäcker
Die Bäckerei Hafendörfer und das Chamäleon in der Eberhardstraße haben jedenfalls nicht dichtgemacht, weil die Eberhardstraße autofrei geworden ist (was ja sonntags die Fahrer:innen größerer Autos nie daran gehindert hat, reinzufahren und direkt vor dem Bäcker zu parken), sondern weil das Homeoffice während der Pandemie das Laufpublikum, deutlich verringert hat: also die Menschen zu Fuß. 

Das nur-mal-schnell-Parken kann im Prinzip teuer werden. In zweiter Reihe oder auf Gehwegecken parken ist generell verboten (es sei denn man muss einen schweren Gegenstand aus- oder einladen) und kostet zwischen 55 und 100 Euro. Wer sein Auto verlässt, der parkt (egal, ob es 1 Minute ist oder 30 Minuten). Im Prinzip müssten also alle zu Brot und Brötchen noch mal 55 Euro zuzahlen, denn eigentlich müssten unsere städtischen Vollzugsdienste das überall fleißig kontrollieren und Bußgelder ausstellen. Wobei sie dann nicht selten wüste Beschimpfungen auszuhalten hätten von Menschen, die doch nun wirklich nur mal kurz beim Bäcker waren. "Abzocke! Unverschämtheit! Haben Sie nichts besseres zu tun?" Woanders werde das toleriert beschwerte sich erbittert ein Bäcker im Rheinpfälzischen, der einen hübschen Gehweg vor dem Laden hat, den Autofahrer gern benutzten, bis es eben dann teuer wurde. 

Leider sehen meine Blogleser:innen hin und wieder (und immerhin so oft, dass des davon Fotos gibt) auch Polizeiautos höchstselbst auf einem Gehweg oder Radweg stehen, während die Besatzung nur mal geschwind einen Imbiss holen geht. Bei allem Verständnis für die langen Schichten der Ordnungkräfte und den Hunger, aber so wird das natürlich nichts mit der Ächtung der Bequemlichkeits-Parkerei auf verbotenen Flächen. Beamt:innen, die so was machen, müssen zwangsläufig viel Verständnis für Bürger:innen haben, die das auch machen. Und wo bleibt dabei das Verständnis für Fußgänger:innnen und Radfahrende? 

Falschparken behindert halt:
Meistens nicht die Autofahrenden, denn darauf achten Autofahrer:innen genau, dafür aber den Bus, die Feuerwehr, die Menschen zu Fuß, die Radfahrenden. Autos, die an Ecken parken, machen das Überqueren von Straßen schwieriger, nicht nur für Menschen, die schlecht zu Fuß sind, sondern auch für Kinder, die nicht über die Autos hinüberschauen können, sondern hinter ihnen hervorgucken, sich also in die Fahrbahn beugen müssen. 

Und das ist nicht allein ein Bäckereiproblem. Überall dort, wo eine Besorgung nach Einschätzung der Kund:innen nur ein paar Minuten dauert, werden Autos verboten abgestellt. Unsere Stadt Stuttgart hält für diese Bequemlichkeitsnot Straßenrandparkplätze vor, weil ein Teil der Politiker:innen immer noch der Meinung ist, ohne Auto könne man nichts besorgen, nicht einkaufen, überhaupt sein Leben nicht bewältigen. Und weil es nicht genug legale Parkplätze für alle Leute gibt, die die Läden anfahren in dem Glauben, für sie sei ein Parkplatz frei. Und wenn dann doch kein leerer Parkplatz auf sie wartet, stellen sie das Auto auf den Gehweg, an die Ecke, vor Radständer, einfach überall hin, auch in der autofreien Fahrradstraße, in die sie gar nicht erst hätten reinfahren dürfen. 


9 Kommentare:

  1. sogar die StZ schreibt über das Falschparken: https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.parksuender-am-pranger-stuttgarter-twittern-fotos-von-falschparkern.83083d4a-f338-4920-a062-6c60ad22af67.html

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  2. Schon 30m weiter, gegenüber, ist zu weit weg. Man lässt dann das Auto im breiten Kreuzungsbereich in 2ter Reihe stehen. Mit Kinderwagen kein Durchkommen mehr. Auch der Sichtbereich der Autofahrer wird beim Abbiegen gefährlich eingeschränkt. Man steht mit der Haube bereits weit in der Straße, bis man sehen kann, ob von rechts was kommt...
    Ich benenne das Verhalten jetzt einfach mal: es ist egoistisch und asozial. Nichts anderes.

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  3. Jörg
    Mich fasziniert es immer wieder wie fußkrank unsere Mitbürger sind. Es ist schon verrückt Fußwege von 4 bis 10 Minuten Dauer werden bei angenehmen Wetter und genügend Zeitbudget mehrheitlich vermieden.
    Wenn es aber gewünscht ist, sollte es dort Kurzparker Parkplätze geben. Natürlich nicht umsonst. Dauerhaftes Anwohnerparken ist jedenfalls keine Lösung. Ordnungswidrigkeiten müssen dort schwerpunktmäßig geahndet werden, wo sie vermehrt begangen werden. Sonst geht die öffentliche Ordnung zu Gunsten des Recht des Stärkeren (Dreisteren) verloren.

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    1. Ist das nicht längst geschehen?

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    2. Ohne Zweifel. Wie sollte es auch anders sein in einer kapitalistischen Gesellschaft, die die Ungleichheit, die Konkurrenz, den Wettkampf zum Grundprinzip erklärt, und somit dem Stärkeren per se immer Recht gibt?

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  4. Ich sehe das auch immer. Beim einen Bäcker wird egal in welcher Richtung auf dem Gehweg geparkt. Da bin ich auch schon fast angfahren und auch schon angemotzt worden, weil ich mein Rad auf dem Gehweg abgestellt habe. Ich hätte mein Rad gegenüber auf der anderen Seite hinstellen sollen, damit der Autofahrer bequem auf dem Gehweg stehen kann.
    Beim anderen Bäcker ist noch Baustelle mit Absperrungen mit absolutem Halteverbot davor. Da muss man sich hinstellen, obwohl es neben dem Gebäude einen Parkplatz gibt, auf dem man 30min kostenfrei parken darf. Aber die 30m sind anscheinend schon zuviel Weg. Ich kann da nur den Kopf schütteln über so viel Ignoranz.
    Karin

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  5. Wenn man sich nichg direkt vorm Geschäft hinstellen kann, negiert das ja den Sinn der ganzen Autofahrt, die ja i.d.R. nur ein paar hundert Meter beträgt.

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  6. Ralph Gutschmidt24. Juli 2022 um 20:57

    Gerade waren wir Eis essen. Und vor der Eisdiele stand ein großer SUV auf dem Behindertenparkplatz. Zugegeben, es ging nicht anders, denn die freien Parkplätze waren mindestens drei Parklücken entfernt und der sportliche junge Fahrer hatte zwei Jungs um die zehn Jahre dabei, die hätten kaum die zusätzlichen zwanzig Meter laufen können.

    Wenigstens war der SUV Fahrer so umsichtig, seinen Wagen nicht ganz auf dem Behindertenparkplatz zu stellen, so dass er auch den dahinter liegenden "normalen" Parkplatz mit blockierte. Übrigens ein sicheres Zeichen, dass bei seiner Ankunft auch dieser Parkplatz frei war (aber eben eine Fahrzeuglänge mehr Fußweg bei dieser Hitze).

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  7. Vor der Bäckerei an der Albstraße parken oft genug Autofahrer- gern auch mitten auf dem Zebrastreifen oder gänzlich auf der Verkehrsinsel. Diese Ecke ist auch daher so übel, weil man als Fußgänger die legalen Kurzzeitparkplätze umkurven muss, weil der direkte Weg nicht möglich ist. Aber eigentlich ist die gesamte Albstraße eine Katastrophe- von Anfang bis Ende ist einfach alles schlecht gemacht, sogar das Stückchen Zweirichtungsradweg.

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