25. Juni 2023

Machen wir einfach mal was anders als sonst


Das Meiste, was wir tun, ist Gewohnheit. Gewohnheiten können wir aber auch ändern. Das klappt besonders gut, wenn wir in einer inneren Aufbruchsstimmung sind, weil sich bei uns im Leben etwas geändert hat.

Wenn wir uns einmal fürs Auto entschieden haben, dann entscheiden wir uns nicht jeden Tag neu, sondern nehmen es für alle Routinewege. Dasselbe gilt fürs Fahrrad. Und nun ist die Frage, wie kommen wir von der Gewohnheit Auto weg und hin zur gewohnheitsmäßigen Nutzung des Fahrrads? Die die es schaffen, sind nach einer Weile ganz glücklich darüber. Die anderen ahnen nicht, was ihnen entgeht.

Der Sozialpsychologen Florian Kutzner gibt Antworten, die man sich hier durchlesen kann. Meistens braucht es einen Anlass und Bestärkung im Freundeskreis, in der Familie oder bei den Arbeitskolleg:innen. Fährt die gesamte Nachbarschaft und Bekanntschaft Auto, dann klappt es nicht. Und wenn ein kaputtes Fahrrad dem wilden Entschluss zunichte macht, heute das Fahrrad zu nehmen, oder wenn es ausgerechnet dann regnet, dann war's das auch wieder für eine Weile. Wenn man Radfahrende insgeheim ein bisschen verachtet oder wenn man selber nicht so aussehen will wie diese in Warnwesten oder Gelbjacken gehüllten, über den Lenker gebeugten Typen, dann wird das natürlich auch nichts. Solange man noch Begründungen anbringt, warum man mit dem Auto fahren muss, will man seine Gewohnheit nicht ändern und tut es auch nicht. 
Besonders gut gelingt die Änderung einer Gewohnheit, wenn sich sowieso etwas im eigenen Leben ändert, beispielsweise nach einem Wohnungswechsel in ein Haus mit Fahrradabstellraum. Und dann hilft es, wenn man Leute kennt, die auch Rad fahren und vielleicht den gleichen Weg zur Arbeitsstelle haben wie man selber. Am Anfang radelt es sich am besten gemeinsam mit einem Radler, der sich schon gut auskennt. Man muss sich übrigens dazu nicht in Warnwesten hüllen, die bringen eh nichts. Das mit dem Helm kann man sich auch noch überlegen, wenn man öfter fährt. Man kann normaler Mensch bleiben und in normalen Klamotten radeln, sollte sich allerdings nicht die enge Jeans ohne Strech anziehen, und die Jacke oder der Mantel sollte an den Schultern nicht so eng sein, dass es anstrengend ist, die Arme zum Lenker zu strecken. Bevor man sich später dafür entscheidet, die meisten Strecken mit dem Fahrrad zu machen, weil es schöner ist als Auto fahren, vergeht einige Zeit. Ist okay. Es ist schon viel gewonnen, wenn wir alle öfter mal was anderes fahren als Auto. Wir müssen nicht gleich "Radfahrer" werden: das meistgehasste Wesen in unserer Verkehrswelt. Die misten die herumradeln sind auch nur Menschen, die sich gerade fürs Fahrrad entschieden haben. So wie du auch. 

Leider ist es in unseren Städten, auch in Stuttgart, immer noch nicht einfach, für sich eine Radroute durch die Stadt zu finden. Die meisten Radrouten sieht man vom Auto aus nicht, weil sie über Nebenstraßen oder durch den Schlossgarten führen. Man muss schon aufs Fahrrad steigen und eine Umgebung abfahren, um die Radwege, Radfahrstreifen und Strecken durch Parks, Wälder oder Nebenstraßen zu entdecken. Den Weg per Rad zur Arbeitsstelle erkundet man am besten an einem Sonntag. Und auch dann muss die Strecke, die man dabei findet, nicht die gleich beste sein. Nach meiner Erfahrung dauert es eine Weile, bis man für sich die optimale Strecke gefunden hat. Das hängt auch davon ab, wie autofern man radeln oder wie lange man an Rad-/Fußgängerampeln warten möchte. Das wirft leider kein gutes Licht auf unsere Radinfrastruktur. Sie ist zwar vorhanden, und sie ist besser als Menschen denken, die die Verkehrswelt nur vom Auto aus sehen, aber sie ist auch sehr zusammengestoppelt und mit Hilfskonstruktionen versehen, bei denen man nicht gleich erkennt, wie es für mich als Radlerin weitergeht. 

Es hilft auch sehr, wenn man bald anfängt, sich mit den einschlägigen Verkehrsregeln zu beschäftigen und bewusst auf Verkehrszeichen achten. Die wichtigsten Regeln: 
  1. Alle Gehwege sind fürs Radfahren tabu! Nur manche sind für den Radverkehr freigegeben, sie sind mit blauen Fußgängerschildern und daraunter einem weißen Schild mit "Fahrrad frei" gekennzeichnet. Auf ihnen muss Schrittgeschwindigkeit gefahren werden. Das geht natürlich nicht, aber man darf auf ihnen keine Fußgänger:innen wegklingeln und im Affenzahn überholen. (Man muss da übrigens nicht radeln, man darf auch die Fahrbahn nehmen.) 
  2. Auf Radwegen und Radfahrstreifen will man meistens radeln, muss es aber auch, wenn dort das blaue Radwegschild steht. 
  3. Für Radfahrende gelten zuerst Fahrradampeln, sind die nicht vorhanden, dann die Autoampeln (sofern sie rechts vom Radweg oder Radstreifen stehen), und an Fußgängerüberwegen die Fußgängerampeln, wenn sie mit einem Radzeichen versehen sind. Ein Rotlichtverstoß wird teuer: 100 Euro und 1 Punkt in Flensburg, und die Polizei kennt da kein Erbarmen und lässt keine Entschuldigung gelten. 
  4. Fast der ganze Schlossgarten ist ein gemischter Geh- und Radweg. Das heißt, alle müssen aufeinander Rücksicht nehmen. An Fußgänger:innen fährt man aufmerksam und langsam vorbei, vor allem, wenn Kinder dabei sind. Allerdings ist der Bereich zwischen Eckensee und Oper (wie der Neckardamm auch) nur eine Fußgängerzone mit Rad frei. Unsere Fahrrechte sind auf ein Minimum beschränkt. 
  5. Einbahnstraßen darf man meistens in Gegenrichtung beradeln, aber nicht alle. Auf die Vekehrszeichen achten! 
  6. An Zebrastreifen haben Fußägner:innen immer Vorrang, auch vor Radfahrenden. Will ein Fußgänger gehen, schreckt aber zurück, weil wir angeradelt kommen und nicht bremsen, dann haben wir den Fußgänger behindert und dann sollte sich keine Polizei hinter uns befinden, denn die ahndet das sehr konsequent. Als Radfahrer:in hat man, wenn man den Zebrastreifen benutzt, keinen Vorrang vor Autofahrenden. Den hat man nur, wenn man das Fahrrad schiebt. 
  7. Auch an Radwegkreuzunen herrscht Rechts vor Links.
  8. Vor dem Abbiegen muss man Handzeichen geben (sollte es auch tun, denn dann wissen die anderen Radler:innen, was du vorhast), muss den Arm aber nicht in der Kurve selber rausgestreckt halten.  
  1. Zur Eigensicherung:
    Unbedingt mit mehr als einem Meter Abstand an geparkten Autos entlang fahren! Das ist überlebenswichtig, denn einer Tür, die sich plötzlich öffnet, kann man in der Regel nicht ausweichen, und die Verletzungen sind erheblich. 
  2. Höchst wachsam sein, wenn man Radwege fährt, über die hinweg Autofahrende nach rechts abbiegen dürfen. Die sehen einen oft nicht. Geradeausradler haben zwar Vorrang, aber bei einem Zusammenstoß mit einem Auto zieht man immer den Kürzeren. 
  3. Überhaupt damit rechnen, dass Autofahrende Menschen auf dem Fahrrad manchmal nicht sehen, obgleich sie uns gesehen haben müssten. 


4 Kommentare:

  1. Man sollte fairerweise sagen, dass der Unterschied zwischen Fahrradfahren und Autofahren nicht nur im Fahrzeugwechsel besteht. Wenn du als Autofahrer bisher im Offizierskasino von der Ordonnanz bedient wurdest, stehst du als Radfahrer bei der Suppenausgabe in der Feldküche an. Die Leute sind ja nicht doof und merken das.

    Stefan, Fürstenfeldbruck, Bayern

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    1. Ganz so extrem sehe ich das nicht. Auch Autofahrende fühlen sich meistens nicht gut bedient in unserer Verkehrswelt und ärgern sich über alles Mögliche, vor allem darüber, dass es nicht vorwärts geht. Manche stehen eine Stunde früher auf morgens, nur um mit dem Auto gut durchzukommen, das stelle man sich mal vor! Radfahrende dagegen kommen immer durch und stehen nie im Stau, und das merkt man halt auch sehr schnell.

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  2. auch wenn es die willfährigen helfer von piech und konsorten mit allen mitteln versuchen zu vertuschen und zu verhindern:
    wir leistungsträger sind die gewinner, genießen unsere freiheit, haben tolle familienleben und fahren rad.

    karl g. fahr

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  3. "Für Radfahrende gelten zuerst Fahrradampeln, sind die nicht vorhanden, dann die Autoampeln". Das ist in dieser Allgemeinheit nicht richtig. Man muss sich zusätzlich auf einer Radverkehrsanlage befinden, nur dann gelten diese zu klein geratenen Spielzeugampeln. Ein Beispiel. Bis vor ein paar Wochen war es in Fellbach noch erlaubt, auf der Stuttgarter Straße mit dem Rad zu fahren (jetzt verboten). Gleichzeitig gab es am Stuttgarter Platz/Bahnhofstr eine Fahrradampel. Die Fahrradampel wurde jedoch 1. viel früher wieder rot als die Fahrbahnampel und sie war 2. ebenfalls rot wenn KFZ rechts abbiegen wollten während die Fahrbahnampel Grün zeigte. Wenn die Fahrradampel immer gelten würde, wäre man in der Situation bei grüner Fahrbahnampel anhalten zu müssen, bzw nicht fahren zu dürfen. Ja kompliziert, versteht niemand, versteht nicht mal das Strassenverkehrsamt in Fellbach. §37/6 StVO..

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