2. August 2023

Ultrarechte in Spanien bauen Radwege zurück

Elche. Oben: der neue Radweg. Unten: So sah es vorher 
und so sieht es vielleicht bald wieder aus.
 
Elche ist eine spanische Stadt bei Alicante. Die EU hat dort die Radinfrastruktur mitfinanziert. Letztes Jahr bekam die Stadt einen Umweltpreis der Gemeinden Spaniens. Nun sollen die Radwege wieder weg. 

Jetzt regiert die rechte Partido Popular und die ultrarechte Vox, die den Klimawandel für Mumpitz hält. Beide haben den Wähler:innen Parkplätze und freie Autofahrten anstelle von Radwegen versprochen. Den ersten Radweg wollen sie abbauen mit dem Argument, an einer Stelle habe es Unfälle mit Autofahrern und Fußgänger:innen gegeben. Zwei andere sollen aber auch weg. Diese Radinfrastruktur wurde zu fünfzig Prozent von der EU finanziert, und die Millionen-Gelder müsste die Stadtregierung dann zurückzahlen. Und noch einmal so viel kostet der Rückbau in Autostraßen. Auch die EU-Strafen für Luftverschmutzung dürften hoch werden. Ideologie ist also sehr teuer.

Sie kostet nicht nur die Stadtverwaltungen viel Geld (denn alles, was man gegen das Fahrrad und für den Autoverkehr tut, ist sehr koststpielig), sondern auch die Menschen, die in so einer Stadt leben. Sie leiden an Lärm und Luftverschmutzung und die Gefahr, von Autofahrenden verletzt oder getötet zu werden ist höher. Im Juni gab es eine erste Fahrraddemo dagegen, an der vielleicht dreihundert Menschen teilnahmen, mit den uns bekannten Argumenten für den Radverkehr. In der spanischen Internetpresse gibt es nach der Demonstration keine Meldungen mehr zu dem Thema, es ist also unklar, die Ankündigung verwirklicht wird oder wurde. 

Elche ist aber nicht die einzige spanische Gemeinde, wo die Rechten und Ultrarechten regieren, das sind ungefähr 100 Gemeinden, darunter 30 Provinzhauptstädte. Auch in den Kommunen Palma de Mallorca und Gijón sollen Radwege abgebaut werden. Für viele in der spanischen Gesellschaft ist das Fahrrad ein reines Sportgerät. Im Allgag radeln - so die Auffassung - nur Ökos und Podemitas (Anhänger der linksalternativen Partei Podemos (was "wir können" heißt)), und die behindern dann den Fluss des Autoverkehrs in den Städten. Auch die Mittelklasse fährt nicht mit dem Rad zu Arbeit. 

Zwei Freiheitsbegriffe stehen sich hier gegenüber (ungefähr so wie bei uns auch): Die Freiheit mit dem Auto überallhin fahren zu können, ohne von Radler:innen gestört zu werden, und die Freiheit, das Verkehrsmittel selber wählen zu können und dafür auch sichere Wege  bereitet gestellt zu bekommen, etwa sichere Radwege und bequeme Fußgängerrouten. 

Ausgang ungewiss. 


11 Kommentare:

  1. Rdafhren ist doch eine Fortbewegungsform und kein politisches Statement. Nach Aussage von Statistiken haben nur 30% der Menschen in D ein Auto, also 70% müssen irgendwie anders von A nach B kommen. Eine Möglichkeit ist da das Fahrrad. Und wenn das mit dem Miteinander nicht funktioniert, brauchts halt Trennung. Fußgänger haben Gehwege, Eisenbahnen einen eigenen Gleiskörper und Straßenbahnen an den meisten Stellen auch einen eigenen Gleiskörper, nur bei Radwegen wird ewig rümgenörgelt. Kein Mensch regt sich über Gehwege, Straßenbahngleiskörper etc. aus, nur über Radwege.
    Das ist doch nicht normal. Es ist ein Verkehrsweg und kein politisches Statement.
    Karin

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    1. Stimmt, das ist nicht normal. Das Radfahren ist allerdings seit Beginn so etwas wie ein Angriff auf die Gesellschaft. 1820 wurde das Draisinefahren in Preußen verboten, weil die Studenten sich damit schnell vernetzen konnten (gewissermaßen das Internet auf zwei Rädern), um 1900 stand es für Freiheit und eine neuartige Bewegungsform. Dann sollten dem Auto die Straßen freigeräumt werden. Radfahren scheint bis heute etwas, was Fußgägner:innen und Autofahrende als Kritik an ihrem Lebensstil empfinden, auch weil es wie kein anderes Verkehrsmittel für die Freiheit aller steht, der Kinder, Jugendlichen, Frauen, derer, die kein Auto haben und keines Wollen, der Umweltbewegten und Naturnahen, derer, die die Welt verändern wollen. Vielleicht also doch nicht so verwunderlich, dass das Fahrrad in den Augen der Nicht-Radelnden mehr ist als nur ein Fortbewegungsmittel.

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    2. Viele von den 70 % können ein Auto der 30 % nutzen. Dann gibt es Europcar & Co. - es ist also ganz einfach!

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  2. "Nach Aussage von Statistiken haben nur 30% der Menschen in D ein Auto"

    Die Statistik ist genau umgekehrt. Zum KFZ-Bestand in D sagt das KBA Folgendes:
    "Flensburg, 4. März 2022. Der Bestand erhöhte sich im Vergleich zum Vorjahresstichtag um 850.000 Fahrzeuge und wies am 1. Januar 2022 rund 67,7 Millionen in Deutschland zugelassene Fahrzeuge auf (+1,3 %).
    Diese gliederten sich in rund 59,6 Millionen Kraftfahrzeuge (Kfz)..."

    Also 70% haben ein Auto, 30% keins. An der Tatsache, dass auch die 30% Anspruch auf Sicherheit haben, ändert das natürlich nichts.

    Der Diskurs, Radfahren sei ein politisches Statement, gehört auch zum rechten Kulturkampf. Und schlägt natürlich in genau die Outgroup-Diskriminierungskerbe der autofahrenden Bevölkerung. Jedes Argument populistische Argument, und sei es noch so dumm, ist dafür gut auf Wâhlerstimmenfang zu gehen.

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    1. Deine Rechnung stimmt auch nicht ;) Die Anzahl der PKW lässt keinen Rückschluss auf die Anzahl der Halter zu(Firmenflotten, Autovermietungen, Halter mehrerer KFZ, etc).
      Am 1. Januar 2023 waren in Deutschland rund 43,2 Millionen Personenkraftwagen auf private Haushalte zugelassen. Das sagt aber immer noch nicht, wie viele Autos pro Haushalt/Person. Denn auch hier gibt es einige mit mehr als einen KFZ, mein NAchbar hier mitten in Stuttgart hat 3, meine Nachbarin zwei.
      Von dem her ist die Annahme, 30% der Menschen in Deutschland haben ein Auto, wahrscheinlich gar nicht so arg von der Realität entfernt - zumindest näher dran als Deine ;)

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    2. Nein.
      Auch Firmenwagen z.B. stehen meist privat zur Verfügung, Bei Haltern mehrerer Kfz verteilt sich die Nutzung i.d.R. auf unterschiedliche Haushaltsmitglieder, etc.
      Da hilft kein künstliches Schönrechnen und Wunschdenken.
      Traurige Realität ist nunmal seit Jahrzehnten, dass die automobilisierte Gesellschaft erfolgreich die Mehrheit der Bevölkerung eingefangen hat und in den sich selbst verstärkenden Teufelskreis des Automobilismus hineingeziehen konnte.
      Abbau des destruktiven Automobilismus heisst (leider) bis auf Weiteres zugleich sich gegen die Mehrheit der gegenwärtigen Gesellschaft zu stellen.
      Es wäre aber nicht das erste Mal, dass (steter Tropfen höhlt den Stein) sich die Diskurshegemonie nach und nach infolge gesellschaftlicher Auseinandersetzungen verschiebt, und, nicht zuletzt aufgrund planetarer Notwendigkeiten, sich die jeweils aktuelle gesellschaftlich-ökonomische Praxis einer 'Einsicht in die Notwendigkeit' beugen muss, also alte dysfunktional gewordene Pfadabhängigkeiten sukzessiv aufkündigt.
      Wiederholte Rückschläge gehören da 'zum Geschäft', das ist quasi einzukalkulieren.
      Kann aber im 'worst case' auch sein, dass angesichts des aktuellen extremen Rechtsrucks fast aller 'westlichen Demokratien' der Rückschlag über unterschiedliche gesellschaftliche Bereiche hinweg derart verheerend wird (Kriege, Re-Faschisierung, verstärkte Rückkehr von Rassismus, Kolonialismus und Sozialdarwinismus, etc. etc. etc. etc. ... ) dass die Frage des Blechkistenwahnsinns nicht über gesellschaftliche Auseinandersetungen gelöst wird, sondern sich ganz 'handfest' über Fluten, Dürren, Hitzewellen, Hungerkatastrophen, Rohstoffkriege, ... ) selbst erledigt.
      Stichwort: Multikrise
      Alfons Krückmann

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  3. "Ideologie ist also sehr teuer."

    Stimmt. Das sehen wir gerade in Deutschland sehr eindrucksvoll.

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  4. Eine Viertelmilliarde für eine Pkw-Maut, die nie kam, 5 Milliarden Neuwagenkaufsubvention (Abwrackprämie), 8 Milliarden für den Tankrabatt etc.

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  5. Eine Diskussion, die ich gestern geführt habe und schnell zusammen gefasst meine Argumente:
    Du hast hier (Zuffenhausen) doch alle Freiheiten der Welt, kein Radfahrer hindert dich an der Parkplatzsuche, trotzdem brauchst du lange um dein Parkplatz zu suchen, und Häuser lassen sich leider ziemlich schlecht auseinander schieben. Wie? Du standest im Stau? Weshalb gab es denn Stau? An einer Straßenblockade oder ähnlichem lag es nicht? Radfahrer? Auch nicht! Ist ja komisch!
    Wäre es nicht geil, wenn die Menschen für die meisten Fahrten nicht ein Fahrzeug hätten, das weniger Platz bräuchte? Was gäbe es denn da nur? Tja, weiß auch nicht.

    Wenn man mal in die USA schaut: 16 spurige Autobahnen haben immernoch Stau, und Detroit ist sogar trotz Fahrzeugen wie dem Gran Tourino unter gegangen. Und genau das gleiche kann Stuttgart auch blühen...

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  6. Zum Freiheitsbegriff Autofahren:

    Niemand hat eine Heizung/Warmwasserbereitung zum Eigenbedarf, mit der er locker gleich 10 andere Häuser mitversorgen könnte, der Kaminkehrer würde das unterbinden. Auch alles andere ist mehr oder weniger effizient im Energieverbrauch, auf den jeweiligen Zweck hin optimiert (oder hat jemand einen Toaster mit 20 kW Anschlussleistung?). Nur beim Auto ist das anders. Denn nur wenige Prozent der eingesetzten Primärenergie dient dem eigentlichen Zweck, dem Transport von Menschen und Waren.

    Würde die EU auch nur einen winzigen Hauch ihres Engagements bzgl. Energiesparen auf den MIV lenken (siehe z.B. Glühlampenverbot), dann müssten die Verantwortlichen eigentlich einen Herzinfarkt erleiden.

    Der Freiheitsbegriff Autofahren ist eigentlich ein Freiheitsbegriff unendlicher Energieverschwendung. Ich bin gespannt, ob ich es noch erlebe, dass diese profane "Erkenntnis" zum ersten Mal öffentliches Thema wird. Momentan siehts nicht danach aus.

    Stefan, Fürstenfeldbruck, Bayern

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    1. lieber stefan,
      es ist durchaus so, dass es sinnvoll sein kann eine deutlich größere heizung einzubauen, mit der beispielsweise die nachbarin mitversorgt werden kann. dazu benötigt es allerdings ein aufwändiges, notariell beglaubigtes meldeverfahren. die pv der nachbarin wiederum kann nicht an die gemeinsame heizung angeschlossen werden, ohne ein energieversorgungsunternehmen zu gründen - einfach geht anders.

      auch toaster sind oft überdimensioniert. allerdings müssen sie, im gegensatz zur eigenen pv-anlage, nicht gesondert angemeldet oder mit einer aufwändigen schaltung versehen werden. sie werden auch nicht abgeregelt auf 70% ihrer peakleistung, um die netze vor spitzen zu schützen, auch wenn sich die jeweilgen leistungswerte ähneln.

      nun zum auto:
      das haus muss überzogene stellplatzforderungen erfüllen, auch wenn die bewohner fortschrittliche mobilitätsmodelle leben. das ist ungefähr so, wie wenn kinderlose ihre autos mit rücksitzbank nur mit nachweis von kitaplätzen zulassen könnten.
      und anstatt einer sofort verfügbaren, einfachen vehicle-2-home technologie, bei der die autobatterie als pufferspeicher für den eigenen ökostrom des hauses dient, und so die dunkelflaute lokal überbrücken hilft, schenken verantwortliche denen gehör, die von der illusion des grünen wasserstoffs fabulieren.

      ideologisches "h2-ready", statt sofort umsetzbares 2H.
      ein schelm, der böses dabei denkt.

      karl g. fahr

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