19. Juni 2023

Am Ende geht es immer um Autoabstellplätze

Jede politische Diskussion über Klimaziele und die Verkehrswende endet in Stuttgart bei den Autoabstellplätzen. 

Und nicht nur bei uns: Die neue Berliner Verkehrssenatorin (CDU) hat gleich schon mal angeordnet: Es sollen keine Radwege und Radfahrsteifen mehr gebaut werden, wenn dafür Parkplätze oder ein Fahrstreifen wegfallen. 

Unsere Autogesellschaft ist es dermaßen gewohnt, im öffentlichen Raum Platz zum Abstellen von Autos zu bekommen, dass Autobesitzende es förmlich als ihr Recht betrachten, dass die Stadtgesellschaft (und Politik) ihnen diesen Raum gibt und auch finanziert. Ob es um Außengastronomie auf Stellplätzen, Parkletts, die Wanderbaumallee, Stuttgarter Rechtecke, Fahrradbügel oder Stuttgarter Ecken (die Absicherung von Ecken gegen Falschparker) oder einen Radfahrstreifen geht, immer läuft es auf die Frage hinaus, wie viele Parkplätze wegfallen und ob das sein darf oder sein muss.  

Oft formieren sich vor Ort Initiativen, die den Erhalt der Autoabstellplätze vehement fordern. Immer schwingt mit, dass das Auto wohnrortnah abgestellt werden  müsse, zum Parkplatz zwei Minuten laufen will man nicht. Zur Bus- oder Bahn-Haltestelle so weit laufen, soll man aber selbstverständlich. 

Gerne auch wird das CO2-Argument gezückt und darauf verwiesen, dass man, wenn man eineViertelstunde im Viertel kreisen und einen Parkplatz suchen müsse, dies auch schädlich fürs Klima sei. Dass Menschen auch das Recht haben sollten, nicht auf ein eigenes Auto angewiesen zu sein, wird nicht besprochen. Denn das würde am Ende deutlich mehr Busspuren, Radfahranlagen und teils geschützte Radabstellanlagen erfordern, und die passen nur dorthin, wo bisher Autos sind. 

Und wir diskutieren auch nie über das Recht derer, die kein Auto haben, nicht die Autoabstellflächen im öffentlichen Raum über die Steuern mitfinanzieren zu müssen. Öffentliche Autoabstellplätze sind richtig teuer, dafür reicht das Geld aus der KfZ-Steuer bei weitem nicht. In Innenstädten wie Stuttgart beträgt allein der Wert der Fläche, auf der ein Autos steht, zwischen 5.000 und 15.000 Euro. Das Anlegen eines Stellplatzes kostet 1.900 Euro, wird ein Bordstein abgesenkt, dann kostet das 2.500 Euro. Für Reinigung und Pflege gibt die Stadt noch mal 100 bis 250 Euro im Jahr aus. Das ist die Subvention, die Autobesitzenden ohne Garage (oder anders genutzten Garagen) von der Gesellschaft zuteil wird. Würde der Parkplatz die Nutzer:innen das kosten, was er uns alle samt Bodenpreisen kostet, dann müssten die Stellplatzgebühren mindestens 200 Euro im Jahr (nur für Instandhaltung), und bis zu 1.200 Euro im Jahr für die Flächenmiete betragen. 

Und wo es Straßenrandautostellplätze gibt, gibt es Parkplatzsuchverkehr. Er nimmt ungefähr 30 Prozent des Verkehrs in Straßen ein. In der Stuttgarter Innenstadt gibt es 11.000 Stellplätze in Parkhäusern (die auch samstags halb leer sind) und 120 legale am Straßenrand. Ein einziger Parkplatz reicht, um einen Parkplatzsuchverkehr in den Konsumstraßen der Innenstadt auszulösen. Und wenn Autofahrende den dann nicht belegen können, halten und parken sie oftmals illegal. Einige nehmen zu meinen, jede freie Fläche stehe ihnen zu. Das sieht man nach Einbruch der Dunkelheit noch deutlicher so ungefähr überall in Stuttgart, wo es Fußgängerzonen gibt, in die man reinfahren kann. 

Den Parkplatzsuchverkehr in der Innenstadt beendet man nur dadurch, dass man überall das private Parken am Straßenrand verbietet. Alle müssen mit ihren Autos ins Parkhaus fahren. Punkt. Das Abstellen von Autos in Fußgängerzonen, auf Gehwegen und sonstigen freien Flächen muss zudem konsequent geahndet werden.

So wie auf dem Foto ganz oben darf es nicht aussehen. Offenbar haben sich drei Fahrer:innen abgesprochen, ihre Autos hintereinander auf dem Gehweg an der Wand der Landesbibliothek abzustellen, der mittlere kommt zumindest nicht raus, wenn nicht der vorne oder hinten wegfährt.  Der Fußgänger muss sich beim mittleren Auto ganz schlank machen, um da noch durch zu kommen. Die Autos parken unmittelbar vor dem Eingang zur Tiefgarage. 

15 Kommentare:

  1. ich zähle jetzt auf 3 und wenn sie dann nicht weg gefahren sind, füge ich ihnen schmerzen zu.

    ach sorry. unsere polizistinnen haben anderes zu tun. z.b. im adenauerhaus vortragen.

    karl g. fahr

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    1. Die Polizei ist nicht für den ruhenden Verkehr zuständig. Dafür ist das Ordnungsamt zuständig, also die Stadt selbst!!

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    2. föderalismus darf keine ausrede sein, sich vor verantwortung zu drücken.

      angela m. erkel

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    3. Außerhalb der Dienstzeiten des städtischen Ordnungsdiensts ist die Polizei zuständig, und sie muss auch was tun, wenn Gehwege oder Radwege blockiert sind. Wobei die Ordnungskräfte durchaus ernsthaft und nachdrücklich gegen die schlimmsten Auswüchse kämpfen.

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  2. "Und wir diskutieren auch nie über das Recht derer, die kein Auto haben, nicht die Autoabstellflächen im öffentlichen Raum über die Steuern mitfinanzieren zu müssen."

    Nicht nur das, auch darf ich als autofreier Mitfinanzierer - selbst mit gültigem Parkschein - die öffentliche Fläche nicht für andere Zwecke nutzen!
    Ich glaub, ich lege mir irgendwann mal einen StVo-konformen, übergroßen Bollerwagen zu ;) Bekommt der dann auch einen Anwohner-Parkausweis?

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    1. Such mal nach Stichwort "Parkraumwunder" ;)

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  3. Ich verstehe diese Diskussionen über Parkplätze am Straßenrand nicht. Wenn ich in die Stadt fahre, stelle ich meine Kiste in ein Parkhaus. Ich hasse es einen Abstellplatz zu suchen. Es geht mir auf den Keks, dass es in zugeparkten Stadtteilen keine öffentichen Parkhäuser gibt. Beispiel: mein Bruder wohnt in Köln. In dem Viertel in dem er wohnt, gibt es nicht ein Parkhaus. Das Viertel ist komplett zugeparkt. Wenn man sich die ganzen parkenden Autos mal wegdenkt, ist das ein schönes Viertel, mit eigentlich Grünsteifen, Alleen, schöner alter Wohnbebauung, aber alles zugeparkt. Wenn ich mal dort hinfahre, suche ich einen Parkplatz. Wenn ich einen habe, brauch ich ein Parkticket für max. 3 Stunden, bringt mir aber nichts, wenn ich über Nacht bleiben will, und außerdem weiß ich dann nicht mehr, wie ich überhaupt zu ihm hinkomme (ich kenne mich in dem Viertel nicht aus). Könnte ich ein Parkhaus nutzen, würde ich es vorher aussuchen, Wegstrecke merken, stehenbleiben solange wie ich will, kostet halt ein bisschen. Egal wo ich hinfahre, kucke ich vorher, wo das nächste Parkhaus ist, das fahre ich dann gezielt an. Ist viel entspannter.
    Ich verstehe nicht, warum man nicht viel mehr auf Quartiersgaragen/-parkhäuser setzt und die Autos aus dem öffentlichen Raum verbannt. Ich verstehe auch nicht, warum bei Euch die Autos in der Fußgängerzone direkt vor dem Parkhaus nicht beknollt werden. Da kann man locker das doppelte ansetzen, da man vor dem Parkhaus ja von Vorsatz ausgehen muss.
    Karin

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    1. Das mit den Quartiersgaragen erweist sich auch nicht als so einfach. Sie gehen ja nur noch unterirdisch, denn oben ist alles zugebaut. Im Bestand ist das schwierig und teuer und Tiefgaragen brauchen aufwändige und raumgreifende Zu- und Abfahrten. Und das alles kostet viel Geld. Bei Privathäusern bezahlen die Mieter:innen die Kosten für die Tiefgarage, auch die, die kein Auto haben. In Stuttgart werden neue Quartiere mit sogenannten Mobilitäts-Hubs gebaut, Stellplatzschlüssel weit unter einem Auto pro Wohneinheit, dafür Stellplätze für Car-Sharing etc. Große Parkhäuser (etwas Park & Ride) an Stadträndern erfordern Zeit und generieren da, wo sie hinkommen sollen, Protestbewegungen. Ist also überhaupt nicht einfach, die vielen Autos unterzubringen, die wir besitzen.

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    2. Es gibt immer mal wieder freie Flächen, wo man auch ein einfaches, wieder abbaubares Parkhaus bauen könnte, wenn man denn nicht immer gleich die Dollars in den Augen hätte. Bei uns im Ort gibt es drei(!)
      stillgelegte Tankstellen, im Prinzip nur noch Ruinen, da könnte man doch relativ einfach ein Stahlbau-Parkhaus draufstellen, wenn denn der Wille da wäre.
      Übrigens so ein Wohngebiet mit einem geingen Stellplatzschlüssel gibt es hier auch. Folge: Alles zugeparkt, extremer Parkplatzmangel besonders für Besucher. Erste Anwohner ziehen schon wieder aus, weil Freunde nicht mehr zu Besuch kommen können. An ein Parkhaus für Besucher hat man nicht gedacht. Eine gut vernetzte ÖPNV-Infrastruktur gibt es nicht und das was gerade gebaut wird, scheint mir auch nicht so ganz durchdacht zu sein, jedenfalls erschließt es sich mir nicht, auch nicht mit längerem darüber nachdenken. Nachversorgung gibt es übrigens auch erst seit einem dreiviertel Jahr, obwohl schon seit 6-7 Jahren Leute dort wohnen. Wenn man Menschen dazu bewegen möchte weg vom Auto zu kommen, scheint mir die Vorgehensweise erst Leute, dann Infrastruktur, eher nicht dazu geeignet.
      Karin

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  4. Überall kostenlose oder billige Parkplätze anzubieten ist ein wichtiger Grundpfeiler des Konzeptes einer autogerechten Stadt. Denn nur so haben es Autofahrer maximal bequem.
    Und tolerieren von Falschparken und damit die Heranzucht von Parkarnarchie ( wie in den Bildern) gehört auch dazu. Wer "rechtsfreie Räume" beseitigen will, kann hier beginnen.

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  5. Jörg
    Das ist gelebter Sozialismus. Und dann wundert man sich über Mangel. Das gehört doch zum Sozialismus.
    Aber wie sagten Mitte Rechts Bezirksbeiraete, wie es um einen sicheren Schulweg ging. Die Autos parken da schon immer. Die Ansage war deutlich, privates kostenloses Parken vor Sicherheit in der Zone 30 für Kinder.

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  6. Ich mache noch mal darauf aufmerksam, dass ich anonyme Kommentare nicht freigebe. Wir posten hier mit unserem Namen und viele auch mit ihrem Gesicht.

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    1. Gern auch noch mal mit Namen des Kommentators:

      „… gewohnt, im öffentlichen Raum Platz zum Abstellen von Autos zu bekommen, dass Autobesitzende es förmlich als ihr Recht betrachten, dass die Stadtgesellschaft (und Politik) ihnen diesen Raum gibt und auch finanziert.“
      Und genau das trifft natürlich nicht auf Radfahrerinnen und Radfahrer zu.

      „…zum Parkplatz zwei Minuten laufen will man nicht.“
      Aber Radfahrer schaffen es immer, die Straße zu überqueren und auf der richtigen Seite des Radweges oder Fahrradstreifens zu fahren. Die Zeit nehmen sie sich. Sie fahren auch immer in Einbahnstraßen in der freigegebenen Richtung und nehmen etwas mehr Zeit in Kauf, als wenn sie den kürzeren Weg entgegen der freigegebenen Richtung nehmen würden. Und natürlich wird beim Abstellen von Fahrrädern auch immer darauf geachtet, dass noch genügend Platz auf dem Gehweg ist, insbesondere für Rollstuhlfahrer und (Zwillings-)Kinderwagen. Gern nimmt man auch dafür etwas Weg in Kauf und stellt sein Fahrrad an geeigneter Stelle ab.

      „Und wir diskutieren auch nie über das Recht derer, die kein Auto haben, nicht die Autoabstellflächen im öffentlichen Raum über die Steuern mitfinanzieren zu müssen.“
      Aber für Straßen, die auch durch den Radverkehr genutzt werden, Radwege und -abstellanlagen dürfen sie gern Steuern zahlen.

      „Öffentliche Autoabstellplätze sind richtig teuer“,
      Die für Fahrräder kosten nix.

      „Einige nehmen zu meinen, jede freie Fläche stehe ihnen zu.“
      Genau mein Humor. Dem Radfahrer ist es doch auch freigestellt, ob er eine zur Radspur umgewidmete Autospur, die verbliebene Autospur oder den Gehweg benutzt.

      „Alle müssen mit ihren Autos ins Parkhaus fahren. Punkt.“
      Okay. Dann darf das aber auch für Fahrräder gelten.

      „Das Abstellen von Autos in Fußgängerzonen, auf Gehwegen und sonstigen freien Flächen muss zudem konsequent geahndet werden.“
      Dem stimme ich uneingeschränkt zu. Die konsequente Ahndung muss aber auch für das Radfahren auf Gehwegen und in Fußgängerzonen oder der falschen Straßenseite, das Einfahren in eine Straße trotz Verkehrszeichen 267, das fahrende Überqueren eines „Zebrastreifens“, das Missachten roter Ampeln usw. erfolgen.

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    2. Lieber Heiko, ich begegne oft den Versuchen, sozusagen das Wort "Auto" durch "Fahrrad" zu ersetzen und dann anzumahnen, Radfahrende müssten das tun, was Autofahrende tun. Deine Argumentation ist nicht immer so, dass ich ganz verstehe, was genau du meinst. Das Abstellen von Fahrrädern auf Gehwegen ist erlaubt. Es gab sogar einen Versuch des Verkehrsministeriums, das zur Pflicht zu machen. Wir wünschen uns Radabstellanlagen, die die Gehwege freihalten. Es gibt Radfahrende, die den Radweg falsch benutzen. So wie es Autofahrende gibt, die durch gesperrte Straßen oder falsch herum durch eine Einbahnstraße fahren (kann ich etlichen Fotos belegen), oder Mopedfahrende, die Radwege benutzen und verkehrherum durch Einbahnstraßen fahren. Es gibt immer irgendwelche, die sich nicht an die Regeln halten. Übrigens sind 70 Prozent der Einbahnstraßen in Stuttgart für den Radverkehr in Gegenrichtung freigeben, meistens also dürfen wir da fahren. Oft sind des die Autofahrenden, die von der Freigabe nichts mitkriegen. Das hat aber nichts mit der Diskussion um Parkplätze zu tun. Die Ausgaben für den Autoverkehr (relativ zur Menge der Autos und Radfahrenden gerechnet) sind immer noch drei Mal so hoch wie für den Radverkehr. In Leipzig werden 15,5 Millionen Euro für Radwege ausgegeben, aber 106 Millionen Euro für Autoinfrastruktur. In Leizog fahren 37 % Auto und 19 % Fahrrad. Rechnet man die Kosten um auf den tatsächlichen Modal-Split, dann liegen die Ausgaben pro Radfahrer:in bei 140 Euro, pro Autofahrer:in aber bei 487 Euro. Der Autoverkehr wird auf vielen Ebenen hoch subventioniert (direkt mit Kaufanreizen auf Staatskosten, indirekt mit der Bereitstellung einer sehr teuren Infrastruktur einschließlich teurer Abstellplätze). Und alles, was man fürs Fahrrad macht, bringt einer Stadt und damit dem Steuerzahlen Gewinn (man spart Infrastrukturkosten, Gesundheitskosten, Kosten für Lärmschutz, der lokale Handel verdient mehr Geld etc.) Dass unser Verhältnis zu Radfahrenden neurotisch missgünstig, gehässig und neidisch - mindestens aber ziemlich irrational ablehnend - ist, beschreibe ich in meinem Post: https://dasfahrradblog.blogspot.com/2023/06/unser-neurotisches-verhaltnis-zu.html

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