28. Juli 2022

Tempo 30 in Städten rettet Menschenleben

Es braucht mehr als Fahrradhelme, damit Radfahrende nicht mehr tödlich verunglücken. In nur 5 Prozent der Fahrradunfälle ist der Kopf betroffen. Temporeduzierungen für den Autoverkehr haben eine viel bessere lebensrettende Wirkung. 

Das stellt die Die Zeit in einem Artikel dar. Eine Helmpflicht für Radfahrende bringt jedenfalls nichts, außer Ärger unter den Radfahrenden und Triumphgefühle unter Autofahrenden und allen anderen, die Radfahrende nicht mögen, und ihnen für die Freiheit, die sie sich nehmen, Rad zu fahren, wenigstens Helm und Schutzwesten aufbürden wollen. Lässt man Autofahrende weiterhin so schnell durch die Stadt fahren wie bisher, dann werden weiterhin Radfahrende durch Autos schwer verletzt oder getötet. 

Eine Kombination von Helm-Tragen und Reduktion des Stadtverkehrs auf Tempo 30 scheint hingegen geeignet, der Vision Zero sehr nahe zu kommen. In Helsinki ist es damit gelungen, die Zahl der getöteten Radler:innen auf Null zu bringen. Zumindest 2019 gab es dort keinen einzigen Verkehrstoten. In Finnland gibt es eine Helmpflicht. Im dänischen Kopenhagen haben Radfahrende immer Vorfahrt vor Autofahrenden, auch das schafft Sicherheit. 

Dass Radinfrastruktur und die schiere Masse an Radfahrenden immer noch nicht reicht, zeigen die Niederlanden. Hier schützt die Radfahrenden immerhin die Masse, Autofahrende sehen sie und rechnen immer mit ihnen, einfach weil es so viele sind. Allerdings passieren laut EU-Report Fußverkehrs und Radsicherheit 2020 (den ich nicht gefunden habe, auf den aber Die Zeit sich bezieht) dort genauso viele Radunfälle wie bei uns, legt man sie auf die gefahrenen Kilometer um, dann sogar noch mehr. Fahradunfälle sind eine Folge komplexer Verhältnisse und hängen auch von der Qualität der Untergründe ab, oder davon, wie viele schwierige Manöver ihnen abverlangt werden, oder wie schnell sie fahren. Das zeigen detaillierte Untersuchungen. Und nur ein Prozent der Radelnden tragen in den Niederlanden einen Helm. Aber auch das dürfte nicht ausschlaggebend sein (schließlich machen Kopfverletzungen nur fünf Prozent aus), sondern vermutlich der Umstand, dass auch Niederländer gerne Auto fahren und vermutlich eben auch nicht langsam. 

Es führt jedenfalls kein Weg daran vorbei, dass wir in Deutschland das Fahrtempo in Städten ernsthaft auf 30 km/h drosseln. Das Ringen darum hat bereits begonnen. Auch Stuttgart ist der Initiative Tempo 30 beigetreten, mit der man sich als Versuchsstadt anbietet, wenn das Bundesverkehrsministerium es den Städten erlaubt, selber zu bestimmen, wo Tempo 30 gilt. 

Die Deutsche Umwelthilfe hat große Kampagne gestartet, in der wir alle aufgefordert werden, in unseren Städten für Tempo 30 einzutreten, Anträge zu stellen oder auf unseren Grundstücken selber Schilder aufzustellen. 






14 Kommentare:

  1. Es wird immer so um Tempo 30 gerungen. Wenn man sich mal ansieht, wo man noch 50 fahren darf, ist man überrascht. Nämlich fast nirgends mehr.
    Bei uns ist quai fast alles außerhalb von Durchgangsstraßen und Hauptstraßen Tempo30 Zone oder 30 aufgrund von Lärmschutz. Selbst manche Durchgangsstraßen sind mittlerweile 30 (Lärmschutz wegen Lärmaktionsplan). Die Kommunen können das umsetzen, wenn sie wollen. Würde man generelles Tempo 30 in Städten umsetzen, müsste eigentlich nur umbeschildert werden. Die Tempo30 Zonen Schilder kämen weg und stattdessen 50er Schilder an den Hauptstraßen dazu.
    Wir haben doch schon größtenteils die Situation mit Tempo 30 realisiert.
    Das eigentliche Problem liegt an der Unfähigkeit/Unwille der Verkehrsteilnehmer sich einfach an Verkehrsregeln zu halten. Du thematisierts ja auch Falschparken, flasches Halten, Blockieren von Geh-Radwegen, enges Überholen etc. Alles in der STVO geregelt. Man müsste sich einfach nur dran halten, dann wäre es für alle besser.
    Karin

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    1. "Das eigentliche Problem liegt an der Unfähigkeit..." der Politik, es durchzusetzen. Natürlich genügt es nicht, Schilder aufzustellen, Tempo 20/30 verlangt bauliche Maßnahmen, Schließungen von Wohngebieten für Durchgangsverkehr, Bodenschwellen, Fahrbahnverengungen, Schikanen etc...

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    2. Bodenschwellen, Schließen von Wohngebieten etc. ist alles einer Folge der Unfähigkeit der Verkehrsteilnehmer sich an Regeln zu halten. Ausgelöst wurde das durch das Nichtmehrkontrollieren und das nichtmehrhartbestrafenvon Verstößen, die zur Schädigung anderer führen. Solange aber die Presse den "Strafen sind Abzocke-Vertretern" eine Bühne bietet und nicht explizit sagt, dass man sich zur Vermeidung der "Abzocke" doch einfach an die Regeln halten sollte, solange wird sich in den Köpfen nichts ändern. Und man benötigt dann halt für die Einhaltung der Regeln teure mechanische Lösungen., wenn man nicht flächendeckend kontrollieren will. Das Nichtkontrollierenwollen ist die Unfähigkeit der Politk. Wo käme man denn da hin? Das wäre ja ein Polizeistaat. Nein, es wäre nur die Kontrolle der Einhaltung der Verkehrsregeln, damit niemand zu Schaden kommt.
      Karin

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    3. Infrastrukturmaßnahmen sind auf Dauer gesehen viel nachhaltiger als Kontrollen. Sie kosten einmal alle 20-30 Jahre Geld und wirken bei jeder einzelnen Autofahrt, Kontrollen kosten jeden Monat bis ans Lebensende der entsprechenden Beamten.
      Viel wichtiger als beides aber ist die konsequente Rückführung des motorisierten Verkehrs auf das absolute Mindestmaß (geht natürlich nur, wenn man als Bundesverkehrsminister oder Ministerpräsident von BaWü nicht in der Tasche der Autohersteller lebt...)

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    4. Liebe Karin, du hast natürlich Recht. Wenn wir uns an die Regeln halten würden ... wenn mehr kontrolliert würde ... und so weiter. Aber Kontrollen sind unglaublich personalintensiv und wir sehen überall Polizei. Man spricht auch von selbsterklärnden Straßen, das wären solche, die so schmal sind, dass Autofahrende nicht mehr rasen können. In Wohngebieten ist das ja oft so, da fahren dann auch alle langsam. Aber auf den Hautpverbindungsstraßen eben nicht, und da könnte man viele schmaler machen und das Tempo reduzieren. Aus Brüssel weiß man, dass sich Autofahrende an Tempo 30 halten, wenn es überall gilt und nicht zwischendurch mal schneller gefahren werden darf. Die Infrastruktur muss allen Verkehrsteilehemer:innen halt genau zeigen, was sie da für eine Art von Verkehr haben will, dann klappt das auch.

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    5. Für die Branchen Straßenbau, Sicherheitstechnik und Beschilderung ist eine generelle Höchstgeschwindigkeit von 50 kmh innerorts vermutlich attraktiver als generell 30 kmh: Dann muss jede einzelne Straße, auf der auf höchstens 30 kmh reduziert wird, separat angepasst werden: Schilder, Fahrbahnschwellen, Fahrbahnverengungen usw. Falschparker bedeuten Umsatz durch Pollerverkauf und -installation. Bei Schnellfahrern, die die Kontrolle über ihr Fahrzeug verlieren oder auch Handy am Steuer helfen Leitplanken (zumindest außerorts).

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  2. "Versuchsstadt"... wenn ich das nur höre, das ist nur ein anderws Wort für die lange Bank, Punkt.
    Ih nehme sowas, ich nehme die Politik (auch grüne) nicht mehr ernst, solange nicht endlich Nägel mit Köpfen gemacht werden.

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    1. P.S. Und hört bitte auf, auch nur ansatzweise der Politik die Helmpflicht als Lösung anzubieten (nach dem Motto, fangen wir halt damit an, das kostet uns nichts etc...) denn wie du selbst sagst ist das in allererster Linie ein Mittel Radfahrer zu gängeln.

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  3. da benötigen wir zunächst verlässliche daten. dazu hat das ministerium eine mehrjährige studie in auftrag gegeben auf deren grundlage später in mobilitäts-pilotstädten ähnlich eines reallabors anwendungsbezogene untersuchungen durchgeführt werden können deren wissenschaftliche auswertung wir zunächst abwarten müssen.

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    1. Im Grunde müssten wir in Deutschland nur endlich bereit sein, vom Ausland zu lernen, die haben uns viel vorgemacht, das wir übernehmen könnten. Extra noch mal Daten sammeln, finde ich Zeitverschwednung. Im Grunde wissen wir alle sehr genau, was wir tun müssen, um erstens die Menschen zu Fuß und auf dem Fahrrad zu schützen, und zweitens, die Klimakrise zu bewältigen: Langsam fahren, Verbrenner reduzieren, Wind- und Solarenergie fördern, zur Not auch erst einmal auf E-Autos setzen, den Autoverkehr reduzieren, den Öffentlichen Verkehr ausbauen, Radwege bauen. Wir müssen, wie man so schön sagt, das Rad ja nicht neu erfinden, wir müssen nur mal vom Ausland lernen wollen.

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    2. entschuldigung, ich hatte den abschließenden satz vergessen:
      und bis dahin machen wir erst mal nix.
      ach so.
      jetzt hätte ich fast schon wieder was vergessen:
      den spritbonus machen wir natürlich.

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  4. Sehr schön. Stuttgart ist also der Initiative beigetreten.
    Kann man also davon ausgehen, dass Stuttgart bisher schon sehr viel Wert darauf gelegt hat, in T30-Zonen lückenlos zu überwachen und konsequent zu ahnden?

    Beste Grüße
    Torsten K. aus DA

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  5. Jörg
    Mich würden jetzt die Auswertungen aus den Städten die großflächig Tempo 30 eingeführt haben interessieren. Das Wissenschaft und gute Argumente kein Selbstläufer sind sieht man schon bei 130 auf der Autobahn. Das Wissen hilft aber trotzdem, die eigenen Leute zusammen zu bringen.
    Bei der Tour de France sieht man Ortsdurchfahrten mit Schwellen und Verengungen die bei uns unvorstellbar sind. Da haben wir Nachholbedarf, Kontrollen sind natürlich weiterhin nötig. Maßnahmen gegeneinander abzuwägen ist komisch, man kann das eine tun und das andere nicht lassen. Kontrollen gerne auch per Video mit KI - Datenschutz und Persönlichkeitsrechte werden gerne als Schutzschild für Verkehrssünder genutzt. Zieht das Feigenblatt Datenschutz endlich mal runter.

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    1. Solche Auswertungen gibt es ja bereits von Brüssel, daher weiß man auch, dass die Zahl der Verkehrstoten drastisch zurückgeht. Es gibt auch glänzende Erfahrungen mit autofreien Innenstädten in Spanien. Wir müssten nur bereit sein, vom Ausland zu lernen.

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