Schon 2017 hat die Unfallforschung erkannt, dass die Fahrradstaffel der Polizei (in dem Fall in Berlin) eine positive Wirkung auf die Sicherheit hat.
Einem Bericht des Tagesspiegel zufolge mag man die Polizisten auf den Fahrrädern. Und ich vermute nicht obwohl, sondern weil der Kontrolldruck steigt. In den drei untersuchten Jahren schrieben die zwanzig Fahrradpolizisten knapp 54.000 Anzeigen, und 70 Prozent (!) trafen Autofahrende, meistens Falschparker:innen. Nur 26 Prozent der Anzeigen richteten sich gegen Radfahrende, oft weil sie bei Rot über eine Ampel geradelt waren. Außerdem, so die Unfallforscher, sei die Zahl der schweren Radkollisionen (vermutlich mit Autos) im Wirkungsbereich der Staffel zurückgegangen, nicht allerdings die Gesamtzahl der Kollisionen. Die Unfallforschung empfahl damals eine Erweiterung der Fahrradstaffel der Polizei und eine Ausweitung auf alle Berliner Bezirke, was nicht geschah. Eine gewisse Dichte der Polizist:innen auf Fahrrädern muss nämlich sein, damit sie von denen, die unterwegs sind, auch regelmäßig gesehen werden.
In den drei Jahren passierte außerdem etwas Wunderbares: Anfangs lagen die von den Polizisten registrierten Vergehen von Autofahrenden und Radfahrenden bei rund fünfzig zu fünfzig, am Ende der drei Jahre hatte sie das Verhältnis extrem verschoben auf 76 Prozent Fehlverhalten von Autofahrenden zu 24 Prozent Radler:innen. Und das dürfte ausschließlich daran liegen, dass die Polizist:innen auf ihren Fahrrädern zunehmend nicht mehr bereit waren, das Radwegparkern und überhaupt Falschparken zu tolerieren.
Wir haben in Stuttgart seit einigen Jahren eine sehr aktive vermutlich rund zwanzigköpfige Fahrradstaffel. Mit genauen Daten ist das Landespolizeipräsidium sparsam.
2017 |
Ein besonderes Augenmerk auf Falschparker vor allem auf Radstreifen und Radwegen scheint nicht gelegt zu werden. Schaut man sich sich die Meldungen des Presseportals des Polizeipräsidiums für 2022 an, werden unter Beteiligung der Fahrradstaffel hauptsächlich gezielte Kontrollen von Fahrrädern und E-Scootern erwähnt, einmal wurde einem mutmaßlich betrunkenen Autofahrer von einem Fahrradpolizisten der Führerschein weggenommen. Was wir nicht lesen ist, dass die Fahrradstaffel ihr Augenmerk auf Falschparker auf Radwegen (und Gehwegen oder Gehwegecken) richtet. (Und die letzten konzertierten Abschleppaktionen gab es in den Jahren 2016, 2017 und 2018, danach nicht mehr.)
Auch der NDR hat dieses Jahr einen halbstündigen Film über die Fahrradstaffel in Kiel gedreht, ein Pilotprojekt. Die konzentrieren sich sichtbar vorwiegend auf das Fehlverhalten von Radfahrenden und E-Scooter-Fahrenden. Was auch daran liegen mag, dass sie erst anfangen. Der NDR berichtet über das Stellen von Geisterfahrer:innen auf der falschen Radwegseite, einen Ladendiebstahl, einen Fehlalarm in einer Bankfiliale, Fahndung nach flüchtigen Prügeltätern, eine Demonstration, und dann - Wow! - doch auch einen Radstreifenparker. Gern gesehen sind die Polizist:innen auf Fahrrädern auch hier, der Kontakt zu Bürger:innen ist näher, das gefällt allen. Allerdings ist es offensichtlich, dass die Fahrradstaffel sich nicht mit spezifischen Problemen für Radfahrende im Alltagsstaßenverkehr und auf Radstreifen oder Radwegen beschäftigt, sondern situationsbezogen alles macht, nur eben näher an Radfahrer:innen und E-Scooter-Fahrer:innen dran ist und sie schneller anhalten kann.
Ich habe auch nach längerer Suche keine Stadt gefunden, deren Fahrradstaffel sich der Perspektive der Radfahrenden verschreibt und nicht nur Falschradler oder mangelnde Radbeleuchtung kontrolliert, sondern systematisch auch Falschparken auf Radwegen, Radstreifen und Gehwegen oder Autofahrende, die Radfahrende zu eng überholen. In Köln kontrolliert die Fahrradstaffel der Polizei durchaus Falschparkende auf Radwegen oder in zweiter Reihe und Autofahrer, die die Einbahnstraße missachten, zumindest, wenn die Presse dabei ist, meistens aber Menschen auf Fahrrädern, die falsch gefahren sind. FaxxenTV zeigt auf Facebook einen Beitrag, wo Fahrradpolizisten sich mit einem Falschparker auf dem Radweg herumstreiten, wo das ist, habe ich nicht herausgefunden. Der Tagesspiegel berichtete schon 2016, dass die Berliner Polizei gezielt gegen Falschparken auf Radwegen vorgehe, angekündigt wird aber nur eine einzige Kontrollmaßnahme an einem Tag. Und die Fahrradstaffel war wohl nicht involviert.
Wenn Radwege kontrolliert werden, dann geht es um den Zustand - Löcher, Scherben, Gebüsch -, und es macht nicht die Polizei. Im Landkreis Osnabrück kontrollieren Mitarbeiter der Stadt auf zwei Pedelecs den Zustand der Radwege. In der Metropole Ruhr macht das der ADFC. In Stuttgart machen es die Radfahrenden selber mithilfe der Gelben Karte. Da kann dann aber ein Scherbenhaufen auch tagelang auf einem Radweg liegen, weil niemand ihn meldet.
Fazit: Fahrradpolizisten sind gern gesehene Polizisten, weil sie näher an den den Bürger:innen dran sind und man mit ihnen reden kann. Sie entfalten einen Kontrolldruck, den die meisten Menschen gut finden (wenn sie nicht gerade selber erwischt werden), vermutlich weil das regellose Verhalten im Straßenverkehr die meisten Menschen stört. Und wenn sie ihr Augenmerk auf die Autofahrenden richten, die das Vorankommen von Radfahrenden und Fußgänger:innen behindern, dann nimmt das Falschparken ab und es verringern sich sogar schwere Radlerunfälle. Also sollten sich Fahrradstaffeln durchaus mehr auf die Autos und ihre Fahrer:innen konzentrieren, die die Flächen von Fußgänger:innen und Radfahrenden illegal besetzen. Jeder, der auf einem Fahrrad sitzt, ärgert sich über einen "Nur-mal-kurz"-Parker auf Radstreifen und tut was dagegen. Polizist:innen in Streifenwagen hingegen bemerkten das nicht, weil es sie halt auch nicht ärgert. Sie stellen sich da auch selber gern mal schnell hin, auch wenn woanders Platz gewesen wäre (das Foto dazu spare ich mir hier jetzt).
Überlegenswert wäre übrigens auch, ob man die Beamt:innen des städtischen Vollzugsdiensts (die für den sogenannten ruhenden Autoverkehr zuständig sind) nicht teilweise auch auf Pedelecs Strecken zur Ahnung von Falschparkern abradeln lässt. Dann kommen sie weiter rum und erfassen mehr.
Bei uns (Mannheim) gab es auch mal eine Fahrradstaffel, die hat sich primär um die Naherholungsgebiete gekümmert. Anscheinend gibt es sie nicht mehr; ich habe schon lange nichts mehr gelesen.
AntwortenLöschenIch würde mir wünschen, dass es wieder eine gäbe, die sich jetzt aber mal um Radwege, Radfahrstraßen und Fußgängerzonen kümmern würde.
Vor allem um all die Autofahrer, die noch nie etwas von Verkehrsregeln gehört haben und deren Verhalten gegenüber Radfahrern unterirdisch ist. Da gibt es bei uns unglaublich viele. Man könnte meinen, der Führerschein wäre noch nicht eingeführt.
Karin
Da fällt mir der eine Ippen-Artikel ein, der immer wieder zitiert wird: "Statistik belegt: Fahrradfahrer sind die schlimmeren Verkehrsteilnehmer"
AntwortenLöschenhttps://www.24hamburg.de/hamburg/statistik-fahrradfahrer-polizei-kontrolle-personen-fahrzeuge-radfahrer-strasse-strassenverkehrsordnung-verstosse-91539014.html
Dabei war das ein Einsatz der Fahrradstaffeln, die schwerpunktmäßig Fahrradfahrer kontrolliert hat:
https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/6337/5219475
Und der Ippen-Artikel erwähnt das Detail "Fahrradstaffel" an keiner Stelle.
Vielen Dank für diesen Hinweis, diesen Ippen-Artikel hatte ich gar nicht gesehen, als er erschien. Ist ja echt faszinierend, wie sehr man das sieht, was man sehen will.
LöschenJörg
AntwortenLöschenEin bisschen zu innovativ, für Stuttgart? "Beamt:innen des städtischen Vollzugsdiensts ... teilweise .. auf Pedelecs Strecken ... abradeln lässt." Allerdings möglich wenn Porsche Pedelecs genutzt werden. Man kann ja mal bei Porsche fragen.
Nein, sie fahren Focus
LöschenFazit? Aktuell werden Radfahrer mehr kontrolliert als Autofahrer???
AntwortenLöschenGibt es überhaupt ein Fazit? Ich verstehe die Intension des Artikels auch nicht. Oder will man mir sagen, das die Polizei-Fahrradstaffel-unsere-Freunde-sind-weil-sie-auch-auf-einem-Fahrrad-sitzen? Frank
LöschenInformation muss nicht gleich eine Intention verfolgen. Die a Rolle der Polizeifahrradstaffeln ist zwiespältig.
LöschenSchön, hoffentlich befahren die auch mal in Zivil Pendel- und konfliktträchtige Strecken im Berufsverkehr.
AntwortenLöschenGruß, Georg