15. Oktober 2023

E-Räder und gute Infrastruktur helfen Frauen aufs Fahrrad

Pedelecs, auch E-Bikes genannt, erhöhen den Anteil von Frauen, die Fahrrad fahren. Und wo nur wenige Menschen Fahrrad fahren, ist der Anteil von Frauen noch einmal deutlich niedriger als der von Männern.

Das haben Forschende beim Blick auf Neuseeland ermittlt. Fehlt die Radinfrastruktur und müssen Menschen sich die Flächen mit einem starken Autoverkehr teilen und sich dort durchsetzen, sind eher männliche assoziierte Eigenschaften gefragt: eine gute Fitness, gute Radbeherrschung, Bereitschaft zum Schnellfahren und Risikotoleanz. Über diese Eigenschaften definieren sich deutlich weniger Frauen als Männer. Sie bevorzugen Radwege, die vom Autoverkehr getrennt sind oder deutlich weniger Durchsetzungsstärke erfordern. Wenn Frauen sich Pedelecs kaufen können, dann fahren auch deutlich mehr Frauen Fahrrad. Denn es macht das Radfahren unter Fitnessaspekten leichter. Sie müssen sich allerdings die Anschaffung teuer Pedelecs leisten können.

Die TU Dresden hat sich die Frage gestellt, ob Radfahren eine Gender-Frage ist.

Sie stellt fest, dass grundsätzlich weniger Frauen als Männer (in Deutschland 48 zu 52 Prozent) Rad fahren. Außerdem nutzen Frauen das Fahrrad eher gelegentlich und dann auch eher zum Einkaufen und Freund:innen Besuchen, während Männer tendenziell das Rad häufiger zu sportlichen Erholungsfahrten und für Fahrten zur Arbeit nutzen. Das hat auch bei uns in Deutschland viel damit zu tun, dass die Aufgabe zwischen Männern und Frauen ungleich verteilt sind. Frauen gehen immer noch öfter einkaufen und betreuen Familienmitglieder. Sie neigen dazu, die Wege, die sie machen müssen, effizient zu gestalten und erledigen auf einem Weg mehrere Dinge. Dabei haben Frauen mehr Angst vor den Folgen eines Unfalls als Männer. Sie bewerten den Straßeverkehr (mit oder ohne Radinfrastruktut) als unsicherer und gefährlicher als Männer das tun. 

Radinfrastruktur benachteiligt Frauen. Einig sind sich Männer und Fraun in einem Punkt: Sie wünschen sich dringend einen Ausbau der Radinfrastruktur. Allerdings denken Männer dabei eher an Fernradverbindungen und durchgängige radiale Hauptradrouten von der Peripherie ins Zentrum, während sich Frauen sich eher innerhalb des Stadtviertels und zwischen den Vierteln sichere und beqeme Radverbindungen wünschen.

Eine Untersuchung in Großbritannien kommt zu zu dem Schluss, dass Frauen im Straßenverkehr öfter verletzt werden als Männer. Das scheint damit zusammenzuhängen, dass Frauent weniger bereit sind, auf der Straße ein Fahrspur für sich allein zu beanspruchen, und deshalb leichter gegen den Bordstein oder parkende Autos abgedrängt werden. Sie werden in Deutschland auch öfter Opfer von Abbiegeunfällen. Bei Abbiegeunfällen - also wenn ein Lkw- oder Pkw-Fahrer nach rechts über einen Radweg hinweg abbiegt -, sind zu zwei Dritteln Radfahrerinnen die Opfer und 40 Prozent waren über 65 Jahre alt und meistens mit höchstens 15 km/h unterwegs, also langsam. Gleichzeitig tragen Frauen seltener die Schuld an Zusammenstößen mit anderen Verkehrsteilnehmenden.

Nicht nur der Begriff "Radfahrer" macht radfahrende Frauen unsichtbar, auch in der Fahrradwerbung kommen sie weniger vor. Schicke Räder sind hauptsächlich Diamanträder (früher Herrenräder genannt), die in den Medien immer noch mehrheitlich von Männern präsentiert und gefahren werden. Auch wenn die Angebote für Frauen stark zugenommen haben, sind Räder mit tiefem Einstieg immer noch die Stiefkinder der Fahrradindustrie. Schick, edel und teuer ist nur das Fahrrad mit Stange. Tiefeinsteiger (früher Damenräder genannt), werden inzwischen natürlich auch vermehrt an Männer verkauft, haben aber das Image von Damen- und Seniorenrädern. In der Regel wird uns auch immer wieder erklärt, sie seien instabiler als Diamanträder. Und schließlich stellen sich Leute, die über "rasende Radler" schimpfen dabei auch keine Frauen, sondern über den Lenker gebückte Männer vor. 

Obgleich fast so viele Frauen wie Männer in Deutschland Fahrrad fahren, laufen sie bei der Planung und Berichterstattung weitgehend unbeachtet mit. Um die "soziale Sicherheit" von Radrouten müssen sie kämpfen (Waldstrecken sind bei Nacht nichts für Frauen) und werden dann belächelt. Und dass man mit Kindern nicht über Fahrradweichen Autospuren kreuzt und nicht über Kreuzungen radelt, hinter denen die Radstreifen enden, kümmert die (männlichen) Planer immer noch nicht sonderlich. Unsere Radinfrastruktur in Stuttgart ist weitgehend für furchtlose Radfahrende gemacht, die mit komplizierten Streckenführungen und Mischverkehr mit Autos gut zurecht kommen. Die anderen - oft Frauen - weichen auf Gehwege aus, wo  sie dann Fußgänger:innen stören, oder fahren nicht Rad. 

13 Kommentare:

  1. Das zeigt, dass der Ansatz für das neue Radverkehrskonzept der Stadt Stuttgart mit den drei Ebenen Radschnellverbindungen, anderweitige Hauptradrouten und Freizeitverbindungen dringend um die Ebene des feingliedrigen Alltagsnetzes ("Stadtteilrouten" oder "Nebenradrouten") ergänzt werden muss, sonst ist es von Anfang an unzureichend.
    Ich sehe damit auch bestätigt, dass wir im ADFC Stuttgart mit dem Mapathon (s. stuttgart.adfc.de/politik) grundsätzlich auf dem richtigen Weg sind. Hier geht es darum, ein feingliedriges Netz für die Stadtbezirke zu erarbeiten.

    AntwortenLöschen
  2. Man sollte besser von Diamantrahmenrädern sprechen, Diamant ist eine Fahrradmarke aus Sachsen, die zu DDR-Zeiten dort eine große Rolle spielte.
    Räder mit Diamantrahmen sind in der Tat stabiler, d.h. verwindungssteifer, da sie das Konstruktionsprinzip der Triangulation (das überall wo es auf Stabilität bei gleichzeitiger Leichtigkeit der Konstruktion ankommt (Gitterträger-Brücken, Strommasten, der Eiffelturm...) angewandt wird.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Und Stabilität bedeutet in unserem Kontext Effizienz, was auch für Frauen von Vorteil ist.
      Beim Thema E-Bikes ist Effizienz zugegebenermaßen (und mAn bedauerlicherweise) in der Regel egal.

      Löschen
    2. Das spielt aber bei Alltagsrädern eigentlich überhaupt keine Rolle. Die werden - allemal von Frauen - nicht mit über 40 km/h gefahren. Deshalb finde ich das Argument auch nicht besonders wichtig, wenn es darum geht, welche Räder man Frauen als für ihre Bedürfnisse tauglich empfiehlt und verkauft.

      Löschen
    3. Wieso sollte das keine Rolle spielen? Im Gegenteil, gerade im Alltag ist es für Leute, die keine Rennfahrer sind interessant, mit möglichst wenig Aufwand möglich weit zu kommen.
      Warum sollte das nicht bereits bei Geschwindigkeiten von 15-20 km/h eine Rolle spielen. Und noch wichtiger, wenn man später müde wird, weniger schwitzt etc.

      Löschen
    4. Aber wie gesagt, wenn man einen Motor hinschrauben kann und auf einmal 250W mehr zur Verfügung hat, interessiert das sowieso niemanden mehr. Die Prinzipien des funktionellen Leichtbaus werden bei E-Bikes aus dem Fenster geworfen.

      Löschen
    5. Lieber Marmotte, es geht ja gerade darum, dass Frauen es mit Pedelecs leichter haben aufs Fahrrad umzusteigen, insbesondere jene, die sich nicht sonderlich für Fahrradtechnik, Rahmen, Bremsen und so weiter interessieren, sondern nur ein Ding haben wollen, das sie persönlich fahren können und wo sie leicht drauf und wieder runter kommen und die Lasten transportieren können, die sie transportieren wollen. Ich bin meine ganze Jugend mit einem Rad gefahren, das man heute Hollandrad nennen würde, dann habe ich ein Stangenrad mit Rennlenker gehabt, bei dem der Verkäufer mich als Frau allerdings so verachtet hat, dass er mir eines angedreht hat, das nur 8 Gänge hatte, dann habe ich das erste Flyer-Pedelec gehabt mit tiefem Einstieg. Und natürlich war es nicht so stabil beim Bergab-Sausen (mit mehr als 30 km/h, aber diese Geschwindigkeiten wollte und brauchte ich ohnehin nicht erreichen. Dafür aber konnte das Ding im Container auf dem Gepäckträger viel transportieren. Die Kriterien, die viele Menschen, darunter auch Frauen, an Räder anlegen sind andere, als du anlegst. Ist ja aber nicht schlimm. Und die Pedelec-Radelnden zu verachten, weil sie einen Hilfsmotor haben (klingt bei dir ein bisschen an), finde ich auch nicht hilfreich, denn wie der Artikel schon sagt: Gerade das Pedelec erschließt das Radeln für Menschen, die darin nicht den Sport suchen, sondern ein bequemes Transportmittel.

      Löschen
    6. Wir reden hier aneinander vorbei. Nichts für ungut.

      Löschen
    7. By the way, ich fahre ein Isy (Kompaktrad mit relativ tiefem Einstieg), das fährt auch bei Tempo 50 absolut stabil und präzise.

      Löschen
  3. Was die (männlichen) Planer betrifft: "Erst mal muss das mit den Autos" geklärt werden, also überall genug Platz für zwei sich begegnende Omnibusse und strikte Berücksichtigung der Hilfsfristen für Feuerwehr und Rettungsdienst (also kein Tempolimit). Was dann noch übrigbleibt - wenn überhaupt was übrigbleibt - steht für Zufußgehende und Radfahrende gleichermaßen zur Verfügung.

    Eine Gender-Berücksichtigung bei der Radinfrastrukturplanung ist daher außerhalb des Denkradius, weil ja noch nicht mal zwischen Zufußgehenden und Radfahrenden unterschieden wird. Das wäre wohl die "nullte" Voraussetzung für weitergehende, feingeistigere Planungsgedanken?

    Hier in Fürstenfeldbruck wird noch an dieser nullten Front gekämpft, leider ohne Erfolg. Mein innovativer Vorschlag, für die Erweiterung des Denkhorizonts bei solchen Planungen LSD- und Cannabis-Konsum zwingend vorzuschreiben, wurde leider nicht angenommen.

    Stefan, Fürstenfeldbruck, Bayern

    AntwortenLöschen
  4. Jörg
    Es ist wichtig das sich die Frauen auf den Fahrrädern sicher fühlen. Dann dürfen und müssen deren Kinder radfahren. Solange das Straßenradparken an Schulwegen noch wichtiger als sichere Schulwege sind wird das schwer. Es sollte bei der Wohnungssuche mal so werden, dass man sich überlegt in der Nähe einer Schule zu wohnen. Als leidenschaftlich Autofahrendes Wesen lieber nicht, wer die ruhige Straße mit ein bisschen Kindergeräusche am Tag mag zieht dort gerne hin.
    Zusammenhanglos sei hier gesagt: Frauen sind die besseren Männer.
    Zu den Unfällen mit LKW habe ich eine Erklärungsidee. Jungs und Männer finden Bagger und große Fahrzeuge toll, daher beschäftigen sie sich mit ihnen. In der Folge können sie die Laster etwas besser einschätzen und meiden im Zweifel den Gefahrenbereich. Da beobachtet man die tollkühnsten Radfahrer, die mit der Aussage "gegen einen Laster hast du keine Chance" hinter dem Laster bleiben.

    AntwortenLöschen
  5. Das Thema Frauen im Verkehr lässt sich noch weiter spinnen. Ich habe einen Bericht gesehen, das ging es u.a. um Angsträume (Frauen wissen, was das ist). Da hat eine Planerin erläutert, dass man das bei der Planung berücksichtigen muss und dass man bestehende Plätze umplanen und umgestalten muss. Wien scheint da Vorreiter zu sein. Es nennt sich geschlechtssensible oder geschlechtergerechte Planung. Dort macht man sich Gedanken, wer wie die Stadt nutzt und was er/sie dafür an Anforderungen hat. Man hat an verschiedenen Stellen versucht die Stadt "weiblicher" zu gestalten.
    Ich finde den Ansatz interessant. An einzelnen Stellen (in Wien) wurde das auch schon mit Erfolg durchgeführt. Man hat einfach die "Nutzer/innen" befragt, was sie möchten und hat dann auf dieser Basis umgestaltet.
    Sollte man sehr viel häufiger machen, mitdenken und die Wünsche/Vorschläge anderer berücksichtigen und nicht nur sammeln, abheften (Bürgerbeteiligung erledigt) und nach Schema F weitermachen.
    Karin

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Da versuche ich gerade, auch in Stuttgart hinzukriegen. Im Bereich öffentliche Sportanlagen für Frauen wird es jetzt immerhin eine Untersuchung geben, wie man das machen könnte. Beim Straßenverkehr gibt es zwar Befragungen von Frauen, die darauf hinaus laufen, dass dunkle und verwinkelte Parks und Unterführungen Angsträume sind. Man weiß, dass Unterführungen gerade gebaut sein müssen, keinen Knick haben dürfen, wo man nicht sieht, wer sich dahinter befindet. Aber neue Unterführungen wollen wir in Stuttgart ohnehin nicht bauen, die alten sind gruselig. Ich rede auch immer gegen U-Bahnen, vor allem weil die unterirdischen Endhaltestellen nachts um zwölf Horrorräume sind und Frauen sich nie wohlfühlen.

      Löschen